Biedermeier und Vormärz

Literatur zwischen 1815 und 1848

Beginn des Biedermeier: 1814/15, ihr Ende ist mit der scheiternden Märzrevolution 1848 anzusetzen. Die Epoche ist von restaurativen (hier: Versuch, die Emanzipation des Bürgertums aufzuhalten bzw. rückgängig zu machen) und revolutionären Tendenzen geprägt.

Begriff Biedermeier:

man verbindet mit dem Begriff den resignierenden Rückzug in die unpolitische, konservativ bestimmte und staatsindifferente Privatheit, den Weg in die Idylle und die Abwendung von allen gesellschaftspolitischen Zeitfragen. Gesellschaftliche Grundlagen der Biedermeierkultur sind die Häuslichkeit und die Geselligkeit in Familie und Freundeskreis (Lesecafés, literarische Zirkel, Hausmusik).

Die Literatur des Biedermeier wird als Erbe der Klassik und Romantik, aber auch als Rückgriff auf Tendenzen der Aufklärung und der Empfindsamkeit verstanden. Sie versucht, dem bewusst erlebten Spannungsverhältnis zwischen Ideal und unbefriedigender Wirklichkeit eine heile poetische Welt entgegenzusetzen. Diese ist von genügsamer Selbstbescheidung, Zähmung der Leidenschaften, Unterordnung unter das Schicksal, von innerem Frieden und der Liebe zu den kleinen Dingen geprägt.

Literarische Formen: dramatische, lyrische Werke, Skizzen, Stimmungsbilder, Märchen, Erzählungen, Novellen, Romane.

Biedermeier = Epoche der gesellschaftlichen Unsicherheit. => Themen der Dichtungen: Haltsuche in sittlichen Gesetzen und in der Ordnung derVergangenheit, welche von den biedermeierlichen Dichtern sowohl von innen (menschl. Leidenschaften), als auch von außen (neue gesellschaftliche Strukturen) immer wieder in Frage gestellt werden. So treten auch Konflikte im Inneren vieler Intellektueller und Dichter auf, was diese zum Teil resignieren und in Weltschmerz versinken lässt. Der englische Romantiker Lord Byron(1788-1824) gibt dieser Weltschmerzstimmung den Namen: Byronismus.

Karl Immermann (1796-1840) stellt die Gefühle und die Situation der Dichter in seinem Roman "Die Epigonen" dar (Epigone: Nachahmer ohne eigene Schöpferkraft und Ideen).

Der Epochenname Biedermeier stammt von dem Parodisten Ludwig Eichroth (19.Jh), der seit 1855 "Gedichte des schwäbischen Schullehrers Gottlieb Biedermeier und seines Freundes Haratius Treuherz" veröffentlicht und darin das Spießertum der zurückliegenden Zeit kritisch betrachtet. Erst seit etwa 1900 wird der Begriff "Biedermeier" positiv verstanden und zur Epochenbezeichnung sowohl der Innenarchitektur und bildenden Kunst als auch der Literatur dieser Zeit verwendet.

Mit Vormärz verbindet man fortschrittliche Tendenzen und eine Literatur mit liberalen, später sozialpolitischen Zielen.

Beginn des Vormärz: etwa 1815 oder Julirevolution 1830.

Die Literatur des Vormärz wird

1. in Junges Deutschland (von ca. 1830 bis zum Verbot dieser Schriften 1835) und - nach einer ungenannten Zwischenphase - in den eigentlichen Vormärz, auch

2. politische Tendenzdichtung (1840 - 1848)genannt, eingeteilt.

BUCHMARKT und ZENSUR

Bis in die 20er Jahre des 19. Jh. scheiterte der "freie" Schriftsteller zumeist an seiner finanziellen Situation. Doch nach dem Wiener Kongress kommt es zu einer schnell steigenden Buchproduktion (durch Erfindung der Papiermaschine, der Schnelldruckpresse, Stereotypie). => Gesteigertes Lesebedürfnis der Bürger bringt ein Steigen der Anzahl von Buchhandlungen, Verlage, Leihbibliotheken mit sich. => Erzeugung eines Literaturmarktes, den die Dichter nützen können, um sich von feudalen Mäzenen zu lösen. => Abhängigkeit vom Profitinteresse der Verleger und dem Lesergeschmack (wirkt sich aber erst in der 2. Hälfte des 19. Jh aus).

Nach der Niederlage Napoleons und nach dem Wiener Kongress erhalten die absoluten Feudalherren ihre Macht zurück. Zur Festigung ihrer Macht gegenüber Nationalgefühl, bürgerlicher Opposition und kritischer Presse wird 1819 eine für alle Staaten des deutschen Bundes geltende Vorzensur eingeführt (Karlsbader Beschlüsse). Davon sind alle Publikationen unter 320 Seiten betroffen (z.B. Zeitungen, Zeitschriften ,Broschüren, Flugblätter). Umfangreichere Werke können jedoch auch nach der Fertigstellung noch verboten und eingezogen werden.

