Andorra

Entschließt sich die Nation, den Verfolgten, Gequälten und Opfern von einst ein zentrales Denkmal in der Mitte ihrer Hauptstadt zu errichten?
Noch ist ungewiss, wie die Entscheidung ausfallen wird. Die geführte Debatte ist in ihrer Intensität und Dauer aber bereits einmalig in der jüngsten Geschichte, und sie allein ist schon erinnerungswürdig.

Werk

Allgemeines

"Andorra" von Max Frisch (lebte von 1911 bis 1991) wurde als Bühnenstück in zwölf so genannten "Bildern" konzipiert.

Max Frisch wollte seinen Zeitgenossen mit diesem Werk die Rassenproblematik anhand eines Modells veranschaulichen. Er nannte den von ihm genutzten Modellstaat "Andorra".

"Andorra" war das Theaterereignis der sechziger Jahre in Deutschland und auch Max Frischs erfolgreichstes Bühnenstück. Kaum ein Theaterstück hat vergleichbare Resonanz ausgelöst.

Das Stück spielt in einer nicht näher bestimmten Zeit in "Andorra" - gemeint ist natürlich nicht der wirkliche Kleinstaat. Hier begegnet man dem jungen Andri, dem Pflegesohn des Lehrers Can. Dieser hat ihn nach seiner Darstellung als Judenkind aus dem Nachbarland gerettet, dem Land der "Schwarzen", wo er der lebensbedrohlichen Verfolgung durch dieses Volk ausgesetzt gewesen wäre. Andri ist aber in Wirklichkeit der leibliche Sohn Cans und der Senõra, einer farbigen Frau, die aus dem verachteten Nachbarland stammt.

Darüber befindet sich die übrige Bevölkerung Andorras in Unkenntnis, auch Andri kennt nicht die Wahrheit über seine Herkunft.

So sehen die Andorraner in dem jungen Andri den typischen Juden und behandeln ihn nach diesem vorgefassten Bild. Unter dem Zwang etlicher Vorurteile, mit denen er konfrontiert wird, übernimmt er nach und nach dieses Bild des "klassischen" Juden und sieht sich schließlich in seinem Anderssein bestätigt, als ihm Can die Heirat mit seiner Tochter Barblin verweigert.

Er lässt sich auch nicht eines Besseren belehren, als ihm nach einem Besuch der Senõra seine wahre Herkunft mitgeteilt wird. Er kann sich von der ihm aufgezwungenen Identität nicht mehr lösen. Die Senõra wird vor ihrer Abreise durch einen Steinwurf getötet. Die "Schwarzen" rücken deshalb in Andorra ein, was die Andorraner veranlasst, Andri den Mord an der Frau in die Schuhe zu schieben. In der so genannten "Judenschau" wird Andri von den "Schwarzen" als Jude "identifiziert" und schließlich hingerichtet. Der Lehrer bezeugt zwar öffentlich die Wahrheit; seiner Aussage wird aber nun kein Glauben mehr geschenkt. So steht der Zuschauer beziehungsweise Leser am Ende des Stückes vor einen Scherbenhaufen: Der Lehrer erhängt sich in einem Schulzimmer, seine Tochter Barblin verfällt der Geisteskrankheit.

Schuldthematik

Max Frisch nimmt in seinem Bühnenstück auch die "Schuldfrage" in Angriff.

Dies gelingt ihm sehr eindrucksvoll, denn zwischen den einzelnen Bildern treten die Schuldigen in den Zeugenstand.

Sie plädieren alle auf "nicht schuldig". Alle bis auf den Pater sind der Meinung, ihr persönliches Verhalten habe nichts zum tragischen Schicksal des "Scheinjuden" Andri beigetragen.

Die Andorraner werden somit in der Zeugenschranke zu Repräsentanten eines einzigen Typus von geringer Variationsbreite.

Ihre Haltung wird im Stück auch sprachlich deutlich, denn durch die Bezeichnung "der Jemand" als Sammelbegriff für die Restmenge bleiben die Andorraner anonym.

Dieses Kollektiv der Bewohner des Kunststaates Andorra liegt vor allem in ihrem Sozialverhalten begründet; Besitzgier bzw. Angst vor dem Verlust des Besitzes ist für sie charakteristisch.

