Hitlerjunge Quex

Alois Schenzingers:Hitlerjunge Quex

Entstehungsgeschichte des Romans

Karl-Alois Schenzingers Jugendroman Der Hitlerjunge Quex stellte fast eine Art Prototyp für das Genre "politische Jugendschrift" dar. 1932 erschien er zunächst als Fortsetzungsroman in der nationalsozialistischen Parteizeitung "Völkischer Beobachter", wurde aber noch im gleichen Jahr als Buchausgabe veröffentlicht.

Nachdem Schenzinger schon 1931 mit seiner Erzählung Man will uns kündigen, seine Solidarität zum nationalsozialistischen Kurs der NSDAP bekundete, wurde er von Baldur von Schirach, dem späteren Reichsjugendführer, ausgewählt, einen Propagandaroman für die Hitlerjugend zu schreiben. Bis Kriegsende hatte der daraus entstandene Roman Der Hitlerjunge Quex, den Schenzinger in nur 14 Tagen fertigstellte, eine Auflage von einer halben Million Exemplaren erreicht und avancierte zu einem der populärsten Jugendbücher seiner Zeit.

Inhaltsangabe

Vor dem geschichtlichen Hintergrund der Notverordnungen vom 17.6.1932 und dem Tod des Hitlerjungen Herbert Norkus, der bei einer Auseinandersetzung mit kommunistischen Gruppen ermordet wurde, beschreibt Schenzinger im Stile eines Wandlungsromans die Entwicklung des 15-jährigen Heini Völker vom Anhänger der kommunistischen Internationale bis hin zum Mitglied der HJ. Dabei steht der Konflikt mit seinem Vater, einem verwahrlosten aber klassenbewußten Proletarier im Mittelpunkt. Heini, der auf Drängen seines Vaters einer kommunistischen Jugendgruppe angehört, verabscheut das Verhalten seiner Kameraden, die in ihrer Freizeit "... herumlungern, maulen, mit Mädels losziehen und Sauwitze reißen." Er sieht in ihnen "Nichtskönner und Faulpelze", die "... noch nicht ihren Namen richtig schreiben (konnten), wenn es darauf ankam."

Ganz im Gegensatz dazu erfüllt ihn das stramme und zackige Auftreten der uniformierten und Fahnen schwingenden Hitlerjungen, die er heimlich bei der Sonnenwendfeier beobachtet, mit Begeisterung.

"Er wollte mitsingen, aber seine Stimme versagte. Dies war deutscher Boden, deutscher Wald, dies waren deutsche Jungens, und er sah, dass er abseits stand, allein, ohne Hilfe, dass er nicht wußte, wohin mit diesem großen Gefühl."

Er macht sich die Braunhemden gewogen, indem er einen Hinterhalt, den ihnen seine kommunistische Gruppe zugedacht hatte, verrät. Als Rache dafür treiben die Jungs der "Rotfront", wie die kommunistische Gruppe im Buch genannt wird, Heinis Mutter in den Tod. Er wird in die Gemeinschaft der HJ aufgenommen, die ihm fortan die Familie ersetzt. Aufgrund seines großen Eifers erhält er den Spitznamen Quex und wird zum Kameradschaftsführer im NS-Jugendheim ernannt. Obwohl dieses Jugendheim im Revier seiner ehemaligen Kameraden, jetzt jedoch tief verhaßten "Rotfront" liegt, zeichnet sich Heini weiterhin durch übergroßes Engagement aus.

Gerade als die erste Liebe zu einem aufrechten BdM-Mädchen neben seinem fanatischen Einsatzwillen für die Partei neue Gefühle in Heini hervorruft, wird er von seinen politischen Kontrahenten und persönlichen Feinden der "Rotfront" bei einer Auseinandersetzung tödlich verletzt. Heini stirbt im Kreis seiner Kameraden. An den Tod des Protagonisten haftet Schenzinger den positiven Beigeschmack eines modernen Märtyrers, der sein Leben getreu dem historischen Vorbild Herbert Norkus', als "Blutopfer der Bewegung" lassen musste. Somit bekommt der Tod Heinis eine übergeordnete Dimension, einen tieferen Sinn.

