Aeneis Vergil

1. Biographie Vergils

Am 14. Oktober 70 a. Chr. n. wird Publius Vergilius Maro, während Crassus und Pompeius in Rom das Konsulat führen, in Andes bei Mantua geboren. Er ist das Kind einfacher Eltern; sein Vater Vergilius arbeitet in der Landwirtschaft und nebenbei noch als Töpfer. In dieser ländlichen Idylle verbringt er seine Kindheit und bleibt Zeit seines Lebens mit dieser Landschaft verbunden. Trotzdem der Vater in relativ bescheiden Verhältnissen lebt ermöglicht man Vergil eine sehr gute Schulausbildung, was jedoch nicht an seiner Begabung liegt, sondern eher an seinem Gesundheitszustand. So soll er, laut den Viten, häufig Kopfschmerzen gehabt und sogar Blut gespuckt haben, was auf Tuberkulose hindeuten könnte. Nachdem er die Elementarschule in Mantua besuchte, schickt man ihn auf die höhere Schule in Ceremona. Zu dieser Zeit ist es üblich, in Ermangelung an eigener Literatur, die griechischen Werke zu studieren. Wir können annehmen, dass er hier zum ersten mal mit seinem Vorbild Homer in Berührung kommt. Nach dem Schulabschluss kehrt er 55 a. Chr.n. nach Hause zurück. Wieder sind die Söhne der Cornelia Konsuln und fünf Jahre vorher bilden die beiden Brüder und Caesar das Triumvirat. Seine mit dem anlegen der toga virilis nun zuende gehende Jugendzeit ist also überwiegend durch politische Instabilität gekennzeichnet als durch ein reibungsloses Funktionieren der res publica.

Um seine Schulausbildung fortzusetzen, geht er nach Mediolanum, das heutige Mailand, um Rhetorik zu studieren. Damit schafft er sich die Zugangsvoraussetzungen für den cursus honorum. Als er nach zwei Jahren nach Rom geht um seine Studien, u.a. Medizin und Mathematik, zu beenden und dort das sogenannte tirocinium fori zu leisten, arbeitet er noch während des Studiums bei einem Anwalt, damit er Praxis für den Juristenberuf bekommt. Nach dem Studium wird jedoch schnell klar, dass er nicht als Gerichtsredner geschaffen ist; ein Zeitgenosse sagt über ihn, dass er der flüssigen rede nicht fähig war und den Eindruck mache, als könne er nicht bis drei zählen. Vergil scheitert in seinem erlernten Beruf und die Ämterlaufbahn bleibt ihm verschlossen.

Nach dem Scheitern schließt sich Vergilius den Neoretikern an, einer Gruppe junger avantgardistischerer Künstler um Catull. Diese hatten sich vor allem an der alexandrinischen Dichtkunst orientiert, deren Kennzeichen kurze prägnante Verse und ein hoher stilistischer Anspruch sind. Dieser Einfluss brachte der römischen Poesie großen Auftrieb, bringt aber auch seither Schülergenerationen zum verzweifeln. Die ersten beiden Gedichte Vergils, die in den sog. Catalepton überliefert sind, stammen ebenfalls aus dieser Zeit. Doch auch die Poesie vermag ihn nicht zu fesseln und so widmet er sich der Philosophie.

Er geht nach Neapel um sich dem Epikureer Siro anzuschließen. In dieser von vielfältigen geistigen Strömungen geprägten Umgebung kann sich der Sensible ganz seiner Selbstfindung hingeben ohne von den Wirren seiner Zeit beeinflusst zu werden. In den Jahren von 49 bis 42 hat man keine genauen Angaben mehr wo sich Vergil befand, vermutet aber das er in den Krieg ziehen musste, wegen seines Zustandes aber bald wieder entlassen wurde.

Im Jahre 41 wird er dann von dem Landgut seines Vaters vertrieben, wohin er sich nach den Strapazen des Krieges zurückgezogen hat, da man ihm dieses im Zuge der Landenteignungen zugunsten der Sieger von Philippi entzog.

