Exilliteratur

1. Deutsche Emigration

Am 30. Jänner 1993 wurde Deutschland an den Faschismus und damit an Hitler über-geben. Der bald darauf einsetzende Terror erreichte in den Tagen nach dem Reichtagsbrand den ersten Höhepunkt. Tausende von Nicht- und Antifaschisten verschwanden in den Gefängnissen oder in den Folterkellern von SA und SS. Wer den Verhaftungen durch Glück, durch Zufall oder aus politischer Voraussicht entgangen war, floh ins benachbarte Ausland.

Von Anfang 1933 bis Herbst 1941 sind fast 400.000 Menschen aus Deutschland geflohen. Sie gingen aus moralischem und politischem Protest gegen den Faschismus.

Die deutsche Emigration bestand aus zwei Hauptgruppen: aus den deutschen Juden und aus den politischen und intellektuellen Gegnern des deutschen Faschismus. Die zweite Gruppe lässt sich wiederum in vier Unterkategorien unterteilen: erstens die politisch aktiven und meist parteipolitsch engagierten Gegner des Faschismus; zweitens Schriftsteller, Publizisten und Journalisten; drittens bildende und ausübende Künstler; viertens schließlich die Wissenschaftler, die von den Universitäten verjagt worden waren (vergl. Walter Zadek: "Sie flohen vor dem Hakenkreuz", Seite 11).

Die meisten deutschen Schriftsteller emigrierten in die Nachbarstaaten Deutschlands. Bevorzugt waren deutschsprachige Gebiete wie Österreich und die Schweiz. Als sich jedoch Hitlers Macht in Europa ausdehnte, flohen viele in die USA.

2. Leben im Exil

Das Leben für Exilliteraten war besonders schwer. Sie waren in einem fremden Land, mit anderen Traditionen, anderen Sitten und sogar mit einer anderen Sprache als Deutsch. Auch das Publikum, das sie in Deutschland hatten, war auch nicht mehr vorhanden. Deshalb war es für viele Schriftsteller schwer zu überleben, da es fast keine Möglichkeit gab, Geld zu verdienen. Das Einzige, was ihnen blieb, war nur die Hoffnung, dass Hitler-Deutschland fallen wird.

Doch nicht alle Schriftsteller waren in Finanznot, weil einige es schafften, ihr Vermögen noch vor ihrer Vertreibung in Sicherheit zu bringen (z.B. Stefan Zweig) oder sie wurden von einer Hilfsorganisation unterstützt. Die wichtigste internationale Hilfsorganisation, die sich um Schriftsteller und Journalisten bemühte, war die "American Guild for German Cultural Freedom" (vergl. Gero von Wilpert: "Sachwörterbuch der Literatur", Seite 403).

3. Kampf der Exilautoren

3.1. Exilzeitschriften

Die im Exil lebenden Autoren wollten auch weit weg von Hitlers Terror gegen ihn und sein Regime vorgehen. Zu diesem Zweck wurden Exilzeitschriften wie "Die Sammlung" und die "Neuen Deutschen Blätter" herausgegeben. Diese machten auf die katastrophale und menschenverachtende Situation in Deutschland aufmerksam. Ziel war: Menschen, die diese Zeitschrift lesen, davon zu überzeugen, dass sie sich gegen Hitler auflehnen. Dieses Ziel konnten sie nicht erreichen. Doch schafften sie es, dass Goebbel die Exilautoren zunehmend als Bedrohung ansah.

3.2. Die "Liga"

Parallel zu den Exilzeitschriften entstand der Gedanke der Gründung einer "Ligue de l'Autriche vivante", der "Liga für das geistige Österreich". Ziel war es, alle Emigranten an einem Ort zu versammeln und dort gemeinsam gegen Hitlers Nationalsozialismus vorzugehen. Besonders hilfreich bei der Verwirklichung dieser Pläne war der in Südfrankreich lebende Schriftsteller E. A. Rheinhardt und ein eher konservativer Schriftsteller Walther Tritsch. Rheinhardt wurde jedoch im letzten Kriegsjahr - wegen seiner Einstellung gegen den Nationalsozialismus - nach Dachau verschleppt. Dort meldete er sich freiwillig zur Pflege von Typhuskranken. Später verstarb er dabei.

