Geschichtsrundgang - Osnabrück

Geschichtsrundgang - Osnabrück



Station Gebäude / Sehenswürdigkeit
1 Der Neumarkt
2 Das Gericht
3 Felix - Nussbaum - Villa

4 Das Schloß - Gestapo - Keller

5 Das ehemalige Gesundheitsamt
6 Das Wohnhaus der Familie Remarque
7 Die Judenhäuser
8 Das Rathaus
9 Die Stadtwaage
10 Der Dom (Zerstörung Osnabrücks durch Luftangriffe)
11 Das Theater


    Bilanz des Schreckens in Osnabrück vom 20.06.19942 Zerstörung Arbeitslager "In den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen"

Der Neumarkt


Der Neumarkt war und ist jetzt noch ein zentraler Versammlungsplatz und Verkehrsknotenpunkt. Am Abend des 5.3.1933, dem Tag der Reichstagswahl, verbrannten die Nationalsozialisten Fahnen und Symbole von KPD und SPD. Auf Beschluß des Bürgervorsteherkollegs vom 30.3.1933 wurde er in Adolf - Hitler - Platz umbenannt.
Die Namensänderung dieses wichtigen Platzes dokumentiert, ebenso wie die wenig später beschlossene Ehrenbürgerschaft für Hitler, dass sich das offizielle Osnabrück bereits zu diesem frühen Zeitpunkt mit dem neuen Staat identifizierte und dies auch nach außen hin zeigen wollte.
Nach Kriegsende erhielt der Neumarkt seinen alten Namen zurück.

Das Gericht


Die Aufgabe der Gerichtsinstanzen war es, die Anwendung der nationalsozialistischen Gesetze und ihre Einhaltung zu überwachen. Dies betraf u.a. die Bestimmungen über die Entfernung von Juden und "politisch - subversiven Elementen" aus dem Staatsdienst sowie das Berufsverbot für jüdische Ärzte und Juristen. Auch die Nürnberger Gesetze "zum Schutz des deutschen Volkes und der deutschen Ehre" vom 15.9.1935 gehörten zu den Rechtsgrundlagen.

Verurteilungen aufgrund o.g. Gesetze und Bestimmungen gab es auch in Osnabrück. Besonders der Fall Heinrich Wolf sen. ist hier hervorzuheben. Wolf war ein sog. "jüdischer Mischling 1.Grades" und beantragte die Heirat einer "Arierin". Als dieser Antrag abgelehnt worden war, wurde Wolf wegen
"Rassenschändung" verhaftet und zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt. Anschließend lieferte man ihn in das Konzentrationslager Sachsenhausen ein, wo er dann starb.

Obwohl die meisten Verhaftungen ohne Gerichtsurteil vorgenommen werden konnten, ist auch das Gericht zum Bestandteil der nationalsozialistischen Maschinerie geworden. Ein Richter sollte sich bei jeder Entscheidung fragen: "Wie würde der Führer an meiner Stelle entscheiden?"

Felix Nussbaum (1904 - 1944)

Der 1904 in Osnabrück geborene jüdische Maler Felix Nussbaum studierte als Schüler von Willy Jaeckel, Cesar Klein, Paul Pontke und Meisterschüler von Hans Meid ab 1923 Bildende Kunst in Berlin. Früh hob die Kunstkritik seine Begabung hervor. Er hat in seinem Werk auch die Greuel des

Naziterrors festgehalten und damit Zeugnisse geschaffen, die zu den Hauptwerken der Kunst - geschichte dieses Jahrhunderts gezählt werden. Während er sich in Rom aufhielt, legten die National - sozialisten 1933 sein Atelier in Brand und vernichteten 150 seiner Bilder. Bis 1998 entsteht in Osnabrück das Felix - Nussbaum - Haus.


