Naturalismus

Naturalismus (1880-1900)

Höhepunkt: 1890, der Naturalismus zeigt die äußere Wirklichkeit, schaut aber nicht ins Innere des Menschen.

Der Schriftsteller und Kritiker Maximilian Harden (1861-1927) beschreibt 1887 die Intentionen des Naturalismus:

Der Naturalismus fordert die Umkehr zur rücksichtslosen Wahrheit.

Die Literatur soll Menschliche Dokumente" sammeln, die zeigen sollen, dass die Formel Mensch =Anlage+Umwelt nicht nur Phantasie ist.

Der Dichter soll sich auf das tägliche Leben jedes Einzelnen konzentrieren.

Die Naturalisten nennen sich in ihren Anfängen die "Modernen" oder "Jüngstdeutsche".

Die soziale Frage

Durch erste Wirtschaftskrisen in den 70er Jahren wird die soziale Frage immer brennender. Dies zeigt sich am anschaulichsten in der Verstädterung Deutschlands. Die großen Städte sind gekennzeichnet durch das getrennte Nebeneinander von Prunkvillensvierteln und Arbeiterkasernen Bildung von Arbeitervereinen, Auseinandersetzung von jungen Literaten mit dem Milieu der unteren Schichten.

Die Schriftsteller, die Themen

Naturalistische Schriftsteller:

Rebellen gegen die bestehende gesellschaftliche Ordnung, beschäftigen sich mit den Schattenseiten menschlicher Existenzen. Sie lehnen alles Metaphysische (z.B. Gott, Seele, Unsterblichkeit, Freiheit) und Transzendente (Übersinnliche, Übernatürliche) ab

Themen für literar. Arbeiten: Armut, Verwahrlosung, Kinderelend, unglückliche Ehen, Ehebruch, Situation unehelicher Kinder, Ausbeutung von Arbeitern, Alkoholismus, Brutalität, Verbrechen.

Die Dichter wollen mit ihrer objektiven Zeitfrage das Gewissen der Bürgerlichen aufrütteln u. so eine Verändern der sozialen Zustände erreichen.

Naturalisten, die aus diesem bürgerlichen Umfeld kommen und sich in den 80er Jahren in Berlin und München zu literarischen u. gesellschaftspolitischen Gruppen zusammenschließen:

Heinrich und Julius Hart, Hermann Conradi, Arno Holz, Johannes Schlaf, Gerhard Hauptmann, Michael Georg Conrad, Hermann Bahr (Ö.).

Der Naturalismus als literarische Bewegung schafft in Deutschland erst später den Durchbruch als in anderen europäischen Ländern. Daher greifen die jungen Literaten auf literarische Vorbilder im Ausland zurück:

Großen Einfluss auf die deutschen Naturalisten: britische Naturforscher Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl .

Dieser beeinflusst auch den

Franzosen Emile Zola: Le roman experimental :

Die Menschen und deren Schicksale ist durch Vererbung, Rasse und soziales Milieu vorherbestimmt (Mensch = Vererbung + Umwelt).

Er verlangt von den Romanautoren, die Wirklichkeit wie Forscher zu begreifen, sie fotografisch genau und ohne persönliche Anteilnahme zu beschreiben. Dies soll mit streng wissenschaftlichen Methoden erfolgen (Soziologie, Medizin, Naturwissenschaften).

Werk:

Germinal (1885) (Roman): Thema - Bergarbeiterstreik, genaue Schilderung von Armut, Brutalität, Grausamkeit.

Norweger Henrik Ibsen

Werke: (Dramen)

Gespenster (1881)

Nora oder Ein Puppenheim (1879)

Ein Volksfeind (1882)

Die Wildente (1884)

mittels analytischer Technik zeigt er eine schonungslose Zustandsanalyse d. bürgerl. Gesellschaft u. entlarvt so private u. öffentl. Lebenslügen.

Leo Tolstoj und Fjodor Dostojewskij:

psychologische Durchleuchtung persönl. und gesellschaftl. Konflikte

Leo Tolstoj: Macht der Finsternis (Tragödie)

- Thema: ungehemmte, alles zerstörende Sexualität

durch Tolstojs Tragödie angeregt:

Gerhard Hauptmann: Vor Sonnenaufgang

Fjodor Dostojewskij:

Raskolnikov oder Schuld und Sühne

Die Dämonen

Der Idiot

Thema: unterdrückte und an der Gesellschaft zerbrechende Menschen

Lyrik:

die Theorie und das Programm des Naturalismus lässt sich hier schwerer als in epischen od. dramatischen Texten verwirklichen. Die meisten naturalistischen Lyriker schreiben politische Gedichte in der Tradition der Jungdeutschen und Vormärzdichter.