Walther Tritsch hat in Südfrankreich, als es nach dem Waffenstillstand eine "Zone occupêe" und eine sogenannte "Zone libre" (beides entmilitarisierte Gebiete) gab, in der es trotz dieser Bezeichnung von Gestapospitzeln nur so wimmelte, durch Vermittlung des Bischofs von Nîmes ein Stück Land erhalten, auf dem er eine sich selbst ernährende landwirtschaftliche Farm mit zwei Dutzend Emigranten betrieb, ehe das Unternehmen aufflog, und alle ins Gefängnis geworfen wurden. Tritsch hat im letzten Kriegsjahr zusammen mit anderen Widerstandskämpfern einen Zug voll Fremdarbeitern in einem Tunnel zum Stehen gebracht, sodass die zur Deportation Bestimmten flüchten konnten. Später war Tritsch an der Sorbonne tätig und hat mehrere Bücher in französischer Sprache geschrieben.

Die "Liga" wurde jedenfalls noch 1938 gegründet. Den Ehrenschutz hatte Edouard Herriot übernommen, damals Bürgermeister von Lyon, Historiker und Kenner der österreichischen Kultur. Der "Liga" gehörten etwa 25 österreichische Schriftsteller und Künstler an.

Die Lebensdauer der "Liga" war kurz, da sie bei Kriegsausbruch ihre Tätigkeit wieder einstellen musste. Damals flüchteten fast alle Ligamitglieder. Nur wenigen gelang es, die rettende Küste der Vereinigten Staaten zu erreichen. Andere traten dem Maquis, der französischen Widerstandsbewegung bei. Und auch dort ließen viele ihr Leben. (vergl. Gabriele Koller: "Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich", Seite 7).

4. Exilliteraten

Das Leben der meisten Exilliteraten verlief sehr unterschiedlich. Alle litten sie unter verschiedenen Problemen. Einige hatten finanzielle Probleme und mussten so zwangsweise neue Werke schreiben; einige begannen ein völlig neues Leben und widmeten sich ganz anderen Dingen; einige sahen ihren Sinn im Leben darin, den deutschen Nationalsozialismus zu bekämpfen und manch andere konnten seelisch mit ihrer Verbannung nicht fertig werden. Hier einige nennenswerte Autoren:

4.1. Stefan Zweig

Als 1934 Stefan Zweigs Haus unter einem fadenscheinigen Vorwand durchsucht wird, ist für ihn die Entscheidung, Österreich zu verlassen, gefallen. Diese führe Entscheidung hatte für Stefan Zweig den Vorteil, dass er in Ruhe und mit all seinem Geld das Land verlassen konnte. Er emigrierte nach London, wo er eine Ehe einging und sich zurückzog.

Einer der Vorwürfe, die die Emigranten an Zweig richteten, galt seiner Isolation im englischen Exil und der Weigerung, sich publizistisch zu betätigen und seine Stimme gegen die Vorgänge im Dritten Reich zu erheben (vergl. Gabriele Koller: "Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich", Seite 15).

Stefan Zweig, der schon zur Zeit des ersten Weltkriegs nach Zürich emigrierte, bedrückten diese Vorwürfe seiner Kollegen sehr. Ihm gefiel die "Entwicklung der Welt" überhaupt nicht. Stefan Zweig war sehr frustriert darüber, dass er nicht viel ändern konnte. Und so begann er sich immer mehr zurückzuziehen. Doch seine Frustration über die Welt konnte man hin und wieder in einen Werken lesen. Gute Beispiele sind hierfür "Die Schachnovelle" und "Angst".