Die Felix - Nussbaum - Villa ( Schloßstraße 11 )


1922 wurde die Nussbaum - Villa im Auftrag des Kaufmanns Philipp Nussbaum, Vater des bekannten jüdischen Malers Felix Nussbaum, unter der Leitung des Architekten Otto Schneider erbaut. Das Haus
an der Schloßstraße Nr. 11 fügt sich in die bürgerliche Architektur der Schloßstraße ein und spiegelt den Wunsch jüdischer Bürger nach Anpassung wider.
1934 verkaufte Philipp Nussbaum seine Villa: Unter dem Druck der Verhältnisse hatten er und seine Frau sich nach Köln geflüchtet, weil sie glauben, sich in der Anonymität der Großstadt besser Verbergen zu können. Ihren Lebensunterhalt bestritten sie aus Mieteinnahmen und unangemessenen niedrigen Verkaufserlösen. Erst nach dem Novemberprognom 1938 vermochten sie sich zur Flucht nach Amsterdam zu entschließen, die sie durch den Verkauf der letzten Firmengebäude finanzierten. Durch den Zeitdruck, unter dem die Nussbaums und viele andere Juden standen, konnte der Kaufpreis der Firmen und Gebäude noch weiter gedrückt werden. Nach Abgabe der "Reichsfluchtsteuer" (25 % des Vermögens) und der "Judenvermögensabgabe" (20% des Vermögens)
blieben den Nussbaums nicht mehr viele Mittel. - Am 28.2.1944 wurde Philipp Nussbaum und seine Frau nach Ausschwitzt deportiert.
Der Maler Felix Nussbaum war zum Zeitpunkt der "Arisierung" bereits im belgischen Ostende im Exil. Am 31.7.1944 wurde auch er zusammen mit seiner Frau nach Auswitz deportiert, wo er - vermutlich am 9.8. - umgekommen ist.




Das Schloß - Gestapo - Keller


Die Gestapo hatte nach dem Gestapo - Gesetz vom 10.2.1936 die Aufgabe, "staatsgefährdete Bestrebungen zu erforschen und zu bekämpfen". Die Gestapo durfte ohne gerichtliche Kontrolle Hausdurchsuchungen durchführen, Menschen verhaften, Schutzhaft verhängen, die zur Einweisung in Konzentrationslager führen konnte, und alle nötigen Mittel zur "Aufklärung staatsfeindlicher Bestrebungen" anwenden, so auch die Folter. In allen Aussagen Osnabrücker Juden über die "Reichskristallnacht" wird immer wieder der Schloßkeller als Ort der Inhaftierung genannt. Die Folterungen fanden fast Ausschließlich in fünf Zellen im Schloßkeller statt, denn dort gab es keine Zeugen.
Nachdem das Schloß am 12.10.1944 teilweise zerstört wurde, zog die Gestapo in das für Krankenhauszwecke nicht mehr verwendbare Marienhospital um.

Ehemaliges städtisches Gesundheitsamt - Neuer Graben 27


Das städtische Gesundheitsamt spielte bei der Verfolgung und Ermordung Osnabrücker Sinti eine entscheidende Rolle. Die seit ca. 1400 in Deutschland ansässigen Sinti - vom ausgehenden 15. Jahrhundert immer wieder als Zigeuner diskriminiert und verfolgt - galten für die Nationalsozialisten schon vor 1933 zusammen mit den Juden als "außereuropäische Fremdrassen". 1933 verlangte das "Rasse - und Siedlungsamt" der SS, dass "Zigeuner und Zigeunermischlinge" einzig aufgrund ihrer rassischen Zugehörigkeit "in der Regel unfruchtbar" zu machen seien. Die rassische Einordnung der zumeist katholischen oder evangelischen Sinti ( und auch der verwandten Roma ) bereitete jedoch Schwierigkeiten, da anders als bei den Juden nicht aus der Religionszugehörigkeit zurückgeschlossen werden konnte und darüber hinaus Sinti und Roma aus Indien stammende Gruppen arischen Ursprungs sind.
Im Auftrag des seit 1938 dem Reichssicherheitshauptamt unterstehenden "Rassehygieneinstitutes" nahmen die örtlichen Gesundheitsämter "anthropologische Untersuchungen" (Messungen von Schädel, Nase, Augenbrauen etc.) vor, aufgrund derer " zigeunerische Personen" wegen ihrer Vermischung als "rassisch minderwertig diagnostiziert" wurden. Die weitere Abwicklung oblag der Kriminalpolizei. Da gleichzeitig auch Stammbaumtafeln erstellt wurden, diente dieses pseudowissenschaftliche Verfahren letztlich der Totalerfassung, auf deren Grundlage verschiedenste Formen der Entrechtung und Entmenschlichung durchgeführt werden konnten.
Für viele bedeutete das "Rassengutachten" Deportation und Tod: Etwa 90 % der deutschen Sinti und Roma kamen in Konzentrationslagern (z.B. in Auschwitz - Birkenau) um. Jede Osnabrücker Sintifamilie hat Opfer zu beklagen.