Zeugenschranke

Nach dem ersten, zweiten, dritten, sechsten, siebten, neunten und elften Bild treten die Andorraner im Vordergrund der Bühne vor eine Zeugenschranke. Diese Zwischenszenen spielen zeitlich lange nach dem eigentlichen Bühnengeschehen. Mit Ausnahme des Paters beteuern alle Andorraner ihre Unschuld am Ausgang der Geschichte. Einzig der Soldat gibt zu, dass er Andri nicht leiden konnte und er nach wie vor der Meinung sei, er sei ein Jude gewesen. Der Doktor, der vorgibt, sich kurz zu fassen, hält die längste Rechtfertigungsrede. Der Pater - nicht in der Zeugenschranke, sondern im Vordergrund kniend - sagt: "Auch ich habe mir ein Bildnis gemacht von ihm, auch ich habe ihn gefesselt, auch ich habe ihn an den Pfahl gebracht".

Mit diesem "auch" drückt er neben seiner eigenen Schuld die Kollektivschuld der Andorraner aus.

Symbolik

Die Symbolik der Farben wird in diesem Stück offenkundig. Das schneeweiße Andorra steht am Anfang der Handlung im Vordergrund. Doch die weiße und friedvolle Idylle täuscht, denn Andorra ist in Wirklichkeit blutrot:

Barblin: "...ich weißle, auf dass wir ein weißes Andorra haben, ihr Mörder..."

Die Bedrohung durch das Nachbarland, Tod und Hinrichtung sind Hinweise auf das katastrophale Ende.

Max Frischs "Andorra" kann als ein Lehrstück der Nachkriegszeit aufgefasst werden, da es die Probleme der Juden zur Zeit des 2. Weltkrieges deutlich erkennen lässt. Er zeigt deutlich die Probleme des Rassismus und der Vorurteile gegenüber Minderheiten. Auch zeigt er seine Abneigung gegen das Militärregime, indem er die Soldaten als äußerst primitive Menschen darstellt. Gegen all diese Gräueltaten an den Juden geht Max Frisch in seinem Lehrstück "Andorra" vehement vor. Aber sein Drama "Andorra" bezieht sich nicht nur auf Vergangenheitsbewältigung, es geht ebenso um Heutiges, Gelebtes und Zukünftiges.

Das Werk zeigt den Prozess einer Bewusstseinsveränderung. Der junge Andri wird von der Umgebung so lange zum Andersdenken gezwungen, bis er sein Schicksal annimmt.

Max Frisch hat ein Drama eines unheilbaren Vorurteils geschrieben. Er beschreibt dabei nicht, weshalb die Andorraner antisemitisch reagieren, sondern wie. Er zeigt nicht, was sich in den Menschen abspielt, sondern stellt nur ihr Handeln dar. Darüber hinaus durchbricht er das Illusionstheater, indem er die Schuldigen zwischen den einzelnen Bildern in den Zeugenstand ruft, diese streiten ihre Mitschuld aber alle - bis auf den Pater - ab.

Frisch zeigt auf, dass Antisemitismus lediglich eine Form von sozialem, gesellschaftlichem Vorurteil ist, was auch auf andere Menschen, die keine Juden sind, übertragbar ist. Juden- und Identitätsproblematik werden auf eine verwirrende Weise miteinander vermengt. Der Autor ist, wie sein Tagebuch berichtet, auf die Idee zu Andorra durch das Bibelwort "Du sollst dir kein Bildnis machen" gekommen. Das Werk mit seinem politischen Rahmen sowie dem aktuellen Zeitbezug verdrängt die Frage nach der Suche des Menschen nach seiner Identität sowie die Frage der Abhängigkeit des Einzelnen von seiner Umgebung.

Das Holocaust-Mahnmal

Bezug des Werkes zur Debatte

Es ist offensichtlich, dass sich das Bühnenstück "Andorra" mit der Judenproblematik auseinandersetzt. Es thematisiert die Schuldfrage; eine der wichtigsten Komponente, wenn es um die Diskussion um ein Mahnmal, dessen Standort und dessen gewünschte Aussagekraft geht.

Für wen soll denn eigentlich ein solchen Mahnmal errichtet werden?

In erster Linie ist klar, es den Opfern des Nazi-Regimes zu widmen.

Doch so einfach ist das Ganze nicht. Das zeigt auch die Zeitdauer der Mahnmal-Debatte, die nun schon seit 1988 die Gemüter in Deutschland bewegt.

Die Chronik macht deutlich, dass die bisherige Diskussion sehr träge, bisweilen vielleicht sogar kraftlos verlief.

Im Jahre 1988 forderte erstmals die jüdische Journalistin Lea Rosh ein Mahnmal für die ermordeten Juden. Bei der Vorstellung der Pläne kommt es zur Kontroverse, ob das Mahnmal den ermordeten Juden oder auch allen anderen Opfern des Naziregimes gewidmet werden sollte.

