Edgar Allan Poe

Meister der phantastischen Erzählungen

Inhaltsangabe

Biographie

Edgar Poe wurde am 19. Januar 1809 in Boston ( Massachussetts ) geboren. Zwar war damals Boston die Hochburg des Puritanertums[1], doch dies hatte später keine großen Auswirkungen auf ihn und seine Werke.

Seine Eltern waren die Schauspieler David Poe jr. und Elizabeth Poe geborene Arnold.

David Poe jr. stammte von irischen Einwanderern ab und wuchs in Baltimore auf. Die Familie Poe war damals hoch angesehen, weil sich Edgars Großvater David Poe im Unabhängigkeitskrieg sehr verdient gemacht und nicht zuletzt eine bedeutende Rolle beim Sieg gespielt hatte. Er kam zwar aus Irland, doch trotzdem wurde er zu einem opferbereiten Patriot. Teilweise griff er auf das eigene Familienvermögen zurück um seine Truppen zu finanzieren. Er erreichte den Rang eines Majors, aber nachdem er 1814 im stolzen Alter von 71 Jahren aktiv bei der Schlacht von North Point mitwirkte, die britischen Invasionstruppen aus Baltimore verjagte, und so Amerika befreite, wurde er eine Legende und ging als "General Poe" in die Geschichte ein.

Elizabeth Poe

David Poe jr. entdeckte seine Leidenschaft für die Schauspielerei mit 19 Jahren und riß gegen den Willen seines Vaters aus um nach Charleston zu reisen und dort Theater zu spielen. Nach mehreren mißglückten Rückholversuchen seiner Familie begann er auch in größeren Theatern aufzutreten. Bei seinem ersten Auftritt vor Publikum konnte er jedoch nicht besonders überzeugen, weil er eine für das Theater unbrauchbare Stimme hatte. David Poe jr. kämpfte sich durch, aber blieb nur ein durchschnittlicher Schauspieler. Sein großer Ehrgeiz nützte ihm meist nichts. Aus diesem Grund verfiel er, genau wie später auch sein Sohn, dem Alkohol und litt sehr oft an schweren Depressionen.

Seine Frau Elizabeth Arnold, Edgars Mutter, war in schauspielerischer Hinsicht viel erfolgreicher (siehe Bild). Sie stammte aus einer britischen Schauspielerfamilie und war sozusagen auf der Bühne aufgewachsen und hatte im Gegensatz zu ihrem Mann eine vernünftige schauspielerische Ausbildung genossen. 1802 heiratete sie erst Charles Hopkins, der in Richmond ein bekannter Theaterproduzent war. Das Ehepaar Hopkins und David Poe jr. lernten sich bei einem Theaterauftritt kennen und befreundeten sich. Seitdem traten Elizabeth Hopkins und David Poe jr. meist zusammen auf. Während einer Tournee in Washington starb Charles Hopkins unerwartet und ließ die gerade mal 19 jährige Elizabeth Hopkins zurück.

6 Monate nach seinem Tod im Jahr 1806 heiratete David Poe jr. sie. Die Hochzeit fand in ärmlichen Verhältnissen statt und der Bräutigam musste sich von einem Freund Geld leihen um das magere Aufgebot bestreiten zu können. David Poe jr.s Vater hoffte immer noch auf eine Rückkehr, doch als er von der Heirat erfuhr, verstieß er seinen eigenen Sohn für immer aus seinem Haus und strich ihn aus seinem Testament. Das Ehepaar wurde sehr berühmt. Trotzdem lebte die junge Familie in Armut. Die Kritiker lobten David Poe jr.s Frau in den höchsten Tönen, aber für ihn gab es wieder nur mittelmäßige Kritiken.

1807 kam William Henry Leonard Poe ( Edgars älterer Bruder ) auf die Welt. Man brachte William Henry zur Pflege zu den Großeltern nach Baltimore, damit er seinen mäßig erfolgreichen Eltern nicht im Wege stand.

John Allan

Frances Allan

Kurz nach der Geburt des zweiten Sohnes (Edgar Poe) am 19. Januar 1809, verließ der Familienvater am Ende der Theatersaison die Familie plötzlich und ohne erkennbaren Grund und wurde seit dem nicht mehr gesehen. Elizabeth Poe, die zu diesem Zeitpunkt schon schwanger war, ging ihrem Beruf trotz des Kindes weiter nach. Edgar Poe musste als einjähriges Kind allein in der kleinen Wohnung bleiben wenn seine Mutter Theater spielte. Trotz des großen Erfolgs der jungen Schauspielerin verarmte die Familie immer mehr. Schließlich erkrankte Elizabeth Poe an Tuberkulose und konnte am Ende des Jahres 1811 das Bett nicht mehr verlassen. Die Theatergruppe, der sie angehörte, veranstaltete eine Benefizveranstaltung[2]um zumindest ihre materielle Not zu lindern. Im Sterben liegend suchte Elizabeth Poe Pflegeeltern für Edgar Poe, die sie im reichen Ehepaar Allan fand. Am 8. November 1811 ein Jahr nach der Geburt Edgars jüngerer Schwester Rosalie starb die 24jährige Mutter von drei Kindern qualvoll an Tuberkulose.

Der Tabakpflanzer John Allan und seine Frau Frances Keeling Allan (sieh oben) nahmen den 3 Jahre alten Vollwaisen auf. Der Grund für die inoffizielle (!) Adoption war wahrscheinlich nicht die Kinderlosigkeit des Paares. Es handelte sich eher um ein Symbol für das soziale Engagement des reichen Paares. In der damaligen High Society verhalf solch eine Aktion zu einem hohen Ansehen. Ich bin davon überzeugt, dass Poe dies merkte. Seine Erziehung war eine sachliche Ausbildung, die in der kalten Atmosphäre eines Internats stattfand. Von elterliche Wärme oder Zuneigung war wahrscheinlich nicht viel zu spüren. Dies hatte später einen bedeutenden Einfluß auf Poes menschenverachtenden Charakter. Trotzdem nahm Poe später den Namen seines Pflegevaters in seinen eigenen Namen auf und hieß somit Edgar Allan Poe. Das Ehepaar Allan kaufte eine Sklavin, die sich um Poe kümmern sollte. Sie sollte sich um den kleinen Edgar kümmern und ein Auge auf ihn haben. Übrigens hatte John Allan zwei uneheliche Kinder für dessen Unterhalt er insgeheim aufkam. Seine Frau wußte anscheinend nichts von den Kindern. Die Allans ließen sich es nicht nehmen die Beerdigungskosten von Edgars Mutter zu tragen. Trotzdem wurde sie nur auf einem Armenfriedhof in einem anonymen und unbeschriftetem Grab beerdigt.

Dieser Umstand inspirierte Poe wahrscheinlich später in einem Gedicht mit dem Titel: "The Valley of the Unrest" ("Das Tal der Unruhe") folgendes zu schreiben:

"...Ãœber Lilien, die so weich,

Wehend, weinend schaun herab,

Auf ein namenloses Grab!..."

1812 drohte dem Tabakkonzern der Allans der Bankrott als es nach Spannungen zwischen Britannien und den USA erneut zum Krieg kam. Plötzlich gab es keine Absatzmärkte für seine Waren mehr. Nachdem die britischen Truppen in Washington das Regierungsgebäude abfackelten, waren die USA 1814 zu einem Friedensvertrag auf der Grundlage des Status quo[3]bereit. Nachdem der Handel wieder begann machte Poes Pflegevater ertragreiche Geschäfte. Sein Privatvermögen stieg immens.

Zu dieser Zeit ging der fünfjährige Edgar Poe in die Grundschule in Richmond. Um neue geschäftliche Kontakte zu knüpfen siedelten die Allans 1815 mit Edgar nach England um. Poe wurde nach Irland zur Schule geschickt. Dort kam er aber nicht mit den körperlichen Strafen und der strengen Disziplin zurecht und bat seinen Pflegevater in London zur Schule gehen zu können. Schließlich besuchte Poe dort die Schule der Dubourgs im Londoner Stadtteil Chelsea. Nach eigenen Angaben erwarb er dort kein für ihn verwertbares Wissen, doch durch die Ausbildung in London war er in der Nähe seiner Pflegemutter zu der er eine starke Zuneigung empfand. Anscheinend prägte sich dadurch ein Frauenideal, dass seiner Pflegemutter entsprach und sich in seinen späteren Werken und Beziehungen niederschlug.

1817 wurde James Monroe Präsident der USA und mit ihm begann eine neue "Ära des Einvernehmens", die der Wirtschaft sehr entgegenkam. Wieder machte John Allan beträchtliche Gewinne. Poes Pflegevater hielt sich eher von Poe fern, dafür verhätschelte seine Frau ihn umsomehr. Der kleine Poe wurde bei den zahlreichen Empfängen der Familie Allan den Besuchern stolz präsentiert und Poe selber setzte sich meist selber in den Mittelpunkt. Nachdem der Tisch abgeräumt und das Dessert eingenommen war kam es manchmal vor, dass Poe mit Erlaubnis seines Vaters zum Amüsement der Gäste auf dem Tisch tanzte. Als Belohnung bekam er von seinem Vater schon als Kind regelmäßig verdünnten Wein zu trinken. Dadurch gewöhnte Allan seinen Sohn schon früh an den Alkohol, was Poe für seine späteren Alkoholexzesse vorbereitete. Schon damals hob sich Poes hervorragendes Gedächtnis hervor, das ihn dazu befähigte lange Passagen englischer und schottischer Literatur vorzutragen, die er vorgelesen bekommen hatte und dies bevor er lesen und schreiben konnte. Auch seine musikalischen Fähigkeiten waren sehr stark ausgeprägt, was dazu führte, dass er in seinen späteren Gedichten eine besonders komplexe Wortmelodik benutzte, die den Ausdruck der Gedichte unterstützte. Als er lesen gelernt hatte verschlang er alle Literatur (vor allem Englische), die er finden konnte und machte auf sein Umfeld ein sehr frühreifen Eindruck. Aus diesem Grund und dadurch, dass er sich selbst von seinen Schulkameraden abgrenzte, wurde er bald zum Außenseiter. Während der Schulzeit befreundete er sich nur mit einigen wenigen Gleichaltrigen. 1818 wechselte er in das exklusive "Manor House" Internat in Stoke Newington bei London auf dem er die Lehrer und Mitschüler mit seinem Intellekt erstaunte. Er lernte Latein und Französisch und beherrschte beide Sprachen schon mit zehn Jahren fast perfekt und war somit viel weiter als seine älteren Mitschüler. Der Direktor des Internats Reverend Bransby bezeichnete ihn als "intelligent, starrköpfig und eigensinnig".

Für Poes Charakterentwicklung spielten die Jahre auf diesem Internat eine bedeutende Rolle. Es traten oft Konflikte mit seinen englischen Mitschülern auf, die Poe dazu veranlassten sich zurückzuziehen. In Briefen an seine Pflegemutter beklagte er seine geistige Isolation. Aus diesem Grund begann er damit, sich in seine eigene Phantasiewelt zu flüchten. Das burgartig aussehende Internat beflügelte seine Phantasie und ließ ihn immer weiter in diese Welt abrutschen. Später beschrieb er in seiner Erzählung "William Wilson" das Internat und dessen Leiter Reverend Bransby mit autobiographischer Genauigkeit. Wie auch seine restlichen Werken schrieb er die Erzählung "William Wilson" aus der Ich-Perspektive.

Kurz gesagt geht es in der Geschichte um einen Mann namens William Wilson, der schon in frühster Kindheit von einem nichtmateriellen Phantom gejagt wird. Dieses Phantom verfolgt ihn während seiner gesamten Schulzeit und unbemerkt von den restlichen Schülern flüstert das Phantom ihm Ratschläge für einen Lebenswandel zum Besseren zu. Das Brisante an dieser Situation ist, dass das Phantom ein Doppelgänger William Wilsons ist. Am Anfang denkt Wilson es handele sich nur um eine Halluzination und das Phantom verschwindet nach der Kindheit so plötzlich wie es auftauchte. Nachdem William Wilson eine kriminelle Laufbahn einschlug wurde er in wichtigen Etappen seiner kriminellen Laufbahn von seinem Ebenbild heimgesucht. Wieder und Wieder versucht das Phantom erfolgreich William Wilson von kriminellen Handlungen abzuhalten und ihn zu bekehren. Als das Phantom ihn davon abhält Ehebruch mit einer Herzogin zu begehen packt Wilson sein Ebenbild wutentbrannt und duelliert sich mit ihm in einem imaginären Spiegel. Als sein Doppelgänger blutüberströmt im Sterben liegt spricht das Spiegelbild mit Wilson eigener Stimme zu ihm und sagt:

"Du hast mich besiegt, und ich weiche. Doch von nun an bist auch du tot - tot für die Welt, den Himmel und die Hoffnung! In mir hast du gelebt - nun sieh in diesem Abbild, das dein eigenes ist, wie unwiderruflich du dich selbst ermordet hast."

Mit diesen Worten endet die phantastische Erzählung, die an übermäßig vielen Stellen autobiographische Tatsachen enthält. Doch meiner Meinung wäre es nicht richtig William Wilson abgrundtief bösen Charakter als ein Abbild Poes auszulegen. In vielen anderen Werken kommen solche Gemeinsamkeiten zwischen den erzählenden Charakteren und Poe vor, doch es wäre falsch den teilweise verrückten und tief bösartigen Charakter der Erzähler mit Poes Charakter zu vergleichen. Ich glaube eher, dass Poe diese Gemeinsamkeiten als Stilelement benutzte um die Erzählungen intensiver wirken zu lassen. In der Erzählung "William Wilson" versuchte Poe wahrscheinlich mit dem Doppelgänger Wilsons das schuldige Gewissen, das nur im Unterbewußtsein agieren kann, zu personifizieren. Ich glaube er wollte auf diese Weise die moralischen Konflikte eines zwiegespaltenden Menschen aufzeigen.

Erst einmal zurück zum jungen Poe.

1820 begann wieder eine Wirtschaftskrise, die den Kaufmann Allan dazu zwang seine Investitionen in England aufzugeben und mit der Familie wieder in die USA zurückzukehren. Poe besuchte nun die Joseph Clark Schule in Richmond in der er wie auch schon in England zu den Klassenbesten gehörte. Einer seiner Lehrer schrieb in seinen Beurteilungen über ihn:

"Er war von ungewöhnlicher Selbstachtung, ohne Stolz, strikt gerecht, und korrekt in seinem Benehmen gegenüber seinen Kameraden. Seine natürliche und hervorstechende Eigenschaft schien mir sein enthusiastischer Eifer in allem, was er unternahm. Seine imaginären Kräfte schienen allen anderen Fähigkeiten vorauszugehen."

Auch seinem Lehrer fielen seine "imaginären Kräfte" auf, die sich später noch stärker entwickelten. Seine ersten lyrischen Versuche sind aus dem Jahr 1822 bekannt. Mit dreizehn Jahren schrieb er seine ersten Verse, die jedoch noch keine Aussage hatten.

"Last night with many cares and toils opress'd

Weary...I laid me on a couch to rest"

-

"Letzte Nacht, von vielen Sorgen und Mühen bedrückt,

Erschöpft...legte ich mich auf einer Couch zur Ruhe"

Bei diesem Gedicht zeigt sich wieder der Einfluß der englischen Romantik auf Poe, die er schon in der Grundschule bevorzugte.