Erich Maria Remarque (1898 - 1970)

Der in Osnabrück gebürtige Schriftsteller gehört zu den meistgelesenen Autoren unseres Jahrhunderts. Weltweite Berühmtheit erlangte Remarque erstmals durch seinen aufrüttelnden, 1929 veröffentlichten Anti - Kriegsroman "Im Westen nichts Neues". Auch spätere Werke, wie etwa "Arc de Triomph" oder "Zeit zu leben, Zeit zu sterben", entwickelten sich - nicht zuletzt durch deren bekannte Verfilmungen - zu Bestsellern.
Biographisches verarbeitete Remarque in seinem Roman "Der schwarze Obelisk", in dem der Stadt - kundige in vielen Schilderungen die Heimatstadt des Literaten trotz anderen Namens wiedererkennen kann.
Erst kürzlich gelang es dem Erich - Maria - Remarque - Archiv, die Originalhandschriften zu erwerben. Seit 1991 verleiht die Stadt den Erich - Maria - Remarque - Friedenspreis für literarische, journalistische oder wissenschaftliche Arbeiten zum Thema "Innerer und äußerer Frieden".

Wohnhaus der Familie Remarque - Hakenstraße 3Erich Maria Remarque, der eigentlich Erich Paul Remark hieß, wurde am 22. 6. 1898 in Osnabrück als Sohn eines Buchbinders geboren. Das Wohnhaus der Familie stand in der Hakenstraße. Es wurde im Krieg zerstört.Nach Abschluß der Schule besuchte Remarque ab 1916 das katholische Lehrerbildungsseminar in Osnabrück, wurde aber noch im selben Jahr zur Armee einberufen. Am 12. 6. 1917 wurde er zum ersten Mal an der Westfront eingesetzt, doch nur wenige Wochen später, am 31. 7. 1917, verwundet, woraufhin er bis zum November 1918 in einem Lazarett in Duisburg war. 1919 setzte er seine Ausbildung zum katholischen Volksschullehrer fort und bestand am 25. 9. 1919 die Lehramtsprüfung für Volksschulen. Drei Jahre lang übte er verschiedene Tätigkeiten, wie z. B. Lehrer und Buchhalter, aus; im Oktober 1922 ging Remarque als Werbetexter nach Hannover, wo er allerdings nur zwei Jahre blieb, denn im Dezember 1924 ging er nach Berlin, um als Redakteur bei "Sport im Bild" zu arbeiten.1928 erschien ein Vorabdruck seines Antikriegsromans "Im Westen nichts Neues" in der Vossischen Zeitung. Die Buchausgabe folgte wenig später. Nicht nur wegen der Tendenz, sondern auch wegen der Tatsache, dass Remarque Osnabrücker Bürger agieren lässt, die zweifelsfrei zu identifizieren sind, erfuhren Autor und Werk vielerlei Anfeindungen. 1931, noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, übersiedelte Remarque in die Schweiz. Am 11. 5. 1933 wurden seine Bücher vor der Berliner Universität von den Nationalsozialisten verbrannt. Fünf Jahre darauf wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. 1938 emigrierte er in die USA.Am 29.10.1943 wurde Remarques Schwester Elfriede Scholz aufgrund von "monatelangen defätistischen Äußerungen gegenüber einer Soldatenfrau"( Angriff auf Hitlers Regierung ) zum Tode verurteilt. Der Blutrichter Roland Freisler soll nach Aussage eines Pfarrers bei der Urteilsverkündung gesagt haben: "Wir haben Sie zum Tode verurteilt, weil wir Ihren Bruder nicht greifen konnten. Sie müsse für Ihren Bruder leiden." 1948 kehrte Remarque in die Schweiz zurück. Er starb am 25. 9. 1970 in Locarno. 1964 verlieh ihm die Stadt Osnabrück die Mösermedaille.