Geprägt von diesen beiden Ereignissen, Krieg und Heimatvertreibung siedelt er nach Neapel über und verfasst dort die Bucolica, die Hirtengedichte, wobei er des Theokrit Hirtendichtung als Vorbild wählt. Jene sind eine Sammlung von zehn Gedichten, in denen Gesang, Naturschönheit, Liebe und das Hirtenleben Themen sind. Sein tiefes Band zu seiner Heimat verdeutlicht er uns insofern, lässt er doch den Heimatfluss Mantuas durch die idealisierte Landschaft fließen. Er versucht, indem er als Schauplatz die Arkadien wählte, einen Kontrapunkt zu setzen gegenüber der rauhen Realität. In den Eklogen, wie dieses Werk auch genannt wird, preist er Caesar Oktavian, den Bringer des pax Augusta. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass ihm dieser auf Anraten zweier einflussreicher Freunde Vergils, welche ebenfalls erwähnt werden, eine Entschädigung nach dem Prinzip des Rentenkapitalismus gewährt haben soll. Im Jahre 39 werden die Hirtengedichte veröffentlicht und sie sind sogleich auf große Begeisterung gestoßen. Die Verehrung ging sogar soweit, dass man Vergil, als er sich einmal im Theater zeigt, stehende Ovationen entgegengebracht haben soll, eine Ehre die sonst nur Octavian zuteil wurde. Vergil wird sozusagen über Nacht berühmt. Dadurch wird C. Cilinius Maecenas, ein enger Freund des Kaisers und ein Mäzen der Künste, aus einem alten etruskischen Geschlecht, aufmerksam und nimmt ihn in seinen Dichterkreis auf. Auf Betreiben des Förderers beginnt Vergil 37 mit seiner Arbeit an der Georgica, ein Lehrgedicht über den Landbau in vier Büchern. 29 vollendet er diese. Auch hier wird ein griechisches Vorbild gewählt: Hesoid, der etwa im 7 Jahrhundert vor Christus eine Art Bauernkalender schrieb. Die vier Bücher gliedern sich in folgende Themen: Ackerbau - Obst - Viehzucht - Bienenzucht. Neben fachlichem Wissen wird auch der Wert des Bauern vermittelt und die Funktion der Landarbeit für die Gemeinschaft. In diesem Werk kündigt er, skizzenhaft, sein größtes Vorhaben an. Da ihm die Aufmerksamkeit und die Beachtung der Öffentlichkeit zu groß werden siedelt er 19 nach Griechenland, um dort sein Werk zu vollenden. In Athen trifft Vergil auf Augustus und reist auf dessen Bitte zusammen mit ihm nach Italien, wobei er einen Schwächeanfall erleidet und am 21. September 19 stirbt. Hätte der Kaiser dem Wunsch des Dichters entsprochen und hätte man das unvollendete Werk vernichtet, so wäre uns heute eines der hochwertigsten Exemplare des klassischen Latein verloren gegangen:

2. Die Aeneis

2.1 Entstehungsgeschichte

Als literarische Vorlage für sein Epos nahm Vergil die beiden großen Dichtungen des Homer, also die Illias und die Odysse. Homer lebte etwa im 8 Jahrhundert a. Chr. n.. Über sein Leben ist uns so gut wie nichts bekannt, aber man nimmt an, dass er als fahrender Sänger die Illias aus schon lange mündlich tradierten Überlieferungen komponierte und niederschrieb. Ob er die Odysse ebenfalls verfasst hat, darüber streiten sich die Experten, manche nehmen an, dass sie von einem genialen Schüler seiner selbst geschaffen worden ist, wobei er dann auch hier indirekt mitgewirkt hat, im Sinne des geistigen Vaters, andere glauben bei Homer handelt es sich um eine ganze Gruppe von Künstlern.

Die Illias besingt in 24 Gesängen den Zorn des Achilles, ein Ereignis aus dem 10. Kriegsjahr des trojanischen Krieges, wobei die restlichen Kriegsjahre unbeachtet bleiben. Achilles, der griechische Held, soll demzufolge aufgrund eines Streites bezüglich eines verlorenen Ehrengeschenkes dem Krieg fern geblieben sein, wodurch die griechischen Kämpfer fast verloren hätten, und erst der Tod seines besten Freundes konnte ihn zur Rückkehr bewegen und die entscheidende Wendung im Kampf herbeiführen.