Ich habe hier auch den englischen Originaltext angegeben, weil es im Vergleich zu der Übersetzung zeigt wie unzureichend man fremdsprachige Lyrik und vor allem die von Poe übersetzten kann. Bei der deutschen Übersetzung kommt die spezielle Wortmelodik, auf die ich schon zu Anfang hinwies, nicht zur Geltung. Aus diesem Grund gibt es von Poes Werken oft ein dutzend Übersetzungen, die versuchen seine Melodik ins Deutsche zu übertragen. Leider gelingt es keinem Übersetzer diese nicht zu unterschätzenden Bestandteile von Poes Literatur sinnvoll zu übersetzen und so würde ich dazu raten vor Allem Poes Gedichte auch im englischen Original zu lesen. Ein gutes Beispiel für diese Problematik ist Poes populärstes Gedicht mit dem Namen "The Raven" (" Der Rabe" ) auf das ich später noch zurückkommen werde. Das wohl wichtigste Wort dieses Stückes, das die primäre Rolle einnimmt ist "Nevermore". Wortwörtlich übersetzt bedeutet dieses Wort "Nimmermehr", doch viele Übersetzter meinen diese Übersetzung wäre nicht angemessen, weil es sich nicht der Klangassonanz[4]anpaßt. Einige Übersetzter benutzen den Kunstbegriff "Nie du Tor". Dieser Begriff paßt sich zwar der Klangassonanz des restlichen Gedichtes an, verwirrt dafür, weil die Bedeutung nicht die Gleiche ist. Ich persönlich würde zwar die Übersetzung "Nie du Tor" wegen des Klanges vorziehen, aber die Übersetzung "Nimmermehr" hat sich eingebürgert. Wie gesagt es gibt keine Universallösung und so muss man bei Poes Gedichten im Deutschen auf solche Besonderheiten verzichten oder das englische Original lesen mit dem Risiko, dass man das Gedicht nicht vollkommen versteht.

Doch erst wieder zurück zu Poes Jugend.

Zwar war der kleine Edgar sehr klug, aber trotzdem betrieb er dumme Jungenstreiche wie andere Jungen in seinem Alter auch. Einmal soll er sich als Gespenst verkleidet haben um die von John Allan geladene Gesellschaft zu erschrecken. Ein anderes Mal hatte er ein paar Hühner, die einem Friedensrichter gehörten, erschossen. Dafür wurde Poe von seinem Pflegevater kräftig durchgeprügelt, was seine Abneigung gegen John Allan noch bekräftigte. Mit 14 Jahren wechselte Poe auf die William Burke Schule. Dort wurden seine zahlreiche Talente besonders gefördert. So nahm er sehr oft an Theateraufführungen und an Gedichtrezitationen[5]teil. Poe brillierte aber auch in sportlichen Leistungen. Im Sommer 1823 schwamm er sechs Meilen lang der starken Strömung des James River entgegen. Noch Jahre später war er deshalb in Richmond berühmt. Poe war damals schon für seine offenkundige Neigung zu mehreren Mädchen und auch Frauen der Stadt bekannt. Schließlich verliebte er sich mit 14 in die wesentlich ältere Mutter eines Freundes. Jane Craig Stanard hieß sie, aber Poe nannte sie nur "Helen". Sie war Poes erste Liebe. Später schrieb er ein Gedicht mit dem Titel "To Helen" ("Für Helen"). Sie war der platonischen[6]Verehrung durch Poe durchaus nicht abgeneigt und sie unterstützte den frühreifen Jungen gerne. Die Beiden verband der Drang nach Perfektion in einer unvollkommenen Welt. "Helen" war zu dieser Zeit eine extrem starke Inspiration für Poe, die ihn in seinem Streben Künstler zu werden noch weiter bestärkte. Poes literarisches Vorbild war der englische Lyriker Lord Byron, der als Dichter des "Weltschmerzes" galt. Byron starb 1824 im Freiheitskrieg der Griechen gegen die türkische Herrschaft. Einen Monat später starb auch Poes verehrte "Helen" bzw. Mrs. Stanard an einem Hirntumor. Der Tod seiner ersten großen Liebe stürzte den 15 jährigen in schwere Depressionen und er geriet in Konflikte mit seinem sozialen Umfeld. Unter Anderem geriet er in einen intensiven Streit mit seinem Pflegevater. Poe entdeckte, dass John Allan seine gutmütige Frau betrog und schon mehrere uneheliche Kinder hatte. John Allan reagierte auf diese Anschuldigungen, die er verleugnete, äußerst heftig. John Allan schrieb nach dieser Auseinandersetzung einen Brief an Poes Bruder William Henry:

"In der Familie gilt er als nichtsnützig, mürrisch und unbeherrscht. Womit wir dies verschuldet haben, weiß ich nicht. Der Junge hat keinen Funken Zuneigung für uns, keine Spur von Dankbarkeit für alle meine Sorge und Liebe."

Hier zeigt sich wieder, dass John Allan Edgar nicht als seinen Sohn ansah sondern eher als ein "Haustier", das seinem Herrchen huldigen muss.

1825 starb John Allans Onkel und vererbte John sein beträchtliches Vermögen. Damit waren die finanziellen Probleme der Allans aus dem Weg und so gehörten sie zu den reichsten Familien des Staates Virginia. Im gleichen Jahr verliebte sich Poe in die 15jährige Sarah Elmira Royster, die er nur "Myra" nannte. Auch sie wurde Thema seiner Gedichte, doch sein Pflegevater lehnte diese Beziehung strikt ab, was die Kluft zwischen Poe und seinem Pflegevater noch weiter aufriß.

1826 wurde Poe in die Universität von Virginia in Charlottesville aufgenommen. Damals gehörte diese Universität, die von dem ehemaligen Präsidenten der USA Thomas Jefferson gegründet wurde, zu den exklusivsten und teuersten Amerikas. Zwar handelte es sich um eine Universität, aber die meiste Zeit verbrachten die Studenten mit Einladungen, Umtrünken, Spielen und Scherzduellen. Die akademische Ausbildung wurde eher in den Hintergrund gestellt. Jährlich kostete der Besuch dieser Universität mindestens 350 $, was für damalige Verhältnisse extrem viel Geld war. Poes eigentlich reicher Pflegevater gab ihm nur 110 $ mit und so war Poe fast mittellos im Studium. Poes Studienfächer waren Französisch, Latein und Italienisch in denen er seine Lehrer beeindruckte. Edgar, der nun in Finanznöten steckte, schrieb seinem Pflegevater einen Brief in dem er ihm seine Schulden genau vorrechnete und die Zahlung von 40 $ verlangte, damit er sein Studium beenden konnte. Allan schickte ihm widerwillig das Geld. Poe fing aus unerklärlichen Gründen an zu spielen und hatte Ende des Jahres 2.500 $ Schulden. Neben diesen finanziellen Sorgen kamen noch die nicht beantworteten Briefe an seine Freundin "Myra" dazu. Ihre Eltern fingen die Briefe ab und so bekam sie nichts von ihm mit. Schließlich verheirateten Myras Eltern sie mit einem Richmonder Patrizier. Als keine Antworten auf Poes Briefe kamen, litt er unter staken Depressionen und griff das erste Mal ernsthaft zum Alkohol. Sein Kommilitone[7]beschrieb Poes Trinkgewohnheiten:

"Er schluckte ohne das geringste Vergnügen den Inhalt des Glases, ohne Pause, bis der letzte Tropfen seine Lippen passiert hatte. Ein Glas jeweils war alles, was er vertrug, aber das reichte aus, um sein nervöses Naturell[8]in den Zustand stärkster Erregung zu versetzen."

Allan war über Poes Verhalten empört und bezahlte Poes Schulden und das Schulgeld für das nächste Jahr nicht. Aus diesem Grund musste Poe die Universität am Ende des Jahres verlassen.

1827 lebte Poe wieder bei seiner Pflegefamilie in Richmond. Schließlich versuchte er von seinem Vater unabhängig zu werden und bemühte sich um eine Arbeitsstelle. Die Firmen benachrichtigten Allan und so bekam Poe keine Arbeit und war weiter von seinem Vater finanziell abhängig. Darauf entbrannte ein fürchterlicher Streit zwischen den Beiden mit extremer Heftigkeit in dem Allan seinem Pflegesohn Faulheit und Trunksucht vorwarf. Am 19. März 1827 verließ Poe das Haus der Allans ohne einen Dollar in der Tasche und behauptete später sein Vater hätte ihn verjagt. Trotzdem bat Poe seinen Pflegevater in einem Brief ein letztes Mal um etwas Geld für einen Koffer und für eine Überfahrt nach Boston. Allan ignorierte diesen Brief und beantwortete ihn einfach nicht. Poe schlug sich bis Boston durch und versuchte dort erfolglos sein Geld mit Theater zu verdienen. Schließlich schrieb er anonym einige Gedichte, die zwar veröffentlicht wurden aber sich nicht verkauften und auch von den Kritikern nicht beachtet wurden. Poe, der kurz vor dem Verhungern stand, meldete sich schließlich freiwillig für fünf Jahre bei der Armee. Er sagte er wäre 22 Jahre alt ( in Wahrheit war er 18 ) und als Name gab er Edgar Allan Perry an. Poe hatte auch schon früher Pseudonyme[9]verwand. Einerseits, weil er so seinen Schulden entkam, andererseits um ein Spiel mit seiner Identität zu treiben, wie es in der englischen Romantik oft vorkam.

Nach seiner Grundausbildung wurde er nach Fort Moultrie auf Sullivans Island verlegt, wo er einer Batterie von Artillerie angehörte, die die Aufgabe hatten den Hafen von Charleston zu verteidigen. Diese wilde Insel inspirierte ihn später in "The Goldbug" ("Der Goldkäfer") eine detaillierte Beschreibung dieser Insel zu verwenden.

Währen seiner Zeit in Charleston lernte er William Drayton kennen, der ihn mit neuer Poesie bekannt machte. Weiterhin befreundete er sich mit dem Naturforscher Dr. Ravenel, der ihm zu einem sehr guten naturwissenschaftlichen Wissen verhalf.

Er fing an Gedichte zu schreiben wie zum Beispiel "Al Aaraaf" und "Sonett an die Wissenschaft". 1828 wurde er befördert und damit Versorgungsoffizier, doch trotz seines militärischen Aufstiegs versuchte er die Armee noch vor Ablauf der fünf Jahre zu verlassen um mehr Zeit für seine literarischen Neigungen zu haben. Er bat seinen Pflegevater um Hilfe, doch der antwortete nur, dass die Armee genau das Richtige für ihn sei. Später verbreitet Poe ein Gerücht, dass als "Poe-Legende" in die Geschichte einging. Er behauptet er hätte am griechischen Unabhängigkeitskrieg teilgenommen und einige Zeit in Rußland verbracht. Wie sich später herausstellte war dies auch nur wieder eines von Poes Spielchen, denn seinen militärische Laufbahn in der US-Armee wurde exakt dokumentiert. Im Dezember 1828 wurde Poes Batterie nach Fortress Monroe in Virginia verlegt. Dort wurde er 1829 zum "Seargent-Major" (Wachtmeister) befördert. Er versuchte nun nicht mehr die Armee zu verlassen sondern bewarb sich bei der berühmten Militärakademie "West Point" (siehe Bild unten). Nach langer Krankheit starb Poes geliebte Pflegemutter Frances. Ihr Mann musste ihr versprechen, dass sie Poe weiter unterstützen würde. Poe wurde währenddessen nicht in "West Point" aufgenommen und verließ mit der zögerlichen Hilfe seines Pflegevaters die Armee.

West Point

Im Entlassungsgutachten lobte Poes Vorgesetzter Colonel Worth ihn sehr und hofft, dass Poe wiederkehren wird. Der Streit mit seinem Pflegevater entflammte von Neuem. Poe wollte sein Gedichtband "Al Aaraaf" drucken lassen, doch sein Vorhaben scheiterte an der Knauserigkeit seines Pflegevaters. Poe lebte bei seiner Tante in Baltimore, wo er seine Geschwister und seine Großmutter wiedersah. Sein Bruder Henry litt nun auch an Alkoholismus. Im Dezember 1829 schaffte es Poe doch noch einige seiner Gedichte zu veröffentlichen und diesmal nahmen sich auch die Kritiker seine Werke vor. Er wurde in den höchsten Tönen gelobt und man bezeichnete ihn als "Genius". Doch wegen seines hohen Anspruches (er verwendete häufig Fremdwörter aus der römischen und griechischen Philosophie) verkaufte sich sein Band kaum. 1830 besuchte Poe die Allans und funkte seinem Vater wieder dazwischen, was ihn dazu veranlasste Edgar bei "West Point" einzuschreiben um ihn endlich loszuwerden. Poe wurde prompt aufgenommen und erlebte den extrem harten Drill in dieser Akademie. Fast alles war verboten und Poe blieb kaum noch Zeit um seinen literarischen Neigungen nachzugehen. Verbotenerweise fing Poe wieder an zu trinken und stellte sich wo er nur konnte quer. Es schmiedete Spottverse auf seine Vorgesetzten und machte wieder Schulden. Nachdem er mehrere Befehle verweigerte, wurde er vor ein Kriegsgericht gestellt und 1831 unehrenhaft entlassen. Sofort führte er Verhandlungen mit einem Buchverleger um ein neues Gedichtband herauszugeben. Poes Pflegevater wurde wieder Vater von zwei unehelichen Kindern, heiratete aber eine Frau von der er noch keine Kinder hatte. Somit hatte er schon vier uneheliche Kinder. Poe verstand sich absolut nicht mit seiner neuen Stiefmutter.

