Software-Ergonomie

1.Einleitung

Im folgendem möchte ich den Artikel von S. Maaß über Software-Ergonomie,

der in der Zeitschrift "Informatik Spektrum" 1993 im Heft Nr. 16 erschienen ist,

zusammenfassend wiedergeben. In diesem Text geht es um die Problematik der

Gestaltung von Softwareprodukten, die am Benutzer und seinen Aufgaben

ausgerichtet sind.

Es ist nicht selbstverständlich, dass Anwendungen nach den Vorstellungen der

Programmierer benutzt werden können. Auch wenn die Spezifikation erfüllt ist

und Funktionalität der Anwendung korrekt den Erwartungen entspricht, sagt

dies wenig über die Brauchbarkeit des Systems aus. Oft wird bei der

Entwicklung von Software die Konzentration auf die technischen Möglichkeiten

und Gesichtspunkte wie Effizienz gelegt und andere entscheidende Faktoren

außer Acht gelassen, die beim Arbeiten mit EDV-Systemen eine Rolle spielen.

Neben der Technik bestimmen Mensch, Aufgabe und organisatorischer Rahmen

die Gegebenheiten an einem computergestützten Arbeitsplatz. Das Ziel der

Software-Ergonomie ist ein bestmögliches Zusammenwirken dieser

Bestandteile. Dadurch erhält die Software-Ergonomie einen stark

interdisziplinären Charakter. Beiträge kommen hier aus den Bereichen kognitive

Psychologie, Arbeitswissenschaft, Linguistik, Anthropologie, Soziologie und

Informatik. Entsprechend der Vielfalt der Disziplinen, die auf dem Gebiet

vertreten sind, sind die Erkenntnisse, die man durch Forschung erhält, komplex.

Man erhält dabei nicht auf jedes Problem der Software-Ergonomie eine

befriedigende Antwort. Lösungsansätze sind hier erheblich vom Kontext

abhängig, in dem die betreffende Software benutzt wird.

Die Gliederung dieses Textes lehne ich an die Gliederung des Orginaltextes von

Maaß an. Zuerst stelle ich die drei Grundrichtungen der Software-Ergonomie

vor, dann zeige ich Schwierigkeiten auf, die auf diesem Gebiet auftauchen, und

sage etwas über den heutigen Stand der Diskussion und die praktisch

verwertbaren Ergebnisse, die aus ihr entstanden sind. Darauf folgt eine

Übersicht über zukünftige Trends und zum Schluß eine Wiedergabe meiner

eigenen Meinung zum Thema.

2. Drei Grundrichtungen der Software-Ergonomie

In den 70er Jahren wurden Computer immer mehr von Menschen benutzt, die

keine Computerexperten waren. Zu dieser Zeit war die Handhabung von

Anwendungsprogrammen für Techniklaien schwierig, da es mühsam war, über

formale Kommandos mit dem Rechner zu interagieren und die

Bildschirmdarstellung sehr unübersichtlich war.

Bemühungen, diese Situation zu verbessern, fingen mit unsystematischen

Ratschlägen an und entwickelten sich in den 80er Jahren zum Forschungsgebiet

Software-Ergonomie. Gleichzeitig begannen Soziologen, sich für die

Auswirkungen der EDV auf Wirtschaft und Verwaltung zu interessieren, und so

bekam das Gebiet der Software-Ergonomie interdisziplinären Charakter.

2.1 Der technische Schwerpunkt

Die Informatik war lange Zeit ein rein technikorientiertes Fach und so versuchte

man zuerst mit informationstechnischen Mitteln die Benutzbarkeit von

Systemen zu verbessern. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit der Hardware

wurde gesteigert und die Möglichkeiten für die Ein- und Ausgabe

weiterentwickelt (z.B. Maus, hochauflösende Graphik).

Eine entscheidende Vereinfachung des Mensch-Rechner-Dialogs brachte das

Prinzip der "direkten Manipulation" (Shneiderman, 1983). Virtuelle Objekte im

System wurden bildhaft dargestellt und somit verständlicher. Die Verwendung

von Fenstern (mit Einsatz der Maus) auf der Benutzeroberfläche gab eine

bessere Ãœbersicht und machte das Arbeiten am Rechner durch die gleichzeitige

Anzeige von Objekten sowie Abläufen effizienter.