DICHTER des Biedermeier:

Jeremias Gotthelf

1797-1854, Schweizer, protestantischer Pfarrer, Begründer des realistischen Bauernromans. Der Dichter heißt eigentlich Albert Pitzius, seinen Schriftstellernamen entnimmt er seinem 1837 Erstlingswerk

"Der Bauernspiegel oder Lebensgeschichte des Jeremias Gotthelf. Von ihm selbst geschrieben."

Andere Werke:

"Uli, der Knecht" (1846) und Uli, der Pächter (1849) (beides Dorfromane).

Gotthelf nimmt eine eindeutig religiöse Gegenposition zum radikalen, antikirchlichen und zum Teil atheistischen Liberalismus der Vormärzzeit ein.

Werk: "Die schwarze Spinne" (Meisterwerk der Novellenkunst).

Annette von Droste - Hülshoff

1797-1848, schreibt Versepen, Natur- und Bekenntnislyrik, Balladen.

Werke:

"Die Judenbuche" (kriminalistische Novelle)

"Im Grase" (Bekenntnis - Gedicht).

Eduard Mörike

1804-1875, kommt nie über die Grenzen seiner eigenen Heimat Schwaben hinaus, Erzähler und Lyriker (zwischen romantischer u. realistischer Poesie).

Werk: "Maler Nolten" (1832) - Jugendroman, weist spätromantische Züge auf (Künsterproblematik, Schauerromantik, lyrische Einlage. Vorbilder: Goethe, Eichendorff, E.T.A. Hoffmann, Jeau Paul).

A. Das JUNGE DEUTSCHLAND

- so wird eine lose Vereinigung von politisch engagierten Schriftstellern bezeichnet, dem Ludolf Wienbarg (1802-1872) den Namen gibt: "Dem jungen Deutschland, nicht dem alten widme ich dieses Buch."

Vertreter: Karl Gutzkow (1811-1878),

Heinrich Laube (19.Jh.),

Theoder Mundt (19.Jh.),

Anastasius Grün (Anton Alewander Graf Auersberg 19.Jh.),

Ludwig Börne (18./19. Jh.),

Heinrich Heine (1797 - 1856).

Ziel: Erneuerung der Literatur (Überwindung der Klassik u. Romantik), das Recht der Frauen auf Bildung und Selbständigkeit.

Sie schreiben

>gegen die Zensur und für die Pressefreiheit,

>gegen die Willkür der absoluten Herrscher u. für das Recht auf Freiheit u. Gleichheit der Bürger,

>gegen die Kleinstaaterei u. für eine demokratische Verfassung.

Sie treten für eine Trennung von Staat und Amtskirche ein.

Die Werke der Jungdeutschen sollen eine poetische Verarbeitung und Widerspiegelung politischer und kultureller Ereignisse sein.

Literarische Formen:

lyrische Texte, Romane (z.B. Frauenroman), Novellen,

Literarische Zweckformen:

Briefe, Reiseberichte, Memoiren, Flugblätter, journalistische Texte u. Feuilletons (kurzer, populär geschriebener, subjektiver journalistischer Beitrag zu aktuellen Fragen des Kultur - u. Geisteslebens.

10. Dezember 1835: Zensur der Schriften der gesamten literarischen Richtung durch den deutschen Bundestag. => Viele jungdeutsche Autoren verlieren den Glauben an Recht und Freiheit und beenden die gesellschaftspolitische Arbeit.

Heinrich Heine - Spötter, Zerrissener und Revolutionär

1797 - 1856

Ruhm als romantisierender Volksdichter durch seine erste Gedichtsammlung "Buch der Lieder" (1827). Heine beherrscht romantische Stimmungs- und Stilmittel (Gedichte ohne Ãœberschriften).

In seinen Gedichten wird jede Illusion verstörender Zynismus deutlich und damit seine Zerrissenheit zw. Sentimentalität u. kritischer Distanzierung. Heines Werk spiegelt so auch die Brüchigkeit der Konventionen seiner Zeit und seine Rebellion gegen das zweckfreie Stimungsgedicht wider.

In seinen letzten Lebensjahren ist Heine durch ein Rückenmarksleiden ans Bett gefesselt.

Werke:

große Versdichtungen (geschr. im Pariser Exil seit 1831):

"Atta Troll"

"Ein Sommernachtstraum" (1843)

"Deutschland. Ein Wintermärchen" (1844)

"Romanzero" (Gedichtband, 1854 entstanden).

Literatur und Revolution:

Der Hessische Landbote

Der Literaturbetrieb des Vormärz ist durch Aufklärungs- und Agitationsschriften (Traktate [= Abhandlung über ein religiöses, moralisches oder wissenschaftliches Problem], Manifeste und Aufrufe) mitgeprägt.