1831 herrschte in Europa und den USA eine Choleraepidemie, die ihn später dazu inspirierte die Horrorerzählungen "The Masque of the Red Death" ("Die Maske des roten Todes") und "King Pest" ("König Pest") zu schreiben. Poe zog nach New York und verfaßte dort sein zweites Gedichtband. Poe hatte sich während seiner Militärzeit von vielen Kadetten Subskribtionen[10]eingeholt. Poe erwägte kurz in die polnische Armee einzutreten, aber ließ schon bald wieder von seinem Vorhaben ab und lebte wieder bei seiner Tante in Baltimore, wo er sich mit seinem Bruder Henry ein Zimmer teilte. Dieser erkrankte, wie schon seine Mutter und Pflegemutter, an Tuberkulose. Edgar Allan Poe musste den Todeskampf seines Bruders bis zum letzten Moment miterleben. Diese schrecklichen Geschehnisse verarbeitete er in der Erzählung "The Facts in the Case of M. Valdemar" ("Die wahren Begebenheiten im Fall M. Valdemar"), auf die ich noch eingehen werde. Unter Anderem beschrieb er in diesem Werk den Leidensweg eines Tuberkulosekranken. Man glaubte erst er hätte die Informationen über diese schreckliche Krankheit einem medizinischen Fachbuch entnommen, aber dies war nicht der Fall. Poes Erzählung war sehr detailliert und beschrieb die Qualen eines Tuberkulosekranken sehr genau. Sein Bruder Henry vererbte ihm nur Schulden und Edgar Allan Poe drohte schon das Schuldgefängnis. Verzweifelt schrieb er seinem verhaßten Pflegevater einen Brief in dem er seinen Pflegevater mit Pa anredete und mit seinen literarischen Fähigkeiten bewegend versuchte sich noch ein letztes Mal Geld zu leihen. Allan zweifelte zwar an Poes Einstellung, aber schickte ihm trotzdem Geld und half ihm so für die nächste Zeit. Poe erkannte schließlich die Aussichtslosigkeit mit Lyrik Geld zu verdienen und wandte sich der Prosa zu. 1832 schickt Poe dem "Philadelphia Saturday Courier" eine Horrorerzählung mit dem deutschen Originaltitel "Metzengerstein". Er benutzte einen deutschen Namen, weil er bei dieser Erzählung von gothischen (also deutschen) Schauermärchen beeinflußt wurde. Zwar war dies eines seiner frühen Prosa, doch nach Meinug der Kritiker übernahm er seine erfolgreichen Qualitäten der Lyrik in die Prosa. Darunter sind, die Einheit der Komposition und des Klangs also seine Klangmelodik, seine Andeutungen auf das Übernatürliche, die Erhaltung der Spannung bis zum Schluß und der äußerst überraschende Höhepunkt der Geschichte. Poes Werke wurden nur anonym veröffentlicht, was seiner miserablen finanziellen Lage nicht viel weiterhalf. Die Zeitung veröffentlichte weiter seine Erzählungen und schon bald gehörte er zu den erfolgreichen aber armen Schriftstellern, die es in den USA zur genüge gab. Während dieser Zeit lernte er wahrscheinlich das Opium kennen. Damals war es noch frei erhältlich. Als "Laudanumtinktur" wurde es gegen Magen und Kopfschmerzen verwendet. Poe benutzte diese Droge, von der er sehr bald stark abhängig wurde, um seine Vorstellungskraft anzuregen. Wie auch schon in seiner Kindheit betrieb er eine Flucht aus der Realität in eine Phantasiewelt. Nun half ihm das Opium als Vehikel in dieses Exil. Er selbst bezeichnete das Opium verharmlosend als Bewußtseinserweiterung, die seine literarischen Inspirationen in ungeahnte Sphären bringen würden. In einem Großteil seiner Erzählungen finden sich seine Horrorvisionen wieder. In der Erzählung "The Domain of Arnheim" ( "Das Gut zu Arnheim" ) beschrieb er einen solchen Horrotrip sehr ausführlich. Viele Kritiker glauben, dass er auch während er schrieb unter dem Einfluß von Drogen stand. Dies ist meiner Meinung nach nicht der Fall. Poe nahm zwar oft Drogen doch stets trennte er dies von seiner Tätigkeit des Schreibens. Im selben Jahr also 1832 hatte Poe eine Affäre mit einer 17jährigen Nachbarstochter namens Mary Devereaux. Die Beziehung dauerte nur einige Monate. Nachdem sich Poe mit einigen alten Kameraden aus "West Point" betrank stritten sich die Beiden und trennten sich schließlich. Als Marys Onkel einen Brief an Poe schrieb, in dem er ihn beschimpfte und kritisierte, verprügelte Poe ihn auf schreckliche Weise mit einer Bullenpeitsche. Mary Devereaux schrieb später über ihn:

"Er verachtete unwissende Leute und mochte keine belanglose Plauderei. Er lehnte dunkelhäutige Menschen ab. Wenn er liebte, liebte er rasend. Obwohl er sehr zärtlich und gefühlvoll war, hatte er ein rasches, leidenschaftliches Temperament und war sehr eifersüchtig. Seine Gefühle waren intensiv, und er konnte sie nur wenig kontrollieren.

Er war nicht besonders im Gleichgewicht: er hatte zuviel Hirn."

Was Mary Devereaux beschrieb ist das typische Verhalten eines Drogensüchtigen. Zu ihrer letzten Bemerkung kann man nur sagen, dass Genie und Wahnsinn meist nicht sehr weit auseinander liegen. Die Jahre 1832-1833 waren besonders schlimm für Edgar Allan Poe und seine restliche Familie. Das einzige Einkommen kam von Poes Großmutter, der Witwe von "General" Poe. Poes Tante Marie Clemm arbeitete als Hauslehrerin konnte aber nur wenig zum Lebensunterhalt der Familie beitragen.

Erneut schrieb Poe einen Brief an seinen Pflegevater John Allan. Der Brief blieb unbeantwortet. Allan betrachtete Poes Briefe nur noch als lästig.

Poe nahm immer wieder an Literaturpreisen teil, doch meist verfehlte er den ersten Platz. Schließlich gewann er bei einem Literaturausschreiben des "Baltimore Saturday Visitor" den ersten Preis und mit ihm 75 $, die die materielle Not seiner Familie für eine Zeit linderten. Er gewann in den Kategorien bestes Gedicht und beste Kurzgeschichte. Die Begründung der Juroren lautete:

"Logik und Imagination sind in seltener Ãœbereinstimmung. Komplizierte Tatsachen werden analysiert - eine Entwirrung durch Indizienbeweise findet statt, die die Preisrichter gewinnt - eine Darstellung genauer wissenschaftlicher Kenntnisse - eine reine klassische Ausdrucksweise."

Wie man sieht hat Poe die zu anspruchsvolle Ausdrucksweise aufgegeben und löste sich somit leicht von der englischen Romantik.

Plötzlich brachte die Literaturzeitung, die auch schon den Wettbewerb veranstaltete, seine preisgekrönte Geschichte "MS-Found in a Bottle" ("Das Manuskript in der Flasche") auf die Titelseite und von einen Tag auf den anderen war Poe

berühmt - berühmt aber arm. Nun hatte er die Möglichkeit weitere Werke zu veröffentlichen. Zu dieser Zeit kam in ihm das erste Mal die Idee auf eine eigene Literaturzeitung zu gründen, doch im Moment hatte er noch nicht genug Geld um seinen Traum zu verwirklichen. 1834 erfuhr Poe, dass sein Pflegevater ernsthaft krank sei und vielleicht sterben würde. Als Poe das Haus der Allans betrat wurde er ohne es zu einem Gespräch kommen zu lassen wieder rausgeschmissen. Am 27. März 1834 starb Allan ohne seinen Pflegesohn noch ein letztes Mal gesehen zu haben. In dem kurz vor seinem Tod verfaßten wirren Testament wurde Poe nicht mit einem Wort erwähnt. Zwar erbten Allans uneheliche Kinder einen großen Teil seines Vermögens, aber seinem Pflegesohn, den er aufgezogen hatte vermachte er nicht einmal eine Erklärung. Poe versuchte seine vom Gesetz gegebenen Erbansprüche geltend zu machen, doch Poe wurde nie formal adoptiert und so stand ihm kein Heller zu. Aus Zorn und Unverständnis geriet er noch mit der Witwe Allans in Streit und so brach der Kontakt zu der Familie, die ihn aufzog und in die er sich trotz Allem integriert hatte, für immer ab. Poe machte auch dieser Niederschlag schwer zu schaffen und es stürzte ihn noch weiter in die Drogensucht. Poe hatte schon früh erkannt, dass man nur von der Schriftstellerei allein nicht leben konnte und so bemühte er sich immer wieder um "normale" Arbeit. Doch er fand niemanden, der ihn einstellen wollte, denn Poe hatte nichts außer Schriftstellerei gelernt. Ein Preisrichter des Wettbewerbs, den er gewonnen hatte, und Poe wurden nach seinem Sieg gute Freunde. Der Preisrichter, der ihn wo es nur ging unterstützte, hieß John P. Kennedy. Mit seinen Kontakten beschaffte Kennedy ihm sogar eine Stelle als Lehrer an einem Internat, doch Poe hatte wieder keinen Erfolg und wurde gekündigt. Trotz seiner zahlreichen Freunde in den hohen Kreisen verarmte er immer mehr. Auf eine Einladung seines Freundes John P. Kennedy hin antwortete Poe:

"Ihre freundliche Einladung zum Essen heute hat mich tief bewundert. Ich kann nicht kommen. Der Grund ist für mich sehr erniedrigend - meine Kleidung. Sie werden sich meine tiefe Demütigung vorstellen können, mit der ich dies enthülle - aber es war notwendig. Falls sie die Freundlichkeit besitzen, mir 20 $ zu leihen, kann ich Sie morgen besuchen. Andernfalls ist es unmöglich, und ich habe mich meinem Schicksal zu fügen."

In diesem Brief zeigt sich wie peinlich Poe seine Armut war, wenn er wegen seiner zerlumpten Kleidung einer Einladung nicht nachkommen konnte. Es hatte ihm mit Sicherheit viel Mühe bereitet einen guten Freund darum zu bitten ihm Geld zu leihen, doch ihm blieb nichts Anderes übrig. Kennedy half Poe natürlich finanziell, aber er stand ihm auch in der Bewältigung seiner künstlerischen Probleme bei. So empfahl Kennedy ihm wieder einige Werke im "Southern Literary Messenger" zu veröffentlichen. Dies schafft er auch problemlos, aber der Herausgeber der Zeitung merkte an:

"Es ist in diesem Stoff, wir müssen es gestehen, zu viel von deutschen Horror. Die Eindringlichkeit und Eleganz des Stils wird aber niemand bezweifeln. Hier zeigt sich

eine große Begabung mit einer hochentwickelten Formkraft."

Wie man sieht kritisiert er Poes Hang zum "deutschen Horror" also zu Gothik, denn für damalige Verhältnisse waren Poes Erzählungen extreme Gruselgeschichten. Diese Sensibilität für Schrecken lag daran, dass die Prosagattungen Horrorerzählung oder Horrorroman in der Form nicht existierten. Heutzutage jagen Poes Geschichten nicht jeden mehr Angst ein. Ich will nicht wissen was man damals von Stephen Kings Geschichten halten würde. Wahrscheinlich würde man ihm nachsagen er wäre vom Teufel besessen oder etwas Ähnliches. Doch ich möchte Poes "Horrorerzählungen" nicht mit heutigen "Horrorgeschichtchen" vergleichen. Er erzeugte anhaltende Spannung und Angst durch die extrem detaillierte Darstellung von menschlichen Ängsten und dessen Auswirkungen auf Geist und Körper. Poe brauchte keine Vampire oder andere Gruselmonster um Spannung zu erzeugen. Er vertraute auf die Unvollkommenheit des menschlichen Geistes. Seine Erzählungen sind meist logisch, rationell und nachvollziehbar aufgebaut, doch den Charakteren in Poes Erzählungen, die aus einer subjektiven Perspektive ihre Erlebnisse beschreiben, geschehen unerklärbare Dinge, die man durchaus in den Bereich des Paraphänomenalen also Übernatürlichen einordnen könnte. Ein sehr gutes Beispiel ist die Erzählung " The Tell-Tale Heart" ("Das verräterische Herz").

Ein Mann begeht einen extrem gut geplanten, systematisch und kaltblütig ausgeführten, aber sinnlosen Mord an einem alten Greis. Alles fängt damit an, dass der hochintelligente Mann nur aus Spaß mit dem Gedanken spielt jemanden zu töten. Schließlich steigert sich seine Selbstsicherheit in eine rasende Wut, die ihn dazu veranlasst seinen Plan auszuführen. Nur ein Schrei ist zu hören. Die Leiche versteckt er unter dem Fußboden. Der Mörder gerät geradezu in Ekstase wenn er darüber nachdenkt, dass er einen perfekten Mord begangen hat und dass man ihm absolut nichts nachweisen kann. Als am nächsten Morgen zwei Polizisten in das Haus kommen, die wegen des Schreies alarmiert worden sind, sagt der Mörder selbstsicher er hätte schlecht geträumt und im Schlaf geschrien. Die Polizisten schöpfen keinen Verdacht, aber kontrollieren trotzdem das Zimmer des Alten. Als die beiden Polizisten etwas mit dem Mörder plaudern, vernimmt der Mörder plötzlich ein dumpfes Pochen. Zuerst glaubt er es handele sich um sein eigens Herz, was durch die leichte Anspannung laut schlägt. Doch nach einiger Zeit wird das Geräusch immer lauter. Der Mörder kann sich die Herkunft des Geräusches nicht erklären und spricht immer lauter damit die Polizisten das Geräusch nicht hören. Das Pochen wird immer lauter und droht ihm den Verstand zu rauben. Und jetzt kann er auch den Ursprungsort erkennen. Genau von der Stelle, wo er die Leiche des Mannes unter dem Fußboden versteckt hat, stammt das Geräusch. Schließlich wird es unerträglich laut, aber die Polizisten hören es noch immer nicht. Für ihn gibt es keinen Zweifel der Alte lebt noch und wird ihn verraten. Sein Herz schlägt so laut, dass es die Polizisten bemerken müssen.

Plötzlich springt der Mörder auf schleudert einen Stuhl durch den Raum und schreit wie von Sinnen:

"Schurken! Verstellt euch nicht länger! Ich gestehe die Tat! Reißt die Dielen auf !

Hier! Hier! Es ist das grauenhafte Klopfen seines Herzens!"

Die Frage, die offen bleibt, ist ob der Alte wirklich noch lebt und ob sein Herz wirklich

so laut schlagen kann oder ob es das Geräusch nur Einbildung ist. Eine Einbildung die vom geplagten Gewissen, das sich im Unterbewußtsein versteckt, dem Mörder das Geräusch nur suggestiv assoziiert.

Mit Phänomenen wie diesen, die man dem menschlichem Geist zuschreiben könnte, erzeugt Poe eine besondere Spannung in seinen Erzählungen. Meiner Meinung nach gibt es heute keinen Schriftsteller, der noch auf diese einfache, aber höchst effektive Weise Angst erzeugen kann. Poe war natürlich nicht der einzige Schriftsteller, der sich damals mit Horrorerzählungen beschäftigte, aber er entwickelte eine besondere Mischung aus den gothischen Gruselmärchen und der englischen Romantik, die bis heute einzigartig ist.