Die Odysse kann man als Fortsetzung jenes Werkes sehen, da sie nach der Eroberung Trojas beginnt. In ebenfalls 24 Büchern erzählt sie von den Heimkehr eines griechischen Helden, Odysseus genannt. Der erste Teil erzählt von den Irrfahrten des Helden. Der zweite Teil von der Ankunft in Ithaka und dem Kampf gegen die Freier, welche seine Frau heiraten möchten. Neben den irdischen Gegebenheiten ist das Werk durch einen zweiten Handlungsstrang gekennzeichnet, die göttliche Ebene, was dann auch die Aeneis durchziehen wird.

Um sein Werk geschichtlich zu untermauern greift Vergil auf einen griechischen Mythos zurück, der während der Zeit der zweiten Kolonisation, die etwa vom achten bis zum sechsten Jahrhundert stattfand, nach Süditalien kam, indem er als Protagonist Aeneas wählt, einen Prinz aus trojanischem Herrscherhaus. Bereits in der Illias wird er als Kriegsheld gerühmt. Dieser soll von einer Göttin, der Venus, abstammen. Schon sehr früh tritt er als Ahnherr der Römer auf und Geschichtsschreiber wie der ältere Cato (Origines) und Tacitus (ab urbe condita) sahen es als realistische Tatsache an. Das gens Julia, die Familie des G. I. Caesar sah in ihm ihren Urahnen, wodurch sie sich auf göttlichen Ursprung zurückführen konnten.

Obwohl sich Vergil an dem Sagenstoff orientiert hat er sich nicht genau an die Vorgaben gehalten und einige Passagen entfernt oder auch hinzugefügt: Er erwähnt zwar, dass Anchises, der Vater des Aeneas, von Zeus' Blitzstrahl getroffen wird (Aeneis 2,647-648), nicht aber warum. Dies geschah, weil er sich der Liebschaft zur Göttin gerühmt hat. Wahrscheinlich erschien Vergil das nicht passend für einen ehrenhaften Mann. Des weiteren hat er den Ahnherrn der Trojaner, den Dardanus zu einem Uritaler gemacht, wie die Landschaft um Rom genannt wurde. Dieser soll aber nach Hesperien ausgewandert sein. (Aeneis 7,205-211) Dadurch wird die Rückkehr des Helden, da er ein Nachfahr des Dardanus ist, zu einer Heimkehr im tieferen Sinne.

2.2 Nacherzählung

Der erste bis sechste Gesang beinhalten die Irrfahrten des Aeneas, wobei die Odyssee als Vorlage diente.

1. Gesang

Seinem Ziel-Italien-schon nahe bricht Aeneas mit seinen Bundesgenossen von Sizilien auf. Die Göttin Juno jedoch, immer noch verletzt vom Urteil des Paris, lässt mit Hilfe des Aeolus, dem König der Winde, einen heftigen Seesturm aufkommen, welcher die Trojaner an die Küste von Afrika verschlägt. Dort werden sie von Dido, der Königin Karthagos, gastfreundlich aufgenommen. Diese gibt jenen zu Ehren ein Fest. Venus die weiteren Hinterhalt der Juno befürchtet, lässt Cupido in Gestalt Aeneas' Sohn Ascanius erscheinen, um der Königin Liebe einzuflößen, so dass diese den Aeneas begehrt. Von Liebe durchdrungen, so hofft die Mutter des Aeneas, ist sie liebsäuselnder Junostimme nicht mehr zugänglich. Am Ende fordert Dido die Trojaner auf von ihren Irrfahrten zu erzählen. In einem Zwiegespräch zwischen Jupiter und Venus prophezeit der Göttervater die künftige Größe Roms.(Aen. 1)

2. Gesang

Er erzählt von der Eroberung Trojas durch die List der Griechen, folglich den Bau des trojanischen Pferdes. Darüber, dass es die Dardaner trotz der Warnungen ihres Priesters Laokoon in die Stadt zogen und wie dann eine furchtbare Schlacht entbrennt. Ein Traumbild warnt und befehligt ihn von den brennenden Mauern zu fliehen. Als sich der Heroe trotzdem an der Schlacht beteiligt, muss er mit ansehen wie König Priamus grausamst ermordet wird. Jetzt erscheint ihm seine Mutter selbst und erinnert ihn an seine pietas, an seine Pflicht gegenüber der Familie und den Göttern. Und so flieht er mit seinen Kämpfern, auf seinen Schultern den gelähmten Vater und an seiner Hand den Sohn Iulus und die Penaten, die Hausgötter. Auf der Flucht verliert er seine Gattin Creusa, die ihm, als er versuchte sie zu finden, als Schattenbild erscheint und ihn einen Teil seines Schiecksaales mitteilt. (Aen. 2)

