Abfall und dessen Auswirkungen

Abbildungsverzeichnis II

Abkürzungsverzeichnis II

1. Einführung 1

2. Definition des Abfallbegriffes 2

3. Formen der Abfallbewältigung 5

3.1 Abfallvermeidung 5

3.1.1 Ansatzpunkte quantitativer Abfallvermeidung 6

3.1.1.1 Potentialfaktoren 6

3.1.1.2 Verbrauchsfaktoren 10

3.1.1.3 Produktionsverfahren 10

3.1.1.4 Produkte 11

3.1.1.5 Umweltbedingungen 11

3.2 Abfallnutzung 12

3.2.1 Ansatzpunkte der Abfallnutzung 12

3.3 Abfallbeseitigung 14

4. Praxisbeispiel 15

4.1 Gothaer Fahrzeugwerk GmbH/Thüringen 16

5. Schlußbetrachtung 18

Literaturverzeichnis III

1. Einführung

In den vergangenen Jahren hat sich das Umweltbewußtsein innerhalb der Gesellschaft grundlegend verändert. Nicht nur bei den privaten Haushalten, sondern vor allem in den Betrieben, setzte ein Umdenken ein. Schärfere staatliche Restriktionen geben den Unternehmen weniger Spielraum bei der eigenen Abfallbewältigung. Sie sind gezwungen zu agieren statt zu reagieren. Gleichzeitig wird erkannt, dass Investitionen im Bereich Umweltschutz und Qualitätsmanagement dazu beitragen können, Kosten innerhalb der Produk-

tion zu senken und Imageverluste bei den Kunden auszugleichen oder in ein positiveres Erscheinungsbild umzukehren.

Zur Zeit befinden wir uns in Deutschland am Beginn einer Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zu einer ökologisch sozialen Marktwirtschaft. Umweltpolitische Diskussionen und verschiedene Ansätze wie z.B. die "Internalisierung externer Effekte" zeigen, dass nach Problemlösungen gesucht wird.

Bei nahezu allen Produktions- oder Konsumvorgängen fallen Abfälle als zwangsläufige unerwünschte Begleiterscheinungen an. Lange Zeit wurde darin kein Problem gesehen, da die Beseitigung keine oder nur geringe Kosten verursachte und Umweltbelastungen nicht erkannt wurden. Manche Unternehmen zahlten lieber die anfallenden Gebühren für eine Verschmutzung durch aus ihrer Fabrik austretende Abwässer, als für den Bau einer eigenen teureren Kläranlage. Eine Umorientierung wäre hier von erheblicher Bedeutung für die Unternehmen, denn die bessere Bewältigung der eigenen Abfälle kann auch ein erfolgsbeeinflußender Faktor sein. Mit den entsprechenden Maßnahmen der Abfallbewältigung eröffnen sich durch zusätzliche Erträge und Einsparungen positive Erfolgspotentiale.

In der vorliegenden Abhandlung soll explizit auf die industrielle Abfallproblematik eingegangen werden. Es ergeben sich bei objektiver Betrachtung aber auch zahlreiche Schnittstellen mit anderen Bereichen wie z.B. der Abfallbewältigung der privaten Haushalte, so dass sich vielleicht manchmal Parallelen zum eigenen Handeln erkennen lassen.

2. Definition des Abfallsbegriffes

Um die nachfolgenden Betrachtungen durchzuführen, ist es notwendig, den Abfallbegriff genauer abzugrenzen.

Jede Produktion ist auf die Erstellung bestimmter Güter ausgerichtet. Diese bilden das Sachziel der Produktion und sollen einen positiven Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Es ergibt sich eine Aufteilung der Produkte aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die Unternehmung in Haupt- und Nebenprodukt. Allerdings fallen parallel in der Produktion weitere Güter an, die nicht zum Sachziel hinzugerechnet werden können. Führen diese als Produktionsergebnisse zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Unternehmenserfolgs, soll von Produktionsabfall gesprochen werden. Haben die nicht bezweckten Produktionsergebnisse keinen Einfluß auf die Kosten und Erlöse der Unternehmung, spricht man von freien Produktionsgütern. Abbildung 1 verdeutlicht die vorgenommene Einteilung.