"Muddy"

Nachdem der Chefredakteur des "Southern Literary Messenger" Poes Potential erkannt hatte, stellte er Poe eine Arbeitsplatz als Kritiker in Aussicht. Doch um die Stelle antreten zu können müsste er wieder nach Richmond umsiedeln. Poe nimmt das ertragreiche Angebot an, das ihn aus seinen finanziellen Nöten befreien würde. Er hatte vor, zuerst alleine nach Richmond zu ziehen um dort später seine Familie, die aus seiner Großmutter, seiner Tante Mrs. Clemm (siehe Foto) und seiner Cousine Virginia besteht, zu ihm zu holen. Kurz vor seiner Abreise starb seine Großmutter an Altersschwäche im für damalige Verhältnisse hohen Alter von 79 Jahren. Nun hatte die Familie kein Einkommen mehr, denn Poes Großmutter bekam nur noch eine kleine Rente, die die Familie über Wasser hielt. Aber nun war die Familie auf Edgars Erfolg angewiesen. Im Juli 1835 zog Poe also alleine nach Richmond wo er nun dem Beruf eines Redakteurs nachging. Dort traf er auch seine alte Liebe "Myra", mit dem bürgerlichen Namen Elmira Roster, wieder. Sie hatte zwar schon vor einigen Jahren geheiratet und Poe wußte dies auch, aber trotzdem betrübte ihn das Bild. Im Sommer des Jahres 1835 verfiel er immer wieder in Melancholie[11]und seine alten Feinde, der Alkohol und das Opium ergriffen ihn wieder. Als sich Poe schon Morgens beim Frühstück regelmäßig betrank und deshalb betrunken zu Arbeit erschien schmiß ihn sein Arbeitgeber nach mehreren Verwarnungen raus. Währenddessen versuchte Edgars Verwandter Neilson Poe Edgars Cousine Virginia bei sich aufzunehmen, damit seine Tante Clemm entlastet wird. Doch plötzlich schrieb Poe einen Brief an seine Tante in dem er seine Liebe zu seiner Cousine gestand:

"Ich liebe, Du weißt es, ich liebe Virginia voll leidenschaftlicher Hingebung. Ich kann in Worten die glühende Verehrung nicht ausdrücken, die ich für meine teure kleine Cousine empfinde - meinen einzigen Liebling. Doch was kann ich sagen; oh denke für mich denn ich bin unfähig zu denken! All meine Gedanken sind wie gelähmt von der Vorstellung, dass ihr Beide, Du und sie, es vorziehen werdet, mit Neilson Poe zu gehen; ich will's wohl ehrlich glauben, dass eure Bequemlichkeit fürs erste gesichert sein wird - ob Euer Friede aber auch, Euer Glück, kann ich nicht sagen."

Man beachte Edgar Allan Poe und Virginia waren reguläre Cousins und lebten schon seit drei Jahren zusammen. Anscheinend entwickelte sich aus Poes Sympathie für seine Cousine mit der Zeit ein Liebe. Wahrscheinlich spielten bei dieser Beziehung nicht nur Virginias körperliche Reize sondern auch der bewußte Inzest eine Rolle für Edgar Allan Poe. In der im gleichen Jahr herausgegebenen Erzählung mit dem Titel "Berenic" beschreibt Poe eine äußerst intensive inzestiöse Beziehung. Es lassen sich wie bei allen anderen von Poes Werken gewissen Parallelen zu seiner Person ziehen. Anscheinend faszinierte ihn die Vorstellung einer Inzestbeziehung, doch woher diese Faszination kam, ist nicht erklärbar. Im September 1835 reiste Poe nach Baltimore, um dort die Hochzeit zu bestellen, aber es gibt keine Beweise dafür, dass diese Heirat schon zu diesem Zeitpunkt stattgefunden hat.

Poes Ex-Chef White, der ihn wegen dem Alkohol rausgeschmissen hatte, gab Poe noch eine Chance unter der Bedingung, dass er die Finger vom Alkohol lässt. Poe versuchte es also noch einmal und zog mit seiner Verlobten und seiner Tante Clemm erneut nach Richmond. Poe riß sich zusammen und hatte sich binnen weniger Monaten zum wichtigsten Redakteur des "Southern Literary Messenger" hochgearbeitet. Er blühte in seiner Arbeit auf. Er hatte die Aufgabe alle eingegangenen Werke zu begutachten und falls sie ihm gut erschienen in der Zeitung zu veröffentlichen. Jeden Monat musste er aus den unzähligen Werken 20.000 Wörter für die Zeitung herauspicken. Doch trotz seiner Arbeit, die ihn eigentlich voll in Anspruch nahm schaffte er es eigene Erzählungen und Dramen zu schreiben. Durch seine aufopferungsvolle Arbeit wurde er bekannt und geachtet. Einer seiner Kollegen William Jacobs sagte über ihn:

"Für Poe war Schreiben eine Leidenschaft. Es war aber auch eine bittere Notwendigkeit."

Die bittere Notwendigkeit von der Jacobs redet war das Finanzielle. Poe verdiente 70 $ im Monat und konnte seiner Familie ein bequemes Leben ermöglichen. Das Problem war, dass es genau so schnell wie es Berg auf gegangen war auch wieder Berg ab gehen konnte und deshalb arbeitete Poe wie ein Besessener.

Im Jahr 1836 hatte er nur die Zeit einige wenige Erzählungen zu schreiben. Er schrieb nun auch Kritiken für den "Southern Literary Messenger". Sie wurden sehr hoch eingeschätzt, denn gegenüber manch anderer Kollegen verließ er sich nicht nur auf seine emotionale Meinung sondern er legte den Schwerpunkt auf den Inhalt und die Aussage eines Textes. Er analysierte den Text scharfsinnig und ließ sich nicht von moralischen Gesichtspunkten beeinflussen. Diese Art der Kritik war damals noch neu und zuerst gab es einige Stimmen die wiederum seine Kritikmethode kritisierten. Doch letztendlich äußerte sich die Befürwortung seiner sachlichen Methode indem sich die Auflage der Zeitung verdoppelte. Durch den intensiven Kontakt mit der zeitgenössischen Literatur und Kultur wurde er natürlich sehr beeinflußt. Doch anstatt die Stile der teilweise etwas inflexiblen Schriftsteller zu adaptieren mischte er aus den verschiedenen Richtung seine individuelle Note. Leider gab es wie immer auch einige kritische Stimmen, die ihn in einer Karikatur als "Kritiker Bulldogge" verspotteten. Dies legte sich mit der Zeit aber wieder.

Am 16. Mai 1836 heiratete Poe seine Cousine (damals war eine inzestiöse Ehe in den USA erlaubt). Um Komplikationen zu vermeiden gab Virginia ihr Alter mit 21 an wobei sie nur 13 Jahre alt war.

Nach der Hochzeit fuhr das Ehepaar in die Flitterwochen nach Petersburg. Es gilt als biographisch bewiesen, dass die Beiden nie eine sexuelle Beziehung hatten.

Während der zehnjährigen Ehe, lebte Edgar Allan Poe im strikten Zölibat. Er tat dies wahrscheinlich aus Respekt vor Virginias Jugend. Es gibt Spekulationen, die besagen, dass Poe durch den extremen Opiumkonsum impotent geworden war. Manche Psychoanalytiker glauben auch, dass Poe krankhaft auf seine Pflegemutter Frances Keeling Allan fixiert war. Poe entwickelte, wie ich schon schrieb, in seiner frühen Jugend ein Idealbild von Frau, dem auch seine Cousine Virginia entsprach. Doch wie alle anderen Spekulationen gibt es keine schlüssigen Beweise für diese Vermutungen.

Poe bewies auch schon mit der nichtsexuellen Liebe zu seiner verehrten "Helen", dass er zu einer engen Beziehungen nur auf platonischer Ebene fähig war.

Poe formte seine Frau nach seinem Idealbild. Zum Beispiel ließ Poe sie Harfe spielen lernen und bewegte sie dazu Gedichte zu rezitieren. Die Ehe verlief relativ gut, soweit das bei Poes Drogenkonsum möglich war.

Im Januar 1837 kündigt Poe seine Stelle beim "Southern Literary Messenger" und verließ Richmond im Februar Richtung New York.

Poe wollte dort beim angesehen Magazin "New York Review" arbeiten und so seine Existenz sichern. Trotz seiner Popularität schaffte er es nicht eine Stelle zu bekommen. Erst wohnten das Ehepaar Poe und Edgars Tante Clemm bei einem befreundeten Buchhändler. Um etwas Geld zu verdienen eröffnete Poes Tante Clemm eine Familienpension. Während seiner Zeit in New York schrieb er an seinem nächsten Werk mit dem Titel "The Narrative of Arthur Gordon Pym" ("Die seltsamen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym"). Poe spielte hier wieder mit der Identität seines Hauptcharakters. Es ist bestimmt kein Zufall, dass der Sprachryhtmus bei seinem Namen Edgar Allan Poe und Arthur Gordon Pym identisch sind .

Im Januar 1838 erschien die Erzählung schließlich. Wieder handelt es sich um eine Horrorerzählung nach deutschem Vorbild. Aber in "The Narrative of Arthur Gordon Pym" flossen das erste Mal Stilmittel des klassischen Seeromans und des Entdeckungsreisenreport ein. Anscheinend hatte er sich von seinem Freund

J.N. Reynolds inspirieren lassen, der schon mehrere Antarktisexpeditionen durchgeführt hatte. Poe verwendete sehr viele detaillierte Schilderungen und Beschreibungen wie sie normalerweise nur in wissenschaftlichen Reporten vorkommen. Er versah die Erzählung mit akademischen Fußnoten mit denen er den Eindruck von Authentizität noch verstärkte. Poe liebte es mit der Gutgläubigkeit seines Publikums zu spielen. Viele glaubten, dass es sich um einen authentischen Forschungsbericht handelte, doch dies war absolut nicht der Fall. Trotzdem hatte die Erzählung nur wenig Erfolg. Poe hatte sich ein höheren Gewinn vorgestellt, aber leider wurden seine Erwartungen nicht erfüllt und so zog er auf Empfehlung eines Freundes nach Philadelphia. Diese Stadt war damals das Zentrum für Literatur und dort herrschten ideale Bedingungen für erfolgreiche Veröffentlichungen.

Bild mit Frau in Tür

Im Jahr 1839 gab es dort den ersten literarischen Skandal um Poe. Er hatte das Vorwort und einige andere wichtige Texte in einem Schulbuch verfaßt. Nun behauptete ein anderer Verlag es handele sich nur um eine Abschrift eines anderen Buches. Poe widersprach dem zwar energisch doch der Plagiatsvorwurf[12]war durchaus berechtigt. Normalerweise hätte Poe bei einem solch offensichtlichen Plagiat niemals teilgenommen, aber er war wieder mal in Finanznöten und so konnte er sich seine Projekte nicht aussuchen. Nach vielen Bemühungen bekam Poe eine Stelle beim "Burton's Gentleman's Magazin". Schon nach drei Monaten wurde er zum Mitherausgeber der Zeitung und übernahm wieder ein Großteil der redaktionellen Arbeit. Poe schriebt nicht nur Kritiken für Romane und Gedichte sondern er zeigte auch seine allgemeines Interesse für wissenschaftliche und technische Errungenschaften. In dieser Zeit veröffentlichte er eine sehr erfolgreiche Erzählungen. Es war "The Fall of the House of Usher" ("Der Untergang des Hauses Usher"). In dieser grauenhaften Erzählung wird die Vorgeschichte zur Zerstörung des Hauses Usher erzählt. Unter Anderem verarbeitete er in dem Text auch seine Vorstellung einer inzestiösen Beziehung. Der Hauptcharakter der Erzählung ist Roderick Usher. Viele Biographen sind der Überzeugung, dass es sich bei diesem Charakter um ein Selbstportrait Poes handelt. Tatsächlich gibt es viele Parallelen, aber wie ich schon sagte sind diese Übereinstimmungen nur ein kleines Spielchen von Poe mit dem er seine mystische Aura erhalten wollte. Eine zeitgenössische Abbildung (siehe rechts) zeigt eine Szene aus "The Fall of the House of Usher".

Im Oktober des Jahres 1839 erschien seine zweite erfolgreiche Erzählung des Jahres mit dem Titel "William Wilson", die ich schon wegen ihrer autobiographischer Hintergründe anführte. 1840 kommt es zum Streit zwischen William E. Burton, dem Herausgeber des "Burton's Gentleman's Magazine" und Poe dem Zweitherausgeber. Es ging um den unangemessen kleinen Lohn für Poe. Als er auf seine energische Art und Weise ein höheres Gehalt forderte verkrachte er sich mit seinem Arbeitgeber und kündigte. Poes Traum eine eigene Zeitschrift herauszugeben gewann an Materie und er fing ernsthaft an eine solche Zeitschrift zu planen. In der Vorankündigung seiner Zeitschrift, die er "Penn" nennen wollte schrieb er:

"Der erste und hauptsächliche Zweck des geplanten Magazins wird es sein, jederzeit und über alle Gegenstände eine ehrenhafte und furchtlose Meinung zu haben. Es wird in Theorie und Praxis das Recht auf eine völlig unabhängige Kritik geltend machen; Kritik die sich nur an die reinen der Kunst hält, die diese Gesetze analysiert und darlegt, die sich von jeglichen persönlichen Vorurteil fernhält, die keinerlei Furcht zeigt außer der das Recht zu verletzen... Das Penn Magazin wird es unternehmen, die allgemeinen Interessen der Gelehrtenrepublik wahrzunehmen, ohne sich auf bestimmte Religionen festzulegen. Es wird die ganze Welt als Publikum des Autors betrachten. Den Bericht über Vorfälle jenseits des literarischen Bereichs wird es allerdings Berufener überlassen. Sein Ziel ist es, hauptsächlich zu gefallen - dies durch Vielseitigkeit, Originalität und Schärfe."

Aus dem Text kann man entnehmen, dass Poe eine andere Art von literarischen Magazin machen wollte. Zum Beispiel hatte er vor das Magazin auf internationaler Ebene zu veröffentlichen. Er legte sehr viel Wert darauf, dass Literatur nicht nach moralischen und starren Regeln bewertet wird sondern er wollte, dass man eine unabhängige vorurteilslose Kritik schrieb. Die erste Ausgabe des "Penn" sollte im Frühjahr 1841 veröffentlicht werden. Inzwischen schrieb er weitere Erzählung wie zum Beispiel

Kubins "Der Mann in der Menge"

"The Man of the Croud" ( "Der Mann in der Menge").

In dieser Erzählung betrachtet ein Cafébesucher den lebendigen Platz vor dem Café mit analytischen Gesichtspunkten. Schließlich sieht er einen Mann, der sich keiner sozialen Schicht und keinem Typus von Menschen zuordnen lässt. Alfred Kubin erzeugt diesen Effekt durch die überdimensionale Größe des Mannes (siehe rechts oben). Der Betrachter, der gewohnt ist Alles und Jeden identifizieren zu können, verfolgt den Mann in der Menge den ganzen Tag lang und kommt am späten Abend zu der Überzeugung, dass eine Verfolgung zwecklos ist:

"Dieser alte Mann, sagte ich endlich zu mir selbst ist die Verkörperung, ist der Geist des Verbrechens. Er kann nicht allein sein. Er ist der Mann in der Menge. Es wäre vergebens, ihm noch weiter nachzugehen, denn ich würde doch nichts von ihm, nichts von seinen Taten erfahren. Das schlechteste Herz der Welt ist ein abschreckenderes Buch als der Hortulus Animae[13]; und vielleicht ist es eine der großen Barmherzigkeit

Gottes,>dass es sich nicht lesen lässt<!? "

Poe war ein analysierender interpretierender Mensch genau wie der Beobachter in "The Man of the Croud". Poe zeigte dann aber direkt die Unvollkommenheit des menschlichen Geistes. Er beschreibt wie kläglich der Beobachter am Mann in der Menge scheitert. Er kann den alten Mann nicht zuordnen. Er vergleicht dies mit einem göttlichen Buch, das sich nicht lesen lässt. In der Erzählung zeigt sich wie Poe von dem gegenwärtigen Geschehen in der Welt beeinflußt wurde. In den Jahren nach dem Unabhängigkeitskrieg blühte die Wirtschaft in Amerika auf und so wuchsen die Städte. Diese Urbanisierung[14]ließ viele verschiedene soziale Schichten entstehen und dies hatte auch schon vorher in Europa viele Romantiker beeinflußt. Nun konnte man diese Entwicklung auch in amerikanischen Städten beobachten und Poe entschied, sich diesem Thema anzunehmen.