Stefan Zweig konnte von den "Weltereignissen" nicht loskommen. So machte er große Vortragsreisen nach Nord- und Südamerika, nach Italien, Portugal oder Paris. Zu dieser Zeit stand er auf der Höhe seines Ansehens und gehörte zu den am häufigsten übersetzten Autoren der Welt. Doch auch diese Reisen konnten seine Depressionen nicht lindern. Als er 1942 eine Vortragsreise nach Amerika unternahm, beging er kurz nach seinem 60. Geburtstag - gemeinsam mit seiner Frau - Selbstmord. Stefan Zweig versuchte sein ganzes Leben vor den Geschehnissen in der Welt davonzulaufen. Doch letztendlich holte ihn die "Welt" ein.

Sein Selbstmord stieß bei seinen Kollegen auf viel Unverständnis. Franz Schoenberner gehörte zu jenen extremen Vertretern in der Bekämpfung des Faschismus, sodass er Zweigs Selbstmord einer Desertation gleich setzte: "Ich fühle mich tief erschüttert, nicht nur, weil ich Zweig persönlich gekannt hatte, sondern vor allem, weil sein Selbstmord einen schweren Schock für die Sache des Antinazismus und für die Moral der politischen Flüchtlinge darstellte. Zweig war einer der sehr wenigen literarischen Emigranten von internationalem Ruf und weitreichendem Einfluß, er gehörte zu den kommandierenden Generälen einer kämpfenden Armee. Hatte er wirklich das Recht, seine Kameraden zu verlassen?". Auch Thomas Mann verurteilte Zweigs Tat. Er sah dies als Flucht vor seiner Verantwortung und Verpflichtung seinem Land gegenüber.

4.2. Hermann Broch

Seine Exiljahre in der USA verbrachte Broch an der Propagierung der demokratischen Idee in Deutschland. Er wollte damit erreichen, dass die Deutschen gegen die Hitler-Diktatur vorgehen. Parallel zu der Arbeit an der Theorie der Demokratie beschäftigte sich Broch mit der massenpsychologischen Untersuchung zum Massenwahn, welche eine Voraussetzung und eine Folge des Faschismus ist. Es suchte nach einer Erklärung, wieso so viele Menschen Hitler "verfallen" konnten. Diese Arbeit zählt heute noch zu den eindrucksvollsten Auseinandersetzungen mit der Massenwahnlehre.

Darüber hinaus war Broch mit einer beispielhaften und kräfteaufreibenden Aktivität engagiert, direkte Hilfe für Flüchtlinge aus den faschistischen Ländern zu leisten. Bereits 1939 ahnte er, dass ein Eingreifen Amerikas in den Weltkrieg eine Antifremdengesetzgebung zur Folge haben könnte. Als sich seine Befürchtungen sehr bald bestätigten, war er an der Gründung des Loyalty Comitee, das gegen die Internierung bzw. Deportierung von antifaschistischen Flüchtlingen in Amerika arbeitet, beteiligt.

4.3. Robert Musil

Als Musil Österreich verließ, war sein Werk "Mann ohne Eigenschaften" schon fast zwei Jahrzehnte im Entstehen. Es war schließlich der Roman, der Musil das Exil erleiden ließ. Doch nach einem Jahr in seinem schweizer Exil musste sich Musil eingestehen, dass er dem Ende seines Romans keinen Schritt mehr weiterkommt.

Zwar boten sich für den Autor immer wieder Möglichkeiten, nach Amerika zu emigrieren, doch Musil glaubte, dass er in Amerika keine Leser für seine Werke finden würde. Und dies konnte er sich finanziell nicht leisten. Aber auch in der Schweiz wurde er in seinen Exiljahren nicht berühmt.

Im gewissen Sinne hat er das Exil wie auch viele andere seiner Schicksalsgenossen in doppelter Stärke erlitten: einmal persönlich-unvermittelt in seinen Existenzschwierigkeiten und darüber hinaus vermittelt durch die künstlerische Problematik um den Roman, der ihm aus seiner individuellen Situation wie aus der gesamten historischen-politischen Entwicklung unvollendbar geworden war(vergl. Elisabeth Castex: "Robert Musils Exilzeit").