Produktionsergebnis

Sachziel

nicht Sachziel

negativer Beitrag zum Unternehmens-

erfolg

kein Einfluß auf den Unter-

nehmenserfolg

Haupt-

produkt

Neben-

produkt

Produktions-

abfall

freie Produktions-

güter

Abb. 1: Systematik der Produktionsergebnisse

Ein wesentliches Merkmal des hier verwendeten Abfallbegriffs ist auf jeden Fall der negative Erfolgsbeitrag. Die Produktionsabfälle entstehen in den meisten Fällen im Rahmen von Kuppelprozessen. Kuppelprodukte sind Produkte, die bei einer technologisch verbundenen Produktion simultan in einem Produktionsprozeß entstehen. Es kann sich hierbei um mehrere gleichartige oder verschiedenartige Güter handeln. Häufig wird zwischen Nebenprodukten und Abfällen einerseits und dem Hauptprodukt andererseits unterschieden. Beispielsweise fällt im Hochofenprozeß neben dem Roheisen als Hauptprodukt auch eine Reihe von Nebenprodukten in Form von Gichtgas, Schlacke und Abwärme an. Kuppelprodukte sind demnach das Ergebnis

eines Trenn-, Zerlegungs-, Umgruppierungs- oder Sortierprozesses.

Die Unterscheidung in Produkte und Abfälle führt nicht dazu, dass bestimmte Produktionsergebnisse, etwa aufgrund ihrer materiellen Zusammensetzung, dauerhaft einer dieser beiden Kategorien zugeordnet werden müssen. Zum Beispiel kann technischer Fortschritt dazu führen, dass Abfälle den Rang von Haupt- oder Nebenprodukten erhalten, also quasi eine den Erfolg erhöhende Verwendung finden. Als ein Exempel seien Kokerei- und Erdgas erwähnt. Lange Zeit galten sie als unerwünschte Kuppelprodukte bei der Erzeugung von Koks bzw. der Gewinnung von Erdöl und wurden aufgrund dessen abgefackelt. Umgekehrt ist aber auch eine Rückstufung vom Produkt zum Abfall möglich entsprechend der jeweiligen Entwicklung.

Die Zuordnung kann allerdings nicht unabhängig vom betrachteten Unternehmen ausgehen, da unterschiedliche Bewertungen dessen, was Abfall darstellt, zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Wird beispielsweise in Unternehmen A ein entstandenes Produktionsergebnis für einen nebengelagerten Produktionsprozeß gebraucht, so stellt es dort ein Zwischenprodukt dar. In Unternehmen B hingegen stellt es Abfall dar, weil hier keine weitere Verwendungsmöglichkeit besteht.

Unterschiedliche Einordnungen können auch Folge verschiedener Informa-

tionslevels sein, die einer Unternehmung einen Kenntnisvorsprung in der Nutzung bestimmter Produktionsergebnisse verschaffen. Abfälle können, ebenso wie Produkte, als stoffliche Güter, Energien oder in sonstiger immaterieller Form auftreten. Sie können bei der Produktion von Sachgütern und Dienstleistungen anfallen. So fallen in Industrieunternehmen beim inner- und zwischenbetrieblichen Transport Abfälle in Form von Abgasen, Abwärme und Lärm an. Durch Beschädigung kann auch das Transportgut selbst zu Abfall werden. Die Abbildung 2 soll anhand von Beispielen einen Überblick über die möglichen Abfallformen geben.

Abfallform

Beispiele

stoffliche Abfälle

-feste Abfälle

Stanzabfälle beim Stanzen von Teilen aus einer Platte; Gratschrott beim Schmieden; Stahlbleche mit Kantenrissen oder Maßabweichungen beim Walzen; Verpackungsabfälle; ausgediente Produktionsanlagen

-flüssige Abfälle

verbrauchte Spülbäder in der elektrotechnischen Industrie, Beizabwässer in der Stahlindustrie

-gasförmige Abfälle

Abluft aus einer Lackiererei

energetische Abfälle

-Wärme

Hitze in einem Schmiedebetrieb, bei Verbrennungsprozessen

-Licht

Lichtbogen beim Schweißen

-Schall

Lärm an einer Presse

-Strahlung

-Erschütterungen

-sonstige immaterielle Abfälle

nicht benötigte Informationen; Forschungs- und Konstruktionsarbeiten, die zu keinem brauchbaren Ergebnis führen

Abb. 2: Abfallformen

Zusammenfassend sollen unter Abfall alle im Unternehmen anfallenden materiellen und immateriellen Güter verstanden werden, die nicht zum angestrebten Sachziel gehören und deren Entstehung und Bewältigung zu einer nachhaltigen Verminderung des Unternehmenserfolges führen.