Bis zum heutigen Tage sind mehr als 11 Jahre verstrichen, ohne das ein richtiges Ergebnis dieser Diskussion ersichtlich ist. Zwar hört man von manchen Seiten, dass das Wesentliche eines Denkmals nicht seine Realisierung, sondern die Debatte, die es im Vorfeld auslöse, sei.

Aber es darf auch nicht zu einem Handlungsstillstand kommen, bedingt durch die Meinungsvielfalt oder die Tatsache, das es sehr schwierig ist, unterschiedliche Betrachtungsaspekte und Meinungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Es ist einfach nicht vertretbar, dass Deutschland auf die Errichtung eines Mahnmales verzichtet. Doch exakt dieser Vorschlag ist im Mai 1999 von Seiten der Bonner Unionsfraktion eingebracht worden.

Eine Gruppe aus 58 Unionsabgeordneten hatte den ersten Antrag gegen das Holocaust- Mahnmal in Berlin gestellt. Die Initiatoren dieser Bewegung sind Hans-Otto Wilhelm (CDU), Wilhelm Josef Sebastian (CDU) und Gerd Müller (CSU).

Im Entschließungsantrag heißt es, dass auf die Errichtung eines Mahnmals in Berlin verzichtet wird, und die vom Bund vorgesehenen Mittel für dieses Holocaust-Mahnmal für bereits bestehende Denkmäler und Gedenkstätten verwendet werden sollen.

Diese böten, so die Meinung der Unionsanhänger, bereits "ausreichende Voraussetzungen für ein würdiges Gedenken".

Thema Schuld und seine Problematik

Die Schuldfrage hat auch bei der Errichtung eines Holocaust-Mahnmales eine zentrale Bedeutung.

Das Mahnmal soll an die entstandene Schuld erinnern.

Die Tatsache aber, dass ein Mahnmal auch an den Mord selbst erinnert, macht die Angelegenheit für viele schwer.

Die Dauer der Diskussion führt vereinzelt zur Forderung, "irgendein" Mahnmal zu errichten. Es ist unser persönliches Schuldgefühl, dass ein Mahnmal verlangt, denn nicht oft wird diese Gedenkstätte als ein Symbol für Vergebung von Schuld und Sünde gesehen.

So ist es genau genommen die Schuldfrage, die die Fertigstellung eines Mahnmales erschwert.

Denn es werden oft Stimmen laut, Schuld sei nicht vererbbar. Wozu dann ein Mahnmal?

Es mag sein, dass Schuld nicht vererbbar ist. Doch leider haben wir die "Beweisstücke" dieses Verbrechens geerbt, die sich einfach nicht aus der Welt schaffen lassen.

Somit ist es eine historische Schuld, die auf uns und den Nachkriegsgenerationen lastet.

Viele Mahnmal-Entwürfe versuchen auch, diese Schuld in ihrem Werk darzustellen. Oft wird sie durch eine ungeheure "Last" symbolisiert, etwa durch eine 100 mal 100 Meter große Grabplatte.

Doch bei diesem Mahnmal geht es auch um mehr, als nur die Schuld durch Last darzustellen. Ein Mahnmal muss auch das "Wie", den Hergang eines Verbrechens vermitteln.

Einfach nur ein Endergebnis zu symbolisieren, erscheint mir zu wenig.

Erzielt man nicht viel mehr Wirkung, wenn man auf die Art und Weise des Tötens, zum Beispiel das Vergasen von Menschen in den Konzentrationslagern, hinweist?

Ein Mahnmal muss in jedem Fall für die Besichtigenden eine Bedeutung darstellen. Muss es vielleicht sogar auch als präsente Gefahr zu sehen sein, die es zu vermeiden gilt?

Mahnmal - ein Weg mit Hindernissen

Auch wenn alle mit einem bestimmten Entwurf eines Mahnmales einverstanden sein sollten, so stellt sich doch die Frage, ob es nur den ermordeten Juden gewidmet werden soll oder auch allen anderen Opfern des Nazi-Regimes.

Daraus bildet sich dann oft eine Kontroverse, die den Bau des Mahnmales zusehends ins Stocken geraten lässt.

Die Bestimmung des Standortes des Mahnmals erweist sich zudem ebenfalls als schwierig.

Es gibt insgesamt mehr als zehn Vorschläge für den Ort der Errichtung (siehe Anlage, Karte 1 und 2).

