Der Theatermacher

Biographie:

Geburt in Heerlen in den Niederlanden als unehelicher Sohn von Alois Zuckerstätter und Anna Bernhard

1931-1938 Kindheit bei Großeltern (mütterlicherseits) in Wien und Salzburg

Umzug nach Traunstein (Bayern); Besuch eines Heimes für schwer erziehbare Kinder aufgrund von Schwierigkeiten in der Schule

Besuch eines Internats in Salzburg

Abbruch des Schulbesuchs; Beginn einer Lehre (Lebensmittelhandel) Abbruch der Lehre wegen einer Rippenfellentzündung

Erkrankung an Lungentuberkulose; Krankenhausaufenthalt; Tod der Mutter und des verehrten Großvaters (Johannes Freumbichler)

Studium der Musik, Schauspielkunst und Dramaturgie in Wien und Salzburg (Mozarteum); Journalist bei verschiedenen Zeitungen

Ab 1957 Arbeit als freier Schriftsteller in Österreich

Erwerb eines Bauernhofes in Ohlsdorf

Tod in Gmunden

Wichtigste Werke:

Gedichtsammlungen: 1957: Auf der Erde und in der Hölle

1958: In hora mortis und Unter dem Eisen des Mondes

Romane: 1963: Frost; 1967: Verstörung; 1970: Das Kalkwerk

1975: Korrektur; 1982:Beton; 1985: Holzfällen; 1986: Auslöschung

Theaterstücke: 1974: Die Jagdgesellschaft; 1976: Vor dem Ruhestand

1987: Elisabeth II; 1972: Der Ignorant und der Wahnsinnige

1976: Minetti; 1978: Immanuel Kant; 1984: Der Theatermacher

Wichtigste Auszeichnungen:

1968: Österreichischer Staatspreis

1970: Georg-Büchner-Preis

1972: Grimme- und Grillparzer-Preis

Der Theatermacher

Drama (Tragödie und Komödie); 4 Szenen;

1983 verfasst; Uraufführung am 17.08.1985 in Salzburg

Inhalt:

Der "Theatermacher" Bruscon befindet sich mit seiner Familie (Ehefrau, Sohn Ferruccio, Tochter Sarah) auf einer Tourneé, auf der sie die von Bruscon verfasste Menschheitskomödie "Das Rad der Geschichte" aufführen. Der Handlungsort ist ein verkommener Tanzsaal im Gasthof "Schwarzer Hirsch" in Utzbach (Österreich). Die Zeit der Handlung umfaßt einen Abend.

Die ersten drei Szenen handeln von den Vorbereitungen (Aufstellen von Requisiten; Säuberung des Saals) für das Stück einige Stunden vor der Aufführung. Die letzte Szene spielt hinter dem Vorhang, Minuten vor der Inszenierung.

Zu Beginn beklagt sich Bruscon beim Wirt über den kümmerlichen, da vermoderten und verstaubten Zustand des Tanzsaals und über die allgemeinen Bedingungen in Utzbach. Er hält das Erlöschen des Notlichts in der letzten fünf Minuten des Stückes für eine unbedingte Voraussetzung für Aufführung, da seiner Meinung nach ohne die vollkommene Finsternis die Komödie zerstört wäre. Deshalb schickt Bruscon den Wirt zum örtlichen Feuerwehrhauptmann, um diesbezüglich anzufragen ob dies möglich sei. Zum Ende der ersten Szene verspeist die ganze Familie eine zuvor georderte Frittatensuppe.

In den folgenden beiden Szenen probt Bruscon das Theaterstück mit seinen Kindern und erteilt Regieanweisungen. Diese erweisen sich als vergeblich, da die Kinder des Schauspielens unfähig (antitalentiert) sind. Bruscons Frau liegt während dessen krank (Hustanfälle) im Bett. Der Theatermacher empfindet diese Umstände und Unzulänglichkeiten als Zerstörung seines (Lebens-)Werkes. Die Aufregung über den Dilettantismus seiner Umgebung führt sogar zu einem kurzen Schwächeanfall Bruscons. Zu den, ihn quälenden menschlichen Bedingungen kommen noch äußere, der Gestank und das Grunzen von Schweinen, ebenso wie ein aufkommendes Gewitter, hinzu. Am Ende der dritten Szene erfolgt die lang ersehnte Genehmigung zur Löschung des Notlichts.