Die Einführung von "Hypertext-Systemen" war der nächste Schritt in der

Entwicklung von benutzerfreundlichen Systemen. Zusätzlich zur direkten

Manipulation können hier komplexere Informationsstrukturen verständlich

dargestellt werden. In diese Strukturen wurden erst nur Texte, dann auch Bilder,

Töne und Videofilme eingebunden. Der Computer wurde so zum multimedialen

Werkzeug.

Einen Zukunftstrend in der Software-Ergonomie beschreibt der Begriff "virtual

reality". Hier soll der Benutzer durch neue Ein- und Ausgabegeräte mit

künstlichen Sinneswahrnehmungen in einer virtuellen Welt handeln.

Um die Entwicklung von benutzerfreundlichen Anwendungen zu vereinfachen,

entstanden Software-Werkzeuge. Mit ihnen müssen Programmierer die äußere

Darstellung ihrer Programme nicht mehr in allen Einzelheiten selbst

implementieren, sondern können auf fertige, bekannte Formen zurückgreifen.

Der technische Ansatz liefert theoretische Modelle, die den Mensch-Rechner-

Interaktion beschreiben. Das "Seeheim-Modell" (Pfaff, 1985) unterteilt diese in

eine Anwendungs-, eine Dialogkontroll- und eine Präsentationskomponente.

Das "IFIP-Modell für Benutzerschnittstellen" (Dzida, 1983) unterscheidet die

Ein-/Ausgabeschnittstelle, die Dialogschnittstelle, die Werkzeugschnittstelle und

die Organisationsschnittstelle.

2.2 Der kognitiv-psychologische Schwerpunkt

Bei der Analyse bestehender und der Gestaltung neuer Systeme wurden auch

psychologische Modelle der menschlichen Wahrnehmung und

Informationsverarbeitung angewendet. So konnte die bildliche Darstellung nach

kognitiv-psychologischen Aspekten verbessert werden und konkrete Angaben

z.B. über die maximale Tiefe von Menübäumen gemacht werden.

Forschungen mit dem psychologischen Ansatz führten zu neuen Hilfestellungen

für die Benutzer. Ein Verfahren ist hier beispielsweise das eigenständige,

spielerische Erkundschaften des Computersystems.

Ein Modell über die Mensch-Rechner-Interaktion macht zwei "Abgründe"

deutlich, von denen einer der "gulf of execution" und der andere der "gulf of

evaluation" (Norman, 1986). Mit diesen Abgründen ist die Schwierigkeit des

Benutzers bei folgendem Vorgang gemeint: Der Benutzer führt nach seinen

Absichten Aktionen an der Mensch-Rechner-Schnittstelle aus (execution), er

erhält eine Ausgabe und muss diese in bezug auf seine Absichten auswerten

(evaluation). Dabei ist wichtig, dass der Anwender sieht, welche Möglichkeiten

ihm das System gibt und was seine Eingaben bewirken.

Das bekannteste psychologische Modell über die Mensch-Computer-Interaktion

ist das GOMS-Modell (goals, operators, methods, selection rules) nach Card,

Moran und Newell von 1983. Der Mensch wird dabei als

Informationsverarbeiter betrachtet, der ähnlich einem Rechner strukturiert ist

und Probleme löst, indem er von einem Anfangszustand aus über eine Folge von

Operationen zum Zielzustand gelangt. Zahlen über die

Verarbeitungsgeschwindigkeit des Menschen gehen dann in die

Systemgestaltung ein, um die Bearbeitungszeiten zu minimieren.

Andere Modelle fassen die Denkvorgänge des Benutzers als Grammatiken auf.

Mit ihnen können zumindest bestehende Schnittstellen auf ihre Erlernbarkeit hin

verglichen werden.

Hinter dem GOMS-Modell steht ein eigener Bereich innerhalb der kognitiv-

psychologischen Software-Ergonomie, der den Einsatz von quantitative

Methoden auf dem Gebiet fordert. Das Modell ist stark umstritten, weil es

gelegentliche Benutzer, bei denen das Erlernen eines Systems oft eine Rolle

spielt, nicht berücksichtigt.

Das andere Lager, die Befürworter von qualitativen Methoden geht

experimentell vor. Anwender werden bei der Arbeit mit EDV-Systemen nach

Schwierigkeiten befragt und die Forscher kommen so zu neuen Erkenntnissen

über die Gestaltung von Softwaresystemen.