Poe hatte herausragende sprachliche Fähigkeiten, die ihn mit der Zeit zum Kryptographen[15]werden ließen. Er wollte seine kryptographischen Fähigkeiten unter Beweis stellen und forderte ein Wissenschaftsmagazin auf, ihm verschlüsselte Texte also Kryptogramme zu senden. Poe entschlüsselte fast drei Dutzend verschiedener Texte in verschiedenen Sprachen. Nur einen einzigen Text konnte er nicht entschlüsseln, aber selbst die besten Kryptographen der USA vermochten nicht an Poes Leistung heranzukommen. Poe schilderte in seiner berühmtesten Erzählung "The Goldbug" ("Der Goldkäfer") wie ein Charakter ein kniffliges Kryptogramm Stück für Stück enträtselt. Er beschrieb detailliert wie man aus einer ununterbrochenen Fülle von Zeichen, Symbolen und Zahlen mit einem analytischem Vorgehen den Text innerhalb einiger Stunden komplett lösen kann. Poe schrieb auch einige theoretische Aufsätze über die Kryptographie, die in der Fachwelt hoch eingeschätzt wurden. Wie schon gesagt hatte Poe ein universelles Interesse, dass auch über das Literarische hinwegreichte.

Sein beruflicher Erfolg färbte sich auch auf sein Privatleben ab. Zu dieser Zeit lebte Poe glücklich mit seiner Frau Virginia, seiner Tante Clemm und der Katze Catherina in einem kleinen idyllischen Haus am Ufer des Shuylkill River.

Sein Magazin "Penn" sollte eigentlich im Januar 1841 veröffentlicht werden, doch dank der allgemeinen Wirtschaftskrise bekam Poe keinen Bankkredit und verschob den Termin in den März. Doch auch dieser Termin konnte wegen finanzieller Hürden nicht mehr eingehalten werden. Poe wurde schließlich von William H. Graham dazu überredet in seiner Zeitung "Graham's Lady's and Gentleman's Magazine" als Redakteur zu arbeiten. Poes Jahresgehalt lag bei 800 $. Das hört sich vielleicht viel an, aber seine Kollegen bekamen beträchtlich mehr. Beispielsweise bekam Fenimore Cooper, der Autor des "Lederstrumpf", mehr als 1.800 $ im Jahr. Durch Poes Einwirken erhöhte sich die Auflage des "Graham's Lady's and Gentleman's Magazine" von 5.000 auf satte 37.000 Exemplare. Der Jahresgewinn betrug ca. 15.000 $ und Poe bekam davon gerade mal 800 $. Poes Ex-Chef Burton verbreitete das Gerücht Poe sei immer noch unrettbar alkoholabhängig. Dieses Gerücht schädigte Poes Image sehr, aber nach einigen Verleumdungsklagen von Seiten Poes gab Burton auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass Poe immer noch alkoholsüchtig war, ist hoch, aber man ist sich nicht sicher. Anscheinend beeinflußte sein Alkoholismus ihn nicht und so konnte er seinem Beruf weiter nachgehen. Zwar war Poe in seinem Beruf sehr stark ausgelastet, aber trotzdem schrieb er 1841 mehrere Essays, die sich mit der Kryptographie befaßten. Weiterhin machte ihm die Anwendung von Vernunft und Kalkül auf literarische Bereiche immer mehr Spaß. Es gelang ihm sogar das Ende von Charles Dickens komplizierten Roman "Barnaby Rouge" schon nach den ersten Kapiteln vorauszusagen.

Poe befaßte sich immer mehr mit dem Thema des analytisches Denkens. Dies bewegte ihn dazu eine völlig neue Gattung von Erzählungen einzuführen. 1841 veröffentlichte Poe seine meiner Meinung nach beste Erzählung. Sie trug den Namen "The Murders in the Rue Morgue" ( "Die Morde in der Rue Morgue").

Am Anfang der Erzählung schreibt Poe einen kurzen aber weitschweifigen Exkurs über das analytische Denken und dessen Voraussetzungen. Schließlich beginnt die eigentliche Erzählung, die ebenfalls aus der Ich-Perspektive geschrieben ist.

Der Erzähler lebt seit Jahren mit seinem engen Freund C. Auguste Dupin in Paris. Eines Tages lesen die Beiden in der Zeitung von einem Doppelmord in der Rue Morgue. Da sie beide Hobbykriminalisten sind gehen sie dem Mord nach und besuchen den Tatort. Poe beschreibt nun detailliert das analytische Vorgehen Dupins. Ein Problem bei dem Mord ist der Fluchtweg des Mörders. Alle von außen zugänglichen Fenster und Türen waren von innen verschlossen und so ist es eigentlich unmöglich, dass der Mörder irgendwie entkam. Die Polizei tappt wegen dieses Widerspruches im Dunkeln und will den Fall schon als unlösbar ad acta legen. Doch Dupin vollbringt eine intellektuelle Meisterleistung und findet einen Fluchtweg für den Mörder. Doch es gibt ein Problem: Kein normaler Mensch hätte den Fluchtweg über die wenige Zentimeter breite außen liegenden Fensterbank flüchten können. Letztendlich findet Dupin heraus, dass es sich nicht um einen konventionellen Mord handelte. Es klingt zwar unglaubwürdig und der Erzähler ist auch erst unsicher, aber Dupin findet heraus, dass der Mord von einem Gorilla ausgeführt wurde. Dieser Gorilla war einem Seemann entlaufen und kletterte in das Zimmer in dem schließlich der Mord geschah. Der Gorilla bekam Panik als er die beiden Menschen kreischend sah, geriet in wilde Raserei und tötete die Beiden auf eine schreckliche Weise.

Dupin der Hobbydetektiv aus der Erzählung ist der Urvater aller Detektive in unzähligen Kriminalromanen. Arthur Conan Doyles berühmter Detektiv Sherlock Holmes ist Auguste Dupin bis ins kleinste Detail nachgeahmt. Auch die Vorgehensweise des analytischen Betrachters wurde in unzähligen Kriminalromanen und von unendlich vielen Detektiven verwendet. Mit "The Murders in the Rue Morgue" beginnt das nächste Stadium in Poes Erzählungen. Bis ca. 1840 war sein einziges Thema der Horror und die Angst. Nach 1840 begann er diesen Horror mit verschiedenen rationalen Komponenten zu vermischen. "The Murders in the Rue Morgue" ist das beste Beispiel für diese Entwicklung, die von vielen Kritikern als positiv angesehen wurde. In dieser Erzählung beschrieb Poe wie Dupin durch rationales und logisches Denken die Unklarheiten des Mordes aufdeckt. Diese Unklarheiten werden sehr oft als mystische Wunder oder als Horror angesehen. Poe ließ seine Charaktere durch ihre hohe Intelligenz solche Wunder als rationell erklärbare Tatsachen entlarven. Der Trend Horror und rationelle Komponenten zu vermischen setzte sich weiter fort und wurde auch von anderen Schriftstellern dieser Zeit adaptiert.

1841 war das wohl erfolgreichste Jahr für Poe. Er stand im Zenit seiner Kariere. Seine Schulden waren getilgt und sein literarisches Schaffen wurde international anerkannt. Seine gutbürgerliche Existenz war praktisch gesichert und Poe hatte den Alkoholismus und die Drogensucht relativ gut unter Kontrolle. Doch 1842 zerstörte eine Tuberkuloseerkrankung das Glück des Ehepaares Poe. Virginia erlitt am 20. Januar plötzlich einen Blutsturz und wurde von Hustenattacken gequält. Zwar verbesserte sich der Zustand nach einigen Tagen wieder, aber anscheinend trat durch diesen Anfall eine Herzschwäche auf, die Virginia langsam schädigte. Poe erlitt nach Virginias Anfall einen schweren Schock. Er erkannte die Symptome der Tuberkulose. Poe hatte seine Mutter, seine Pflegemutter und auch seinen Bruder an Tuberkulose verloren und daher bezeichnete er diese damals fast unheilbare Erkrankung als das "schrecklichste Übel" der Menschheit.

Poe stand unter einem unvorstellbaren Streß und fing wieder mit der extremen Trinkerei an. Manchmal kam er nach exzessiven Saufereien für Tage nicht nach Hause. Der Hausarzt der Familie Poe riet ihm einen Erholungsurlaub zu machen um sich vom Druck zu befreien. Poe befolgte diesen Rat und es ging ihm auch etwas besser. Doch nach seiner Rückkehr fing er wieder mit dem Trinken an. Virginias Gesundheitszustand schwankte zwischen zeitweiliger Besserung und Rückfällen. Poe reiste nach zahlreichen Eskapaden durch die nähere Umgebung und wurde schließlich verschmutzt und halb verhungert in einem Waldstück aufgefunden. Natürlich belasteten Poes Ausschweifungen auch seine literarische Arbeit. Trotzdem veröffentlichte er einige Erzählungen, die aber seinen depressiven Gemütszustand deutlich widerspiegelten. Er befaßte sich auch mit der schrecklichen Krankheit seiner Frau. In der angsteinflößenden Erzählung "The Masque of the Red Death" ("Die Maske des roten Todes") personifiziert er die Krankheit als eine Gestalt die ungehindert und ungesehen jeden, überall und zu jeder Zeit befallen und töten kann.

Die redaktionelle Arbeit für das "Graham's Lady's and Gentleman's Magazine" litt immer stärker unter der Trunksucht Poes. Schließlich kündigte er die Stelle ohne das freundschaftliche Verhältnis zu seinem Verleger Graham zu zerstören. Weiterhin veröffentlichte Poe seine Werke im "Graham's Lady's and Gentleman's Magazine".

Poe versuchte wieder eine eigene Zeitung zu etablieren. Diesmal sollte sie "The Stylus" heißen. Im Januar 1843 erschien die Erzählung "The Tell-Tale Heart"

("Das verräterische Herz") auf die ich bereits eingegangen bin. Am 25. März trat Poes Projekt "The Stylus" in ein Stadium der Verwirklichung und wieder veröffentlicht er eine Vorankündigung, die der des "Penn" stark ähnelte. Er knüpfte Kontakte in hohe Regierungskreise um persönlich beim Präsidenten James Knox Polk um Subventionen für seine Zeitung zu bitten. Doch dieses Vorhaben wurde zu einem Fiasko. Poe betrank sich einen Tag vor dem Termin beim Präsidenten und ernüchterte erst Tage später. Seine Freunde in der puritanisch geprägten Regierung, die Alkohol verabscheuten brachen den Kontakt zu Poe ab und auch die Geldgeber für Poes Magazin sprangen ab. Nachdem er sich im Suff mit einem Spanier prügelte und einige Wunden davontrug, kehrte er am 13. März 1843 aus Washington nach Philadelphia zurück. Dort verfaßte er Entschuldigungsschreiben für seine Freunde in Washington. Trotzdem scheiterte sein Vorhaben eine eigene Zeitung zu veröffentlichen wieder. Poe fiel in schwere Finanznöte zurück und musste sich seinen Lebensunterhalt zusammenbetteln. In dieser Zeit entstand eine der besten Erzählungen Poes. Er nahm im Juni 1834 an einem Wettbewerb des Magazins "Dollar Newspaper" teil und gewann mit seiner Erzählung "The Goldbug" ( "Der Goldkäfer") den ersten Preis. Diese Erzählung gehörte zu seiner Reihe "Tales of Ratiocination" ("Erzählungen des Rationalismus").

"The Goldbug" ist typischerweise eine Erzählung aus der Ich-Perspektive.

Der Erzähler besucht seinen alten Freund William Legrand, der mit seinem abergläubischen Sklaven namens Jupiter auf einer kleinen Insel nahe Charleston lebt. Dort wird der Besucher Zeuge einiger wunderhafter und mysteriöser Vorfälle. Legrand, der ein begeisterter Insektensammler ist, hatte auf einem Streifzug durch eine benachbarte Insel einen seltsam aussehenden Käfer gefunden. Die Farbe des Käfers war Gold und der Panzer des Käfers glänzte auch auf die Weise wie sonst nur Gold glänzt. Auf dem Rücken des Käfers ist ein Gebilde zu sehen, dass man mit viel Phantasie als einen Totenkopf identifizieren könnte. Legrand zeigt seinem Freund den Fund und macht einige wirre Bemerkungen über einen Schatz. Legrand wirkt auf seinen Freund desorientiert und der Erzähler glaubt schon Legrand wäre wahnsinnig geworden. Trotzdem folgen der Erzähler und Jupiter den Anweisungen Legrands und besorgen eine Schatzgräberausrüstung. Schließlich fahren die Drei auf eine kleine dicht bewaldete Insel. Dort führt Legrand einige höchst seltsame Rituale auf. Er befiehlt Jupiter auf einen Baum zu klettern und durch das linke Auge eines auf dem Baum hängenden Schädels den Käfer herunterfallen zu lassen. Von der Stelle aus, auf die der Käfer gefallen ist macht Legrand wieder einige undurchschaubare Rituale, die seine beiden Freunde an seinem Geisteszustand zweifeln lässt. Doch schließlich deutet Legrand auf eine Stelle im Waldboden und fordert seine Freunde dazu auf an dieser Stelle zu graben. Zur Überraschung aller Beteiligter finden sie eine Truhe. Nachdem die Truhe geöffnet ist, zeigt sich den Schatzsuchern ein Haufen von Gold, Diamanten und Juwelen. Als die drei Neureichen wieder auf Legrands Insel zurückgekehrt sind, erklärt Legrand seinem verblüfften Besucher wie er den Schatz finden konnte. Kurz nachdem er den goldenen Käfer gefangen hatte, fand Legrand ein Pergament mit einem chiffrierten Text. Nun beschreibt Legrand wie er diesen Code Stück für Stück entschlüsselte. Poe, der ein professioneller Kryptograph war, schildert wie man ein Chiffre entschlüsselt. Legrands Ausführungen sind extrem präzise und auch für den Laien gut nachvollziehbar. Nachdem Legrand das Chiffre entschlüsselt hat, entpuppt sich der Text als eine Anleitung zum Auffinden eines Schatzes. Dieser Schatz wurde von einem Piraten namens "Kidd" vor mehreren hundert Jahren irgendwo an der Atlantikküste vergraben, damit er diesen Schatz später wieder finden kann. Dazu kam es nicht mehr und erst Legrand fand die Karte zufällig wieder. Legrand machte sich also einen Spaß daraus seine Freunde zu verwirren. Anstatt ihnen von vornherein in seine Schatzsuche einzuweihen spielt Legrand seinen Freunden den geistig Verwirrten vor. Die Drei teilen den Schatz unter sich auf und somit endet die Erzählung.

In "The Goldbug" treten Poes spezielle Erzählelemente besonders klar auf. Jupiter und dem Erzähler kommt Legrands Verhalten sehr mysteriös vor, doch dieser Irrsinn entpuppt sich nur als ein kleines Spielchen Legrands. Genauso ist es mit dem codierten Pergament. Jedem Laien würde das von Legrand gefundene Chiffre als unlösbar erscheinen, wobei jeder normale Mensch diesen Code mit Hilfe einer rationellen Vorgehensweise leicht lösen könnte.