Karl Henckell: Das bejahrte Freudenmädchen

Arno Holz:

versucht eine "Revolution der Lyrik". Für ihn ist der Rhythmus wichtiger als der Reim.

Phantasus (Großstadtzyklus)

(Inhalt: Phant. ist ein armer Dachstubenpoet, der sich, umgeben vom Elend der Mietskasernen, immer wieder in eine bunte Traumwelt flüchtet).

Epik

Arno Holz/Johannes Schlaf: Papa Hamlet

1889 schreiben beide gemeinsam Prosastücke (Skizzen) im Stil des "konsequenten" Naturalismus, z.B.

Papa Hamlet,

Ein Tod

Der erste Schultag

Die Titelfigur in der Erzählung Papa Hamlet, Niels Thienwiebel, ist ein alter stellungsloser Schauspieler, der mit seiner Familie in einer Dachwohnung unter ärmlichen Verhältnissen lebt. Streitereien, Alkoholexzesse u. wirtschaftliches Elend bestimmen das Leben des Ehepaares. In der Nacht vor der verlangten Räumung der Wohnung erwürgt Niels seinen kleinen Sohn, weil dieser nicht aufhört, vor Schmerz zu schreien. Eine Woche später erfriert der am Leben gescheiterte Thienwiebel betrunken im Hafen, während seine Frau lungenkrank im Bett liegt.

- schockierende Thematik und Sprache

Gerhard Hauptmann: Bahnwärter Thil. Novellistische Studie aus dem Märkischen Kiefernforst (1887)

Inhalt: Bahnwärter Thil heiratet nach dem Tod seiner ersten Frau Minna um seines Sohnes Tobias' willen die ihn erotisch beherrschende, derb-sinnliche Lene. In seiner sexuellen Abhängigkeit muss er wehrlos mit ansehen, wie Lene sein erstes Kind im Gegensatz zum gemeinsamen Kind seelisch vernachlässigt und körperlich züchtigt. Als Tobias - Lene lässt ihn aus Unachtsamkeit auf die Bahngeleise laufen - von einem Schnellzug überfahren wird, erschlägt der Bahnwärter in beginnendem Wahnsinn seine Frau und schneidet dem gemeinsamen Kind die Kehle durch. Thiel wird ins Irrenhaus eingeliefert.

Drama

Wichtigste Vorläufer: Ludwig Anzengruber (1839-1889) (Ö.): leugnet im Gegensatz zu den Naturalisten den freien Willen des Menschen nicht (Mensch = Vererbung + Umwelt).

Mit den "modernen Dichtern" verbindet ihn die Absicht, die Wirklichkeit möglichst genau zu schildern, wobei er eine für seine zeit ungewöhnliche Offenheit gegenüber erotischen Problemen zeigt.

Weiters nimmt er, ebenso wie die späteren naturalistischen Dramatiker, die Personen seiner Stücke aus den unteren Schichten.

Werk: Das vierte Gebot

Gerhart Hauptmann: Vor Sonnenaufgang (soziales Drama)

Theaterskandal bei der Uraufführung in der Freien Bühne"!

Inhalt:

Das Theaterstück thematisiert neben den sozialen Verhältnissen im Kohlerevier Schlesiens den moralischen Verfall einer durch Grundverkauf reich gewordenen Bauernfamilie. Der Bauer Krause, jetzt Millionär, wird zum exzessiven Säufer, der gegenüber seiner Tochter zudringlich wird. Seine zweite Frau betrügt ihn und will die jüngere Tochter, Helene, mit ihrem eigenen Liebhaber verkuppeln. Die andere Tochter Krauses, Martha, ist ebenfalls Alkoholikerin und bringt ein totes Kind zur Welt; ihr Mann, der Ingenieur Hoffmann, ist ein skrupelloser Geschäftemacher und stellt Helene nach.

In diese Familie kommt der Sozialreformer u. Gesundheitsfanatiker Alfred Loth als intellektueller Außenseiter u. kritisiert - hier im Sinne des Autors - die sozialen Mißstände und die moralische Verdorbenheit der Familie Krause. Er verliebt sich in Helene, die als einzige ihrer Umgebung nicht sittlich verkommen ist und sich gegen die Lasterhaftigkeit ihrer Familie wehrt, und will sie heiraten. Als er jedoch die gesamte Wahrheit über ihre Familie erfährt, verlässt er Helene aus Furcht vor möglichen Erbschäden seiner Nachkommen. Darauf nimmt sich die Verlassene das Leben.

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