Naturalismus

(1890 - 1920)

Vertreter (Gegner der Naturwissenschaften, der fortschreitenden Technisierung und Industrialisierung, der Verstädterung und Vermassung, der wirtschaftlichen Expansion) sind:

Stefan George, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Frank Wedekind, Rainer Maria Rilke

Gegenströmungen zum Naturalismus: eigentlich Parallelströmungen, die immer zumindest einen Aspekt mit dem Naturalismus gemeinsam haben.

Kulturelle Zentren: Wien, München, Berlin.

Die Autoren stammen fast durchwegs aus der gehobenen Schicht, verurteilen aber deren Lebensstil.

Die Vertreter fühlen sich eng mit ihrer Geschichte und Tradition verbunden: Stefan George, Hugo von Hofmannsthal und Rainer Maria Rilke greifen auf antike und romanische Stoffe und Formen zurück; die Romantik wird in der sogen. Neuromantik wiederbelebt.

Die meisten Autoren kritisieren den Fortschrittsglauben" und reagieren unterschiedlich auf ihn:

durch den Weltschmerz des Fin de siécle" (=Ende des Jhs.) (Hofmannsthal)

durch die psychische Analyse des Wiener Adels (Schnitzler, beeinflusst von Sigmund Freud)

Rilke durch den Rückzug in das Innere" aufgrund seiner Russlandreise

George durch Propagierung des herrscherlichen Menschen, der sich bewusst gegen den Massenmenschen wendet (Gedanken, die der Nationalsozialismus für sich auszunützen weiß)

durch den Rückgriff auf die christliche Religiosität des Mittelalters und des Barock, durch Neubelebung des Mysterienspiels und des Welttheaters (später Hofmannsthal)

Sprachskepsis

Philosophen und viele Autoren haben Zweifel an der Fähigkeit, die Wirklichkeit überhaupt zu erkennen und sie mit Hilfe der Sprache darzustellen.

Gegensatz zum Naturalismus: man meint, Wahrheit könne nur durch innere Erfahrung erfühlt werden.

Problematik wird besonders bei Dichtern des Jungen Wien zum Thema vieler Werke.

Rilke und George: allein durch die poetische Sprache könne eine höhere Wahrheit" ausgedrückt werden. Skepsis gegenüber Alltagssprache. Sie isolieren sich und schaffen sich eine Gegenwelt zur Politik, Geschichte und der sozialen Verantwortung.

Hofmannsthal: fühlt sich als reiner Künstler und Ästhet schuldig. Seine Skepsis der poetischen Sprache gegenüber führt nach der Abfassung des Lord-Chandos-Briefes dazu, dass er nach 1899 kein einziges Gedicht mehr schreibt. Der Zweifel bleibt, wird auch in seinem Drama Der Schwierige thematisiert.

Sigmund Freud und die Psychoanalyse

(1856-1939), Arzt und Psychologe, liefert durch die Methode der Psychoanalyse neue Möglichkeiten der Menschendarstellung. Die Vorstellung des Menschen als einheitliche Persönlichkeit gerät ins Wanken.

Werk: die Traumdeutung

Suggestion (=Beeinflussung des Seelischen unter Ausschaltung der klaren Einsicht), Hypnose, Somnambulismus (Schlafwandeln, Mondsüchtigkeit), Traumdeutung werden für Künstler und Wissenschaftler interessant.

Stilkonglomerat

um 1900, unüberschaubar, viele vage und unbestimmte Bezeichnungen.

Oft kann man die Grenzen der einzelnen Strömungen gar nicht ziehen: Symbolismus, Neuromantik, Jung-Wien, Decadence, Satanismus, Fin de siécle, Jugendstil, Impressionismus, Nervenkunst.

Allen gemeinsam ist: Realität gilt nicht mehr als verbindliches Muster, reine Natur- und Wirklichkeitsnachahmung wird abgelehnt. Eine eindeutige Zuweisung eines Autors zu einer der Strömungen ist schwierig.

Der Symbolismus

Wurzeln in Frankreich, besonders bei Charles Baudelaire (1821-1867).

Sein Gedicht Correspondances (Entsprechungen) gilt als Schlüsselwerk des Symbolismus.

Gedichte verlieren jede Zweckhaftikeit (reine Poesie, Sprachmagie), klangliche u. rhythmische Mittel werden oft mit mathematischer Genauigkeit eingesetzt, man schafft Lyrik der Musikalität.

Die Autoren ziehen sich bewusst von der Wirklichkeit zurück, sie schaffen eine Welt der Schönheit, verwenden gehäuft Symbole.

Im deutschsprachigen Bereich gelten Stefan George, Hugo von Hofmannsthal und Rainer Maria Rilke mit einem Teil ihrer Werke als Symbolisten.

Stefan George

(1868-1933); vertritt mit letzter Konsequenz einen Schönheits- und Todeskult; schreibt elitäre Dichtung; sieht sich als ein autonomer, selbstherrlich arbeitender Dichter, der seine ganze Aufmerksamkeit auf den Schaffensprozeß allein richtet und am Publikum nicht interessiert ist

Gedichtsammlung: Algabul

Die Lieder von Traum und Tod

Rainer Maria Rilke

(1875-1926); er ist stark mit persönl. Erlebnissen und Problemen verbunden; Identitätssuche (Russlandreisen); durch Aufenthalt in der Künstlerkolonie Worpswede u. durch die Tätigkeit als Sekretär bei dem Bildhauer Rodin bekommt er ein inniges Verhältnis zu den Dingen: Alltagserfahrungen werden zu poetischen Impulsen.