3. Formen der Abfallbewältigung

Bei den nachfolgend darzustellenden Abfallbewältigungsformen sollen die einzelnen Teilbereiche nacheinander beschrieben werden.

Müller unterscheidet die Abfallbewältigungsalternativen wie folgt:

Abfallvermeidung Abfallnutzung bzw. -verwertung Abfallbeseitigung

Er schließt grundsätzlich den Übergang von der einen Form in eine andere und umgekehrt nicht aus, hält aber aus praktischen Gründen eine Veränderung von der Abfallbeseitigung ausgehend in Richtung des obersten Ziels der Abfallvermeidung für wahrscheinlicher.

3.1 Abfallvermeidung

Das Ziel sollte hier sein, ein Produktionsergebnis, das Abfall darstellt, erst gar nicht entstehen zu lassen. Im Gegensatz dazu geht man bei Abfallnutzung und -beseitigung davon aus, dass Abfälle bereits enstanden seien. Um die Formen voneinander trennen zu können ist es notwendig Systemgrenzen zu definieren. Als Grenzen können Produktionsanlagen oder Arbeitssysteme fungieren.

Müller unterscheidet die Abfallvermeidung nach quantitativen, qualitativen, räumlichen und zeitlichen Aspekten. Bei der quantitativen Abfallvermeidung handelt es sich um die Reduzierung der betrachteten Abfallmenge, auch wenn beispielsweise nur eine Verminderung möglich ist. Eine qualitative Abfallvermeidung liegt vor, wenn die Vermeidung der einen Abfallart nur durch die Hinnahme anderer Abfälle möglich wird. Man spricht auch von einer Abfallsubstitution. Die räumliche oder zeitliche Abfallvermeidung kann insbesondere aus rechtlichen Gründen in Betracht kommen, Abfallmenge oder -qualität ändern sich hierbei nicht. In der Praxis findet sich meist eine Kombination der genannten Aspekte.

Im folgenden sollen die Möglichkeiten der quantitativen Abfallvermeidung gezeigt werden. Als mögliche Ansatzpunkte kommen alle Ursachen der Abfallentstehung in Betracht wie z.B. die eingesetzten Produktionsfaktoren, die Verfahrensverbindungen, die Produkte als auch die Umweltbedingungen.

3.1.1 Ansatzpunkte quantitativer Abfallvermeidung

Zu unterscheiden sind hier die folgenden Aspekte:

Potentialfaktoren

- Produktionsanlagen

- der arbeitende Mensch

Verbrauchsfaktoren Produktionsverfahren Produkte Umweltbedingungen

3.1.1.1 Potentialfaktoren

Produktionsanlagen

In der Konstruktion und der jeweiligen spezifischen Technologie der eingesetzten Maschinen kann eine mögliche Ursache für eine Abfallentstehung zu finden sein. Eine Vermeidung kann hier nur durch eine nachträgliche Änderung der Konstruktion oder der Installation von Zusatzaggregaten erreicht werden.

Müller verdeutlicht dies an einem Beispiel. "Beim Schmieden können durch die Umstellung von Freifallhämmern, in denen die Schmiedestücke vertikal bearbeitet werden, auf die horizontale Bearbeitung Erschütterungen und Lärm weitgehend gemindert werden. In einer Solinger Schmiede wurde auf diese Weise die abgestrahlte Schallenergie auf 1/10 des ursprünglichen Wertes gesenkt, Erschütterungen sind auch in unmittelbarer Nachbarschaft nicht mehr feststellbar." Ist dies nicht möglich oder verbessert sich die Situation nicht wesentlich, so bleibt letztlich nur der Einsatz anderer Anlagen.