3. Gesang

Im dritten Teil sind die Irrfahrten enthalten. Die Trojaner versuchen mehrmals eine neue Heimat zu gründen, werden von den Göttern aber jedes Mal aufgefordert weiterzusegeln. Und so irren sie über das Meer, vertrauend auf die Weissagungen der Olympbewohner. In Sizilien verliert Aeneas seinen geliebten Vater. Der einzige nun neben ihm noch lebende seiner Familie ist sein Sohn, dem eine große Zukunft vorausgesagt wird. (Aen. 3)

4. Gesang

Der Venus' Plan geht auf und Dido ist von Liebe zu Aeneas ergriffen, dessen Erzählung von seinen Taten offenbart ihr seinen bonum ingenium, der ihr sehr imponiert. Sie erzählt ihrer Schwester von ihren Gefühlen und diese rät ihr sich mit ihm zu verbinden, da sie sich von dieser Verbindung Schutz vor Feinden und eine Vergrößerung des Reiches verspricht. Als es während eines Jagdausfluges zu einem Gewitter kommt, müssen Aeneas und Dido in einer Höhle Schutz suchen, wobei sie die Liebe vollziehen, dieses wiederum fasst diese als förmliche Hochzeit auf. Jupiter, enttäuscht von diesen Verzögerungen, sendet Merkur, den Götterboten, zu ihm hinab, um ihn an sein Schicksal und damit den Willen der Götter zu erinnern. Aeneas trifft, obgleich er gerne bleiben möchte, sogleich heimliche Aufbruchvorkehrungen, um seine Geliebte nicht zu verletzen. Diese ertappt ihn dabei, vermag es jedoch nicht ihn zum bleiben zu bewegen, das persönliche Glück muss gegenüber der göttlichen Pflicht nachstehen. Als Dido die Flotte absegeln sieht, verflucht sie die Trojaner samt dem zukünftigen Geschlecht und wählt den Freitod auf dem Scheiterhaufen. Dies soll eine Erklärung für die Punischen Kriege geben.

5. Gesang

Durch ein aufkommendes Unwetter muss der Schiffsverband die Seefahrt unterbrechen und an der Küste von Sizilien ankern. Hier richtet man, im Lande des Eryx, der ein Sohn der Venus ist und somit Bruder des Aeneas, sportliche Wettkämpfe zu Ehren des verstorbenen Vaters aus, welche ausführlich beschrieben werden. Juno versucht erneut die Flotte aufzuhalten, indem sie die Frauen der Trojaner, welche von den ewigen Strapazen geschafft sind und endlich eine Heimat wollen, anstiftet die Schiffe in Brand zu setzen. Jupiter löscht auf flehendes Bitten des Aeneas den Brand. Zwischen Mitgefühl für die Frauen und Schicksalsauftrag hin und her gerissen überlegt Aeneas nun Heimstatt zu gründen. Als er sich jedoch zum Schlafen niederlegt, erscheint ihm das Traumbild seines verstorbenen Vaters und weist ihm einen Weg aus der Krise und fordert ihn auf, ihn in Elysium, der Unterwelt, zu besuchen, um sich seine Zukunft eröffnen zu lassen. Und so wird die Flotte gerüstet, um nach Cumae zu segeln, wo sich der Eingang ins Reich der Toten befindet.

6. Gesang

Am Ziel angekommen sucht er Sybille auf, die Priesterin, die ihn in Plutos Gefilde führen soll. Sie werden von Charon dem Fährmann, welcher die Seelen ins Reich der Toten bringt, ebenda hingebracht. Am anderen Ufer müssen sie noch Kerbus, das dreiköpfige Monster das den Eingang bewacht, mit Zauberkraft einschläfern. Im Reich des Sterbens angekommen, trifft Aeneas viele bekannte Seelen, unter ihnen auch Dido, die immer noch von Hass ihm gegenüber erfüllt ist. Unter Tränen bittet Aeneas sie, seine Abreise zu verstehen, doch sie bleibt hart. Im Elysium angekommen, berichtet der Vater ihm von der künftigen Größe Roms und zeigt ihm noch ungeborene Seelen berühmt werdender Männer. Unter ihnen befindet sich Romulus und auch G. I. Caesar, der für seine Eroberungsfeldzüge gelobt wird, es folgt eine kurze Zusammenfassung der Geschichte Roms inklusive des Unterganges der Monarchie und der Entstehung der Republik. Auch Augustus wird erwähnt, als derjenige der das goldene Zeitalter bringt.

