Astronomische Ortsbestimmung

Geschichte

"Man sage nicht mehr, dass (...) jener Aufwand (...) nichts als leere Grübeleien und unnütz für die bürgerliche Gesellschaft währen." (aus Herrmann D. B., Geschichte der Astronomie...) Mit diesen Worten kommentierte ein Chronist, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die Entwicklung der astronomischen Vermessung in Europa. Diese Einschätzung teilte er mit zahlreichen führenden Staatsmännern seiner Zeit. Aufgrund ansteigender Produktion, und des sich entwickelnden Handels, war einigen Nationen daran gelegen, die Seefahrt auszubauen, und vor allem sicherer zu gestalten. Grundlage hierfür waren bessere astronomische Kenntnisse, um auf See zuverlässiger navigieren zu können.

Anfang des 16. Jahrhunderts gelang es J. Werner ein Verfahren zu entwickeln, welches die Bestimmung der geographischen Länge ermöglichte: die Methode der Monddistanzen. Dabei konnte man anhand der Stellung des Mondes zu den Fixsternen, unter genauer Zeitmessung, auf die geographische Länge des Beobachtungsortes schließen. Die Bestimmung des Breitengrades erfolgte damals mit Hilfe der Höhe des Himmelspools.

1598 stellte Philipp II von Spanien eine bedeutende Summe für den bereit, der eine genaue Ortsbestimmung zu See durchführen kann. Während des 17. Jahrhunderts wurden weitere Preise ausgesetzt (z.B. in den Niederlanden). Wegen Fehlen astronomischer Kenntnisse, erreichte man jedoch lediglich eine Genauigkeit von etwa 5°, die in Äquatornähe einem Fehler von einigen hundert Kilometern entspricht.

Die Gründungsgeschichte der bekannten Sternwarte von Greenwich ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Entwicklung der astronomischen Vermessung von staatlicher Seite unterstützt wurde. Karl II von England beauftragte eine Kommission, das Verfahren der Monddistanzen zu überprüfen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass diese Methode tatsächlich der Bestimmung des Längengrades diene, jedoch wesentlich genauere Kenntnisse über die Mondbahn, sowie die Orte der Fixsterne verlange. Daraufhin gründete der Monarch 1675 die Sternwarte von Greenwich. Die Wissenschaftler dort erhielten den klar definierten Forschungsauftrag, exakte Werte über die Bahn des Mondes und über die Positionen der Fixsterne zu ermitteln.

Die Folgezeit war geprägt von weiteren Wettbewerb artigen Ausschreibungen und hohen Preisen für die Durchführung einer exakten Ortsbestimmung zu See. Diese brachten nicht nur theoretische Überlegungen voran, sondern förderten auch zahlreiche praktische Erfindungen. So wurde zum Beispiel um 1715 der "Time-Keeper" entwickelt, eine Uhr, die nach einer 161 Tage langen Schifffahrt nur einen Fehler von fünf Sekunden aufwies.

1757 gelang es dem englischen Admiral Camphell erstmals, mit einem eigens zu Navigationszwecken angefertigten tabellarischen Werk, in dem Mondbahn und Fixsternorte relativ genau beschrieben wurden, eine präzise Ortsbestimmung zu See durchzuführen. Wichtig war dabei eben auch, dass die Messgenauigkeit der Uhren, sowie der zur Winkelmessung benötigten Instrumente verbessert werden konnte.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschäftigte sich etwa die Hälfte aller Astronomen Europas unter anderem mit dem Problem der astronomischen Vermessung. In dieser Zeit wurden die Bahnen der Himmelskörper immer genauer erforscht. Die Ergebnisse wurden dann in umfangreichen Werken zusammengefasst (z.B. Nautical Almanac 1767), welche immer exaktere Navigation ermöglichten. Daneben entstanden auch andere Verfahren der astronomischen Ortsbestimmung. Ein solches Verfahren soll im Folgenden vorgestellt, und etwas genauer betrachtet werden. Es ist die so genannte Höhenmethode, die Marcq St. Hilaire entwickelte.