GEORG BÃœCHNER:

geb. 1813 in Goddelau bei Darmstadt, gestorb. 1837 in Zürich. Büchner ist wegen seiner erneuernden Dramen und seines politisch-sozialen Engagements von entscheidender Bedeutung.

Er entstammt einer bürgerlichen Familie. 1831 maturiert er und beginnt anschließend ein Medizinstudium in Straßburg. Ab 1833 studiert er in Gießen weiter und schließt sich der dortigen liberal-demokratischen Opposition unter Führung des Buthbacher Schulrektors Friedrich Ludwig Weidig an, mit dem zusammen er 1834 den Hessischen Landboten herausgibt.

Nach der Verhaftung eines Gesinnungsfreundes wegen des Besitzes von Exemplaren des Landboten wird Büchner von seinem Vater zurückbeordert. 1835 muss er wegen laufender Ermittlungen gegen ihn nach Straßburg fliehen. 1836 erlangt er an der Universität Zürich den Doktorgrad der Philosophischen Fakultät und wird dort als Privatdozent zugelassen.

Entstehung und Verbreitung des Hessischen Landboten (Juli 1834)

Im März 1834 gründet Büchner eine Gießener Sektion der "Gesellschaft der Menschenrechte" und verfasst eine Flugschrift mit dem Titel "Der Hessische Landbote", dessen Entstehung und Verbreitung wegen der herrschenden Zensur heimlich geschehen muss. Friedrich Ludwig Weidig überarbeitet und redigiert den Text Büchners abschwächend (z.B. "Reiche" -> "Vornehme"). 1835 wird Weidig verhaftet und stirbt im Gefängnis an den Folgen der Haft.

NAME: "Landbote" spricht den Leserkreis der Hesseschen Landgevölkerung an, die trotz der Aufhebung der Leibeigenschaft (1812) ein elendes Leben führt.

DAS DRAMA IM VORMÄRZ - Georg Büchner

Christian Dietrich Grabbe (1801- 1835) und Georg Büchner (1813 - 1837) lehnen sich gegen die klassische Dramenästhetik und gegen die in ihren Augen idyllische Scheinweld der Biedermeierzeit auf.

Werke Georg Büchners:

"Dantons Tod" (Revolutionsdrama) - 1835,

"Woyzeck" (Außenseiterdrama) (unvollendet) - 1836/37 (im Mittelpunkt steht ein einfacher, macht- und sprachloser Mensch, der in seiner Verzweiflung und Auflehnung zum Mörder an seiner Geliebten und Mutter seines Kindes wird),

"Leonce und Lena" (1836),

"Lenz" (Novelle) (Thema: die seelischen Leiden des Sturm-und-Drang-Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz).

Büchners "Woyzeck" gehört ebenso wie "Die Soldaten" von J. M. R. Lenz, "Götz von Berlichingen" von J. W. Goethe oder "Frühlings Erwachen" von Frank Wedekind zum offenen Dramentyp.

Merkmale der offenem Form des Dramas:

> Folge von selbständigen Szenen, die durch einen Protagonisten (= Hauptdarsteller) verbunden und zusammengehalten sind.

> Die Hauptperson hat keinen Gegenspieler, sondern steht der ganzen Welt oder einer Gesellschaftsschicht gegenüber.

> Einzelne Szenen können in der Reihenfolge umgestellt werden, ohne dass die Veständlichkeit bzw. der Sinn darunter leidet.

> Die Handlung hat keine klar definierte Zeiterstreckung und kein deutlich markiertes Ende; sie spielt an vielen versch. Orten.

> Aus der Fülle von Orten ergibt sich auch eine Vielzahl von Personen, die aus allen Ständen stammen.

> Die wichtigsten Handlungsträger sind fremdbestimmt, sie können den Verlauf der Geschehnisse nicht durch ihren eigenen Willen lenken.

> Das Theatergeschehen stellt auch das Hässliche, Mord, gemeines Verbrechen und Unzucht auf die Bühne.

> Sprachlicher Pluralismus: Die Personen sprechen ihrem Stand entssprechend.

B. Politische Lyrik - TENDENZDICHTUNG nach 1840

Die unmittelbare Vormärzliteratur ist nicht einheitlich, sie reicht von sozialistisch-kommunistischem Gedankengut über demokratische Vorstellungen bis hin zu liberalen Ideen.

Die "Tendenzdichter" drücken in ihren Texten (Pamphlete [=Politische Streit- und Schmähschriften], Aufrufe und vor allem Agitationsgedichte [=Lyrische Texte, die zu konkreten politischen Aktionen aufrufen]) ihren Unmut über das politische und kulturelle Klima aus. Bei ihrem Kampf gegen das alte Feudalsystem legen sie auf literarische Kunstfertigkeit wenig Wert, Lyrik soll vor allem Mittel im politischen Emanzipationskampf sein.

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