Desweiteren bietet die Instandhaltung, die in vielen Fällen mit einer Modernisierung oder technischen Veränderung einhergeht, einen weiteren anlagebezogenen Ansatzpunkt zur Abfallvermeidung. Die Gebrauchseigenschaften einer Produktionsanlage unterliegen zum Teil durch technischen Verschleiß Veränderungen im Zeitablauf. Dies kann eine Verminderung der Präzision und Zuverlässigkeit zur Folge haben und mit erhöhten Ausschußraten verbunden sein. Durch regelmäßige Anlageninspektion können Abweichungen vom Sollzustand frühzeitig festgestellt und weitere Instandhaltungsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden. Statt an der Anlage kann die Kontrolle auch an den Produkten, dem Faktorverbrauch oder den Abfällen ansetzen. Durch vorbeugende Wartungsmaßnahmen und frühzeitigen Austausch bzw. Reparatur von Verschleißteilen kann der Anlagenverschleiß, zumindest in Grenzen, behoben werden. Mit technischen Verbesserungen im Rahmen von Instandhaltungsmaßnahmen kann eine zusätzliche Reduzierung der Abfallmenge erreicht werden. Nach Ablauf der Nutzungsdauer fällt die Anlage selbst als Abfall an, die eben angesprochenen Handlungsweisen können zu einer Verlängerung dieser Zeitperiode beitragen. Langfristig lässt sich auch so eine Abfallvermeidung erzielen.

Arbeitende Menschen

Durch die unterschiedlichen Eigenschaften in bezug auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit eines Arbeiters kann es zu sogenannten personalbedingten Abfällen kommen. Dies äußert sich dann durch z.B. Fehlbedienung von Anlagen oder aber auch unsachgemäße Behandlung von Material oder Produkten.

Wesentliche Ursachen für personalbedingte Ausfälle sind nach Müller:

- Qualifikationsmängel

- fehlende Motivation

- Begrenztheit menschlicher Leistungsfähigkeit in bezug auf Konzentra-

tionsfähigkeit und Denkvermögen.

Um Qualifikationsmängel zu vermeiden, bieten sich einerseits Schulungsmaßnahmen an, um die bemerkten Defizite zu beseitigen. Andererseits besteht die Möglichkeit einer Um- oder Neubesetzung entsprechender Arbeitsplätze. Während bei der Umbesetzung lediglich ein Arbeitsplatztausch in Betracht kommt, ist die Neubesetzung mit Entlassung und Neueinstellung verbunden. Zu berücksichtigen ist dabei möglicherweise vor allem eine, mit der Qualifikationsverbesserung einhergehende, höhere Personalkosten.

War die erstgenannte Ursache eher subjektiv bedingt, bildet die Begrenztheit menschlicher Leistungsfähigkeit eine objektive Ursache personalbedingter Abfälle. Eine Maßnahme ist hier hauptsächlich die Bereitstellung maschineller Hilfen. In weiterführender Konsequenz kann dies schließlich zu einer weitgehenden Automatisierung des Produktionsablaufs führen.

Um eine fehlende Motivation zu steigern, haben sich finanzielle Anreize in Form von Prämien allgemein bewährt. Hierbei kommen verschiedene Bemessungsgrundlagen in Betracht. Am gebräuchlichsten sind Ausschußvermeidungs- oder Materialnutzungsprämien. Um Ausschuß zu vermeiden, wird dann eine Prämie gezahlt, wenn der Anteil der Ausschußteile an der jeweils produzierten Menge einen bestimmten prozentualen Wert nicht übersteigt. Bei der letztgenannten Prämienart werden die eingesetzte Materialmenge und die in den Endprodukten schließlich enthaltene Materialmenge ins Verhältnis gesetzt. Die Höhe der Prämienzahlungen hängt vom Umfang der Abfallvermeidung ab.

Nachfolgende Abbildung zeigt ein Beispiel für eine Abfallvermeidungsprämie.

Abb. 3: Beispiel einer Abfallvermeidungsprämie

Eine Prämie wird hier gezahlt, wenn die Materialnutzung über 80 % hinausgeht. Dies wird auch als Prämienausgangsleistung bezeichnet. Üblicherweise wird auch eine Prämienoptimalleistung festgelegt (im Beispiel 95 %). Als Prämienspannweite wurde 25 % gewählt. Außer dem hier aufgezeigten linearen Prämienverlauf sind auch degressive oder progressive Verläufe vorstellbar.