JudenhäuserHegerstraße 24 und Kommenderlestraße 11Bei den Häusern Hegerstr. 24 und Kommenderiestr. 11 handelt es sich um Beispiele für sogenannte "Judenhäuser". "Judenhäuser" waren kleine Zwangsghettos, die in ihrer Planung schon auf das Jahr 1938 zurückgingen. Ein Gesetz aus dem Jahre 1939 ermöglichte die Auflösung von mit Juden abgeschlossenen Mietverträgen. Andererseits konnte die Gemeindebehörde Juden zwingen, in ihre Wohnungen andere Juden als Mieter oder Untermieter aufzunehmen. Ziel dieser Regelung war es, Juden zusammenzufassen, sie von der übrigen Bevölkerung zu isolieren, um sie besser kontrollieren zu können. Aufgrund der oft mehrmaligen Zwangsumzüge mussten jüdische Bürger den größten Teil ihres Besitzes verschleudern.Insgesamt war diese Aktion als eine Vorstufe zu der - mit Dezember 1941 einsetzenden - Deportation zu betrachten.Lebten am 1. 5. 1939 die rund 100 noch verbliebenen jüdischen Familien an 29 verschiedenen Adressen, so wohnten die Juden Osnabrücks im Dezember 1941 nur noch in 9 verschiedenen Häusern. Diese Zahl schrumpfte schließlich bis auf ein einziges Haus (Kommenderiestraße 11), in dem zeitweise 25 Personen in 4 Wohnungen lebten.Willkommener Nebeneffekt war die Wohnraumbeschaffung für die "arische" Bevölkerung.
Rathaus - Markt 1Seit der Erbauung des Rathauses im Jahr 1512 hatte es allen Stürmen getrotzt. Die Friedensverhandlungen zur Beendigung des 30jährigen Krieges wurden hier 1648 erfolgreich abgeschlossen. Bomben und Brand des letzten Krieges hatten den massiven Grundmauern nichts an -
haben können. Am 4.10.1946 schreibt die Zeitung: Rathaus, Stadtwaage und Poggenburg sollen instand gesetzt werden. Die ersten Raten der veranschlagten Gesamtkosten von 225 000 M für das Rathaus, 145 000 M für die Stadtwaage und 30 000 M für die Poggenburg sind bereitgestellt. Im Mai 1947 konnten die Wiederaufbauarbeiten begonnen werden. Zum Glück war die alte Holzausstattung des Friedenssaales rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden. Am 30.4.1948 war Richtfest. Rechtzeitig zum 300jährigen Jubiläum der Unterzeichnung des Westfälischen Friedens am 25.10.1948 war das Rathaus wiederhergestellt.
Im Rathaus am Marktplatz begann die NSDAP systematisch mit der Ausschaltung von politischen Gegnern und der Besetzung wichtiger Verwaltungsposten mit linientreuen Parteigenossen. Die Verquickung von Staats - und Parteimacht wurde hier wie in allen öffentlichen Institutionen perfektioniert. Allerdings konnte sich ein großer Teil der früheren Osnabrücker Beamtenschaft seine Arbeitsplätze durch Konformismus erhalten. Auch der in der Weimarer Republik gewählte Oberbürgermeister Dr. Gaertner konnte bis Kriegsende weiter amtieren. Mit diesem Prozeß der Anpassung ging die Anerkennung und Durchführung der diskriminierenden Gesetzgebung genauso einher wie öffentliche Auftritte des Oberbürgermeisters in SA - Uniform. Bei der ersten Sitzung des in der Kommunalwahl vom 12. 3. 1933 neu gewählten Bürgervorsteherkollegs (heute Stadtrat) am 30. 3. 1933 wurden u. a. die Umbenennung des Neumarktes in Adolt - Hitler - Platz und der Friedrich - Ebert - Allee in Horst - Wessel - Allee beschlossen. Bei einer weiteren Sitzung am 20. 4. 1933, dem Geburtstag Hitlers, entschied man in Übereinstimmung mit dem Magistrat (heute Stadtverwaltung), Ehrenbürgerschaften für Hitler, Hindenburg und den Osnabrücker Gauinspektor Bürgervorsteher Gronewald auszusprechen. Bereits am 3. 4. 1946 wurde den Genannten die Ehrenbürgerwürde vom Rat wieder aberkannt. Bemerkenswert ist auch, dass die NSDAP - Fraktion bereits am 12. 5. 1933 über die absolute Mehrheit im Bürgervorsteherkolleg verfügte, nachdem andere gewählte Vertreter (KPD und SPD) zum Rückzug gezwungen worden waren.