Der siebente bis zwölfte Gesang handeln von den Ereignissen in Italien und sind somit an der Illias orientierte Bücher.

7. Gesang

Aeneas erreicht endlich sein Ziel und trifft auf König Latinus, der ihn mit seiner Tochter vermählen will, da er glaubt, er ist der von den Göttern vorbestimmte Gemahl. Seine Frau möchte die Tochter mit dem Rutulerfürsten Turnus vermählen, doch ihr Mann lässt sich nicht beirren. Mit Hilfe der Furien unternimmt Juno erneut den Versuch die Trojaner zu behindern, sieht aber auch ein, dass sie der Dardaner Zukunft nicht mehr ändern kann. Was der Vater der Götter vorbestimmt hat, kann auch seine Gemahlin nicht scheitern lassen. Auch sie muss sich seinen Weisungen fügen. Und so sät sie Zwiespalt zwischen den Trojanern und Turnus, der nur durch die Macht der Furien zum Hassenden gemacht wurde, rüstet mit Latinus zum Kampf. Am Ende folgt in Anlehnung an die Illias, eine Aufzählung der italischen Völker die den Kriegstreibern zu Hilfe kommen.

8. Gesang

Der Dardanerfürst muss sich nun auch nach Verbündeten umsehen und als er sich zum Schlafen legt erscheint ihm Tibernius, der Gott dieser Gegend, und sagt ihm, dass er diese bei Eunander, dem König der Arkader findet. Dieser unterstützt ihn, da auch dieser in jenem den vom Schicksaal vorherbestimmten Herrscher über Latium sieht. Eunander stellt ihm ein Heer unter der Führung seines Sohnes Pallas zur Seite. Zusätzliche Hilfe findet er bei den Etruskern, die in beständiger Feindschaft mit den Latinern leben und auch seine Mutter eilt ihm zu Hilfe und lässt von Vulkan Waffen schmieden, auf denen die künftige Geschichte des Weltreiches kunstvoll abgebildet ist.

9. Gesang

Aeneas segelt ab, um weitere Verbündete zu finden und währenddessen versucht Turnus die im Lager Verbliebenen durch Belagerung zum Aufgeben zu bewegen. Als sich die Lage zuspitzt, versuchen die beiden Freunde Nisus und Eryalus sich des Nächtens durch die Feinde zu schleichen, um Aeneas von der Situation zu berichten; dieser Plan schlägt jedoch fehl und die beiden werden ermordet. Am Ende des Gesanges dringt Turnus in das Lager ein und wütet dort schrecklich, bis er zurückgetrieben werden kann.

10. Gesang

Aeneas wird von Nymphen über die prekäre Lage aufgeklärt und eilt mit den Bundesgenossen zu Hilfe; bei seiner Ankunft entbrennt sofort eine heftige Schlacht, die nun in allen Einzelheiten beschrieben wird. Als Aeneas vom Tod seines Schützlings Pallas, der durch Turnus getötet wurde, erfährt, metzelt der von Zorn Erfüllte ohne Gnade die Italer nieder. Hierbei sterben Lausus und dessen Vater Mezentius, die ihn noch um Verschonung anflehen. Sein Ziel, der Mörder von Eunanders Sohn, entkommt gegen seinen Willen, da es einer ehrlosen Flucht gleicht, durch Junos Machenschaften.

11. Gesang

Um die Toten zu bestatten und deren Ehre zu bewahren, wird ein Waffenstillstand geschlossen. Latinus, der von dem erst jetzt ersichtlichen Kriegsopferausmaß zutiefst bekümmert ist, fordert die Fürsten bei einem Treffen auf Frieden zu schließen, aber Turnus will nicht Lavinia in die Hände des Fremdlings geben und er schafft es die Herrscher zum Weiterkämpfen zu bewegen, was anfangs auch zu Vorteil der Italer ausfällt, da Camilla, eine Heldenjungfrau, hehre Taten vollbringt. Diese wird dann aber ermordet und die Trojaner drängen in die Stadt des Latinus, Laurentum.