3.1.1.2 Verbrauchsfaktoren

Verbrauchsfaktoren gehen als Erzeugniseinsatzstoffe wesentlich in die Produkte ein oder werden zum Betreiben oder zur Wartung von Produktionsanlagen benötigt. In beiden Fällen kann es sich um materielle Güter oder um Dienstleistungen handeln. Der Anfall von Abfällen ist häufig in bestimmten Eigenschaften der Verbrauchsfaktoren begründet. Dies gilt gleichermaßen für Erzeugniseinsatzstoffe wie für Betriebsstoffe. Bei ersteren sind neben ungünstigen Abmessungen, die zwangsläufig Materialabfälle zur Folge haben, insbesondere bei Rohstoffen verschiedene Formen von unerwünschten Bestandteilen zu nennen. Im Hochofenprozeß beispielsweise enthalten die eingesetzten Eisenerze einen mehr oder weniger großen Anteil an Gestein. Durch einen höheren Reinheitsgrad kann eine Reduzierung des Abfalls erfolgen. Ähnliche Gesichtspunkte ergeben sich beim Betriebsstoffeinsatz, wobei hier zum Beispiel der Einsatz von Kohle oder Öl mit einem geringeren Schwefelgehalt zu einer Verminderung des Schwefeldioxid-Anfalls führen kann.

3.1.1.3 Produktionsverfahren

Auch durch eine Änderung im Produktionsablauf lässt sich in vielen Fällen eine Abfallvermeidung verwirklichen. Die Ansatzpunkte sind hierbei u.a. die Änderung der Intensitäten und die Änderung von Druck, Temperatur usw.. Bei mehrstufigen Produktionsprozessen bietet sich unter anderem die Änderung der Bearbeitungreihenfolge und der Anzahl der Produktionsstufen an.

Zum Beispiel kann bei mehrstufiger Fertigung die Maschinenfolge auf den Umfang der Abfallentstehung Einfluß nehmen. Zunächst örtlich begrenzte Fehler in einem Stahlcoil können sich in nachgelagerten Produktionsstufen ausweiten oder zu Materialverlusten an anderen Stellen des Bandes führen. Daher kommt insbesondere der Einordnung von Reparaturarbeitsgängen Bedeutung zu, da durch eine frühzeitige Reparatur Folgewirkungen vermieden werden können.

3.1.1.4 Produkte

Neben den schon angesprochenen Ursachen können auch die Produkte einen Ansatzpunkt für Maßnahmen der Abfallvermeidung bilden.

Bei Mehrproduktfertigung können beispielsweise Änderungen der Losgröße oder der Sortenfolge Einfluß auf die Abfallmenge nehmen, da brauchbare Produkte oft erst nach einer Einfahrzeit erstellt werden, deren Länge zudem von der Art der Umstellung abhängen kann. So entsteht bei der Tapetenherstellung zu Beginn einer Partie Abfall durch Probedrucke in konstanter Menge je Partie. Außerdem fällt Abfall für den Partieschluß an, da die Partie nicht zum Ende bedruckt werden kann (auf dem Rollenkern verbleibt ein Rest an Bedruckstoff). Neben den Einsparungen durch verringerte Abfallmengen können geänderte Sortenfolgen durch die Verwendung größerer Lose Auswirkungen auf die Anzahl der Rüstvorgänge haben. Eine Erhöhung der Losgröße kann sich auch auf die Lagerhaltung - insbesondere aufgrund eines höheren durchschnittlichen Lagerbestandes - auswirken.

3.1.1.5 Umweltbedingungen

Zuletzt kommt als Ansatzpunkt der Abfallvermeidung die Beeinflussung bestimmter Umweltbedingungen in Betracht, denen ein Produktionsprozeß ausgesetzt ist. So führen ungünstige Werte von Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder ähnlichem zu erhöhtem Lagerabfall. Besonders Papier verlangt eine gleichmäßige konstante Lagerung, um es nicht für den nachgelagerten Produktionsprozeß unbrauchbar zu machen. Die Entstehung von Abfällen aufgrund von Umwelteinflüssen kann zunächst durch die Wahl des Standorts beeinflußt werden. Jedoch wird diesem Umstand nur in wenigen Fällen bei der Standortwahl entscheidendes Gewicht beizumessen sein. Es kommen daher vor allem die Wahl geeigneter Verpackungen sowie bauliche Maßnahmen (Heizunganlagen, Installation von Klimaanlagen) in Betracht.

