Klöster im Mittelalter

Wie kommt man auf den Gedanken, sich weit weg von der nächsten Siedlung in der Einöde niederzulassen und mit Gleichgesinnten sein Leben zu verbringen?

Die Idee der monastischen Askese(d.h. des gemeinsamen gottgewidmeten Lebens in abgelegenen Behausungen) stammt aus den Anfängen des Christentums. Man wollte seine Frömmigkeit bekräftigen, sich unterscheiden von der großen weltlichen Gemeinde der Christen und sein Leben fernab aller Verlockungen Gott widmen. Den Ursprung des Mönchtums findet man im Wüstenasketentum im Osten, z.B. Ägypten.

Dort bildeten sich Gemeinschaften von Eremiten, die nur durch den Zusammenhalt aller ein Leben in Isolation und Andacht führen konnten. Die Urform des Klosters, der festen Unterkunft aller Mönche unter der Führung eines Obersten, dem Abt, hat dort ihren Ursprung. Die Verbreitung des Mönchtums im Abendland nahm ihren Anfang in Italien und Spanien im späten 4.Jahrhundert n. Chr., wo diese neue Art der Gottesverehrung besonders durch die Aristokratie gefördert wurde und von dort sich weiter verbreitete.

Die wirklich entscheidende und bedeutendste Persönlichkeit für das Mönchtum in Europa war ein Mann.

Die Benediktiner

Benedikt von Nursia wurde um ca. 480 n. Chr. in Nursia im Sabinerland geboren. Die Lebensbeschreibung des Abtes von Montecassino haben wir seinem Biographen Papst Gregor dem Großen zu verdanken. Zum Studium wurde Benedikt nach Rom geschickt, blieb dort aber nur kurze Zeit. Dort entdeckte er seine Berufung zum geistlichen Leben und zog sich zunächst in die Einsamkeit der Sabiner Berge nach Enfinde zurück, übersiedelte aber dann ins Aniotal, südlich von Rom. 3 Jahre lang hielt er sich in einer Höhle auf, bis ihm die Leitung einer in der Nähe befindlichen Mönchsgemeinschaft übertragen wurde. In diesem ersten Amt als Klostervorsteher scheiterte er, doch nachdem er einige andere Aufgaben bewältigt hatte, zog er sich mit einigen Schülern in den Süden von Rom zurück. Dort gründete er, 140 km von der heiligen Stadt entfernt, das Kloster Monte Cassino auf der gleichnamigen Anhöhe. Nach den Angaben seines Biographen verließ der heilige Benedikt niemals Monte Cassino. Wohl aber verkündete er der ansässigen heidnischen Bevölkerung den christlichen Glauben und pflegte Kontakte zu Freunden in der Aristokratie, die ihm dann ihre Söhne als Novizen anvertrauten. Benedikt war kein Priester gewesen, doch er hat eine Mönchsregel geschrieben, " einzigartig in weiser Mäßigung, lichtvoll in der Darstellung", schrieb Papst Gregor.

Die Regel Benedikts

Die Mönchsregel verfasste Benedikt Mitte des 6. Jh.s in seiner Abtei Monte Cassino.

Der Heilige hatte aber nicht nur eine bestimmte Art eines Klosters vor Augen, er schrieb die Regel, festgehalten in lateinischer Sprache, für jede Mönchsgemeinschaft, unabhängig von Größe, geographischer Lage und Klima. Außer der Bibel ist kein Werk der altchristlichen Literatur handschriftlich so häufig überliefert wie die Regel Benedikts. Das Werk ist in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil werden die Grundstrukturen des klösterlichen Lebens, z.B. die Rolle des Abts und der brüderlichen Gemeinschaft oder die Verwaltung des Klosters, behandelt. Die weiteren Teile beschäftigen sich mit der Aufnahmeordnung, der Wahl des Abtes und mit der Klausur und der Klosterpforte .

Inmitten der vielfältigen und ausufernden monastischen Bewegung seiner Zeit zeichnet sich Benedikts Regel durch Ordnung und Beständigkeit aus. Er belastet die Lebensform der Mönche mit nichts ungewöhnlich Schwerem und Hartem. Der Weg in sein Kloster soll jedem aufrichtigen Gottessucher offenstehen. An der Spitze der Mönchsgemeinschaft steht der von allen gewählte Abt, der die Verantwortung für das Kloster trägt. Seiner Autorität muss jeder Ordensbruder gehorchen. In der Leitung des Klosters helfen ihm der Prior (der Stellvertreter des Abtes), der Cellerar (der Wirtschaftsverwalter oder "Kellermeister"), der Novizenmeister (der Betreuer der Neulinge) u.a. Außer einem Rat der Älteren, der ihm zur Seite steht, soll der Abt bei allen wichtigen Angelegenheiten auf die Wünsche der Mönche hören. Die Regel will im Kloster alles so anordnen, wie die Starken es wünschen, doch die Schwachen sollen nicht erliegen. Privatbesitz ist streng verboten, niemand kann über Besitz frei verfügen. Dennoch darf der Mönch alles zum Gebrauch Notwendige vom Abt erbitten. Im Allgemeinen gelten Benedikts Wegweisungen und Richtlinien für ein asketisches Leben als ausgewogen und anpassungsfähig. Kein Wunder, dass sie bald zur Norm wurden.