Viele Menschen sind der Meinung, ein Standort in der Nähe des Reichtages, und damit beim neuen Bundestagsgebäude, sei der geeignetste Platz für ein derartiges Mahnmal.

Die Gründe hierfür liegen auf der Hand.

Das Mahnmal im 'Zentrum der Regierung' würde dazu beitragen, jedem Volksvertreter ins Bewusstsein zu rufen, dass er mitverantwortlich für die Handlungsweise des Volkes ist, und er sich bei jeder Entscheidung einzig und allein von seinem Gewissen leiten lassen solle.

Hier am Platz der Republik käme ein Dialog zu Stande, und ein offenes Bekenntnis zu unserer eigenen Geschichte würde sichtbar: das Bekenntnis zur Schuld und das Bekenntnis zur Überwindung einer Vergangenheit, die diese auf sich geladen hat.

Blick in die Zukunft

Da die Debatte über das Mahnmal nun schon über zehn Jahre andauert, stellt sich offensichtlich die Frage, ob es je ein derartiges Mahnmal in Deutschland geben wird.

Um nun endlich eine Entscheidung herbeizuführen, will der Bundestag am 25. Juni eine Grundsatzentscheidung treffen.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sagte zur Errichtung eines Mahnmales in Berlin:

"Wir brauchen einen Ort des Gedenkens mitten in der Hauptstadt Berlin, das sind wir unserer Geschichte, unseren Nachbarn und der Erinnerung an die ermordeten Juden schuldig".

Stimmen aus der Bevölkerung

Um sich eine eigene Meinung über den Bau eines Holocaust-Mahnmales bilden zu können, ist es durchaus sinnvoll, die verschiedenen Standpunkte in der Bevölkerung zu betrachten.

Dabei ist der Weg zur eigenen Meinungsbildung gar nicht schwer. Der erste Schritt dazu könnte eine Umfrage in der Familie und Verwandten sein. Falls man noch eine Großmutter oder Großvater hat, die oft die schwere Kriegszeit miterlebt haben, ist es sicher interessant, deren Meinung zum jetzigen Geschehen zu erfahren.

Wenn man sich mit ihnen über die derzeitige Situation in Berlin unterhält, werden in kurzer Zeit schlimme Erinnerungen wach, und man stößt oft auf Unverständnis, weshalb die Realisierung eines Mahnmales in Berlin so lange auf sich warten lässt.

Oft kommt es beim Gespräch zum Themenwechsel, denn der Bau des Mahnmals steht nicht mehr im Vordergrund, sondern die damalige Kriegssituation und den damit verbundenen Leiden.

Es gilt aber auch, die Meinungen jüngerer Generationen in Erfahrung zu bringen, um das Meinungsspektrum auszubalancieren.

Denn gerade die junge Generation hat mit der Vergangenheitsbewältigung zu kämpfen. Sie ist jetzt verantwortlich für die aktuelle politische Vorgehensweise, das Abweisen von Schuld wäre unverzeihlich - auch wenn sie im Grunde auf das Verhalten und Handeln älterer Generationen zurückzuführen ist.

Im Grunde sind sie alle für die Errichtung eines Mahnmales, nur hat man leider auch oft den Eindruck, das einzelne Gruppen aus der jungen Gesellschaft sich überhaupt nicht für dieses Projekt interessieren.

Vielleicht ist es mit Politikverdrossenheit zu erklären, vielleicht aber auch damit, dass auch inzwischen die Jugend begriffen hat, dass sich das Geschehen rund um Berlin nur sehr stockend und sukzessive vorwärts bewegt.

Ein weitere Möglichkeit besteht darin, Informationen durch die Medien (Fernsehen, Zeitung, Internet etc.) für sich selbst auszuwerten.

Die Medieninformation war für mich auch eine wesentliche Unterstützung zur Bildung einer persönlichen Meinung.

Persönliche Stellungnahme

Beschäftigt man sich mit der derzeitigen "Mahnmal-Problematik", wird einem schnell klar, dass es hierbei um mehr geht als nur ein generelles Zustimmen bzw. Ablehnen. Der Konfliktpunkt ist meist, wie ein solches Mahnmal gestaltet werden soll. Dies erweist sich als sehr schwierig und erklärt auch, weshalb eine endgültige Festlegung auf ein bestimmtes Modell noch nicht erfolgt ist. Die Anzahl der Vorschläge ist mittlerweile für manchen schon unüberschaubar geworden.

