Römische Philosophie und Europa

Im Mittelalter wurden römische philosophische Texte als lesenswert bewertet.

Seneca und Cicero wurden hoch geschätzt, vor allem Seneca, weil man ihn für einen geheimem Christen und Freund des Apostels Paulus hielt, außerdem wurde Seneca als der Moralphilosoph zitiert. Obwohl die christliche Philosophie hauptsächlich aus Aristoteles schöpfte, blieb Cicero auch für Anselm von Canterbury (11. - 12. Jh.) und Thomas von Aquin (13.Jh.) in sprachlicher und gedanklicher Hinsicht Autorität.

Knapp vor Beginn der Neuzeit wurden Senecas Tragödien im Gelehrtenkreis von Padua zum Muster für zeitgeschichtliche Dramen in lat. Sprache.

In der Zeit des Humanismus, als man wieder die griechischen Originale von Platon und Aristoteles las, wurden, zusammen mit diesen, Cicero und Seneca trotzdem weiterhin studiert. Die römischen Autoren blieben vor allem auf dem Gebiet der Ethik maßgeblich, auch in dieser Zeit galten Senecas Tragödien als vorbildlich. Seneca wirkte stark im französischen Kulturkreis der früheren Neuzeit. Der Philosoph Michel Montaigne (16.Jh.) sah in Seneca den größten römischen Autor und gestaltete die neue Literaturgattung des philosophischen Essays nach dessen Dialogi.

Während im deutschen Sprachraum in zunehmenden Maß die griechischen Philosophen gelesen wurden - obwohl noch Immanuel Kant wesentliche Anregungen von den stoischen Gedanken der römischen Autoren erhalten hatten, blieben Cicero und Seneca im romanischen Kulturkreis die Philosophen schlechthin.

Was die philosophische Literatur der Römer aber auch heute noch lesenswert macht, ist sie Zeitlosigkeit und Lebensnähe ihrer Themen, die in ähnlicher Weise für alle Generationen "brauchbar" sind wie etwa ein römisches Aquädukt: der Mensch in der Welt, sein Verhältnis zur Natur und zur Gottheit, seine Stellung in der Gesellschaft, und vor allem sie spürbare persönliche Betroffenheit der antiken Autoren, die sich mit diesen überzeitlichen Problemen der Menschheit auseinandersetzen.

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