Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach

Lebenslauf

Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach ist am 13. September 1830 auf Schloss Zdislawic in Mähren geboren. Sie stammte väterlicherseits aus altösterreichischem, mütterlicherseits aus norddeutsch-protestantischem Geschlecht. Sie wurde zunächst tschechisch erzogen, entwickelte sich aber dennoch zu einer der großen Erzählerinnen der deutschen Literatur.
Sie heiratete 1848 ihren Vetter Moritz von Ebner-Eschenbach. Die Ehe blieb kinderlos. 1879 machte sie eine Uhrmacher-Ausbildung. 1898 wurde sie mit dem höchsten Zivilorden Österreichs, dem Ehrenkreuz für Kunst und Literatur, ausgezeichnet und war 1900 erster weiblicher Ehrendoktor der Wiener Universität.
Schon in jungen Jahren wollte Marie von Ebner-Eschenbach Schriftstellerin werden. Sie steckte voller Ideen. Gestalten hieß für die Dichterin: "möglichst einfach die Lebensgeschichte oder ein Stück Lebensgeschichte eines Menschen erzählen, dessen Geschicke mir besonders Interesse eingeflößt haben", wie sie einmal bescheiden sagte. Anfangs versuchte sie sich, mit Dramen. So entstanden in den sechziger Jahren historische Tragödien, darunter eine Maria Stuart in Schottland", und dazwischen einige Gesellschaftsstücke. Ebner-Eschenbachs Dramen wurden von fast allen Bühnen zurückgewiesen und sie bekam es außerdem mit den Gegnern der Frau zu tun, in einer Zeit, als eine Schriftstellerin noch als Eindringling und als Zerstörer der Weltordnung galt. Sie ließ sich dadurch aber nicht in die damals entstehenden Kampforganisationen der deutschen Frauen drängen, sosehr sie doch die Idee der Gleichberechtigung bejahte.
Ihre erste Erzählung "Ein Spätgeborener", ist ihre Auseinandersetzung mit ihrem bisherigen Schicksal als Künstlerin. Auch als Erzählerin wurde sie in den ersten Jahren nicht anerkannt. Eine ihrer besten Schöpfungen, "Die Freiherren von Gemperlein", wurde von fünf hoch angesehenen Verlegern nacheinander zurückgewiesen. Dies geschah in der bittersten Leidenszeit ihres Lebens, nachdem ihr Vater und ihre zweite, sehr geliebte Stiefmutter gestorben waren, 1874 ihr Gatte vorzeitig und ungerecht pensioniert wurde und auch Grillparzers Tod sie um einen guten Freund gebracht hatte. 1880 brachte ihr die Erzählung "Lotti, die Uhrmacherin" den entscheidenden Erfolg. Das jahrelange Ringen um das Drama erwies sich nicht als sinnlos. Die Dichterin liebte es, von verschiedenen Seiten das Licht auf ihre Menschen zu werfen und sie damit zu differenzieren.
Nichts hat diese unermüdlich an sich selber Arbeitende reicher angeregt als das gelebte Leben selbst. Drei Generationen lang war sie, mitleidend und mitergriffen, eine leidenschaftliche Beobachterin des Menschen. Hunderte von kleinen Porträts in ihren Notizbüchern zeugen für die Wahrheit ihres Ausspruchs, sie habe die Anregung, ein Buch zu schreiben, nie durch ein Buch, sondern immer nur durch Menschen empfangen.
Ihr menschliches Verstehen ist weit und unvoreingenommen wie bei allen großen Realisten des 19. Jahrhunderts. Sie gilt als Anklägerin ihres eigenen Standes. Die Wehrlosesten der Wehrlosen, die Tiere, nimmt Ebner-Eschenbach in Schutz.
Als nach ihrem fünfzigsten Geburtstag ihr erzählerisches Schaffen hinaus zu dringen begann, wurde ihr Leserkreis weit und vielfältig. Einige Wochen vor ihrem Tode ließ sie den Priester mit den Sterbesakramenten kommen. Von der letzten Stunde erzählt ihr Neffe Franz Graf Dubsky: "Am 12. März 1916 starb sie bei vollem Bewusstsein, nachdem sie von allen, die ihr im Leben nahe gestanden waren, in Erwartung ihres Todes Abschied genommen hatte, aufrecht in ihrem Kissen - mit einem klaren, in die Ewigkeit gerichteten Blick."

Werke mit Kurzbeschreibungen

Die Freiherrn von Gemperlein

Die beiden gegensätzlich veranlagten, ewig miteinander hadernden Brüder Friedrich und Ludwig von Gemperlein sind die Letzten ihres berühmten Geschlechtes. Sie lieben einander brüderlich und sind doch politische Feinde. Beide bewerben sich um dieselbe Frau, die aber schließlich keiner gewinnen kann, da sie bereits verheiratet ist, was die Brüder nicht gewusst haben. Nun beschließen sie, als Junggesellen zu sterben.

Bozena

Heißenstein, ein reicher Weinhändler, verstößt seine Tochter Röschen wegen eines Fehltrittes und vererbt sein großes Vermögen Regula, seiner Tochter aus zweiter Ehe. Röschens Tochter wird von Ronald, einem armen Grafen, geliebt. Die Ehe wird durch eine bedeutende Schenkung des Besitzes von Regula ermöglicht. Diese Familiengeschichte zweier Generationen wird durch die Magd Bozena vereinheitlicht. Bozena ist nur ein einziges Mal in ihrem Leben leichtsinnig gewesen und hat die Pflicht gegenüber dem ihr anvertrauten Röschen außer acht gelassen, sodass sie an deren Flucht aus dem Elternhaus mitschuldig wird. Ein Leben lang versucht sie, dafür zu sühnen, indem sie sich für Röschen und deren Tochter aufopfert.

Das Gemeindekind

Pavel ist der Sohn eines Mörders und einer unschuldig verurteilten Landstreicherin. Seine Schwester Milada wird von der Gutsherrin in eine Klosterschule geschickt und stirbt dort jung als Nonne. Pavel kommt als Kostkind zu verschiedenen Dorfbewohnern und wird, da er mehr Schlechtes als Gutes erfährt, ein menschenverachtender Tunichtgut. Wie er ein positiver, reifer Mensch wird ¬ trotz vieler böser Widerstände und unter dramatischen Umständen -, ist der Inhalt des Romans.

Werkliste

    Bozena Er lasst die Hand küssen Der gute Mond Die Freiherrn von Gemperlein Die Sünderin Oversberg Krambambul Das Gemeindekind Das Schädliche Der Säger Die Resel Die Totenwacht Unverbesserlich Die Spitzin

Aphorismen

    "Nur der Denkende erlebt sein Leben, am Gedankenlosen zieht es vorbei." "Treue üben ist Tugend, Treue erfahren ist Glück." "Wir müssen immer lernen, zuletzt auch noch sterben lernen." "Nenne Dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat." "Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun." "Was ein Kind tut, soll nicht als eine Handlung, sondern als ein Symptom aufgefasst werden." "Eine ungeschickte Schmeichelei kann uns tiefer demütigen als ein wohlbegründeter Tadel."

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