Verkehr durch die Alpen

Wenn wir vom Verkehr reden, müssen wir uns fragen warum es denn überhaupt ein Bedürfnis ist die Alpen zu überqueren. Wir müssen auch beachten, dass trotz allen Problemen wie Lärm, Abgas und Stau der Verkehr auch entscheidend zum Wohlstand der Schweiz beigetragen hat. Der Segen des Verkehrs ist zugleich auch sein Übel.

1.1 Geschichtlicher Hintergrund

Schon die Römer benutzten Passübergänge um über die Alpen zu kommen. Sie waren Voraussetzung, dass überhaupt Handel aufkommen konnte. Für die Römer gab es aber auch militärische Gründe, sie wollten den Norden kontrollieren und bei Aufständen möglichst schnell mit Truppen zur Stelle sein. Ein Pass bedeutete auch eine Machtstellung von strategischer Wichtigkeit.

Im Mittelalter waren die Alpenpässe wichtig für die Italienpolitik der Machthaber im Norden. Entlang der Handelsstrassen durch die Alpen entstanden neue Siedlungen, die von den Reisenden profitierten. Die Reisenden mussten Wegzölle bezahlen damit die Einheimischen den Weg unterhalten konnten. In den Dörfern entstanden Herbergen, die für das Wohl der Leute unterwegs sorgten. Führer sorgten mit ihren Ortskenntnissen für eine höhere Sicherheit.

Heute haben die langen Strassen - und Eisenbahntunnels durch die Alpen die Reisezeit wesentlich verkürzt. Eine Alpendurchquerung ist nun auch im Winter möglich Die Alpenpässe haben ihre Bedeutung aber noch nicht verloren, nach wie vor sind sie wichtige Übergänge.

1.2 Der Gotthard

Der Gotthardtunnel für die Eisenbahn und knapp hundert Jahre später für die Autos und Lastwagen war wohl die grösste Revolution in der Geschichte des alpinen Transitverkehrs. Die Durchfahrt wurde viel schneller und billiger. An den alten Passübergängen gingen die Überquerungen zurück und damit auch die Umsätze derer, die von den Reisenden profitiert hatten.

J. Hardmeyer schwärmte vom Gotthard (Eisenbahn-) tunnel:

Dieser Felsengang, der unter den unwirtlichen Höhen des Gotthard hindurch das Thal der Reuss mit demjenigen des Tessin verbindet, ist einer der gewaltigsten Werke der Neuzeit. Die Länge des Tunnels beträgt 14,912,4 Meter, also nahezu 15 Kilometer. Er ist 6 Mal so lang als alle Tunnels der Semmeringbahn zusammengenommen und mehr als 10 Mal so lang als das längste derselben. Seine Länge übertrifft 12/3 Mal die Längssumme aller 38 Tunnels der Schwarzwaldbahn; er ist um mehr als 2½ Kilometer länger als der Mont-Cenis-Tunnel und übertrifft um 4¾ Kilometer denjenigen des Arlberg. Er repräsentiert 1/8 der Länge des ganzen Netzes der Gotthardbahn und 1/10 der Hauptlinie Immensee-Pino. Unter Andermatt liegt die Bahn 300 Meter tiefer als der Thalgrund des Ursernthales, während sie sich unter den Felshöhen des Gotthard in einer Tiefe von 1500 bis 2000 Metern dahinzieht. der kleine Sellasee, in einem Seitenthale der Gotthardhöhe, liegt an die 1100 Meter über der Bahnlinie. (...)

(aus "europäische Wanderbilder, die Gotthardbahn", Zürich 1888, Verlag des art. Institutt Orell Füssli)

Die Vorarbeiten für den damals längsten Tunnel der Welt begannen am 2. Juli 1872 in Airolo und zwei Tage später auch in Göschenen. Hunderte von Arbeitern schufteten rund um die Uhr im Schichtbetrieb. Mit Pressluftbohrern wurden Löcher in den Stein getrieben, die Mineure füllten diese dann mit Dynamit. Die Explosion liess den Tunnel dann etwas länger werden. Nach dem Sprengen gingen alle wieder in den Tunnel, und transportierten den Schutt ins Freie. Die Arbeitsbedingungen unter Tage waren hart, gefährlich und ungesund. Im Tunnel war es heiss und die Luft war, trotz Belüftung, staubig. Viele Arbeiter fanden den Tod manche bei Unfällen die meisten an den Folgen der Steinstaublunge. Selbst der leitende Ingenieur, Louis Favre, erlebte die Eröffnung nicht, er starb am 19. Juli 1879 an einem Schlaganfall bei einer Tunnelinspektion.