Am Schluss möchte ich dies nun noch mit einem konkreten Beispiel erläutern:

Wie man inzwischen festgestellt hat, wäre der Verzicht auf ein Mahnmal sträflich. Auch Peter Zadek, ein deutsch-jüdischer Theaterregisseur, der heute in Lucca (Toskana) lebt, ist generell für den Bau eines Mahnmales - aber er persönlich denkt dabei an ein ganz anderes Modell.

Die bisher diskutierten Modelle hält er für zu "prätentiös". Er mag es nicht, wenn man mit Mahnmalen an "Mord und Schrecken" erinnern möchte.

Daher schlägt er eine andere Variante vor: Berlin solle ein neues, jüdisches Theater eröffnen, "das nicht zur Erinnerung da sein soll, sondern zur Fortsetzung einer ganz großen jüdisch-deutschen Kultur." Seiner Meinung nach wäre "nicht nur eine Erinnerung, sondern eine Bereicherung, ein Gedanke an Zukunft." Außerdem ist er der Auffassung, dass "das jüdische "Mahnmal" vielleicht neue Impulse und Freude" bringen würde "statt düsterer Erinnerung".

Herr Zadek denkt hierbei auch an das kommende Millennium, und da "darf Berlin, sprich Deutschland, nicht seine gruselige Vergangenheit zelebrieren, sondern die tiefe Verbundenheit zwischen deutschen und jüdischen Künstlern."

Bei dieser Äußerung bin ich persönlich unterschiedlicher Auffassung.

Auf der einen Seite halte ich diesen Vorschlag für äußerst konstruktiv. Mit einem solchen Theater würde das Schicksal der Juden auf kultureller Ebene lebendig gehalten werden.

Insbesondere hervorzuheben ist Herr Zadeks Vorschlag, als Repertoire Stücke von jüdischen und deutschen Autoren mit jüdischer Thematik aufzuführen.

Somit könnte auch "Andorra" von Max Frisch einen ehrenvollen Platz finden, und beim Holocaust-Mahnmal eine größere Rolle spielen als "nur" als historischen Hintergrund betrachtet zu werden. Es hätte damit einen wirklichen Bezug zu dem Holocaust-Mahnmal in Berlin.

Auf der anderen Seite bin ich mit Peter Zadeks Bemerkung nicht einverstanden, ein Mahnmal solle nicht an "Mord und Schrecken" erinnern.

Doch in diesem Punkt widerspricht er sich meiner Meinung nach, denn ich bin fest überzeugt, dass einige Bühnenstücke in diesem bemerkenswerten jüdischen Theater sehr wohl an Verbrechen und Gräuel erinnern würden.

Trotzdem ist es fraglich, ob dieser Vorschlag eine Mehrheit im Bundestag finden würde. Es ist eben das generelle Problem aller Modelle, bei dem Bau eines Mahnmales den Wünschen aller Deutschen zu entsprechen.

Deshalb habe ich eine persönliche Vorstellung:

Man sollte das Modell nehmen, dass bis jetzt den größten Zuspruch in der Wettbewerbsjury bekommen hat. Doch gültig sind demnach nur die Vorschläge, die vor 1997 eingebracht wurden. Staatsminister Naumann soll demnächst den jetzigen Wettbewerb für gescheitert erklären. Der Kulturausschuss hat einen entsprechenden Antrag auf der Grundlage eines Rechtsgutachtens eingereicht. Ich bin nicht dafür, eine völlig neue Variante ins Spiel zu bringen, denn diese würde den Bau des Mahnmal nur unnötig verzögern.

Trotzdem: Im Anbetracht der Tatsache, dass es nun schon Ende Juni ist, und wir damit nur noch ein halbes Jahr von einem neuen Jahrtausend entfernt sind, ist es eher traurig und unverständlich, dass wir zum Millennium höchstwahrscheinlich kein Mahnmal bieten werden und somit der Welt nicht zeigen können, dass ein Symbol für Harmonie und Eintracht von Juden und Deutschen entstanden ist.

Eines stört mich allerdings bei den meistens Mahnmal-Entwürfen.

Es scheint so, als ob das Mahnmal nur die Juden als Opfer würdigen möchte, aber dadurch werden die viele anderen Opfer des Nationalsozialismus - Homosexuelle, Sinti und Roma - durch das Denkmal ausgegrenzt. Zumindest die Diskussion macht weitgehend deutlich, dass ein Großteil der Bevölkerung den Bau eines Mahnmales befürwortet und sich so mit dem Schicksal der Juden und indirekt allen Opfern des Nationalsozialismus verbunden fühlt.

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