2.3 Der arbeitspsychologische Schwerpunkt

Diese Herangehensweise ist vor allem in Europa vertreten. Die Software-

Ergonomie wird hier in den Kontext von humaner Arbeitsorganisation gestellt

und allgemeine Merkmale für Arbeitsbedingungen auf sie angewendet

Eine Arbeitstätigkeit ist nach Ulich (1991) human, wenn der Ausführende von

ihr nicht gesundheitlich und psychosozial geschädigt oder beeinträchtigt wird,

die Arbeit zumutbar ist, d.h.. Bedürfnissen und Qualifikation entspricht, die

Persönlichkeit fördert und die Arbeitsbedingungen beeinflußt werden können.

Diese Forderungen stehen im Widerspruch zu anfänglichen Prinzipien von

Software-Ergonomie, die dem Benutzer durch "narrensichere" Systeme kaum

Freiheiten gelassen hatten, um Fehler zu vermeiden. Dabei wurden allerdings

die Qualifikationen des Benutzers ignoriert, daher sind solche Systeme

arbeitspsychologisch gesehen mangelhaft.

Volpert und Hacker haben 1975 bzw. 1986 die Theorie der psychischen

Handlungsregulation entwickelt, die Grundlage für humane Arbeitsgestaltung

sind. Hier wird die Arbeit in unterschiedliche Anspruchsebenen unterteilt. Die

Handlungsregulation verläuft so, dass die Ebenen, für jede Handlung

nacheinander, von der anspruchsvollsten zur einfachsten durchlaufen werden.

Bei der Entwicklung von EDV-Systemen soll darauf geachtet werden, dass

Handlungsfreiheit auf allen Anspruchsebenen bestehen bleibt, insbesondere auf

den höheren Ebenen. Um dies zu erreichen wird geraten, zuerst die

Arbeitsverteilung von Personen festzulegen, dann zu bestimmen, welche Anteile

durch Computer unterstützt werden und dann die konkrete Gestaltung des

Systems vorzunehmen.

3. Das Dilemma der Software-Ergonomie

Trotz intensiver Forschung auf dem Gebiet der Software-Ergonomie entstanden

aus ihr selten konkrete Lösungen für praxisorientierte Informatiker. Das liegt

daran, dass viele der Fragestellungen zu ungenau sind und sich nicht auf den

Kontext beziehen, in dem sie auftreten. Maaß verdeutlicht diese Problematik

anhand von Beispielen:

Beispiel 1: Kommando-Abkürzungen

Prinzipiell sollten Kommandos abgekürzt werden, um Eingabefehler zu

vermeiden und die Arbeit mit Computersystemen zu beschleunigen.

Für Abkürzungen gibt es verschiedene Methoden. Welche von ihnen für

welches System am besten sind, hängt ab von der Anzahl der Kommandos und

von der technischen Versiertheit der Benutzer. Dabei sollte darauf geachtet

werden, dass die Abkürzungen eindeutig sind, nicht zu Verwechslungen führen

und sich leicht einprägen lassen, z.B. indem sich die Bezeichnungen an die

Fachterminologie der Anwender anlehnen.

Eine andere Möglichkeit sind Menüs, die die möglichen Kommandos

übersichtlich darstellen und alternativ kürzere Wege über eine Tastatureingabe

vorsehen.

Beispiel 2: Einfachheit

Die Einfachheit eines Computersystems kann sich auf verschiedene

Komponenten beziehen. Ein System kann einfach sein, wenn es wenige

Funktionen beinhaltet oder dem Benutzer in jedem Zustand wenige Alternativen

zur Verfügung stellt und auf diese Weise übersichtlich ist. Es kann auch einfach

sein, wenn es eine hohe Anzahl von Funktionen durchschaubar darstellt oder

leicht verständlich bezeichnet ist (siehe Bsp. 1).

Im Gegensatz dazu stehen Kompliziertheit und Komplexität. Die drei Begriffe

verhalten sich im software-ergonomischen Kontext folgendermaßen zueinander:

Komplexe Systeme können auf relativ einfache Art zugänglich sein, wenn sie

verständlich strukturiert und präsentiert sind. Maaß definiert Kompliziertheit als

"unnötige Komplexität" (S. 197).

Bei diesem Beispiel stellt sich wieder die Frage nach einer menschengerechten

Arbeitsgestaltung. Computeranwendungen sollten nicht in einer Weise einfach

sein, in der sie qualifizierte Benutzer unterfordern, indem sie den

Handlungsspielraum des betreffenden einengen (Nicht-Komplexität). Durch

eine Ausrichtung des Systems an das Fachwissen des Benutzers kann es

gleichzeitig einfach zu bedienen und trotzdem hochkomplex sein und dem

Benutzer die Entscheidungsmöglichkeiten lassen, die er ohne

Computerunterstützung hätte.