Am Sonntag dem 29 Februar 1882 detoniert die letzte Dynamitstange, grosse Freude herrschte auf beiden Seiten, die Arbeiter umarmten sich und weinten vor Freude. Ein Wunderwerk der damaligen Ingenierkunst war vollendet.

Die Reise durch den Tunnel dauerte nur eine halbe Stunde, während die Überquerung des Passes mehrere Stunden dauerte. Ausserdem war der Weg über den Pass gefährlich, Steinschläge bedrohten die Reisenden und verschütteten den Weg. Die Überquerung des Passes war hart und das Klima rauh. Im Winter war der Gotthard sowieso unpassierbar.

Trotz aller Gefahren wird der Gotthardpass auch wegen seiner Schönheit und Ursprünglichkeit geschätzt. Auch Johann Wolfgang Goethe hat die ursprüngliche Landschaft inspiriert:

Die Felsen wurden immer mächtiger und schrecklicher, der Weg bis zum Teufelsstein, bis zum Anblick der Teufelsbrücke immer mühseliger. (...)

Wir mühten uns weiter, das ungeheure Wilde schien sich immer zu steigern, Platten wurden zu Gebirgen, und Vertiefungen zu Abgründen. so geleitete mich mein Führer bis ans Urserner Loch, durch welches ich gewissermassen verdriesslich hindurch ging; (...)

Aber freilich hatte sich der schelmische Führer das freudige Erstaunen voraus vorgestellt, das mich beim Austritt überraschen musste. Der schäumende Fluss schlängelte sich milde durch ein flaches, von Bergen zwar umschlossenes, aber doch genügsam weites, zur Bewohnung einladendes Tal; (...)

Johann Wolfgang Goethe; Dichtung und Wahrheit; 1775

1.3 Lötschberg und Simplon

Eine wichtige Verbindung ist auch die Strecke via Lötschberg Simplon. 1853 wurde die Gesellschaft "Ligne internationale d'Italie par le Simplon" gegründet. Sie hatte das Ziel einen Tunnel durch den Simplon zu bauen. Die Bahnlinie sollte das Wallis mit Italien verbinden. Das Wallis war an der Gesellschaft ebenfalls beteiligt, denn die neue Linie schaffte Arbeitsplätze im Tourismus und Transportsektor. Mit dem Bau anderer Alpentransversalen und als Folge politischer Ereignisse kam jedoch so vieles anders als gedacht. 1895 gelang dann der Abschluss des Staatsvertrags zwischen der Jura-Simplon Gesellschaft und Italien. Erst 1898 wurde mit dem Bau des Simplontunnels begonnen. 1906 wurde die Verbindung in Betrieb genommen.

Bern sah eine Chance sich ebenfalls am Erfolg zu beteiligen. Bereits in der Planungsphase des Simplon wurde über einen Anschlusstunnel diskutiert und nach Investoren gesucht. Ein Tunnel durch den Lötschberg sollte Bern mit dem Wallis verbinden. 1906 vergab die Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn den Bauauftrag an das französische Konsortium "Entreprise Générale du Loetschberg". Die plötzliche Eile und das fehlende Bauprojekt mussten aber teuer Bezahlt werden:

Die Bauarbeiten begannen mit 18 Monatiger Verspätung. Ein Kies- und Wassereinbruch infolge ungenügender geologischer Abklärungen, forderte 25 Tote. Die Baukosten waren um einen Drittel höher als vorangeschlagen.

Auch bei der Streckenführung ging man Kompromisse ein:

Der Kurvenradius war mit nur 300 Metern enger als geplant. Der Ausbau war nur einspurig. Die Steigung von 27 Promille war höher als vorgesehen.

Trotz allem befriedigte die Lötschbergbahn die Bedürfnisse und Bern mischte im Eisenbahnverkehr wieder ganz vorne mit. Dank den stärksten Lokomotiven der Welt blieb der Lötschberg immer konkurrenzfähig. Nach 1926 befuhren die nachgerüsteten achtachsigen Ae 6/8 Loks mit 6000 PS Leistung die Strecke. Das Nachfolgermodell Ae 8/8 brachte als Doppellock schon 8800 PS auf die Räder.