Nach Rilkes Meinung wendet sich der Dichter ab von der menschlichen Gesellschaft, die für ihn nicht mehr befriedigend ist. Das Verständnis, seine Fähigkeit nachzuempfinden, soll die Mitmenschen aus ihrer Alltagssituation herausfinden lassen. Rilke gibt sich betont unpolitisch, ist sich aber der Probleme durchaus bewusst.

Werke (Dinggedichte): z.B. Blaue Hortensie

Die Wiener Moderne

Wien spielt eine exklusive kulturelle Rolle.

Die Judenfrage" ergibt sich aus der Hetze repressiver Politik, die Juden werden als Sündenböcke für den Kapitalismus in der Wirtschaft hingestellt.

Das literarische Leben in Wien ist schwierig, die meisten jungen Autoren veröffentlichen in Deutschland. Größere Bedeutung haben die Theater, hier sind die Dichter allerdings oft Eingriffen der Zensur unterworfen.

Das Kaffeehaus wird in Wien zur kulturellen Institution. Für fast alle Intellektuellen bedeutete der Kaffeehausbesuch eine Flucht vor dem Müßiggang, zu dem sie vielleicht ihre finanzielle Absicherung geführt hätte.

Das Ende der Donaumonarchie

Um 1890 befindet sich die habsburgische Donaumonarchie, die Doppelmonarchie Österreich - Ungarn, in ihrer Endphase, ist in einer Zeit nationalistischer Tendenzen unzeitgemäß. Nationale Spannungen, Nationalitätenproblem. Durch den wirtschaftl. Aufstieg nichtdeutscher bürgerlicher Schichten fühlt sich das deutsch - österreichische Bürgertum, das beinahe den gesamten Beamtenapparat stellt, in seiner Stellung bedroht. Es arbeitet politische Programme gegen die Überfremdung" aus, die den Deutschnationalen in die Hände spielen.

Die Situation der österreichisch-ungarischen Monarchie bringt keine realistisch engagierte Literatur hervor, sondern eine, die gekennzeichnet ist von einer Hinwendung zur inneren, psychischen Realität. In Wien kann der Naturalismus nie Fuß fassen.

Arthur Schnitzler

(1862-1931); stammt aus einer jüdischen Familie. Bereits sein Vater ist Arzt, und so steht die Berufswahl für ihn von vornherein fest, denn der Beruf des Arztes genießt hohes soziales Ansehen in der Habsburgermonarchie.

Mit Sigmund Freud teilt er das Interesse für psychische Erkrankungen, der Psychoanalyse steht er positiv gegenüber.

Werke: aus dem Anatol-Zyklus: Die Frage an das Schicksal

(Thema: Hypnose)

Der Zyklus Anatol wird thematisch durch dieselbe Hauptperson verknüpft.

Die Traumnovelle

(Thema: Traumdeutung Freuds)

Reigen (zehn zu einer Enheit verbundenen Dialogen)

Nach dem Tod des Vaters: Anschluss an andere Schriftsteller Ü Entstehung der Gruppe Jung-Wien.

Schnitzler leidet unter extremer Bindungsangst. Erst als 42jähriger heiratet er äußerst widerwillig Olga Gussmann, die Ehe wird 1921 geschieden.

(Beziehung zw. Mann und Frau auch immer wieder Thema seines Werkes).

Schon früh entwickelt er eine starke Beziehung zur Bühne, zur Welt des Scheins und der Verstellung der Maske.

Reigen

Inhalt:

Die zehn Dialoge sind durch das jeweils gleiche Geschehen verbunden. Zehn Paare finden sich durch das jeweils gleiche Geschehen verbunden. Zehn Paare finden sich im Geschlechtsakt, der allerdings nur durch Gedankenstricke dargestellt wird. Im Moment körperlicher Vereinigung wird die Frau vom Mann, die sozial Schwächere vom Reicheren, der Erfolglose von der Erfolgreicheren ausgenutzt und benutzt. Der Umgang mit Sexualität wird in all seinen Facetten sichtbar.

Hugo von Hofmannsthal: Der Schwierige

- Konversationskomödie. Im Mittelpunkt steht die Beziehungslosigkeit der Menschen untereinander, die sich in Form der üblichen Konversation artikuliert. Eine wirkliche, tiefe Beziehung besteht zwischen den Leuten, die miteinander schweigen können.

Inhalt: Kari, Baron von Bühl, wird durch eine Abendveranstaltung aus seiner gewollten Einsamkeit gerissen. Ihm, der einmal im Krieg verschüttet worden ist und der seit damals jede hohle und oberflächliche Unterhaltung als widerlich empfindet und der durch dieses Erlebnis eine neue Sichtweise des Lebens gefunden hat, begegnet während des Abends Helene Altenwyl wieder. In ihr findet er eine verwandte Seele; mit ihr will er endlich zu einem erfüllten Leben finden.

Thema (Grundzug der Wiener Moderne): Beziehung zur Tradition und das Bewusstsein der Endphase.

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