Beispiel 3: Systemkonsistenz

Systemkonsistenz bedeutet einheitliches, erwartbares Verhalten und äußere

Darstellung eines Systems. Ein System ist intern konsistent, wenn z.B. das

Layout von verschiedenen Fenstern, die Tastenbelegung oder die Struktur von

Menüs innerhalb des Systems übereinstimmen. Die externe Konsistenz ist

gegeben, wenn verschiedene Systeme sich strukturell entsprechen, so der

Anwender leicht zwischen ihnen wechseln kann.

Einige Hersteller haben Richtlinien für die interne und externe

Systemkonsistenz aufgestellt, die allerdings nicht allgemeingültig für jede

einzelne Anwendung angewendet werden können. Konsistenz kann im

Widerspruch zu einer aufgabenspezifischen Systemgestaltung und der

Individualisierbarkeit von äußerer Darstellung und innerer Struktur von

Programmen stehen.

Es muss also abgewogen werden, inwiefern im Einzelfall eine Förderung der

Systemkonsistenz dem Benutzer hilft oder ihn einschränkt.

4. Stand der Diskussion

Bei der Systemgestaltung unterscheidet man zwischen Gestaltungsgegenstand

und -prozeß.

4.1. Der Gestaltungsgegenstand

Es wurden verschiedene Modelle entwickelt, um Benutzerschnittstellen zu

beschreiben. Für die Praxis sind Schichtenmodelle, wie das IFIP-Modell (siehe

2.1) relevant. Durch die Formalisierung der Benutzungsschnittstelle kann

zwischen den einzelnen Aspekten der Gestaltung genau unterschieden und das

Gesamtsystem gezielt entwickelt, verbessert oder analysiert werden.

Große Softwarefirmen gestalten ihre Produkte nach Regelwerken, die

allgemeine Gestaltungsgrundsätze und detaillierte Beschreibungen der

Bedienungselemente (z.B. Fensterrahmen, Aussehen von Knöpfen, Schriftarten)

beinhalten. In den in 2.1 erwähnten Softwarewerkzeugen werden genau diese

Vorgaben für die äußere Gestaltung in die Praxis umgesetzt. Bei der

Verwendung solcher technischer Vorgaben sollte nicht vergessen werden dass

die Software-Ergonomie im Rahmen von menschengerechter Arbeitsgestaltung

steht und Oberflächenbaukästen allein eine Anwendung noch nicht

benutzerfreundlich machen.

Entscheidend für die Benutzbarkeit von Systemen ist auch ihr

Dokumentationsmaterial. Bei vielen Handbüchern ist es gerade für unerfahrene

Benutzer schwierig, die Antwort auf eine Frage nach einem bestimmten Element

des Systems zu finden. Hier ist eine eher aufgabenorientierte Struktur von

Dokumentationen nötig, die eine für Anfänger leichtverständliche Übersicht

bieten und detaillierte Informationen für Fortgeschrittene bietet, nötig.

4.2 Der Gestaltungsprozess

Bei der Systemgestaltung sollten relevante Faktoren wie die späteren Anwender,

ihre Aufgabe, die Organisation ihrer Arbeit und die technischen

Voraussetzungen einbezogen werden. Als besonders effizient erweisen sich

Rücksprachen mit den zukünftigen Benutzern des Systems. Dabei sollten diese

nicht nur einmalig befragt werden sondern durch ein "rückgekoppeltes und

iteratives Vorgehen" (S. 200) Einfluß auf den Gestaltungsprozess nehmen. Die

Anwender testen Prototypen der Software um Verbesserungsvorschläge zu

äußern. Die neuen Anregungen können bei der weiteren Gestaltung verwendet

und die daraus entstandene Programmversion erneut getestet werden, um

herauszufinden, ob die Ideen der Benutzer zweckmäßig umgesetzt wurden.

Die Einbeziehung des Benutzers hat verschiedene Effekte. Die Qualität und

Benutzerfreundlichkeit des Softwareproduktes steigt, die Entwickler bekommen

eine realitätsnahe Vorstellung der Beziehung zwischen System und Benutzern

und für die Anwender wirkt sich die Beteiligung an der Gestaltung ihres

Arbeitswerkzeuges motivationsfördernd aus.

Für den Gestaltungsprozess gibt es einen quantitativen und einen qualitativen

Ansatz.