3.2 Abfallnutzung

Unter dem Begriff der Abfallnutzung wird der Einsatz von Abfällen in Produktions- oder Konsumtionsprozessen verstanden. Hierbei wird unterschieden nach:

Ort der Nutzung eines Abfalls

- innerbetriebliches Recycling

- extrabetriebliches Recycling

Stellung des Wiedereinsatzprozesses

- Wiedernutzung (Nutzung in bereits durchlaufenen Produktionsprozessen)

- Weiternutzung (Nutzung in einem anderen Produktionsprozeß)

3.2.1 Ansatzpunkte der Abfallnutzung

Um die Nutzung des Abfalls zu ermöglichen, muss eine Übereinstimmung der Eigenschaften des Abfallstoffes mit dem im Einsatzprozeß benötigten Eigenschaften vorliegen oder in Übereinstimmung gebracht werden können. Diese Eigenschaften kann man in einem Abgabe- bzw. Anforderungsprofil zusammenfassen. Die wesentlichen Elemente sind dabei:

Qualität (hierbei ist auf die Stoffart, die chemisch-physikalischen Eigenschaften und die Zusammensetzung zu achten) Menge Zeit Ort

Unterschiede zwischen Anfall- und Nutzungsort, die insbesondere bei externer Nutzung ins Gewicht fallen können, lassen sich durch Transport überbrücken. Damit sind allerdings zusätzliche Transportvorgänge verbunden, die je nach Entfernung, Gewicht und Volumen wirtschaftlich bedeutsam sein können und die sich entweder indirekt über den erzielbaren Preis oder direkt durch Übernahme des Transports auf den Abfallanbieter auswirken.

Zeitliche Differenzen lassen sich durch eine Lagerung der Abfälle ausgleichen, soweit dies technisch möglich ist. Die Erfolgseinflußgrößen der Lagerhaltung sind weitgehend identisch mit denen des Transports. Bei mengenmäßigen Unterschieden der Art, dass die anfallende Abfallmenge geringer ist als die benötigte Menge, ist eine Zusammenfassung der eigenen Abfallmenge mit der anderer Produzenten des gleichen Abfalls in Betracht zu ziehen.

Bestehen Unterschiede qualitativer Art zwischen dem Abgabeprofil des Abfalls und dem Anforderungsprofil für eine Nutzung, so sind grundsätzlich drei Vorgehensweisen zu unterscheiden:

Das Anstreben der Veränderung der Eigenschaften des Abfalls:

Der Nutzung des Abfalls geht also eine Substitution voraus. In manchen Fällen kann es z.B. schon ausreichen, wenn zur Vermeidung einer Vermischung verschiedenartiger Abfälle getrennte Sammelbehälter aufgestellt werden. Die Modifikation der Anforderungen, die für eine Nutzung an den Abfall gestellt werden:

Als eine Möglichkeit sei hier explizit die Variation der Verfahrensbedingungen beim Nutzungsprozeß genannt. So ist ein Einsatz von Altpapierfasern bei der Papierherstellung nur möglich, wenn die Geschwindigkeit der Papiermaschinen reduziert wird. Würde dies nicht beachtet werden, dann könnte sich das auf die Qualität der hergestellten Papierbahn auswirken. Die Zwischenschaltung von Aufbereitungsprozessen zur Angleichung der Qualitätsmerkmale des Abfalls an die benötigten Eigenschaften:

Hierbei kann die Nutzung durch die Verwendung von mechanischen, biologischen und chemischen Verfahren ermöglicht werden.

3.3 Abfallbeseitigung

Unter Abfallbeseitigung wird die Abgabe des Abfalls an die Umwelt verstanden. Im wörtlichen Sinne ist dies eigentlich nicht möglich. Dies ergibt sich aus dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik. Nach diesem lassen sich Masse und Energie weder schaffen noch vernichten.

Nach dem Umweltmedium, an das der Abfall abgegeben wird, lassen sich die Maßnahmen zur Abfallbeseitigung systematisieren in:

Abgabe in den Boden Abgabe in die Luft Abgabe in das Wasser.

Aufgrund der Verbundenheit der Umweltmedien untereinander muss beachtet werden, dass in ein Umweltmedium abgegebene Abfälle durch Diffusion in ein anderes Medium gelangen können. Zum Beispiel werden mit der Abluft abgegebene Feststoffe durch Niederschläge ausgewaschen und gelangen so in den Boden und in die Gewässer. Auf Deponien gelagerte Abfälle geben durch chemisch-biologische Umwandlungsprozesse Gase an die umgebende Luft ab.

Die Beseitigung von Abfällen kann durch Verdünnung oder Konzentration erfolgen. Bei der Verdünnung wird eine Verteilung an die Umwelt angestrebt, hauptsächlich an die Luft und Gewässer. Durch rigidere Umweltschutzbestimmungen wird diese Methode aber zunehmend eingeschränkt.