Nr. 2 StadtwaageMarkt 28Hier befand sich das Leihhaus der Stadt Osnabrück, das u. a. als Ankaufstelle für die Zwangsabgabe von in jüdischem Besitz befindlichen Gegenständen aus Gold, Silber und Platin sowie von Edelsteinen und Perlen diente. Die Grundlage bildete das "Gesetz über die Verwertung jüdischen Vermögens". Am 21. 2. 1939 ordnete Göring an, dass binnen 14 Tagen alle Wertgegenstände abzuliefern seien. Diese Frist war strikt einzuhalten. Obwohl viele jüdische Bürger auf rasche Abwicklung angewiesen waren, um Fristen für geplante Auswanderungen einhalten zu können, die ohne die amtliche Bescheinigung der Abgaben nicht möglich waren, zog sich die Bearbeitung oft lange Zeit hin. Die "Entschädigungen" für die einbehaltenen Gegenstände, zu denen z.B. auch silberne Bleistifthüllen und zerbrochene Salatzangen gehörten, waren einheitlich geregelt: 160 RM für 100 g vierkarätiges Gold, I RM je 100 g Goldmünzen oder Silber (bei 800er Silber 3 RM).Das führte z. B. dazu, dass ein Jude für vom Juwelier auf 12000 RM geschätzten Gegenstände gerade 100 RM erhielt.
Zerstörung Osnabrücks durch Luftangriffe - Die Altstadt brennt, noch stehen die Türme des Doms