Beim quantitativen Ansatz wird versucht, verschiedene Aspekte der

Benutzerfreundlichkeit von Systemen in Zahlen auszudrücken. Es wird z.B. in

Experimenten gemessen, wie lange man mit einer bestimmten Anwendung

braucht um eine konkrete Aufgabe zu erledigen oder wie oft die Hilfefunktion

innerhalb einer bestimmten Zeitspanne aufgerufen wird.

Durch diese Methode ist es möglich, Systeme durch konkrete Parameter nach

Benutzbarkeit zu bewerten und zu vergleichen. Aber eine ausschließlich

quantitative Betrachtung kann keine ganzheitliche Gestaltung ermöglichen, denn

ein System mit anwenderfreundlichen "Maßen" erfüllt nicht unbedingt alle

Voraussetzungen für ein software-ergonomisch gutes System.

Ein qualitativer Ansatz stammt von Gould. Er schlägt eine iterative

Verfahrensweise bei der Gestaltung vor, wobei die Anwender einbezogen

werden. Die Informationen über Schwierigkeiten mit dem System, die die

Softwareentwickler von den Testanwendern erhalten werden nicht nach vorher

festgelegten Kategorien eingeordnet, sondern sollen werden unabhängig davon

analysiert und eingeschätzt.

Unter den qualitativen Ansatz fällt die "Methode des lauten Denkens" (S. 201).

Dabei sollen die Testpersonen während der Arbeit an dem neuen System ihren

Gedankengang artikulieren, wobei der Vorgang mit Videokamera festgehalten

wird. Danach wird der Film von allen Beteiligten diskutiert. Dieses effiziente

Vorgehen deckt vor allem Bedienungsschwierigkeiten von Anfängern auf.

Das "Benutzer-Interview" (S. 201) ist eine Methode die sich gut als

anschließende Ergänzung zum lauten Denken eignet.

Es ist außerdem oft sinnvoll, ein System während der Entwicklung nicht nur von

"Laien" sondern auch von EDV- Erfahrenen zu testen, wenn die zukünftigen

Benutzer mit unterschiedlichem Grad an Routine mit Computersystemen

umgehen.

Im EVADIS-Projekt entstand ein umfangreicher Leitfaden für die Bewertung

von Systemen nach software-ergonomischen Kriterien. Hier werden die

Aussagen der Benutzer sowohl nach den Bestandteilen der

Benutzungsschnittstelle, als auch nach Prinzipien der Systemgestaltung

methodisch ausgewertet.

Ein Nachteil des qualitativen Ansatzes liegt darin, dass die Tests nicht in einer

realen Arbeitsumgebung stattfinden. Die Testaufgaben und die -umgebung sind

in sich abgeschlossen, d.h. es gibt keine Unterbrechungen durch Kollegen oder

gleichzeitige andersartige Aufgaben wie im normalen Arbeitsleben.

4.3 Trends

Zwar kommen neue Technologien der graphischen Benutzeroberfläche an

Arbeitsplatzrechnern in Wirtschaft und Verwaltung noch kaum zum Einsatz,

doch sind diese ein aktuelles Thema bei Softwareforschern und Anwendern. Die

Entwicklung geht weiter in Richtung multimediale Oberflächen, bei denen außer

Texten auch statische und bewegte Graphiken, Video und Ton eingebunden

werden können. Neben der Eingabe über Tastatur werden Anwender auch über

Handschrift und akustische Sprache mit Computern interagieren. Ebenso von

den Möglichkeiten der "Virtual Reality" verspricht man sich neue Ansätze für

einen einfacheren Umgang mit Systemen.

Bisher bemühte sich die Software-Ergonomie vor allem, den Ansprüchen des

individuellen Anwenders gerecht zu werden. Durch die Umgestaltung der

Arbeitsorganisation in vielen Bereichen hin zur Gruppenarbeit, die man bei

vorhandener Computerunterstützung "Computer-Supported-Cooperative-Work"

nennt, ist es wichtig geworden, dass die Systeme für die neuen Anforderungen

ausgerichtet sind. Durch "Groupware" soll es für die Anwender in der Gruppe

möglich sein, Informationen auszutauschen und auf gemeinsame Daten ggf.

gleichzeitig zuzugreifen.

Auf dem Gebiet der "iterativen und partizipativen Systemgestaltung wird

weitergeforscht. Hier wird herausgefunden, wie man die Gruppen von

verschiedenen Beteiligten am zukünftigen Computersystem effizienter in den

Software-Entwicklungsprozeß einbeziehen kann und wie man die Anwender

besser auf den Umgang mit dem System vorbereitet.