Der Weg der Regel Benedikts zur Alleingeltung

Schon zu Lebzeiten hatten andere Abteien interessiert Benedikts Arbeiten beobachtet. Nach seinem Tod, vermutlich zwischen 555-560 n.Chr., lebten die Brüder getreu seinen Forderungen weiter, doch sie mussten 577 von Monte Cassino vor den einfallenden Langobarden nach Rom fliehen, wohin sie auch die Urschrift der Regel mitnahmen. In den folgenden beiden Jahrhunderten gerieten Benedikts Verhaltensregeln teils in Vergessenheit, teils vermischten sie sich mit anderen Normen. Diese Epoche nennt man deshalb das "Zeitalter der Mischregel". Überraschenderweise begegnet man der alleingültigen Regel Benedikts zuerst in England, wo eine Kopie der "regula benedicti" von einzelnen Geistlichen in die Heimat mitgebracht worden ist. Dort traf sie auf große Zustimmung und ließ Großabteien entstehen, die wiederum die Verbreitung der Regel auf dem Festland unterstützten. So gewann sie auch im westlichen Frankreich stetig an Bedeutung. 787 ließ Karl der Große ein Exemplar nach Aachen bringen und setzte die Regel Benedikts fortan als alleingültige Mönchsregel im Karolingerreich fest. Somit beendete er das Mischregelzeitalter und wies damit dem karolingischen Mönchtum den Weg der getreuen Befolgung der Regel Benedikts. Dadurch lösten die Begriffe Benediktiner und Benediktinerkloster die weiteren und älteren Begriffe Mönch und Kloster ab. Doch Karl hatte keine selbstlosen Absichten. Er ließ Abteien an strategisch wichtigen Positionen gründen und zwang sie zur Erfüllung seiner Befehle. Er spannte die Klöster in den Landesausbau seines weiten Reiches ein, wies ihnen kolonisatorische Aufgaben zu und verfügte in jedem seiner sogenannten "Königsklöster" die Errichtung einer Schule und veranlasste die dafür erforderlichen wissenschaftlichen Forschungen. Durch diese enge Verbindung des Mönchtums mit dem Karolingerreich war der Untergang der Benediktinerklöster beim Zerfall des Reiches im späten neunten Jahrhundert zwangsläufig besiegelt.

Die Cluniazenser

Die Erneuerung des benediktinischen Mönchtums nahm im burgundischen Cluny ihren Anfang .Die Abtei wurde um 910 von Herzog William von Aquitanien gegründet und Abt Berno von Autun übergeben, der schon zwei weitere Klöster leitete. Der Grundstein für den großen Klosterverband der Cluniazenser war damit gelegt. Die Weichen für den Siegeszug des Ordens legte Herzog William, indem er den Mönchen die freie Wahl des Abtes garantierte und die Rechtsansprüche dem Papst übertrug. Dadurch konnte kein Adeliger oder Landesfürst Einfluss auf die Cluniazenser nehmen. Über eine Zeitspanne von 200 Jahren prägte der "sacer ordo cluniacensis" das abendländische Mönchtum. Der Orden hatte sich zwar der Regel Benedikts untergestellt, doch es war eine modifizierte Version seiner Richtlinien. An

Stelle des politisch-öffentlichen Einsatzes, der wissenschaftlichen Arbeit und der traditionellen Handarbeit erfüllte die Liturgie(der Gottesdienst und das gemeinsame Beten), die das in der Regel geforderte Maß weit überschritt, das Leben eines Cluniazensers.