1.4 Neat und Alptransit

Heute fährt derart viel Verkehr durch den Gotthard, dass man die Güter lieber mit der Bahn transportieren möchte. Besonders die Verkehrsminister der EU empfinden die Alpen als ein Verkehrshindernis. Sie treiben eine Lösung voran, die noch schneller und noch Leistungsfähiger ist, der Preis sollte möglichst tief sein. Da sich der Güterverkehr vorallem auf die Lastwagen verlagert hat entstehen erhebliche Probleme:

Die Lastwagen machen Lärm: Die Bevölkerung in den Tälern von Hauptverkehrsachsen wehren sich. Der ständige Geräuschpegel ist kaum zumutbar. Die Emissionen (CO2, NOx und Kohlenwasserstoffe): Neben Verkehrsachsen wie z.B. im Kanton Uri werden Schadsotffwerte gemessen, die man mit Grossstädten vergleichen kann.

Der Bundesrat plant eine neue Alpentransversale (Neat), die mehrheitlich unterirdisch verläuft. Die Lastwagen sollten auf Züge verladen werden und so die Alpen durchqueren. Dabei wären zwei Probleme elegant gelöst. Der Lärm lässt sich eindämmen, da alles unter der Erde durchfährt. Die Emissionen in den Bergtälern sinken, da es auf der Strasse "nur" noch den Personenverkehr gibt. Bei der vermeintlich idealen Lösung taucht ein drittes Problem auf: Die Kosten. Das ganze Projekt verschlingt Milliarden, die Politiker streiten noch immer wieviel es letztendlich kosten wird.

Selbst die Routenführung ist unklar, will man nun den Lötschberg- oder die Gotthardlinie ausbauen? Oder am Ende beide Linien realisieren? Die Westschweizer und die Berner würden den Lötschberg vorziehen, da er für diese Regionen besser zu erreichen ist. Die ganze Ostschweiz und der Tessin sind für einen leistungsfähigeren Gotthard. Die riesigen Projekte schaffen auch Arbeitsplätze und jeder Kanton möchte gerne davon profitieren.

Ist das Projekt realisiert müssen die Transportunternehmen die Huckepackfahrt berappen. Auch hier herrscht Uneinigkeit, von einigen hundert Franken bis zu über tausend Franken pro Camion ist die Rede (Stand Oktober 1997). Da ist aber die EU nicht einverstanden: Die Produkte sollen ja durch den Transport nicht teurer werden (der Transport ist ohnehin das billigste am ganzen Herstellungsprozess eines Produkts, darum ist dieser Punkt besonders heikel). Bis die Neat finanziert und realisiert ist, fährt wohl noch mancher Camion durch die Innerschweiz.

Neben den wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Verkehrs über bzw. unter den Alpen entstanden vermehrt auch Umweltfolgen. Früher wurden im Urserental alle Wälder abgeholzt damit man die Passstrasse unterhalten konnte. Im Winter verschütteten Lawinen die Strassen und bedrohten die Siedlungen. Mit viel Aufwand forstete man über den Dörfern sogenannte Bannwälder auf. Heute zerschneiden Autobahnen Gebiete, die vorher noch recht unberührt waren. Tiere haben keine Chance die Strasse zu überqueren. Die Schadstoffe aus den Auspuffrohren schaden den alpinen Pflanzen.

1.5 Was will die Alpenkonvention?

Bei der Alpenkonvention sind alle Staaten im ganzen Alpenraum angesprochen. Erstmals soll eine Vereinbarung für alle Alpenländer verbindlich sein. Die Comission Internationele pour la Protection des Alpes kurz CIPRA beschloss in ihrem Gründungsdokument von 1951 eine Konvention auszuarbeiten, die alle Alpenländer betrifft. In den achziger Jahren wurde der Transitverkehr und die Umweltbelastung im Alpenraum auch politisch zu einem Thema. Die CIPRA handelte und brachte 1986 den Entwurf einer Alpenkonvention heraus. 1988 stiess die Konvention auch auf politische Anerkennung. 1989 lud das deutsche Umweltministerium zur ersten Alpenkonverenz nach Berchteshagen ein.

Die Konvention soll eine Entwicklung zugunsten der Umwelt aber auch des Tourismus fördern. Auch der Verkehr soll in geleitete Bahnen gelenkt werden und die Belastung möglichst gering halten. Nicht zuletzt soll auch das Kulturgut der Alpenbevölkerung geschützt und weiterentwickelt werden.

Das sind grosse Ziele. Bis heute sind aber, ausser einer zweiten Alpenkonferenz in Salzburg, keine Taten gefolgt. Im Gegenteil, die Protokolle zu den Themen Verkehr, Energie und Bodenschutz sind zu Streitpunkten geworden. Was bleibt sind Fragen: Hält die Konvention was sie verspricht? Wird die Konvention wirksam ausgeweitet oder bleibt sie im Format A4 stecken?

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