Bei der Konzentration sollen die Abfälle vor allem überschaubar gehalten werden, beispielsweise durch Ablagerung auf einer Deponie. Je nach Gefährlichkeit der zu lagernden Stoffe unterscheiden sich hier Übertagedeponien und Untertagedeponien.

Neben der oben angesprochenen Eigenbeseitigung der Abfälle besteht die Möglichkeit der Fremdbeseitigung, bei der die Beseitigung durch ein anderes Unternehmen oder eine staatliche Institution vorgenommen wird. In vielen Fällen ergänzen sich Eigen- und Fremdbeseitigung. Abfälle können z.B. zunächst im Unternehmen vorbehandelt (bspw. gepreßt, getrocknet oder verbrannt) und anschließend zur Fremdbeseitigung abgegeben werden. Auch die Sammlung und vorübergehende Lagerung kann zu den Vorbehandlungsaktivitäten gerechnet werden. Im Abwasserbereich ist eine Kombination von Eigenbeseitigung und Fremdbeseitigung häufig unvermeidlich, da vor der Einleitung in die öffentliche Kanalisation bei vielen Abwasserarten eine Vorreinigung vorgeschrieben ist.

In der nachfolgenden Abbildung sind die wesentlichen Möglichkeiten der Abfallbewältigung noch einmal zusammen gefaßt dargestellt.

Abfallbewältigung

Vermeidung

Nutzung

Beseitigung

Faktor-

einsatz

Prozeß-

gestal-

tung

Produkte

Umwelt-bedin-

gungen

Eigen-

nutzung

|

Verkauf

Eigen-

beseiti-

gung

Fremd-beseiti-

gung

bestehender

Prozeß

neuer

Prozeß

Abb. 4: Möglichkeiten der Abfallbewältigung

4. Praxisbeispiel

Nachfolgendes Beispiel aus einem ostdeutschen Unternehmen soll die Bemühungen zur Reduzierung von Abfall verdeutlichen.

4.1 Gothaer Fahrzeugwerk GmbH/Thüringen

Gesetzesdruck, steigender Wettbewerb sowie die Suche nach Kosteneinsparungspotentialen veranlassen immer mehr Unternehmen dazu, Maßnahmen im innerbetrieblichen Umweltschutz zu ergreifen. Ein Thüringer Mittelständler hat eine Abfall- und Reststoffbilanz ermittelt und daraus Abfallvermeidungspotentiale im Hinblick auf ein Umweltmanagementsystem entwickelt.

Neben der Einführung des Qualitätsmanagementsystems hat sich die Geschäftsführung des Gothaer Fahrzeugwerkes Mitte 1995 auch zur Erarbeitung eines Umweltmanagementsystems anhand der Durchführung des Umwelt-Audits nach der Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 vom 29.06.1993 entschloßen. Um hierzu eine effiziente Ausgangsbasis zu schaffen, wurde für das Gesamtwerk in den Monaten August/September 1995 eine Abfallerhebung mit anschließender Auswertung durchgeführt. Zur Erfassung der Abfallmengenströme der jeweiligen Produktionsstätten innerhalb des Werkes und der des Gesamtwerkes wurde das Gothaer Fahrzeugwerk in insgesamt neun Betriebsuntereinheiten aufgeteilt:

Verwaltungsgebäude Instandhaltung Qualitätssicherung Farbgebungsanlagen Vorrichtungsbau Lehrwerkstatt Schweißtechnische Kursstätte Fahrzeugkomponentenbau Fahrzeugbau

Dadurch konnten die jeweiligen Produktionsleiter bzw. Verantwortlichen über ihren speziellen Bereich genaue Auskünfte erteilen, was die Qualität der gemachten Angaben positiv beeinflußte.

Die Erhebung erfolgte durch eine mündliche Befragung anhand eines Abfallfragebogens, der so gestaltet war, dass zu insgesamt ca. 80 Abfallarten Angaben zu Anfallmengen, Stückzahlen und Verbleib gemachten werden konnten. Ein Vorteil der mündlichen Befragung vor Ort lag darin, auftretende Mißverständnisse oder Unklarheiten direkt auszuschalten, was eine Nachbefragung in den meisten Fällen überflüssig machte. Die Auswahl der in zehn Hauptgruppen eingeteilten Abfallarten beruht auf den bisherigen Erfahrungen bei der Erstellung von diversen Gewerbeabfallkatastern. Die Ergebnisse bildeten die Basis für die Einleitung von Maßnahmen zur Reduktion des Abfallaufkommens und der Kostenreduktion sowie nicht zuletzt einer Verringerung der Umweltbelastungen durch das Fahrzeugwerk.