Gattungstypische Merkmale

Allgemein schlechte Verhältnisse

Dieser Jugendroman Schenzingers hat Beispielcharakter für die Gattung der "politischen Jugendschrift", "weil die weltanschauliche Aussage in einer für jugendliches Verständnis zugänglichen Form dargeboten wurde."

Die Veröffentlichung der Geschichte um Heini Völker fällt genau in den Zeitraum der Weltwirtschaftskrise, der, geprägt von hoher Arbeitslosigkeit und materiellem Elend, vor allem für viele Jugendliche keine Zukunftsperspektive offenhielt.

Verherrlichung der HJ

Der Roman versucht, dem Leser den Glauben an Tugenden wie Kameradschaft und Tapferkeit, die in der HJ ganz oben anstehen, zu vermitteln. Die "sakrale Gemeinschaft" von stets ordentlichen und disziplinierten Jungs erscheint als Träger eines ganz neuen Lebensgefühls. Sie bietet Geborgenheit, verleiht die Sicherheit einer geschlossenen Gruppe und stellt sich voll in den Dienst einer, für sie erhabenen Idee. Welcher von Krisen gebeutelte Junge wünschte sich angesichts der idyllisierenden Beschreibung der HJ nicht, Teil dieser Gemeinschaft zu werden?

Auch Heini Völker ist vom Auftreten der Braunhemden in seinem Innersten erregt und wünscht sich nichts mehr, als zu den Hitlerjungen zu gehören,

"... die da eines Tages an ihm vorbeigezogen waren, einer wie der andere blitzblank, lebendig und frisch, eine Fahne voraus (...). Eine Stunde war er nebenher gelaufen, nur den Wunsch im Herzen, mitmarschieren zu dürfen in diesen Reihen, mit diesen Burschen, die jung waren wie er, die Lieder sangen, bei denen ihm fast das Heulen kam."

Wirkungsabsichten

Die eigentliche Wirkung des Buches liegt aber nicht in der historisch authentischen Darstellung der damaligen Verhältnisse, sondern vielmehr an dem hohen Grad von emotionaler Nachvollziehbarkeit. Heini Völker, der aus dem Zusammenbruch seiner Familienstrukturen und als Reaktion auf die schlechten Lebensbedingungen, den Schritt zur HJ tut, wird zur Identifikationsgestalt für die Jugendlichen der Zeit, die in Heini nicht selten ihr eigenes Ich wiedererkennen.

Der Roman macht es sich zunutze, das "... mehr intuitiv richtig als wissenschaftlich exakt erfaßte Angst- und Hoffnungspotential auszubeuten". Gleichzeitig bietet er den Lesern die HJ als zeitgemäße und problemlösende Institution an, die den Jugendlichen in geordnete Bahnen einlenkt.

"Dietrich-Eckart-Stiftung" und "Dietrich-Eckart-Bücherei"

Anläßlich der "Woche des Buches" rief Hans Schemm im Jahre 1934 die "Dietrich-Eckart-Stiftung" und die "Dietrich-Eckart-Bücherei" ins Leben. Diese Institution gab jährlich eine Bücherliste aus, "mit denen der junge Deutsche im Laufe seiner Entwicklung von der Kinderstube an über Schule und Staatsjugend bis zur Lebensreife und beginnender selbstverantwortlicher Lebensführung in Berührung kommen sollte."

Im Jahre 1935 wurden 10 Bücher in die "Dietrich-Eckart-Bücherei" aufgenommen, unter denen auch Adolf Hitlers "Mein Kampf", Hans Günthers "Kleine Rassenkunde" und Karl-Alois Schenzingers Hitlerjunge Quex waren.