4.4. Ödön von Horvath

Wurde als Sohn eines österreichisch-ungarischen Diplomaten geboren. Er lebte zuerst in Oberbayern und 1933 emigrierte er in die Niederlande. Als Hitler in Europa immer weiter vordrang, entschloß sich Horvath nach Frankreich zu emigrieren. Zu seinen bedeutendsten Werken zählen "Geschichten aus dem Wienerwald", "Glaube, Liebe, Hoffnung, ein Totentanz". Seine beiden letzten Romane "Jugend ohne Gott" (1938) und "Ein Kind unserer Zeit" (1938) entlarven das Wesen der Diktatur.

Nach seiner Emigration widmete sich Horvath der Bekämpfung des Nationalsozialismus. Doch 1939 wird er in Paris von einem Baum erschlagen.

4.5. Thomas Mann

Thomas Mann war einer der wenigen Schriftsteller, die überhaupt keine finanziellen Probleme hatten. Er verbrachte viel Zeit damit, Vorträge in Europa zu halten. Doch überwiegend war er in der Schweiz tätig. Deshalb befand sich auch der größte Teil seines Kapitals auf schweizer Banken. Als Hitler die Macht in Deutschland übernahm, verlor er "nur" seinen Wohnsitz in Deutschland.

Thomas Mann hatte gegenüber anderen Schriftstellern auch den Vorteil, dass er zur Zeit seiner Emigration, ein sehr bekannter und berühmter Autor war. Dies garantierte ihm weitere Einnahmequellen (durch das Verkaufen seiner Werke).

Außerdem sah er sich nie als Emigrant sondern immer noch als "Deutscher". Deshalb ließ er seine "Exilwerke" nach Deutschland bringen, wo sie dann veröffentlicht wurden. Ende 1934 bemerke das Hitler-Regime, dass die Werke eines Exilliteraten in Deutschland publiziert wurden. Daraufhin wurden alle Thomas Mann Bücher vom Markt genommen und der Verleger verhaftet. Vor diesem Zeitpunkt an, begann Thomas Mann Emigranten zu helfen. Außerdem floß die Verbitterung über Deutschland immer mehr in seine Werke ein.

4.6. Bertolt Brecht

Einen Höhepunkt der antifaschistischen Literatur im Exil stellt das literarische Werk von Bertolt brecht dar. Brecht war als Literaturtheoretiker, Lyriker und Dramatiker gleichermaßen bedeutsam.

Als Schriftsteller sah er seine Aufgabe darin, im Medium der Kunst den Zusammenhang zwischen Nationalsozialismus, Faschismus und Kapitalismus deutlich zu machen und zugleich Perspektiven für den antifaschistischen Kampf aufzuzeigen.

Brecht selbst hatte sich bereits während der Weimarer Republik intensiv mit dem Marxismus beschäftigt. Seine "Heilige Johanna der Schlachthöfe" (1927) und vor allem seine während des Exils geschriebenen Stücke legen Zeugnis davon ab, wie produktiv sich die kritische Aneignung des Marxismus und der dialektischen Methode auf Brechts künstlerisches Schaffen ausgewirkt hat. In dem Lehrstück "Die Rundköpfe und die Spitzköpfe", das er bereits Anfang der 30er Jahre als Bearbeitung von Shakespeares "Maß für Maß" begonnen hatte, aber unter dem Eindruck der faschistischen Machtübernahme und des Exils neu bearbeitete und 1934 abschloß, versuchte Brecht, die Funktion der Rassenpolitik für den Nationalsozialismus aufzudecken. Brecht verstand die Rassenverfolgung der Nationalsozialisten, die sich ja bereits lange vor 1933 programmatisch angekündigt hatte, als politisches Täuschungsmanöver, mit dem von den bestehenden Klassengegensätzen und der schweren ökonomischen Krise abgelenkt werden sollte. (vergl. Gero von Wilpert: "Sachwörterbuch der Literatur", Seite 419 - 426).

Bertolt Brecht war, was seinen Kampf gegen den Nationalsozialismus betraf, stets ein Alleinkämpfer. Aber trotzdem war das kein Hindernis für ihm. Er war stets von der Lehre des Marxismus überzeugt. Er hoffte, dass man in Deutschland eines Tages den Marxismus verwirklicht.

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