12. Gesang

Latinus und Aeneas begehen den Frieden und Turnus willigt in einen Zweikampf ein. Während der Festlichkeiten entbrennt erneut der Kampf, da Juno wieder eingreift. Es scheint fast aussichtslos für die Italer den Kampf zu gewinnen und sie müssen ihn letztendlich auch verlieren; in einer Götterratssitzung auf dem Olymp muss Juno nun endlich das fatum akzeptieren. Sie fügt sich den Forderungen des Jupiter und die Trojaner können endlich gewinnen und ihr Schicksal erfüllt sich. Turnus muss sich nun dem Zweikampf mit Jupiter stellen und er unterliegt. Von Wunden übersät bittet er um Gnade, und Aeneas möchte sie ihm auch gewähren, da er den ewigen Hass überdrüssig ist. Doch als er das Wehrgehänge Pallas' an Turnus erblickt, dass ihm dieser in der Schlacht geraubt hat, rächt er voll trauernden Zorn den Tod des Fürstensohnes.

2.3 Konzeption

Die Aeneis ist in zwei Hälften gegliedert: der erste Teil handelt von der Reise nach Italien, also eher vom persönlichen Schicksal des Aeneas. Die zweite berichtet von den Ereignissen in Italien und somit den Ereignissen, die das römische Volk und die Herrschaftsansprüche betreffen. Am Anfang werden die Abschnitte mit einem Prämonium begonnen, was ein Musenanruf ist. Die beiden Abschnitte sind jeweils klimatisch angelegt; der Höhepunkt des ersten ist die Begegnung mit seinem Vater in der Unterwelt, um seinen Auftrag zu erfahren, der des zweiten ist der Sieg über Turnus und damit ist der Auftrag erfüllt, nämlich die Gründung des römischen Volkes. Daneben lässt sich eine weitere Gliederung erkennen, wobei es dann dreigeteilt ist im Sinne von Einleitung, Hautteil und Schluß. Gesang 1-4 erzählen die Irrfahrten, 5-8 die weitere Fahrt bis zur Ankunft und die ersten Aktionen nach dieser, 9-12 nun handeln von den Kriegsereignissen und dem Sieg und der damit verbundenen Schicksalserfüllung.

Die eigene Leistung Vergils wird vor allem im Vergleich mit Homer deutlich, denn in der Antike war es üblich sein Vorbild zu imitieren (imitatio) oder in einen Wettsreit mit selbigem zu treten (aemulatio). Das geschulte Auge erkennt sofort, dass Vergils Werk wesentlich straffer organisiert ist. Dies wird schon in der Verminderung der Anzahl der Abschnitte deutlich, Vergils Werk hat nur die Hälfte an Gesängen. Die Hauptgestalten des Epos Aeneas, Dido und Turnus sind keine blassen Figuren wie bei Homer, sondern sind von Vergil durchaus psychologisch gestaltet. So lässt er uns Einblick nehmen in das Gefühlsleben der Gestalten, ein Mittel, das vorher eher unüblich war und somit von dem Dichter erst geschaffen worden war.

2.4 Grundgedanken des Dichters

In erster Linie geht es darum den Herrschaftsanspruch der Römer zu legitimieren. Da es sich um einen Auftrag der Götter handelt, ist dieser Herrschaft etwas Absolutes gegeben. Geschichtlich begründet soll auch der ewige Streit mit den Karthagern, der zu den Punischen Kriegen führt, werden und dies wird mit Didos Aussage kurz vor ihren Tod erreicht. ( Aen. 4, 611-629) Nicht die Römer wollten den Krieg, nicht Aeneas ist in Hass geschieden, Dido und somit die Karthager sind die Urheber des Übels.