Der "Hitlerjunge Quex" als parteihöriger Spielfilm

Gleichschaltung der Prüfungsinstitutionen für das Medium Film

Ähnlich wie die Gleichschaltung der Literatur, wurde auch das Medium Film sofort nach der Machtergreifung vom neu geschaffenen Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, sowie der am 22.9.1933 gegründeten Reichsfilmkammer, einseitig in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie gestellt. Noch im selben Jahr ging daraus eine Art "Märtyrer-Trilogie" hervor, die die parteihörigen Spielfilme SA-Mann Brand, Hans Westmar und der auf Karl-Alois Schenzingers Roman basierende Hitlerjunge Quex, dessen großer Erfolg als Jugendbuch in diesem Film Rechnung getragen wird, umfaßte.

Der von der Ufa verfilmte, von Karl Ritter produzierte und von Hans Steinhoff effektvoll inszenierte "Parteiklassiker" Der Hitlerjunge Quex - Ein Film vom Opfergeist der Jugend, intensivierte die Wirkung der Romanvorlage und versuchte auch jungen Kinogängern die "emotionalen Verlockungen des braunen Regimes nahezubringen."

Welturaufführung des Films in München

Bei der festlich begangenen Welturaufführung des Films am 16.9.1933 in München, waren neben hohen Parteifunktionären auch Reichsjugendführer Baldur von Schirach und sogar Parteiführer Adolf Hitler anwesend.

Die Handlung wurde gegenüber der Romanvorlage nur geringfügig, aber doch bewußt geändert. So ist Heini Völker jetzt Druckerlehrling und kann selbst Propagandazettel herstellen. Sein Vater zeigt sich in Teilen von der NS-Ideologie überzeugt und sein Tod bleibt nicht im Verborgenen, sondern wird direkt messerstechenden Kommunisten zugeschrieben.

Symbolkraft von Fahnen und Liedern

Eine besonders große Bedeutung in diesem Film, kommt den Uniformen, Fahnen und Liedern zu, deren "Symbolkraft" für die damalige Zeit nicht unterschätzt werden darf. So dichteten bzw. vertonten Baldur von Schirach und

H.-O. Bergmann eigens für diesen Film das später zum "HJ-Hit" hochstilisierte Lied: "Unsere Fahne flattert uns voran...". Die innerliche Hinwendung Heinis zur HJ vollzieht sich bezeichnenderweise genau an der Stelle des Films, wo er eine Gruppe in Reih und Glied hinter einer Fahne hermarschierender Hitlerjungen beobachtet, die lauthals dieses Lied singen. Heini wird klar, dass auch er, wie im Lied gefordert, bereit ist zu "...marschieren für Hitler durch Nacht und durch Not mit der Fahne der Jugend für Freiheit und Brot".

Nutzung modernster Filmtechnik

Hans Steinhoff verstand es glänzend, aus den Möglichkeiten der modernen Filmtechnik zusätzlich dramatisierendes Kapital zu schlagen. Dr. Goebbels umschreibt den dem deutschen Film zugrunde liegenden "psychologischen Wirkungsmechanismus" so: Wenn "...eine hohe ideelle Gesinnung sich der lebendigsten und modernsten filmischen Ausdrucksmittel bedient" dann verleiht das "... der deutschen Filmkunst der ganzen Welt gegenüber einen fast uneinholbaren Vorsprung...".

In der Schlußszene des Hitlerjungen Quex wird dies eindrucksvoll dokumentiert. Mittels modernster Schnitt- und Überblendungstechnik tritt aus dem Körper des sterbenden Quex ein ganzes Heer an Hitlerjungen und Fahnen, die in Mehrfachüberblendungen verschmelzen, bis schließlich das Hakenkreuz als "Fahne der Erlösung" überdimensional auf der Leinwand erscheint. Dazu tönt als musikalische Untermalung der "Vorwärts"-Marsch.

Diese, für damalige Zeiten überwältigende Filmkunst, machte es den zumeist jugendlichen Zuschauern noch schwerer, sich der Aussageabsicht des Films zu entziehen.

Resümierend kann man festhalten, dass Schenzingers Hitlerjunge Quex als Buch, oder später als Film sicherlich seinen Beitrag zur Verbreitung des Faschismus in Deutschland geleistet hat.

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