In den Osnabrücker Tageszeitungen erschienen zu Jahresbeginn die Todesanzeigen der bei Stalingrad gefallen Söhne der Stadt. Unter dem 7. Februar 1943 finden wir die Todesanzeige des ehemaligen Kommandeurs des Osnabrücker lnfanterie - Regiments Nr. 37, Generalleutnant Alexander von Hartmann. Als Chef der 71. Infanterie - Division fand er, in einer der letzten Verteidigungslinien von Stalingrad kämpfend, den Soldatentod. Sein einziger Sohn war bereits zu Beginn des Rußland - Feldzuges gefallen. Die deutsche Niederlage war nun nicht mehr aufzuhalten. Darüber konnte auch Reichspropaganderminister Dr. Goebbels nicht hinwegtäuschen, als er am 18. Februar im Berliner Sportpalast dem Parteivolk hysterisch die Fragen stellte: "Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns überhaupt nur vorstellen können? Ich frage euch: Ist euer Vertrauen zum Führer heute noch größer, gläubiger und unerschütterlicher denn je ?" Die Antwort der Osnabrücker Bevölkerung wäre nicht einmütig frenetisch "ja" gewesen.Im Dezember 1941 hatte Hitler den Vereinigten Staaten von Amerika den Krieg erklärt. In den Mittagsstunden des 22. Dezember 1943 erlebte Osnabrück den ersten Angriff durch die US - Air Force. Weitere Tagangriffe folgten am 11. Januar und 23. März 1944. Auch im April kündigten Sirenen von drohender Gefahr. Immer häufiger griffen jetzt feindliche "Jäger" (Jagdflugzeuge) am hellen Tage Verkehrseinrichtungen und Eisenbahnzüge mit Bordwaffen an.Die Fliegeralarme rissen nun nicht mehr ab. Über Drahtfunk gab der Sender, "Primadonna" Luftlagemeldungen. Ob beim Einflug über das Ruhrgebiet, über die deutsche Bucht oder beim Anflug der Bomberströme auf die Hauptstadt Berlin - immer hallte über die Hasestadt der auf - und abschwellende Ton der Sirenen, suchte die Bevölkerung in zunehmenden Maße Hochbunker und Stollen auf. Der private Luftschutzkeller bot immer weniger eine Chance zum überleben.Der amerikanische Luftangriff vom 7.Mai führte zu den bisher größten Opfern unter der Zivilbevölkerung: 125 Tote und 64 Verletzte. Schon der nächste Tag brachte neue Verluste durch britische Bomber. Doch die schlimmsten Angriffe kamen erst noch.Der 13. Mai ist ein sonniger Tag mit blauem Himmel, ein Sonnabend - doch ein friedliches Wochenende ist der leidgeprüften Stadt nicht v vergönnt. Am Himmel ziehen schwere Boeing und Liberators eines starken amerikanischen Verbandes ihre Kondensstreifen. Bombenteppiche prasseln auf die Industriegebiete am Hauptbahnhof, in Schinkel und Fledder. Osnabrücks Industrie erleidet katastrophale Schäden. Das Stahlwerk, die Fahrzeugfabrik Karman, Klöckner - Eisenhandel, die Eisengießereien Rawie und Ortmann werden zerstört. Zudem fällt wegen schwerer Beschädigung des Gaswerkes die Gasversorgung Versorgung der Stadt für längere Zeit aus. Die Wasserversorgung wird infolge zahlreicher Rohrbrüche nur durch Wasserwagen aufrechterhalten. Der Fernsprechverkehr fällt mehrere Tage aus. Der Eisenbahnverkehr wird Unterbrochen. Die Altstadt und die Wohnviertel der Neustadt werden hart getroffen. 20 Luftminen, 1262 Sprengbomben und 2500 Brandbomben fordern hohe Opfer: 239 Tote, 104 Verletzte 200 zerstörte und 3407 beschädigte Wohnhäuser. Über 6000 Osnabrücker werden in einer halben Stunde obdachlos Überall wird improvisiert Rollglas (ein mit Transparentpapier überklebtes Drahtgeflecht) ersetzt die meisten Fensterscheiben.Am Vormittag des 31. Mai greifen wiederum starke amerikanische Kampfverbände die Stadt in mehreren Wellen an. 1041 Sprengbomben und 400 Brandbomben fallen. Soweit wie möglich suchen die Menschen nun Schutz in Bunkern und Stollen. Die Verluste der Zivilbevölkerung sind deshalb verhältnismäßig gering: 24 Tote und 36 Verletzte.Am 6. .Juni 1944, am Tage der amerikanischen Invasion in Frankreich, meldet der Wehrmachtsbericht: "Einige feindliche Flugzeuge warfen in der letzten Nacht Bomben auf Osnabrück. Zwei Flugzeuge wurden abgeschossen."An den Geschützen der Flak auf Westerberg, Kalkhügel, Sonnenhügel und anderswo stehen seit Februar 1943 neben erfahrenen Flakartilleristen Flut junge mutige Luftwaffenhelfer Schüler der Osnabrücker früheren und Mittelschulen. Zubringerdienste leisten russische Hilfswillige.Am 13. September 1944 sinkt das alte Osnabrück vollends in Trümmer. Elf Luftminen eine davon traf das Wohnhaus des Verfassers 2292 Sprengbomben und 181042 Brandbomben zerstörten 1500 und beschädigten 7950 Wohnhäuser. 118 Tote vermeldet die Anzeige des Gauleiters im "Osnabrücker Tageblatt ( Eine parteiamtliche Würdigung der Oper durfte nicht fehlen. Unserer achtzigjährigen Hauswirtin freilich stand Gott näher als Führer und Reich: Wir fanden sich im Trümmerschutt ihres Hauses kniend mit gefalteten Hinden.) Rathaus und Marienkirche, die Giebelhäuser des Marktes, Bischhöfliche Kanzlei und Pauluskapelle die Domtürme die Fachwerkgiebel der Bierstraße mit dem Agnes - Schoeller - Häuser die Adelshöfe der Hakenstrße, Große und Kleine Gildewart das Geschäftsviertel zwischen Nikolaiort und Neumarkt werden ein Raub der Flammen. Der 26. September und der 12. Oktober brachten erneute Groß angriffe. Eine Tragödie besonderer Art: Bei dem mittelschweren Angriff vom 21. November fanden durch bei einem Bombeneinschlag sich entwickelnde Kohlendioxid Gase im Schutzraum des Kinderheimes am Schölerberg zahlreiche Kinder den Tod. Unter den Toten waren auch der bekannte Osnabrücker Maler Franz Hecker und seine Schwester. Der Nachtangriff britischer Bomber am 6. Dezember forderte weitere Opfer und riß neue Lücken ins Stadtbild. Osnabrücks leidgeprüfte Bürger kamen auch in den folgenden Monaten nicht zur Ruhe: vier kleine und mittlere Angriffe im Januar, neun Luftangriffe (davon zwei Großangriffe) im
Februar, zehn Bombardements im März.
Schauriges Finale des Bombenkrieges war der Großangriff vom 25. März 1944, am Palmsonntag
(von den Osnabrücker damals sarkastisch " Qualmsonntag " genannt. 35 Luftmimen, 2518
Sprengbomben und 101500 Brandbomben zerstörten 934 und beschädigten 2820 Wohnhäuser. Die
Zahl der Toten betrug 175, die der Verletzten 244.
Ein sonniger Frühlingstag zieht auf mit blauem Himmel und leichten Zirruswolken. Da tauchen kurz vor 10 Uhr britische Lancaster - Bomber mit ihrer tödlichen Fracht über der Stadt auf. Völlig unbehindert
von Flakfeuer setzen sie zum Tiefflug an. Detonationen zerreißen die Luft. Die Erde erbebt. Riesige Qualmsäulen markieren die Reihenwürfe.