Die neuen Orden des 11. und 12.Jahrhunderts

Bis zum Ende des 10 Jahrhunderts prägten die Benediktinerklöster und die neueren Abteien der Cluniaszenser das Bild des Frühmittelalters. Die verschiedenen Abteien besaßen zwar ihre eigenen Interpretationen der benediktinischen Regel, im Allgemeinen hielt man sich aber an sein Gesetzbuch. Durch den starken Zustrom zu den Klöstern bildete sich in den Ebenen eine große Zahl von Abteien, die wiederum starken Kontakt zu der Außenwelt pflegten. Damit entfernten sie sich vom christlichen Ideal des Wüstenasketen, der durch den Auszug in die Wüste die bestmögliche Isolation suchte. Eine neue Sehnsucht nach tieferer Verchristlichung, nach Lösung von der vergänglichen Welt und Ausrichtung des Lebens auf das himmlische Ziel, ergriff in wachsendem Maße alle Stände der Christenheit Nicht nur die alten und neuen Klöster, auch der Weltklerus, die Kirchenleute und Laien wurden vom mächtigen Streben nach religiöser Erneuerung erfasst. Aufgrund dieser Entwicklung verließen viele Ordensbrüder ihren Wohnort und zogen sich in die Einsamkeit zurück und gründeten Eremitensiedlungen. Die Siedlung in den Bergen von Camaldoli bei Arezzo wurde die bekannteste und gab dem Orden der Kamaldulenser seinen Namen. Die Einsiedlersiedlung(eremus genannt) bestand aus Hütten für die Eremiten, den notwendigen Gemeinschaftsräumen und der Kirche. Auch ein Kloster gehörte zum Eremus, das den Schutz der Welt und auch die notwendige Verbindung zur Welt übernahm. Das Gemeinschaftsleben war hier nur noch Mittel zum Zweck, das dem Eremiten den ungestörten Freiraum für sein asketisches Leben ermöglichen sollte. Ähnliche Orden wie zum Beispiel die Kartäuser entstanden zu dieser Zeit, wobei der Bedeutendste der der Zisterzienser war.

Das sogenannte Mutterkloster wurde um etwa 1100 vom französischen Benediktinerabt Robert von Molesme in der Einsamkeit von Citeaux, südlich von Dijon gegründet. Durch die Leitung des erfahrenen Engländers Stephan bildeten sich zahlreiche "Töchterklöster". Die unerwartete Ausbreitung zwang zur weiteren Festlegung der Gebräuche von Citeaux, die die Einheit der Mönche in den verschiedenen Klöstern sichern sollten. Ein anspruchsloser Lebensstil und die Gewinnung des Lebensunterhaltes durch Handarbeit und Landwirtschaft gehörten zu den Grundprinzipien eines Zisterziensers. Markant war das weiße Ordenskleid, das sich deutlich vom schwarzen Umhang der Benediktiner unterschied. Auch festigte das Besuchsrecht den Zusammenhalt des Ordens, das dem Abt des Mutterklosters über alle anderen Abteien zugesprochen wurde. Der verstärkte Einsatz für politische Fragen, wie z.B. die Unterstützung des 2.Kreuzzuges, die Schriftstellerei und die Kulturarbeit im Dienste der Welt verhalfen den Zisterziensern zu großem Einfluss in der gesamten Kirche. Sie erfreuten sich regen Zustroms und innerhalb von nur einem Jahrhundert hatte sich der Orden in ganz Europa verbreitet. Doch durch diesen schnellen Zuwachs und der Öffnung zur Außenwelt waren sie dem Untergang geweiht. Die Eigenbewirtschaftung und der ausgedehnte Grundbesitz verhalfen den Klöstern zu Reichtum, die sich dadurch von anderen Abteien nicht mehr unterschieden. Ab dem Ende des 12.Jahrhunderts war die Lebenskraft des Ordens erschöpft.

Der etwas jüngere Prämonstratenserorden teilte nach gut hundert Jahren dasselbe Schicksal. Zur gleichen Zeit wurden die Augustiner-Chorherren gegründet, Gemeinschaften von weltlichen Geistlichen und Laien (sogenannte Kanoniker), die gemeinsam einen monastischen Lebensstil in ihren sogenannten Stiften pflegten.