Zum andern ist das Wirken zweier gegensätzlicher Mächte von großer Bedeutung. Auf der einen Seite steht die Ordnung, wobei hier Jupiter der Weltenherrscher und Bestimmer des fatum als Vertreter steht, auf der anderen Seite das dämonische Prinzip des Chaos, welches von Juno vertreten wird, die sich jedoch unter das erstgenannte unterordnen muss. Auf der Seite Jupiters stehen der Meeresgott Neptun, der im ersten Gesang den von Aeolus hervorgerufenen Sturm beruhigt und Aeneas die Weiterfahrt sichert und Apollo, die Römer bei ihren zukünftigen Eroberungsfeldzügen tatkräftig unterstützt, dagegen stehen auf Junos Äolus und die Furie Allekto, die beständig Zwietracht sät und den Krieg mit Turnus entfacht. Dieser höheren Ebene lassen sich simultan die menschlichen Gestalten zuordnen, in Person von Aeneas und Turnus. Der erstere der einem höheren Auftrag gehorcht und versucht Frieden in Latium zu erreichen und daran von zweiterem gehindert gehindert wird, da dieser einen Machtverlust befürchtet. Den Personen zugeordnet werden einmal Evander zugeordnet und auch Latinus, da dieser ja nur auf Betreiben des Turnus in den Krieg zieht und sich den rieten ebenfalls wünscht, zum anderen ist Mezentius ein Vertreter der Verwirrung, ja er wird sogar als Götterverächter dargestellt, etwas der virtus entgegenstehendes. Am Ende siegt jedoch auf beiden Ebenen die Ordnung über das Chaos.

2.5 Leitmotive

In diesen Kampf der beiden Mächte fügen sich nun auch die Leitmotive ein: fatum und pietas. Das Schicksal ist von den Göttern, der höheren Ebene vorherbestimmt, der Mensch kann sich dem nicht entziehen, selbst die Götter können es nur verzögern, niemals aber ändern. Die pietas ist die Folge, die sich aus dieser Unabänderlichkeit ergibt.

Für die Römer war der Schicksalsglaube wesentlicher Bestandteil des Selbstverständnisses ihrer Vormachtstellung in der Welt; das Aufbegehren der Völker gegen die Kriegsmacht wird von vornherein als sinnlos verstanden, da die römische Hegemonie schon durch die Götter bestimmt wurde. Der göttlichen Fügung gehorchend, müssen sie nicht einmal irgendeine Art von Schuldkomplex aufkommen lassen und können so den Gegnern die Last übergeben.

Die Bedeutung der pietas für den Römer ist in diesem werk sehr schön herausgearbeitet, so falle sofort verschiedene Ebenen des Begriffs auf: Die bedeutungsvollste ist die Gehorsamkeit gegenüber den Göttern. Aeneas versucht zu Beginn noch sich zu widersetzten, als er sich, obwohl er schon aufgefordert worden war Troja zu verlassen, nochmals in den Kampf stürzte. Er muss immer wieder von den Göttern ermahnt werden seine Bestimmung zu vollführen. Diese Art von Gehorsam steht über dem persönlichen Glück. Dies tritt in dem Abschlussdialog zwischen ihm und Dido zutage, hier bekennt er sich eindeutig zu ihr, doch ihn hindert die pietas. (Aen. 4,340ff)

Gegenüber seinem Vater hat er eine Gehorsams- und Verantwortungspflicht. Dies zeigt sich darin, dass er seinen gelähmten Vater aus dem brennenden Troja rettet (Aen. 2,207-209), obgleich ihn dieser behindern könnte, doch er [teilt alle Gefahren] mit dem Vater. Wieder steht das Wohl des Vaters über seinem, nimmt er zumindest ein Scheitern der Flucht in Kauf, denn zu diesem Zeitpunkt ist der Auftrag der Götter keineswegs offensichtlich. Der Zweck der Flucht enthüllt sich erst nach und nach und erst in der Unterwelt erfährt er die Tragweite seiner Fahrten.

Die letzte Bedeutung des Wortes ist die Verantwortung gegenüber seinem Sohn und seiner Frau. Den Sohn nimmt er als Flüchtender an die Hand und die Frau soll sich im Schutz seiner selbst, folglich hinter ihm halten. Als er diese im Tumult verliert setzt er sich erneut der Gefahr aus (Aen. 2,750ff), sogar [wieder dem Schicksal]. Seinem Sohn ist eine große Zukunft vorausgesagt und hierin besteht, neben der ihn aus der zerstörten Stadt zu retten, seine Verantwortung. An dieses Gefühl appelliert auch Merkur als Aeneas zu lange in Karthago verweilt.(Aen. 4,272-276)

Für den Römer spielen diese beiden Begriffe eine zentrale Rolle in ihrem Alltagsleben und tragen einen wichtigen Bestandteil zum Verständnis der Geschichte und der Lebensart bei. Das soziale System der res publica wie auch der familia gründen auf der Verantwortung gegenüber anderen.