Diese Methode kommt auch heute noch - vor allem in der Navigation - zum Einsatz. Sie dient als Ergänzung, bzw. als zusätzliche Sicherheit zu den modernen elektronischen Navigationssystemen an Bord eines Schiffes.

Theoretische Behandlung

Koordinatensysteme des Himmels

Der Schlüssel zur astronomischen Ortsbestimmung ist eine Figur aus der sphärischen Trigonometrie: das nautische Dreieck.

Diese Figur entsteht durch die Überlagerung zweier Koordinatensysteme des Himmels. Man findet einige Größen des Horizont-, sowie des Äquatorsystems, im nautischen Dreieck wieder. Daher sollen zunächst diese beiden Koordinatensysteme betrachtet werden.

Horizontsystem

Durch die beiden folgenden Koordinaten des Horizontsystems lässt sich der Ort eines Sternes exakt bestimmen:

Auf den Vertikalkreisen, die sowohl durch den Zenit, als auch durch den Nadir gehen, und senkrecht zum Horizont stehen, wird die Höhe h eines Sternes zum Horizont gemessen. Dabei zählt man vom Nadir(-90°) zum Zenit(90°).

Die zweite Koordinate bildet das Azimut a. Es ist der Winkel, den der durch einen Stern gehende Vertikalkreis mit dem Himmelsmeridian einschließt. Der Himmelsmeridian ist der Vertikalkreis, der den Horizont genau im Süden (Südpunkt) und Norden (Nordpunkt) schneidet. Das Azimut wird vom Südpunkt aus in westlicher Richtung von 0° bis 360° gemessen.

Äquatorsystem

Der Himmelsäquator liegt in einer Ebene mit dem Äquator der Erde, und steht somit ebenfalls senkrecht zur Erdachse. Da die scheinbare Bewegung der Sterne durch die Erdrotation verursacht wird, beschreibt jeder Fixstern einen Parallelkreis zum Himmelsäquator.

Folglich ist der Winkel zwischen einem bestimmten Fixstern und dem Himmelsäquator (Scheitel: Erdmittelpunkt) konstant. Dieser Winkel wird als die Deklination ( des Sternes bezeichnet, und ist die erste Koordinate des Äquatorsystems. Sie wird auf dem sogenannten Stundenkreis vom Südpol zum Nordpol von -90° bis 90° gemessen.

Die zweite Größe, der Stundenwinkel t, ist der Winkel zwischen dem Himmelsmeridian und dem Stundenkreis eines Sternes. Dieser wird vom Südpunkt aus über Westen, Norden, Osten, von 0° bis 360° gezählt.

Nautisches Dreieck

Kombiniert man die beiden Koordinatensysteme, so erhält man das nautische Dreieck. Die Ecken dieses Dreiecks bilden der Zenit (Z), der Pol (P) und der Ort eines Gestirnes (G).

Über die drei Seiten dieses Dreiecks lassen sich folgende Aussagen machen: Da die Polhöhe dem Breitengrad phi des Beobachtungsortes entspricht, gilt für die Seite ZP des Dreiecks: ZP = 90°-phi. Analog hierzu kann man die Seite ZG, also die Zenitdistanz z des Gestirnes, durch 90°-h ausdrücken. Die dritte Seite PG lässt sich mit Hilfe der Deklination des Gestirnes beschreiben: PG = 90°-delta

Der Winkel ZPG entspricht dem Stundenwinkel t des Gestirnes, während die beiden weiteren Winkel für die Ortsbestimmung keine Rolle spielen.

Aus dem nautischen Dreieck lässt sich für die Größen phi, z, delta und t, die zur astronomischen Ortsbestimmung wesentliche Beziehung ableiten. Durch genaue mathematische Behandlung (wurde in der tatsächlichen Facharbeit ausführlich dargestellt), kann man den Cosinussatz des nautischen Dreiecks in eine Funktion von phi umwandeln. Diese dient der Berechnung des Standortes. Somit erhält man eine Funktion f(phi), in der lambda alleine von phi abhängig ist. Die übrigen Größen (GHA, z, delta) sind ja bei einer konkreten Messung genau zu bestimmen, und daher Konstanten der Funktion. Jetzt kann man die Funktion f(phi) graphisch darstellen. Der Graph dieser Funktion wird Standlinie genannt. Sie kennzeichnet genau die Orte der Erde, an denen der Stern zum Zeitpunkt der Messung genau die selbe Zenitdistanz aufweist. Aufgrund des +/- Zeichens in der Funktion können in der Regel jedem Breitengrad zwei verschiedene Werte für lambda zugeordnet werden.