Aktuell sind auch die Fragen, ob durch geeignete Software-Entwicklungs-Tools

mit weniger Aufwand ergonomische Programme entstehen können und wie man

Software nach Ergonomiekriterien bewerten und vergleichen kann.

5. Eigene Stellungnahme zum Thema

Hier entferne ich mich von Maaß' Text und nenne eigene Gedanken.

Erst als man anfing, Software mit Rücksicht auf ihre Benutzbarkeit zu

entwickeln, verbreitete sich die Anwendung von Computern in die Arbeitswelt

und in die Haushalte. Nun konnten nicht nur Computerexperten Rechner mit

ihren Programmen bedienen; mit der Weiterentwicklung von Mensch-Rechner-

Schnittstellen wurde es immer einfacher, die Bedienung von Systemen zu

erlernen. Software-Ergonomie spielt also eine große Rolle für die Akzeptanz

von Computersystemen.

Die Veränderung der Ziele der Software-Ergonomie von dem Leitbild des

"narrensicheren Systems" hin zu flexiblen Systemen, die die unterschiedlichen

Qualifikationen der Anwender und verschieden komplexen Ansprüche an die

Software berücksichtigen, war ein wichtiger Schritt. So wurde ein größerer Teil

des Potential des Computers ausgenutzt und universellere Werkzeuge für Arbeit

und Freizeit geschaffen.

Nach meinen Erfahrungen mit Anwendungsprogrammen ist oft der beste Weg,

den Umgang mit solchen Systemen zu erlernen, der des spielerischen

Erkundens. Auf diese Weise wird man schnell mit neuen Programmumgebungen

vertraut ohne ständig seine Aufmerksamkeit zwischen der Dokumentation auf

Papier und der Software auf dem Bildschirm hin und her zu bewegen (bzw.

zwischen Online-Hilfe und auf andere Ebene liegender Anwendung). Die

Dokumentation sollte mehr die Funktion des Nachschlagewerks haben, als die

eines Lehrbuches bzw. eines Tutorials.

Eine Vorraussetzung für das spielerische Erkunden ist, dass Sicherungen in der

Anwendung eingebaut sind, die vor Schaden wie z.B. unbeabsichtigtem Löschen

von Daten schützen. Ist die Komplexität der betreffenden Software zu hoch, ist

es allerdings nicht unbedingt sinnvoll, das System ausschließlich auf diese Art

kennenzulernen.

Zum Beispiel 3 in Abschnitt 3 merke ich an, das die Systemkonsistenz auch für

das Marketing von Softwareprodukten eine wichtige Rolle spielt. Ähnlich

gestaltete Programmoberflächen beim Software vom selben Hersteller erzeugen

bei Anwendern einen Wiedererkennungseffekt. In diesem Fall kann die

Erwartung und das Vertrauen in bezug auf eine neue Software mit den positiven

oder negativen Erfahrungen abhängen, die der Anwender mit früheren

Programmen des selben Herstellers hatte. Das Gefühl, sich in gewohnter

Programmumgebung zu bewegen kann die Bedienung des Systems erleichtern.

Das Zusammenspiel von Systementwicklern und den Personen, die sich mit dem

Sachverhalt auskennen, auf den die geplante Software abgestimmt wird, kann in

der Realität wohl nur bei großen Projekten in dem Umfang geschehen, wie er in

4.2 propagiert wird. In anderen Fällen ist auch eine intensive Mitbeteiligung von

werdenden Anwendern des fertigen Systems selten möglich.

Noch sind Computer relativ unzuverlässige Werkzeuge. Da sie in immer mehr

Bereichen eingesetzt werden, muss besonders durch die Softwaregestaltung ein

reibungsloses Arbeiten mit Computersystemen möglich gemacht werden. Ein

Ziel dieser Bestrebungen sollte sein, dass ein Mensch, um ein Computersystem

zu benutzen möglichst keine Schulung in Datenverarbeitung braucht und noch

weniger den hardware- oder software-technischen Hintergrund kennen muss.

Die Zukunft der Software-Ergonomie wird wie bisher entscheidend von neuen

Technologien für Benutzerschnittstellen abhängen. Erst wenn klar ist, welche

Möglichkeiten von hypermedialen Darstellungen und neuen Interaktionsformen

technisch realisierbar sind, kann man diese mit kognitiv-psychologischen und

arbeitspsychologischen Methoden nach Ergonomiekriterien analysieren und

ausgestalten.

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