Die Bettelorden

Die Geschichte der Klöster, Orden und ganz allgemein der religiösen Gemeinschaften beweist, dass jede Reform, jeder Aufbruch nach etwa 100 Jahren zum Stillstand kam. Dabei gab es die unterschiedlichsten Formen wie zum Beispiel Ansätze von Weltentsagung, Gottsuche in der Abgeschiedenheit, Wirken in der Welt, Missionierung oder Verwirklichung der Nächstenliebe. Das gilt sowohl für Cluny, für die großen Orden der Zisterzienser, Prämonstratenser und Augustiner-Chorherren, für Mönche und Kanoniker, als auch für die neuen Bettelorden des 13.Jahrhunderts. Seit dem 11.Jahrhundert wurde in den Städten sehr viel Reichtum angehäuft, was einige der Reichen in einen Konflikt mit dem Idealbild eines christlichen Lebenswandels brachte, das doch Armut und Askese verlangte. Die Klöster dieser Zeit befanden sich jedoch weit weg von den Menschen auf dem Land und gelangten zu großem Reichtum, da sie ihre Ländereien schon lange erfolgreich bewirtschafteten. Deshalb konnte die Kirche das Bedürfnis nach Armut und Seelsorge nicht abdecken. So entstanden in Südfrankreich und Italien Ordensgemeinschaften, die sowohl persönlichen als auch gemeinschaftlichen Besitz ablehnten, ganz im Gegensatz zu den reichen Großabteien. Der einzelne Bruder war nun nicht mehr an ein bestimmtes Kloster gebunden, er musste sich seinen Lebensunterhalt durch Arbeit, Studium, Unterricht, Seelsorge und Almosenbetteln verdienen. Die Zeit der Franziskaner, Dominikaner, Karmeliten und Augustiner-Eremiten war angebrochen.

Die Dominikaner

Die führende Persönlichkeit des Ordens war der Spanier Dominikus von Guzmán, der Anfang des 13.Jahrhunderts den ersten Bettelorden in Südfrankreich gründete. Seinem Beispiel folgten andere Mönchsgemeinschaften, die in Dominikus ihren Anführer sahen und nach seinen Regeln lebten. Predigttätigkeit im Dienste der Kirche führte zum verstärkten Einsatz der Mitglieder für das Studium. Dominikaner eroberten bald feste Positionen im Lehrbetrieb an bedeutenden Universitäten Europas.

Sie nahmen sich auch der Frauen an und gründeten zwei eigene Orden unter ihrem Namen.

Die Franziskaner

Um etwa 1209 verließ Franz von Assisi, Sohn reicher Handelsleute, seine Heimatstadt in Italien und begann ein Leben in Armut zu führen. Enterbt von seinem Vater, pflegte der Gottberufene Aussätzige und stellte zerfallene Kapellen in der Umgebung Assisis wieder her. Grund für seinen Lebenswandel war wahrscheinlich eine Krankheit gewesen, die ihn zur Bekehrung geführt hatte. Bald hatte er eine Unzahl von Begleitern um sich geschart, sogenannte mindere Brüder, die die von ihm verfasste Ordensregel in die Welt hinaustrugen. Seine Regel verlangt von den Mönchen in Armut, Keuschheit und Gehorsam( auch dem Papst gegenüber) und nur von ihrer eigenen Arbeit zu leben. Die Predigt unter Gläubigen und Ungläubigen wird als besonderes Aufgabengebiet genannt, wodurch die Franziskaner zum Großteil in den Städten heimisch wurden. Durch die enge Verbindung des Ordens mit der Kirche konnte sich der Orden weit über die Grenzen Europas bis in den tiefen Orient ausbreiten. Franziskus selbst unternahm mehrere Missionsreisen nach Kleinasien, setzte sich für die Gründung franziskanischer Frauenklöster ein und starb 1226. Kurz vor seinem Tod schrieb der Heilige noch eine Regel, die die strikte Befolgung seiner Ordensregeln ohne jegliche Interpretation zum Inhalt hatte, doch es geschah so, wie er befürchtet hatte. Die Franziskaner spalteten sich in zwei Gruppen, in die der Gemäßigten, die die Dominikaner als Vorbild nahmen, und in die der Spiritualen, die ein Leben in radikaler Armut forderten.

Die Karmeliten und Augustiner-Eremiten sind im Vergleich zu den Dominikanern und Franziskanern nicht besonders erwähnenswert. Beide Orden lebten nach etwa denselben Regeln und empfanden das Leben in Armut als Wichtigste.

Damit endet die mittelalterliche Geschichte des Mönchtums, dessen Bedeutung für die religiöse und kulturelle Entwicklung Europas nicht unterschätzt werden kann.

Quellen

Franz DÖLGER, Art.Mönchtum, christliches, in:Lexikon für Theologie und Kirche,

Bd. 7, Freiburg i. Br.1962,544-548

Karl Suso FRANK, Geschichte des christlichen Mönchtums, Darmstadt (5.Aufl.)

1996

Günter LANCKOWSKI, Art. Mönchtum, in: LThK Bd.7, Freiburg i. Br. 1962, 543-

544

Michael LEMBERGER, Durch die Vergangenheit zur Gegenwart 2, Klosterneuburg

1997, 100

Ansgar MUNDO, Art. Mönchsregeln, in: LThK Bd.7, Freiburg i. Br. 1962, 540-542

Georg SCHWAIGER, Mönchtum, Orden, Klöster.Von den Anfängen bis zur

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