Mit "The Goldbug" erntete er sehr viel Lob und auch seine finanziellen Nöte waren für einige Zeit vergessen. Die Erzählung war so gut, dass sogar eine Theaterfassung geschrieben wurde. Am 8. August 1843 wurde das auf 4 Personen erweiterte Stück im Walnut Street Theatre mit mäßigen Erfolg uraufgeführt. Kurz danach erschien Poes aufregende Geschichte "The Black Cat" ("Die schwarze Katze"). Es handelt sich um eine gruselige Erzählung, die dem Leser in die Seele eines sadistisch veranlagten Menschen sehen lässt.

Ein Mann mißhandelt seine schwarze Katze namens Pluto auf Schrecklichste. Unter Anderem stößt er im Suff der Katze ein Auge aus. Der Mann beschreibt seine Gedankengänge bei den Taten sehr genau und an einer Stelle wird seine kranke Logik besonders klar.

"Wer hat sich nicht selbst schon hundertmal dabei erwischt, dass er etwas Niederträchtiges oder Törichtes einfach nur darum tut, weil er genau weiß, dass er es nicht tun sollte."

Schließlich hängt der Betrunkene seine Katze an einem Baum auf. Am nächsten Morgen wird sich der Ernüchterte seiner Tat bewußt und will diese vertuschen in dem er eine Katze kauft, die genauso aussieht wie seine erste und auch nur ein Auge hat.

Während eines Wutanfalls versucht der Mann wieder seine Katze mit einem Beil zu töten. Doch blind vor Wut tötet er seine geliebte Frau, die den Angriff auf die Katze abwehren wollte. Kühl und berechnend mauert er die Leiche seiner Frau in die Wand des Kellers ein. Die Katze verschwindet nach diesem Vorfall und der Mann denkt sie wäre für immer geflüchtet. Einige Tage nach dem Mord kommen zwei Polizisten die von den Nachbarn wegen eines Schreies alarmiert wurden. Die Polizisten durchsuchen die gesamte Wohnung und auch den Keller. Der Mann ist sich hundertprozentig sicher, dass die Polizisten nichts finden können, denn er hat die Leiche sorgfältig eingemauert. Die Polizisten durchsuchen also auch den Keller und finden wie erwartet nichts. Der Mörder ist so selbstsicher, dass er aus purer Prahlerei an die Wand klopft hinter der er die Leiche seiner Frau eingemauert hat. Plötzlich ertönt ein Geräusch aus dem Versteck der Leiche und veranlasst die Polizisten dazu die Mauer einzureißen. Den Anwesenden zeigt sich ein schreckliches Bild. Die Leiche liegt hinter der Mauer. Auf ihr sitzt der kreischende Kater, der den Mörder verraten hat.

"The Black Cat" zählt zu Poes kürzesten, aber konsequentesten Horrorerzählungen.

Er beschreibt die Gedankenzüge eines sadistischen Psychopathen mit psychoanalytischer Genauigkeit. George Orwell, der mit dem Buch "Animal Farm" später berühmt wurde, sagte einmal über diese Erzählung, dass sie nahezu von einem Verrückten geschrieben sein könnte.

Diese direkte Darstellungsweise der kranken und perversen Gedankengänge verarbeitete Poe auch in einer essayartigen Erzählungen mit dem Titel "The Imp of Perverse" ("Der Geist des Bösen"). Auch "The Black Cat" brachte ihm wieder etwas Geld ein, doch diese Erzählung war lange nicht so erfolgreich wie "The Goldbug".

1844 hielt Poe einen sehr erfolgreichen Vortrag in Baltimore. Dieser Erfolg ließ den Traum eines eigenen Magazins wieder aufflammen. Poe wußte, dass das Konzept seiner ersten beiden Zeitungen nicht realisierbar war. Also entwicklete Poe eine neue Idee. Er hatte vor mit vielen anderen amerikanischen Schriftstellern eine unabhängige Zeitung zu gründen. Doch trotz vieler Interessenten blieb dieser Gedanke wieder nur ein Traum. Dies und der schwankende Gesundheitszustand Virginias veranlassten ihn wieder dazu zum Alkohol zu greifen. Seine Alkoholsucht war zwar schon lange kein Geheimnis mehr, doch im puritanischen Philadelphia geriet Poe immer öfter ins Kreuzfeuer. Auch in literarischen Kreisen geriet er immer wieder mit seinen Kollegen in Konflikt. Diese beiden Probleme veranlassten ihn dazu mit seiner Frau nach New York überzusiedeln.

Seine Tante Clemm, die er "Muddy" nannte, musste er leider zurücklassen, weil er nicht genug Geld auffingen konnte. Sie blieb also vorerst zurück um Poes kleine Bibliothek aufzulösen und mit dem Ertrag nach New York zu folgen.

Poe schrieb kurz nach seiner Ankunft in New York an seine zurückgebliebene Tante Clemm einen Brief indem er freudig davon erzählte, dass es ihm und vor allem seiner Frau sehr gut ginge. Er schrieb zwar, dass er noch etwas Geld zusammenkratzen muss um eine Existenz aufzubauen, aber stolz berichtete er, dass er noch keine Tropfen Alkohol angerührt hatte. Poe, der bester Laune war, verübte einen Streich wie ihn die amerikanische Literaturszene noch nicht erlebt hatte. Ich habe ja schon beschrieben wie Poe sich einen Spaß daraus machte mit der Gutgläubigkeit der Menschen zu spielen. Zu dieser Zeit war die Ballonfahrt sehr populär und man folgte den Expeditionsberichten in den Zeitung sehr aufmerksam. Poe schrieb also eine rein erfundene Erzählung mit dem Titel "The Atlantic crossed in Three Days" ("Atlantik in drei Tagen überquert"). Er fand humorvolle Redakteure bei der Tageszeitung "New York Sun". In der Samstagsausgabe erschien die authentisch wirkende Erzählung und sorgte für einen unvorstellbaren Andrang an den Zeitungskiosken und am Gebäude der "New York Sun". Nahezu alle Leser glaubten die Geschichte, obwohl es für damalige Zeiten eine Sensation war mit einem primitiven Heißluftballon in der unglaublichen Zeit von drei Tagen den Atlantik zu überqueren. Man muss bedenken, dass eine Transatlantikschiffahrt damals mehrere Monate dauerte und so wäre eine solche Ballonfahrt eine phänomenale Leistung a la Columbus gewesen. Die Leser wurden natürlich einige Tage später von der "New York Sun" darüber informiert, dass es sich nur um eine "Zeitungsente[16]" handelte. Auf diese Weise wurde Poe auf einen Schlag bekannt, aber dies half ihm auch nicht viel bei der Suche nach einer festen redaktionellen Arbeit. Poe versuchte sich also weiter als freier Autor. Als es im Sommer 1844 in New York sehr heiß wurde sah Poe die Gesundheit seiner Frau gefährdet und verließ deshalb New York vorerst um ein idyllisches Haus am Hudson River zu mieten. Wie erwartet, besserte sich der Gesundheitszustand Virginias und der damit verbundene Alkoholkonsum von Edgar Allan Poe ebenfalls. "Muddy" (seine Tante Clemm) erkundigte sich bei allen New Yorker Zeitungen und fand schließlich beim "New York Evening Mirror" eine Stelle für Edgar. Seine Aufgabe war es die Wochenendbeilage "Weekly Mirror" herauszugeben. Am 8. Februar 1845 veröffentlichte er im "New York Evening Mirror" ein Vorabdruck seines erfolgreichsten und populärsten Werkes überhaupt.

Das Gedicht mit dem Titel "The Raven" ("Der Rabe") machte ihn über Nacht in ganz Amerika und England schlagartig berühmt. Ich erwähnte dieses fabelhafte Gedicht schon um auf Poes einzigartige Klangmelodik, die über ein einfaches Gedicht weit hinausgeht, hinzuweisen. Man muss dazu erwähnen, dass selbst für ein literarisches Genie wie Poe ein solch komplexe Klangsystematik sehr schwer aufzustellen war. An "The Raven" arbeitete Poe geschlagene drei Jahren. Natürlich machte er immer wieder lange Unterbrechungen um sich seinen anderen literarischen Neigungen zu widmen, doch dieses Gedicht war eine Herausforderung für ihn.

Das sehr lange Gedicht handelt über ein Mann, der nachts in seiner Bibliothek sitzt und

ein klopfen hört. Der Mann öffnet die Haustür kann aber niemanden entdecken. Nun

pochte jemand an das Fenster. Der Mann öffnet es und ein schwarzer Rabe fliegt in die Bibliothek hinein. Der Rabe setzt sich auf eine Pallasbüste[17], die über der Tür auf einem Regal steht. Der Mann spricht mit dem Raben und fragt was er bei ihm verloren hätte. Der Rabe antwortet mit dem Wort Nevermore"("Nimmermehr" oder "Nie du Tor"). Der Mann wundert sich, dass der Rabe sprechen kann. Er meint eine Seele in der Stimme zu erkennen, was ihn geradezu ängstigt. Der Mann wird zornig und schreit den Raben an, weil er

Rabe auf Buch sitzend

von den Blicken des Raben geradezu bedrängt wird. Poe schrieb:

"Seine feuerroten Augen wühlten mit das Innerste empor."

Der Mann schreit den Raben wieder an und will, dass er verschwindet. Der Rabe antwortet immer nur mit "Nevermore". Der Mann bekommt immer mehr Angst und glaubt der Rabe sei ein dämonisches Wesen, dass aus der Hölle geschickt wurde. Der Rabe thront auf der Büste. Die letzte Strophe des Gedichtes lautet:

"Und der Rabe rührt sich nimmer,

sitzt noch immer, sitzt noch immer

Auf der blassen Pallasbüste,

die er zum Thron erkor.

Seine Augen träumen trunken

wie Dämonen traumversunken;

Mir zu Füßen hingesunken

droht sein Schatten tot empor.

Hebt aus Schatten meine Seele

je sich wieder frei empor? -

Nimmermehr - oh, nie du Tor!"

Dieses Gedicht war damals sehr angsteinflößend und Barret Browning eine englische Dichterin schrieb:

" ,The Raven' hat eine Sensation hervorgerufen - einen Ausbruch von Horror hier in England. Einige meiner Freunde sind gepackt vor Furcht und einige von der Musik der Verse. Ich habe von Personen gehört, die durch das "Nevermore" verfolgt werden."

Poe war unbestreitbar eine Meisterleistung gelungen, aber einige Kollegen kritisierten die erkennbare Konstruirtheit des Gedichtes. Es mag stimmen, dass Poe dieses Gedicht so konstruierte, dass die Angst des Mannes auf den Leser übergeht. Aber diese Wirkung ist das Außergewöhnliche an diesem Gedicht. Wie Barret Browning schrieb löst das "Nevermore" bei sensiblen Leuten sogar Angst aus. Kurz nach dem Erscheinen von "The Raven" verfaßte Poe ein theoretisches Essay mit dem Titel "Die Philosophie der Komposition". Er beschrieb genau wie er durch die spezielle Klangmelodik die einzigartige Wirkung auf den Leser erzeugt. Die Schriftsteller, die vorher die Konstruirtheit des Gedichtes kritisierten, waren von Poes genialen Ausführungen schwer beeindruckt. Poes "Die Philosophie der Komposition" avancierte zu den Standardwerken aller Schriftsteller. Viele von ihnen übernahmen einige von Poes neuartigen Ideen. Poe wurde durch "The Raven" in allen englischsprachigen Länder berühmt und nach seinen eigenen Angaben genoß er diese Popularität in vollen Zügen. Prompt wurden ihm mehrere Stellen angeboten. Schließlich bekam Poe einen Redakteurposten beim "Broadway Journal". Er wurde sogar mit einem Drittel am Gewinn der Zeitung beteiligt. Doch er geriet in Streit mit seinem Mitteilhaber und diese Auseinandersetzung wurde mit der Zeit zu einer öffentlichen Schlammschlacht. Letztendlich litt Poe schon beinahe an Verfolgungswahn und witterte hinter jedem Freund einen Feind. Er fing an auf Kritiken extrem empfindlich zu reagieren und die vielen Parodien trafen ihn schwer. Viele Freunde wendeten sich daraufhin von Poe ab.

Wieder packte ihn der Ehrgeiz und Poe arbeitete oft 14 - 15 Stunden am Tag. Er wandte sich einem neuen Thema zu. In den Erzählungen "Some Words with a Mummy" ("Einige Worte mit einer Mumie") und "The Facts in the Case of M.Valdemar" ("Die wahren Begebenheiten im Fall M.Valdemar") war das Hauptthema der sogenannte "Mesmerismus"[18]. Der Mesmerismus befaßt sich mit der damals sogenannten Magnetisierung (Hypnose) von Menschen. Poe legte die Erzählung "The Facts in the Case of M.Valdemar" als eine authentisch wirkenden Bericht an und er erzählte die Geschichte aus seiner eigenen Perspektive.

Valdemars Gesicht

In der Erzählung spielt Poe einen Wissenschaftler, der sich mit dem Phänomen der Magnetisierung (Hypnose) beschäftigt. Ein alter Freund Poes mit dem Namen Valdemar schreibt einen Brief an ihn in dem er Poe bittet an sein Sterbebett zu kommen. Valdemar leidet an Tuberkulose im Endstadium und er wird sehr bald sterben. Als er bei Valdemar ankommt bittet Valdemar Poe, ihn kurz vor seinem Tod zu Magnetisieren. Valdemar hofft auf diese Weise den Qualen des Todes entgehen zu können. Die Ärzte geben ihm noch höchstens einige Stunden und stimmen deshalb dem Experiment Poes zu. Er magnetisiert Valdemar also und schon nach einigen Minuten fällt Valdemar in einen tiefen tranceartigen Schlaf. Valdemar überlebt gegen die Diagnose der Ärzte die Nacht. Als Poe am nächsten Morgen wieder an Valdemars Sterbebett kommt findet er ihn in unveränderten Zustand vor. Poe versucht mit ihm Kontakt aufzunehmen. Valdemar antwortet mehr hauchend als sprechend:

"Ja - ich schlafe jetzt - wecken Sie mich nicht auf - lassen Sie mich sterben."

Poe entscheidet ihn nicht aufzuwecken und in diesem Zustand zu belassen. Alfred Kubin (1877-1959) zeichnete eine Illustration zu dieser Szene (links). Zur Verwunderung der Ärzte lebt Valdemar noch mehrere Wochen. Dass heißt, wenn man noch von Leben sprechen kann. Die Ärzte können nur noch den extrem flachen Atem erkennen. Der Puls ist nicht mehr fühlbar. Poe, der über Valdemars Zustand auch sehr überrascht ist, versucht noch einmal mit Valdemar Kontakt aufzunehmen. Er antwortet kaum hörbar:

"Ja - nein - ich habe geschlafen und jetzt bin ich tot."

Die Anwesenden weichen erschrocken zurück. Sie glauben zwar, dass Valdemar nur Irrsinn spricht, aber alleine die Vorstellung, dass man ein während des Sterbens hypnotisierten Toten weiter vegetieren lassen kann ist geradezu beängstigend. Schließlich entscheidet Poe Valdemar aus der Magnetisierung zu lösen. Nach einigen Minuten ist Valdemar wieder bei normalen Bewußtsein. Plötzlich hören die Anwesenden eine gräßliche Stimme aus Valdemars Mund, die nicht von einem Lebenden kommen kann.