Die letzte Szene kurz vor Aufführung stellt die kostümierten und geschminkten Darsteller hinter dem Vorhang dar. Sie warten auf (und beobachten) die allmähliche Füllung des Zuschauerraums und treffen letzte Vorbereitungen. In der Zwischenzeit verstärkt sich das Gewitter. Schließlich wird es so stark, dass das Dach des Tanzsaals einbricht und Wasser eindringt. Als noch ein Blitz ein nebenstehendes Haus in Flammen setzt geraten die Zuschauer in Panik und rennen aus dem Saal. Am Ende sieht man Bruscon samt Familie vor dem verlassenen Zuschauerraum.

Erläuterungen und Interpretation:

Eine innere Handlung ist kaum vorhanden, da es keine wirkliche Entwicklung gibt.

Diese wird ersetzt durch Bruscons ständiges Klagen, Verurteilen, Höhnen über

a) schlechte Zustände, wenige Zuschauer, Unterschied zu vorherigen Aufführungen/Orten,

b) österreichische Bevölkerung, Katholizismus (Vergleich mit NS), Provinzialismus, Stumpfsinn

c) Unverstandenheit durch Menschen, Kritiker; kunstfeindliche Welt

d) Unfähigkeit des eigenen Sohnes (Antitalent, trotz Unterricht des Vaters)

e) allgemeine Unfähigkeit der Frauen (Tochter und Frau), die für ihn "völlig geistlose Köpfe" sind.

Hinzu kommt die exzentrische Selbstüberschätzung und der Hochmut Bruscons, der sich selbst mit Shakespeare, Voltaire und Goethe auf eine Stufe stellt. Er hält sich für ein Genie, das zukünftig weltberühmt wird. Sein "Rad der Geschichte" ist für ihn die vollkommenste Komödie. Allerdings muss Bruscon zur Selbstbestätigung seine Kinder dazu zwingen ihn den "größten Schauspieler aller Zeiten" zu nennen.

Seine Selbsteinschätzung nimmt zum Teil absurde Züge an: "Manchmal glaube ich/ ich bin Schopenhauer/ (...) Wiedergeburtsgedanke/ Geisteshomosexualität denke ich". Das Absurde wird beispielsweise auch an der Frittatensuppe deutlich, die er zu einer "Existenzsuppe" im hamlet'schen Stil heraufbeschwört: "Leberknödelsuppe/ oder Frittatensuppe/ das war immer die Frage".

In dem Stück thematisiert und ironisiert Bernhard Teile der eigenen Vergangenheit:

a) Die vierköpfige Brusconfamilie ist mit Bernhards ebenso erfolglosem Großvater Freumbichler und

seiner Familie zu vergleichen, die ebenfalls ständig umhergereist ist.

b) Bruscon leidet im Theatermacher an einer Nierengeschichte, an der Bernhards Großvater starb.

Außerdem überzieht Bernhard Eigenarten seines Großvaters ins groteske.

c) Zenraler Aufhänger ist der Streit um das Löschen des Notlichts. 1972 forderte Bernhard bei der

Uraufführung seines Stückes "Der Ignorant und der Wahnsinnige" die Löschung des Notlichts

während der letzten Minuten um vollständige Finsternis zu erlangen, was die Feuerpolizei nicht

zulassen wollte und daraufhin sogar die Aufführung des Stückes zu verhindern drohte.

Allgemein ist das Thema, welches Bernhard im Theatermacher behandelt kaum von dem in anderen Stücken zu unterscheiden. Es geht in seinen Künstlerdramen um die Auflehnung des radikalen Künstlers gegen die lebensfeindliche Natur und geistfeindliche Gesellschaft und gleichzeitig das notwendige Scheitern dieser Auflehnung. Dabei versucht er mit Absurdem und Groteskem systematisch ethische und ästhetische Prämissen zu zerstören. Mit der monotonen Thematik seines Schaffens will Bernhard Feinheiten und vermeintliche Belanglosigkeiten in den Mittelpunkt stellen, um eine Auseinandersetzung mit dem Einzelnen zu forcieren.

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