So lässt sich nachvollziehen, dass jede Standlinie eine Kreisbahn auf der Erde beschreibt. Der Mittelpunkt dieser Kreisbahn ist der sogenannte substellare Punkt. Das ist der Ort auf der Erde, an dem der vermessene Stern im Zenit steht.

Anhand zweier Messungen, kann man zwei Standlinien ermitteln. Die beiden Linien schneiden sich an zwei verschiedenen Punkten. Bei einem Schnittpunkt handelt es sich um den Beobachtungsort.

Für die praktische Versuchsauswertung bietet es sich natürlich an, nicht die vollständigen Standlinien zu zeichnen: Durch Werte phi1, phi2, ..., die möglichst genau dem tatsächlichen Breitengrad entsprechen, kann man die Standlinien für den Bereich des Beobachtungsortes sehr exakt zeichnen. Dabei ist auch zu beachten, dass man das richtige Rechenzeichen (plus oder minus) benützt. Ob man in der Funktion addieren, oder subtrahieren muss, hängt davon ab, ob der gemessene Stern vor oder hinter dem südlichen Himmelsmeridian steht.

Präzisionsinstrumente zur Höhenmessung

Grundlagen

Anhand des genauen Zeitpunktes der Messung, der ja in absolut ausreichender Genauigkeit ermittelt werden kann, kann man die Deklination, sowie den Greenwich-Stundenwinkel eines Sternes exakt ermitteln. Somit hängt die Zuverlässigkeit der Ortsbestimmung alleine von der Präzision der Höhenmessung ab.

Mit Hilfe mancher Geräte kann man den Messfehler bis auf wenige Winkelsekunden einschränken. Zwei dieser Präzisionsinstrumente werden im Folgenden kurz vorgestellt:

Theodolit

Mit dem Theodoliten misst man die Zenitdistanz eines Sternes. Er besteht aus einem Fernrohr, das sowohl um eine horizontale, als auch um eine vertikale Achse drehbar ist.

Für die Messung ist es wichtig, dass die beiden Drehachsen exakt horizontal bzw. vertikal, und somit senkrecht zueinander stehen. Die Zielachse, also die optische Achse des Fernrohrs, muss ebenfalls genau senkrecht zur Horizontalachse stehen. Diese rechten Winkel werden bereits bei der Konstruktion des Instrumentes genau festgelegt. Daher muss bei der Aufstellung des Theodoliten lediglich noch auf die genaue Ausrichtung der Horizontalachse geachtet werden.

Aufgrund der beiden Drehachsen, kann das Fernrohr in jede beliebige Richtung eingestellt werden. An einem, fest mit der Horizontalachse verbundenen Teilkreis, dem Höhenkreis, kann man die Zenitdistanz des auf der Zielachse befindlichen Objektes ablesen. Wird das Gerät in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet, so ermöglicht es auch (auf einem mit der Vertikalachse verbundenen Teilkreis) die Messung des Azimutes, welches für die Ortsbestimmung jedoch keine Rolle spielt.

Durch Ablesemikrolupen an den Teilkreisen, sowie andere Elemente, die das präzise Einstellen des Theodoliten ermöglichen, kann man den Messfehler bis auf etwa 10 Winkelsekunden reduzieren.

Der Theodolit fand bis vor einigen Jahren auch noch Anwendung im Vermessungswesen und im Bergbau.

Sextant

Der Sextant dient der Höhenmessung eines Gestirnes, das Azimut ist nicht messbar.