Als Ergebnis konnte folgende Aussagen getroffen werden:

Die gesamte Abfallmenge des Jahres 1995 der Gothaer Fahrzeugwerk GmbH betrug ca. 6.263 m³. Hiervon waren prinzipiell ca. 85,5 % bzw. ca. 5.349 m³ als Wertstoffe zu deklarieren. Als Problemstoffe zu erklären waren ca. 9,2 % d.h. 574 m³ und als Reststoffe ca. 5,4 % (ca. 336 m³).

Die Abschöpfungsquote für Wertstoffe ist aufgrund des hohen Metallanteiles mit ca. 97 % sehr hoch, bildet aber dennoch aufgrund einer noch mangelhaften Altpapiererfassung ein relativ hohes noch vorhandenes Recyclingpoten-

tial.

Die Abschöpfungsquote für Problemstoffe ist mit ca. 74 % zwar schon sehr hoch, das noch vorhandene Recyclingpotential in Höhe von ca. 26 % ist aber aufgrund der hohen Schadstoffhaltigkeit der noch nicht oder nur teilweise separat erfaßten Problemabfälle wie Batterien, Leuchtstoffröhren, Laborchemikalien, Putzlappen, Zellstofftücher und Kartuschen als äußerst brisant anzusehen.

Auch im Bereich der sogenannten Reststoffe sind durch die genannten Maßnahmen für Strahlmittelrückstände, Kabelabfälle und verschmutztes Altpapier eventuell noch Recyclingpotentiale vorhanden. Insgesamt sind somit dem Hausmüll noch ca. 435 m³ an Abfällen zu entziehen, wobei die genannte Tatsache des hohen Altpapieranteils in den Gewerbeabfall-Containern noch nicht miteinbezogen wurde.

Es bleibt allerdings abzuwarten, in welcher Höhe sich die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Höhe der mit Sicherheit vorhandenen Kostenreduktion auswirkt.

5. Schlußbetrachtung

Die dargestellten Sachverhalte zeigen, wie vielschichtig die Abfallproblematik sein kann. Es ist notwendig alle Teile des Unternehmens in eine Untersuchung miteinzubeziehen. Nur durch eine exakte Betrachtung ist es möglich die "Schwachstellen" der Unternehmung zu entdecken und diese zu eliminieren. Erst dann ist es möglich eine Kostenreduktion zu erreichen.

Aus meiner Sicht ist es in erster Linie notwendig die Grundformen der Abfallbewältigung und ihre Ausprägungen zu kennen. Darauf kann dann, entsprechend der spezifischen Unternehmensproblematik, aufgebaut werden, indem man die brancheneigenen Belange jeweils in das Kalkül miteinbezieht.

In der Industrie muss aufgrund der verschärften Restriktionen durch Staat und Gesellschaft ein deutlicherer Trend in Richtung Abfallvermeidung gesetzt werden. Dies verhilft zu einem deutlich positiveren Image in der Öffentlichkeit und zu Kostensenkungen im gesamten Betrieb. Wie auch die Zertifizierung nach ISO 9000, so kann auch das Öko-Audit bzw. die Einführung eines Umweltmanagement-Systems ein positiver Schritt in diese Richtung sein.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Systematik der Produktionsergebnisse 2

Abbildung 2 Abfallformen 4

Abbildung 3 Beispiel einer Abfallvermeidungsprämie 9

Abbildung 4 Möglichkeiten der Abfallbewältigung 15

Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

m³ Kubikmeter

Literaturverzeichnis

Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Bände 1 - 8, 13.Auflage, Gabler, Wiesbaden 1993 Krüger, Gerhard; Erfassung und Verrechnung von Ausschuß, Frankfurt 1959 Müller, Hermann; Industrielle Abfallbewältigung, Band 38 aus der Reihe: "Bochumer Beiträge zur Unternehmensführung und Unternehmensforschung", Gabler, Wiesbaden 1991 Zeitschrift: "ENTSORGA MAGAZIN Abfall, Abwasser, Luft & Boden", Deutscher Fachverlag GmbH, Frankfurt am Main, Heft 1 - 2 1996,

15. Jahrgang

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