"Um Gottes Willen! - Schnell, schnell ! - versetzen Sie mich wieder in Schlaf! Oder - Schnell - erwecken sie mich - schnell! Ich sage Ihnen, dass ich tot bin."

Nach diesen schrecklichen Worten zerfallen Valdemars Ãœberreste in eine schleimige eitrige Masse.

Diese Erzählung endet sehr grausam und die gesamte Handlung ist auch

sehr kurios. Poe schaffte es wieder die Leser zu verwirren und viele glaubten die Erzählung wäre authentisch, doch dies war absolut nicht er Fall. Poe nutzte aus, dass Hypnose damals noch wissenschaftliches Neuland war und durch seine medizinischen Beschreibungen wirkte die Erzählung sehr real. In den Jahren 1845-1846 schrieb er mehrere Werke, die er in die "Reihe des Grotesken[19]" einordnete. Dieses Thema war damals gerade in Mode und Poe beschäftigte sich ebenfalls mit solchen Phänomenen.

Gegen Ende des Jahres 1845 übernahm er das "Broadway Journal" als Alleinherausgeber. Daraufhin sprang ein Teilhaber ab und forderte seinen Anteil am Betriebskapital. Die Zeitung stand kurz vor der Pleite und Poe schämte sich nicht an seine Freunde Bittbriefe zu schreiben in denen er sie mit seinen stilistischen Fähigkeiten beeinflußt. Der Streß unter dem Poe zu diesem Zeitpunkt stand war für seine angegriffenen Gesundheitszustand nicht gerade förderlich und er fing wieder mal an sich dem Alkohol hinzugeben. Poe stand jedoch weiter im Mittelpunkt der Literaturszene und viele seiner Kollegen wollten ihn kennen lernen. Vor allem Frauen wurden von Poes düster-dämonischen Charisma angezogen. Der gesundheitliche Zerfall seiner Frau Virginia trieb ihn dazu sein Bedürfnis für Zuneigung und Zärtlichkeit bei anderen Frauen zu befriedigen. Besonders eng war die Beziehung zu der Dichterin

Frances Sargent Osgood. Seine Frau tolerierte die platonische Beziehung zu Osgood. Die Öffentlichkeit reagierte mit Unverständnis und Poes Beziehung zu Osgood wurde zum Skandal. Poe versuchte sich daraufhin von seinen "Sternenschwestern", wie er sie zu nennen pflegte, zu trennen. Schließlich kam es sogar fast zu einem Duell mit dem Bruder einer solchen "Sternenschwester". Poe konnte sich gerade noch mit Hilfe eines unbekannten Manövers dem Duell entziehen. Kurz nach diesen skandalträchtigen Monaten forderten Poes Freunde ihr Geld wieder zurück. Poe der absolut "blank" war, konnte seine Schulden nicht zurückzahlen und seine Zeitung "Broadway Journal" ging

endgültig Pleite. Trotzdem hielt er einige Kontakte mit der New Yorker Literaturszene aufrecht. Poe, der zu einem guten Kenner der Szene zählte, nutzte sein Wissen aus und schrieb fast 38 Literatenpotrais, die auch negativ ausfielen. Mit dieser Aktion machte er sich sehr viele Feinde. Wieder begann eine Schlammschlacht, Poe gegen den Rest. Dieser "Krieg der Literati" deckte Poes Laster gnadenlos auf. Sein Alkoholismus und seine Drogensucht wurden aufgedeckt und sein, von außen gesehen, unmoralisches

Liebesleben sorgte für Unruhe. Poe entwickelte Mißtrauen gegen enge Freunde und witterte überall Angriffe auf seine Persönlichkeit. Poes negative Eigenschaften wuchsen

durch den Streß und die kränkliche Konstitution weiter an. Unter diesen Umständen entstanden nur einige Werke. Diese Werke, wie zum Beispiel die Erzählung "The Cask

Virginia

Augen offen

of Amontillado" ("Das Faß von Amontillado"), spiegelten Poes Rachebedürfnis deutlich wieder. In der Erzählung schilderte er wie ein man einen ausgeklügelten Racheplan in sadistischer Weise in die Tat umsetzt. Poe, der nun von allen Seiten bedrängt wurde, verließ New York und zog in eine recht kleine Vorstadt, wo er etwas Ruhe fand. Zwar fand Virginia auch etwas Ruhe, doch die Tuberkulose schritt weiter fort und Ende des Jahres 1846 wurde sie schließlich bettlägerig. Als auch die Öffentlichkeit von Virginias miserablen Zustand erfuhr, kehrten alle plötzlich zu Poes Seite zurück. Diese Menschen hatten Poe einige Monate vorher in den Ruin getrieben und er wehrte sich erst gegen diese Hilfe. Schließlich überwand er seinen Stolz und ließ sich und seiner Frau helfen. Poes Werke wurden nun auch übersetzt und ernteten international Erfolg. Im Januar 1847 verschlechterte sich Virginias Gesundheitszustand rapide. Am 29. Januar versammelten sich die engeren Freunde Poes um Virginias Sterbebett. In der folgenden Nacht starb Virginia im Alter von 24 Jahren unter großen Qualen. Poe stellte mit Schrecken fest, dass kein Bild von Viginia existierte. Poe ließ eine Aquarellskizze malen (rechts oben), die den Kopf der Toten zeigte. Später ließ er das Bild retuschieren und Virginias Augen öffnen. Da es in der näheren Umgebung keinen Friedhof gab wurde Virginias Leiche auf Poes Schreibtisch aufgebahrt. Am kalten und regenreichen 1. Februar wurde Virginias Leichnam beerdigt. Bei der Rückkehr in sein Haus brach Poe zusammen und musste die nächste Woche gepflegt werden. Als Poe diesen Zusammenbruch überstanden hatte realisierte er erst, wie ihm seine Frau und ihre Liebe fehlte. Die erste Hälfte des Jahres war Poe sehr geschwächt und er überstand die Nächte nur wenn ihn seine Tante Clemm bewachte. Schließlich wurde ein Arzt hinzugezogen, der eine schwere Herzschwäche diagnostizierte. Die Ärzte glaubten weiterhin, dass eine Seite des Gehirns geschädigt worden sei. Man gab Poe verschiedene Mittel die seine Körperfunktionen stimulieren sollten. Aber durch Poes stetigen Alkoholkonsum und seine Drogensucht reagierte sein Organismus sehr schlecht auf diese Mittel und sie lösten zeitweiligen Wahnsinn aus. Überraschenderweise überwand er diesen schweren Anfall und war nach einigen Wochen wieder bei vollem Bewußtsein. Im August 1847 reiste er wieder nach Philadelphia zurück um seine geschäftlichen Kontakte wieder zu erneuern. Dies gelang ihm aber nicht. Durch diesen erneuten Frust und den damit verbundenen Streß griff Poe wieder zum Alkohol. Der Alkohol wirkte durch Poes angegriffenen Gesundheitszustand noch extremer und er sah bald selber ein, dass er den Alkoholkonsum einschränken müsse. Den Rest des Jahres verbrachte Poe sehr ruhig und fernab von dem Kulturbetrieb. Er veröffentlichte nur zwei Gedichte, darunter befand sich auch das Gedicht "Ulalume" indem er sich mit dem Tod seiner Frau auseinandersetzte.

Im Jahr 1848 fing Poe wieder an zu arbeiten und veröffentlichte das "Prosagedicht" "Heureka". In dieser Mischung aus Prosa und Lyrik versuchte Poe seine Einstellung zur Sicht der Welt und des Kosmos zu verdeutlichen. Poe wurde von den Wissenschaftlern Johannes Keppler und Isaac Newton angeregt, die damals revolutionäre Veränderungen am veralteten Weltbild vornahmen. In diesem sehr schwer zu verstehenden "Prosagedicht" wollte Poe seine Meinung über das Verhältnis der Wissenschaft zur Intuition wiedergeben. Er befaßte sich mit ethischen Grundsatzfragen die damals im wissenschaftlichen Bereich plötzlich aufkamen. In der Intellektuellenszene wurde Poes "essayartiges Prosagedicht" hoch eingeschätzt und dies veranlasste ihn dazu eine sehr erfolgreiche Lesung unter dem Motto "Kosmogenie[20]des Universums" zu veranstalten. Poes wahrscheinlich von den Eltern vererbtes schauspielerisches Talent machten den Vortrag zu einem großartigen Erlebnis für die Teilnehmer. Poes weibliche Anhängerinnen in der Literaturszene, die er nur "Sternenschwestern" nannte, bedrängten ihn teilweise sogar persönlich und diese Art von Popularität fand er nicht besonders wünschenswert. Während dieser Zeit entwickelte Poe ein mehr als freundschaftliches Verhältnis zu seiner Krankenschwester Mrs. Shew, die zuerst seine verstorbene Gattin und danach auch ihn gepflegt hatte. Aber zum Leidwesen Poes lehnte Mrs. Shew die Verehrung strikt ab, weil sie wie Poes andere Bekanntschaften auch den Klatsch und die skandalhungrige Öffentlichkeit fürchtete.

Poe hatte Virginias Tod nun überwunden und machte wieder mehrere kurze und Verwirrung stiftende Damenbekanntschaften und fing auch mal wieder mit dem Trinken an. Im betrunkenen Zustand provozierte er seine zweite Duellaffäre. Ein alter Freund und Arbeitskollege, den er häufig traf, machte ebenfalls im Suff eine sehr beleidigende Äußerung über Poes damalige Geliebte. Poe forderte sofortige Satisfaktion[21]. Poes Gegenüber legte darauf zwei Duellierpistolen auf den Tisch. Poe erkannte den Ernst der Lage und war klug genug sich rauszureden. Später am Abend wurden die Beiden gesehen, wie sie wohlgelaunt eine Bar aufsuchten. Während des Jahres 1848 gewann Poes Beziehung zu einer gewissen Mrs. Whitman immer mehr an Bedeutung. Sie war die perfekte Frau für Poe. Sie entsprach auch dem Frauenideal das er hatte. Unter Anderem war sie eine relativ gute Dichterin und verschrieb sich der bildenden Künste. Ihr äußeres Aussehen, dass seinem Idealtyp "Kindfrau" entsprach, war ein weiterer Grund für Poes starke Zuneigung.

Am 21. September 1848 machte Poe ihr einen Heiratsantrag. Mrs. Whitman bat jedoch um etwas Bedenkzeit. Poe war von ihrer Reaktion so verwirrt, dass er sogar einen Selbstmordversuch unternahm.

Er schluckte normalerweise tödliche Mengen der opiumhaltigen "Laudanumtinktur". Zwar hätte diese Überdosis jeden normalen Menschen sofort getötet, aber durch Poes jahrzehntelangen Drogenkonsum war sein Organismus an solche Mengen gewöhnt. Poe bekam lediglich rasende Kopfschmerzen und die normalen Drogenauswirkungen zu spüren. In diesen Zustand der wahnsinnigen Erregung kehrt Poe zu seiner Angebeteten zurück und konnte sie schließlich am 14. November dazu überreden den Heiratsantrag anzunehmen. Doch sie stellte die Bedingung, dass Poe nie mehr zum Alkohol greift. Kurz vor der Hochzeit hielt Poe noch eine Lesung vor mehr als 2.000 Leuten. Auch diesmal wurde der Vortrag ein großer Erfolg.

Zwei Tage vor dem Hochzeitstermin weigerte sich Helen Whitman Poe zu heiraten. Helen war enttäuscht über Poes Alkoholkonsum, den er trotz seines Versprechens nicht zügelte. Weiterhin erfuhr Helen, dass sich Poe zu einer anderen Frau auch hingezogen fühlte und ihr immer noch Liebesbriefe schrieb. Poe, der natürlich wußte, dass es seine Schuld war, brach diese kurze Beziehung nicht gerade das Herz. Poe überwand diesen Fehlschlag sehr schnell und widmete sich der Literatur zu.

Im Januar 1849 wurde in Kalifornien Gold gefunden und dies verursachte den berühmten Goldrausch, der viele Menschen in seinen Bann zog. Poe verarbeitete dieses Thema in dem Gedicht "Eldorado". In diesem Gedicht geht es hauptsächlich darum Gold künstlich herzustellen. Poe wollte damit an seine Erfolge, wie beim "Ballonjux" und dem "Fall Valdemar" anknüpfen. Diesmal war die gutgläubige Gesellschaft etwas vorsichtiger und glaubte Poe nicht.

In der Zeitung "The Flag of Our Union" erschien Poes letzte Erzählung mit dem Namen "Hop-Frog" ("Der Froschhüpfer"). In dieser Erzählung verarbeitete Poe den über Jahre hinweg aufgestauten Haß auf seine Neider und Kritiker.

Der zwergwüchsige Hofnarr, der wegen seiner Behinderung "Hop-Frog" genannt wird, wird vom König und seine Ministern stetig gepiesackt. Unter Anderem setzten sie den kleinen Kerl dem Alkohol aus, der eine extrem starke Reaktion hervorruft. Normalerweise wird der "Hop-Frog" schon bei einigen Schlücken Alkohol vollkommen verrückt und verfällt in einen Zustand des Irrsinns. Als der König den "Hop-Frog" wieder dem Alkohol aussetzt, zeigt dieser keine eindeutige körperliche Reaktion, was den König überrascht. Er sieht jedoch über diese Tatsache hinweg und widmet sich einem anderem Thema. Der König will einen Kostümball veranstalten und sucht einen passenden Scherz um die Gäste zu erschrecken. Der "Hop-Frog" hat sofort eine Idee und schlägt dem König vor sich als wilde Affen zu verkleiden und somit die Ballgesellschaft zu erschrecken. Der König ist mit dieser Idee sehr einverstanden und lässt sich und seine Minister vom "Hop-Frog" als wilde Affen kostümieren. Sie werden zuerst mit Teer eingeschmiert und schließlich werden ihnen braune Federn angeklebt. Da die Besucher des Maskenballs noch nie einen Affen gesehen haben, genügt diese Verkleidung um die Gesellschaft in Panik zu versetzen. Der Plan gelingt und Panik macht sich im Saal breit. Schließlich taucht der "Hop-Frog" auf und befestigt blitzschnell die Kette der vermeintlichen Affenbande an einem Kronleuchter und lässt diesen von den hilfsbereiten Gästen hochziehen. Der überraschte König hängt nun mit seinen Ministern am Kronleuchter. Der "Hop-Frog" führt jetzt seinen teuflischen Plan aus indem er eine Fackel nimmt und die extrem leichtentzündlichen Teerkostüme entflammt. Das Teer und die Federn brennen hervorragend und töten den sadistischen König und seine Minister qualvoll. Somit erfüllt sich der schreckliche Racheplan des gedemütigten "Hop-Frog".

Neues Bild von Brenn Leuchter

Diese wahrhaft grauenhafte Geschichte spiegelt Poes Rachebedürfnis und seinen absolut menschenverachtenden Charakter während dieser Jahre deutlich wieder. Er wurde von allen Seiten angegriffen und lebte seine Rachegelüste in seiner phantastischen Erzählung aus.