Das fatum ist der wesentliche Bestanteil der Religion. Indem man den Göttern Opfer darbrachte, glaubte man den Lauf des Schicksals verändern zu können.

3. Fortwirken

Die Aeneis wurde bald nach dem Erscheinen zur wichtigsten Schullektüre, da sie sich hervorragend eignete die Grammatik zu verdeutlichen. Da es aber selbst für einen Römer nicht immer leicht war, die Zusammenhänge und die Symbolik zu erkennen, setzten schon sehr früh Interpretationsversuche ein, die den Erklärungsbedarf decken und stillen sollten. Mit der zunehmenden Christianisierung begann man das Epos in diesem Sinne umzudeuten, schrieb Vergil sogar prophetische und manchmal magische Fähigkeiten zu. Man sah in den Irrfahrten den Weg der Seele durch die Leiden des Lebens, in den verschiedenen Kriegen den Kampf, den Versuchungen zu wiederstehen und in dem Sieg letztendlich die Erfüllung im Jenseits, da sich auch der Heroe in hesperidischen Gefilden jenseits seiner eigenen Heimat befand. Später dann, in der Epoche der Renaissance, der Wiedergeburt der Antike, machte man Vergil zum Vorbild für die Reinheit des dichterischen Stils und verfasste fortan die Lyrik in lateinischer Sprache. Auch in dieser Epoche versuchte man alle Werke, in Ahnlehnung zwar, biblisch zu interpretieren. Dies zeigt sich an dem religiösen Epos "Paradise Lost" von John Milton (+1674), in dem es um die Vertreibung aus dem Paradies geht, hier ist der Teufel Schuld, so wie auch Juno ständig versucht die Trojaner aufzuhalten, doch er muss an Christi scheitern, so wie auch Juno an einer höheren Macht scheitert. Die Ehrfurcht vor dem Werk war nicht immer gegeben, und so kamen dann im 17. Jahrhundert die sogenannten Travestien auf, die versuchten die heroischen Attribute der antiken Helden auf alltägliche Ereignisse zu übertragen, was zu einer Übertreibung führte, welche die Komik schuf. In der Klassik erfuhr die antike Dichtkunst und damit auch die Aeneis eine Wiederbelebung, da man sich an dem Ideal jener Zeit zu orientieren versuchte; hierzu eignet sich Vergil mit seiner kurzen, knappen und stilsicheren Ausdrucksweise geradezu beispielhaft. Mit dem Einsetzen der Aufklärung begann man sich wieder von den alten Idealen zu distanzieren, sie galten als überholt und es wurde versucht den neuen Ideen, die sich auf allen Gebieten verbreiteten, Raum zu geben. Die Anschauungen von Götterverantwortung und Schicksal passten nicht zu dem Bild vom selbstverantwortlichen Menschen im Sinne Kants. Die großen Literaturkritiker jener Zeit bestritten die Vorbildfunktion der antiken Literatur, man warf Vergil sogar vor, er soll gegen grundlegende Erscheinungen des Epos verstoßen haben. All dies schadete dem Ansehen des Dichters nur wenig, aber als man sich im 18. Jahrhundert verstärkt mit Homer beschäftigte, ließ das Interesse an ihm immer mehr nach. Als man dann im darauffolgenden Jahrhundert mit einer intensiven Quellforschung begonnen hat, fand man immer weitere Entlehnungen des Vergil und sprach ihm seine eigenständige kompositorische Leistung immer mehr ab. Erst in unserem Jahrhundert, vor allem anlässlich seines 2000. Geburtstages 1930, befasste man sich wieder intensiv mit dem in Verruf geratenem Dichter und fand heraus, das er sehr wohl neue Techniken in Roms Literatur einbrachte und der Sprache einen entscheidenden Aufschwung gab. Auch ich war von diesem Werk sehr fasziniert, vor allem von der Dynamischen Ausdrucksweise Vergils, die es immer wieder sehr einfach macht sich mit den Ereignissen direkt auseinander zusetzen und diese gewissermaßen mitzuerleben. Und es hat mir einen Einblick in das römische Verständnis von Gesellschaft und Religion erlaubt.

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