Theater Domhof 10/71Die nationalsozialistische Kulturpolitik wandelte das Osnabrücker Stadttheater zum Deutschen Nationaltheater. Um das kulturelle Leben dem nationalsozialtistischen Kunstgeschmack anzupassen, mussten die entsprechenden Personalmaßnahmen ergriffen werden.Noch vor dem Inkrafttreten des Reichsstrukturkammergesetzes vom 22. 9. 1933, das die Zugehörigkeit zu einer der 7 Kammern für die Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit verlangte, Juden aber nicht zuließ, wurde der jüdische Intendant Dr. Fritz Berend wegen seiner "nichtarischen" Abstammung am 4. 4. 1933 teilweise von seinen Pflichten entbunden, schließlich entlassen. Hierfür gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Rechtsgrundlage.Ende des Jahres 1933 mussten auch Kapellmeister Fritz Seligmann und Opernregisseur Gerson Werblowski gehen. Berend gelangte auf Umwegen nach England ins Exil, Seligmann wurde ins KZ Ravensbrück deportiert. Er wurde für tot erklärt.

Bilanz des Schreckens in Osnabrück vom 20.6.1942 bis 25.3. 1945


Einsatz: Verluste:
Osnabrück musste erleben: Osnabrück musste erleiden:

2396 Luftangriffe 1314 Tote durch Luftangriffe
78 alliierte Luftangriffe, davon 31 schwere mit 1691 Verletzte
181 Luftminen 32930 Bürger mussten evakuiert werden
24904 Sprengbomben, davon 86915 wurden obdachlos
1212 Blindgänger 757 große,
652156 Brandbomben 1397 mittlere und
11704 Flüssigkeitsbomben 2232 schwere Bombenschäden brachten das Ergebnis:
2163 Wohnhäuser mit 7136 Wohnungen Totalschaden
1440 Wohnhäuser mit 4752 Wohnungen Schwerstschaden
516 Wohnhäuser mit 815 Wohnungen Schwerbeschädigung
678 Wohnhäuser mit 111ß Wohnungen mit über 50 % unbenutzbar

Zerstörung:

total schwer mittel leicht
zerstört zerstört zerstört zerstört

Kirchen 7 7 5 16

Schulen 13 11 22 20

Öffentliche Anlagen 141 45 37 20

Betriebe 56 99 51 86


ArbeitslagerSeit der Entfesselung des Krieges fehlten der Wirtschaft des national sozialistischen Deutschland Arbeitskräfte in großem Umfang. Kriegsgefangene und ab 1942 auch Zwangsarbeiter aus den besetzten Ländern wurden in Osnabrücker Betrieben eingesetzt. In über 50 Arbeitslagern wurden diese Ausländer im Stadtgebiet gefangengehalten und von dort zu ihren Arbeitseinsätzen geführt. Ihre Unterbringung erfolgte in Holzbaracken, teilweise auf Werksgelände gelegen, und Sälen von Gastwirtschaften. Die Lokalisierung fällt heute sehr schwer, da die Holzbaracken nicht mehr existieren. In vielen Unternehmen gab es Ausländeranteile von 30 bis 40%. Viele Firmen hatten großes Interesse an den billigen Arbeitskräften. Betriebe der Rüstungsindustrie wurden vorrangig mit der Zuteilung von Ausländern bedient. Die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter, darunter auch Frauen, kamen aus Rußland und Polen, aber auch aus Holland, Belgien, Frankreich, Italien, Jugoslawien und der Tschechoslowakei. Unterbringung, Verpflegung und Behandlung waren durchweg schlecht. Ruhr, Diphtherie und Tuberkulose traten epidemisch auf.Einem Rundschreiben vom 8. 9. 1941 entstammt folgendes Zitat: "Vom Wachpersonal sei deshalb rücksichtsloses Durchgreifen bei den geringsten Anzeichen von Widersätzlichkeiten und Ungehorsam gefordert. Auf fliehende Kriegsgefangene sei sofort zu schießen, mit der festen Absicht zu treffendÃœber 12000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter waren auf folgende Lager verteiltArbeitslager der Klöckner Werke AG (vermutlich 8) u. a.: Neulandstraße, Kreuzschule, Piesberg, Gastwirtschaft - Fernblick - .Arbeitslager der Firma Karmann, damals an der Martinistraße gelegen (vermutlich 4) z. B.: Jahnstraße, Weidenstraße, Lange Straße. Arbeitslager für den Einsatz an Eisenbahnbaustellen (vermutlich 6): Bremer Straße, Hunteburger Weg, Schinkelstraße, Gastwirtschaft "Welling", Gaststätte an der Bischofstraße.Arbeitslager der Osnabrücker Kupfer - und Drahtwerke (OKD) (vermutlich 5) u. a.: Knollstraße, Gartlage, Kaffeehaus "Friedenshöhe". Arbeitslager verschiedener Handwerksbetriebe, Munitionsfabriken und der Landwirtschaft u. a.: Eibestraße, Alterstraße, Iburger Straße, Spindelstraße, Weserstraße, Schützenhofallee (heute Bessemerstraße), Meller Straße, Mühleneschweg, Bramscher Straße, Berningshöhe. In den Gaststätten: Barenteich; Hunger, Iburger Straße; Harting, Ellerstraße; Waldschlößchen, Voxtruper Straße; Fleddermann, Bramscher Straße; Hellwig, Eversburg; Riemann, Quirllsweg; Gut Honeburg.Arbeitslager außerhalb von Osnabrück: Hüggel I, II, III, Ohrheck (Klöckner Georgsmarienhntte), Lüstringen, Piesberg.Die serbischen Offiziere (etwa 3000—3500) des Offiziersgefangenenlagers (Oflag) in Eversburg mussten keinen Arbeitseinsatz leisten.Jüdische Geschäfte und BetriebeBereits am 7. 7. 1929 verkündete Heinrich Schierbaum in seiner antirepublikanisch, nationalistisch und rassistisch ausgerichteten Zeitung für Osnabrück "Der Stadtwächter":"Die Judenfrage wird, nachdem die Juden das ganze deutsche Reich in Unordnung gebracht haben, gelöst... Die Lösung wird den Juden nicht angenehm sein."Boykottaufrufe gegen jüdische Kaufleute veröffentlichte das Blatt Jahre vor der sog. Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. In den Tagen um den 1. 4. 1933 wurden—wie in den meisten deutschen Städten—vor 40 jüdischen Geschäften planmäßig Käufer durch SATruppen daran gehindert einzukaufen. Einige jüdische Firmeninhaber, Ärzte und Rechtsanwälte wurden in der Turnerstraße (s. Nr. 25) in Schutzhaft genommen. Bürger, die dennoch in jüdischen Geschäften gekauft hatten, wurden fotografiert, und die Fotos wurden in der Georgstraße (s. Nr. 14) ausgestellt.In Vorbereitung des Reichsparteitages in Nürnberg im Sept. 1935 fand am 20. 8. 1935 eine Großkundgebung auf dem Ledenhof statt, bei der Kreisleiter Münzer erneut zum Boykott aufhetzte und Osnabrücker mit Namen benannte, die bei Juden kauften. Neue Boykottmaßnahmen folgten. Sie wurden am 27. 10. 1935 von der Partei offiziell beendet. Kreisleiter Münzer erklärte:
"Ich erwarte von allen deutschen Volksgenossen und Volksgenossinnen, dass sie nunmehr so viel Selbstbewußtsein aufbringen, in Zukunft nur in deutschen Geschäften zu kaufen."Ein großer Teil der jüdischen Geschäfte musste bald aufgeben. Die wenigen Gewerbetreibenden, die durchhielten, wurden durch die im Jahre 1938 einsetzenden "Arisierungsmaßnahmen" gezwungen, ihre Geschäfte aufzugeben oder unter Wert zu verkaufen. Die "Verordnung über die Anmeldung jüdischen Vermögens" vom 26. 4. 1938 sah vor, dass alle derartigen Verkäufe der Genehmigung des Regierungspräsidenten bedurften (zuständ. Dezernat I Jud. 21).Am 4. 4. 1939 konnte Bürgermeister Dr. Windgaßen melden: "Nachdem die Witwe Ida Stern ihren Garagenbetrieb als mit dem 31. 3. 1939 eingestellt abgemeldet hat, sind sämtliche in das Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe eingetragenen jüdischen Gewerbebetriebe erloschene."







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