Anfang des Jahres lebte Poes Idee von seinem Projekt "The Stylus" wieder auf, das beim ersten Anlauf einen Totgeburt war. Poe fand einen Geldgeber mit dem Namen Edward Patterson, der ihm etwas Geld lieh, damit Poe neue Subskribtionen sammeln konnte. Poe begab sich also auf Reisen und konnte auch einige andere Literaten für sein Projekt gewinnen. Während dieser Zeit stand Poe unter extrem hohen Druck, was seine angeschlagenen Gesundheit noch mehr schadete. Eine Woche nach seiner Abreise tauchte er bei seinem alten Freund John Sartain in Philadelphia auf. John Sartain berichtete später, dass Poes Zustand miserabel war. Poe hatte kein Geld bei sich, seine Kleidung war total zerzaust und sein Geisteszustand könnte man als Wahnsinn bezeichnen. Er litt unter schweren Halluzinationen und zeigte Symptome von Paranoia[22]. Er behauptete er würde von zwei Männern verfolgt, die ihn umbringen wollten. Mit Hilfe seines Freundes konnte Poe einigermaßen erholt weiter herumreisen. Er besuchte unter anderem seine Schwester Rosalie, die ebenfalls adoptiert wurde, und seine Jugendliebe Elmira Royster-Shelton. "Myra", wie Poe sie nannte, hatte ihre betörende Wirkung auf Poe nicht verloren. Sie war nun geschieden und Poe hatte vor seiner "Myra" einen Antrag zu machen. Poe überwand seine Angst und hielt schließlich um ihre Hand an. "Myra" (siehe rechts) nahm Poes Antrag gerne an und der Termin für die Hochzeit wurde für den 17. Oktober 1849 festgesetzt. Poe reiste am 27. September nach New York um alles für die Hochzeit vorzubereiten. In den USA fanden zu dieser Zeit Wahlen statt und Poe hatte auch vor seine Stimme abzugeben. Am 3. Oktober war er gerade in Baltimore und wurde vor dem Wahllokal von einer der berüchtigten "press-gangs" abgefangen. Diese Gangs hatten die Aufgabe potentielle Wähler völlig betrunken zu machen und damit ihre Stimme zu gewinnen. Mit Gewalt wurde Poe literweise Alkohol eingeflößt. Zwar war Poe schon lange an große Mengen Alkohol gewöhnt, aber der Schwächeanfall in Philadelphia, den er nicht ganz auskuriert hatte, verstärkte die Wirkung des Alkohols um ein vielfaches. Er wurde total erschöpft und irrsinnig vor einem Wahllokal aufgefunden und zu seinem Leibarzt Dr. Snodgrass gebracht. Er diagnostizierte, wie auch schon beim ersten Anfall nach Virginias Tod, starkes Gehirnfieber. Diese Erkrankung in Verbindung mit der Herzschwäche ließen Poe nach einem Tag tiefer Bewußtlosigkeit ins Delirium[23]fallen. Poe begann am 5. Oktober 1849 zu halluzinieren. Er war der festen Überzeugung aus den Wänden würden Dämonen kommen und ihn holen wollen. Seine Verwandten machten sich auf den Weg nach Baltimore werden aber erst in einigen Tagen eintreffen. Am 6. Oktober 1849 fing Poe an verschiedene Namen aus seinen Erzählungen zu rufen. Poe war nicht mehr ansprechbar und im höchsten Maße unruhig. Am Sonntagmorgen des 7. Oktobers 1849 wurde Poe ruhiger. Dies war jedoch kein Anzeichen für Besserung sondern eher ein Zeichen für totale Erschöpfung.

Myra

Um fünf Uhr nachmittags flüsterte Poe kaum hörbar,

"Gott helfe meiner armen Seele"

und starb.

Auf dem Todesschein wurde bei Todesursache zuerst "Delirium tremes[24]" eingetragen. Der Arzt musste diese Diagnose jedoch zurückziehen, weil sie nicht haltbar war. Poe trank sein ganzes Leben, aber bei seinem Tod war er völlig nüchtern. Schließlich wurde "Gehirnfieber" als Todesursache festgestellt. Am 9. Oktober wurde Poe auf dem Friedhof in Baltimore beigesetzt. Es waren nur vier Personen anwesend. Zwei Verwandte aus Baltimore und zwei enge Freunde. Poes Cousin Neilson Poe hatte ein Grabstein anfertigen lassen, damit Edgar Allan Poe nicht wie seine Mutter in einem namenloses Grab kommen muss. Unglücklicherweise wurde der Grabstein auf dem Hof des Steinmetzen zerstört als ein Zugunglück geschah. Poe wurde anonym beerdigt. Die Beerdigunszeremonie war kurz und nicht besonders prächtig. Auf dem Grabstein war nur die Nummer des Grabes eingraviert, sie lautete "Nr.80". Doch dies war ein Fehler. Man wollte Edgar Allan Poe eigentlich neben seinem Großvater "General" David Poe beerdigen, der in "Nr.27" lag, doch es gab wohl einige Mißverständnisse. 1875 wurde der Fehler bemerkt. Man beerdigte ihn schließlich neben seinem Großvater und Edgar Allan Poe bekam auch endlich einen Grabstein auf dem das Relief eines Raben zu sehen war. Die Leiche von Poes Frau Virginia wurde ohne Poes Wissen schon vor Jahren ausgegraben und unter falschen Namen eine Zeit lang auf Jahrmärkten ausgestellt. Kurze Zeit später wurden ihre Überreste neben Edgar Allan Poe beerdigt. Und dort ruhen sie beide noch heute.

"Erwarte mich! Ich will Dich nicht verfehlen,

Dich wieder treffen in dem hohlen Tal der Schatten!"

Leichenrede Henry Kings,

Bischof von Chichester,

beim Tode seiner Gattin

Interpretation: "Das Faß von Amontillado"

Edgar Allan Poe schrieb die Erzählung "Das Faß von Amontillado" im Oktober 1846. In diesem Jahr hatte sich Poe mit sehr vielen Kollegen zerstritten. Unter Anderem fochte Poe eine öffentliche "Schlammschlacht" mit einem Teilhaber des "Broadway Journal" aus. Poe war damals der Chefredakteur dieser Zeitung und versuchte seine neuartigen literarischen Reformen bei den altmodischen Kollegen durchzusetzen. Er geriet in Streit mit einigen Teilhabern der Zeitung und viele seiner Kollegen kritisierten ihn. Es gab sogar einige Zeitschriften, die ihn auf satirische Weise verhöhnten und Spottverse über ihn veröffentlichten. Durch diese spürbare Feindseligkeit gegenüber Poe entwickelte er ein sehr starkes Rachebedürfnis gegenüber seinen Kritikern.

Diese Gefühle schlugen sich auch in seinen Werken nieder, die er zu dieser Zeit schrieb. Unter diesen Werken befindet sich auch die Erzählung "Das Faß von Amontillado". Das Thema des Textes ist die Rache an einem gehaßten Feind. Poe wählte dieses Thema, weil er so sein Rachebedürfnis gegenüber seinen zahlreichen Feinde verarbeiten wollte.

In dieser kurzen Erzählung, die aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, berichtet ein Mann wie er seinen geheimen Erzfeind mit dem Namen Fortunato tötet. Der Mann lockt seinen Feind, unter einem freundlichen Vorwand, in einen dunklen Weinkeller um ihn dort leicht betrunken zu machen. In einem verlassenen Raum des Gewölbes fesselt der Mann den überraschten Fortunado an eine Wand. Er mauert den Eingang zu und dort bleibt sein Erzfeind Fortunato für immer.

Der Inhalt dieses Textes ist klar und stellt den Racheplan des Mannes in den Vordergrund. Dieser schreckliche Racheplan spiegelt Poes abgrundtiefen Haß gegen einige Menschen in seinem Umfeld deutlich dar. In einer Textstelle wird das grausame Vorhaben des Mannes besonders deutlich:

"Die Tausend Ungerechtigkeiten Fortunatos hatte ich, so gut es ging, ertragen, doch als er mich zu beleidigen wagte, da schwor ich Rache. (...) Eines schönen Tages würde ich mich schon rächen, das stand felsenfest; und meine Rache sollte so vollkommen sein, dass ich selbst nicht das mindeste dabei zu wagen hatte."

Die Kurzgeschichte ist als persönliche Erzählung aus einer subjektiven Perspektive aufgebaut. Diese Ich-Perspektive ist ein festes Stilelement Poes mit dem er den Leser die Gefühle und Absichten des erzählenden Charakters besonders deutlich macht und auf diese Weise die Wirkung auf den Leser intensiviert.

Die Situation und auch die Atmosphäre in der Erzählung ist sehr düster. Immerhin handelt es sich um einen dunklen feucht-modrigen Weinkeller. Diese negative Atmosphäre ist vielleicht eine Spiegelung der Seele des rächenden Mannes. Seine Seele ist mit Sicherheit nicht viel besser als die Atmosphäre des Handlungsortes.

Der Hauptcharakter hat gegen Fortunato eine extrem starke Abneigung, die schon als Haß bezeichnet werden könnte. Wie aus dem Zitat deutlich wird, basiert dieser Haß auf relativ kleinen Ursachen. Es gehört normalerweise mehr als eine Beleidigung dazu einen Mann zur Weißglut zu bringen. Wahrscheinlich handelt es sich beim Rächer um einen sehr aggressiven Mann, indem sich eine anormale Wut auf Fortunato hochgeschaukelt hat. Wahrscheinlich trifft dieser Teil des Charakters auch auf Poe zu. Auch in ihm hatte sich wahrscheinlich ein extremer Haß angestaut, doch im Gegensatz zum Charakter in seiner Erzählung, lebte Poe diese Abneigung nicht in dieser Form aus. Der Rächer in der Geschichte geht weiter und lässt seinem Haß freie Bahn.

Der unwissende Fortunado war sich wahrscheinlich der Abneigung des "Rächers" gegenüber ihn bewußt, aber eine solch extreme Position würde wohl niemand erwarten. Fortunato wird in der Geschichte als nicht besonders intelligent beschrieben und der Rächer schafft es ohne Probleme ihn in eine plumpe Falle zu locken. Wenn der Rächer für Poe steht so müsste Fortunado für Poes Feinde stehen. Demnach bezeichnet Poe seine Feinde als dumm und leichtgläubig. Zwar waren Poes Feinde (also seine Kritiker) in der Realität nicht gerade dumm, aber ihre Leichtgläubigkeit bewies Poe durch seine, für wahr geglaubten, Geschichten mehrere Mal.

Im sprachlichen Bereich fiel mir, wie schon gesagt, die subjektive Perspektive und dessen Wirkung besonders auf.

Eine weitere Besonderheit ist, dass diese Erzählung zu großen Teilen nur aus Dialog zwischen dem Rächer und Fortunato besteht. Die Gedankengänge des Rächers werden nur am Anfang beschrieben. Während der restlichen Geschichte werden die Absichten des Rächers durch seine Äußerungen nur teilweise klar. Diese erzeugte Spannung bis zum Schluß ist eine von Poe perfekt beherrschte Eigenheit, die ich durchaus als positiv bewerte.

Eine Andeutungen auf die Absicht des Rächers ist eine besondere Schlüsselstelle.

"[Fortunato]>Ich habe vergessen ... Ihr Wappen vergessen ...<

[Rächer]>Ein großer goldener Fuß in einem azurnen Felde; der Fuß zertritt eine Schlange, die ihre Zähne in seine Ferse gegraben hat.<

[F.]>Und ... Devise ?<

[R.]>Nemo me impune lacessit ![25]< "

Das Motto des Rächers ist wohl mehr als eindeutig. Wahrscheinlich merkte Fortunato diesen versteckten Hinweis nicht, weil er entweder dumm ist oder der Alkohol ihn schon benommen gemacht hat. Das ernstgemeinte Motto Nemo me impune lacessit ! ist eindeutig ein Schlüsselsatz der Erzählung, der die Absicht des Rächers eindeutig erkennen lässt.

Poe wollte mit dieser grausamen Erzählung seine Rachegelüste mit Hilfe des Charakters ausleben. Vielleicht wollte er auf diese Weise auch eine gewisse Furcht erzeugen, die von seinen Feinden ausgeht. Poes Wut war real. Es handelte sich nicht wieder um eine dummen Scherz mit dem er sich über die Leichtgläubigkeit der Menschen lustig machen wollte. Anscheinend kaufte man Poe diesmal die reale Aussage des Textes nicht ab und so verlor die Geschichte ihre belehrende Wirkung auf die Leser.

Diese Erzählung hat eine direkte und konsequente Aussage, die nicht besonders stark verschlüsselt ist. Ich persönlich mag dieses Element an Poes Geschichten. Zwar lässt sich die Aussage von Poes Texten nicht von Anfang an erkennen, aber am Ende offenbart sich dem Leser Poes Idee hinter der Erzählung. Weiterhin schätze ich Poes schaurige Darstellung der bösen Seele der Charaktere besonders.

Ich kann Poes Erzählungen nur empfehlen. Vielleicht wirken sie auf den ersten Blick nicht besonders spannend, aber wenn man sich mit etwas Phantasie in den Charakter der Geschichte hineinversetzt, so werden Poes Geschichten spannender und intensiver als jeder Horrorroman von Stephen King.

Insgesamt 16.047 Wörter

Quellenangabe

(Für Biographie und Interpretation!)

- Biographie: E.A.Poe

Frank T.Zumbach

Bücherei Gruiten

- Hauptwerke der amerikanischen Literatur

Gertrud Baruch

Bücherei Gruiten

- Edgar Allan Poes Erzählungen

Band 1 und Band 2

Bücherei Gruiten

- Die großen Klassiker

Band 20: E.A.Poe

Kurt Möser

Bibliothek Gruiten

[1]Strenge Lebenseinstellung

[2]Veranstaltung bei der die Schauspieler für einen guten Zweck auf ihre Gage verzichten und Spenden sammeln

[3]zwei gleich starke Gegner erklären sich zum Waffenstillstand bereit

[4]Gleichklang der Vokale

[5]einmal gehörte Texte werden auswendig wiedergegeben

[6]rein geistige Anziehung; nicht auf sexueller Ebene

[7]Mitstudent

[8]Gemüt

[9]falscher Name

[10]Verpflichtung zum Kauf zukünftig erscheinender Bücher

[11]Trübsinn

[12]geistiger Diebstahl im Literaturgeschäft

[13]lat. = "Vorgärtchen der Seele"

[14]extremes Stadtwachstum, Landflucht

[15]Experte für Verschlüsselung von Texten

[16]falsche Zeitungsmeldung aus Spaß oder auch aus Versehen

[17]Pallas Athene ist die griechische Schutzgöttin der Wissenschaften und Künste

[18]nach Dr. F. Mesmer, Begründer der Hypnosetherapie

[19]durch Übersteigerung erzeugte phantastisch wirkende Verzerrung der Realität

[20]in diesem Fall: mythische Lehre von der Entstehung der Welt

[21]Rücknahme einer Beleidigung unter Androhung eines Duells

[22]Verfolgungswahn im Rahmen einer schweren psychischen Störung

[23]Bewußtseinstrübung mit Wahnvorstellungen

[24]durch Alkoholentzug entstandene Psychose; auch "Säuferwahn" genannt.

[25]Lat. = "Niemand erzürnt mich ungestraft"

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