Um den Mittelpunkt des sektorförmigen Rahmens des Sextanten drehbar ist der Zeigerarm D befestigt. Ebenfalls im Bereich des Mittelpunktes befindet sich ein Spiegel S2. Er ist fest mit dem Zeigerarm verbunden. Ein weiterer Spiegel S1 ist am Rahmen befestigt. An der gegenüberliegenden Seite des Rahmens fixiert, befindet sich ein Fernrohr, das auf den Spiegel S1 ausgerichtet ist. Die Abbildung 6 verdeutlicht den Bau und die Funktionsweise des Sextanten.

Bei der Höhenmessung ist zunächst die Horizontlinie des Meeres durch das Fernrohr, sowie durch S1 anzupeilen.

(Befindet man sich auf dem Festland, so dass keine genaue Horizontlinie vorhanden ist, so ist eine künstliche Horizontalebene zu erzeugen (z.B. durch Quecksilber))

Dies ist möglich, da der Spiegel S1 halb durchlässig ist. Da der Winkel zwischen den beiden Spiegeln - aufgrund des drehbaren Zeigerarmes - veränderbar ist, ist es möglich beliebig hohe Objekte über S1 und S2 ebenfalls in das Fernrohr zu spiegeln, so dass sich dort zwei Bilder überlagern. Man muss nun versuchen, durch verstellen des Zeigerarmes, das zu vermessende Gestirn und die Horizontlinie genau aufeinander zu legen. Ist dies der Fall, so kann der Zeigerarm festgestellt werden, und die Höhe des Sternes an einer Gradeinteilung, die sich am Kreisbogen des Sektors befindet, abgelesen werden.

Die Einteilung beginnt an der Stelle mit 0°, an der sich der Zeigerarm befindet, wenn S1 und S2 genau parallel sind (Seite des Fernrohres). Es fällt auf, dass die Gradeinteilung, die sich in der Regel über einen Winkel von 60° erstreckt, in genau das Doppelte, nämlich 120° unterteilt ist. Das liegt daran, dass aus strahlenoptischen Gründen die Höhe des Gestirns dem Doppelten des Winkels zwischen S1 und S2 entspricht.

Aufgrund seiner relativ einfachen Handhabung wird der Sextant in der Regel auf Schiffen zur Navigation eingesetzt. Die Messgenauigkeit des Sextanten erreicht jedoch nicht die des Theodoliten.

Praktische Durchführung

Am 14.1.1997 wurde, im Rahmen eines astronomischen Praktikums an der Universität Würzburg, eine Ortsbestimmung mit Hilfe eines Theodoliten durchgeführt. Die Beschreibung dieses Versuches war ebenfalls Teil dieser Facharbeit. Hier das Ergebnis dieses Versuches:

Deutung des Versuchsergebnisses
Der Zeichnung kann man entnehmen, dass der Schnittpunkt der beiden Standlinien, also der experimentell ermittelte Beobachtungsort, um etwa 0,026° westl. Breite, und um 9 (10-3° südl. Länge vom tatsächlichen Beobachtungspunkt abweicht. Dies entspricht ungefähr einer Distanz, von 2,1 Kilometern.
Es ist auffällig, dass alle fünf Standlinien links vom tatsächlichen Beobachtungspunkt liegen, da eher zu erwarten gewesen währe, dass sie willkürlich um diesen Punkt verteilt verlaufen. Daher ist anzunehmen, dass bei allen Messungen der verschiedenen Zenitdistanzen ein gemeinsamer Fehler gemacht wurde, der zu dieser Verschiebung nach links geführt hat. Ein solcher Fehler könnte z.B. durch eine ungenaue Bestimmung des Nullpunktfehlers entstanden sein. Ein weiterer Grund kann auch die Inversionslage des Wetters am Tag der Messung gewesen sein. Zum Zeitpunkt der Messung befanden sich warme Luftschichten über den kalten in Bodennähe, so dass es eventuell nicht möglich war, genaue Korrekturwerte für die Lichtbrechung zu bestimmen, da in den Tabellen von einem kontinuierlichen Verlauf des Luftdrucks und der Temperatur ausgegangen wird.
Abschließend lässt sich sagen, dass das Versuchsergebnis zufrieden stellend ist, auch wenn die Häufung der Schnittpunkte links vom wirklichen Standpunkt zeigt, dass der Theodolit wohl eine noch exaktere Ortsbestimmung ermöglicht.

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