Volkswirtschaftstheorien

Liberalismus und die Kritik von Marx .

Die volkswirtschaftlichen Phänomene sind gewachsen, im Zeitablauf entstanden.

Die Einstellungen der Arbeitnehmer und ihre Politik gegenüber den Unternehmern beispielsweise sind oft traditionsgebunden und ergaben sich aus Verhältnissen

der Vergangenheit, den geistigen Strömungen, den Lehrmeinungen der Vergangenheit.

Die Entstehung des wirtschaftlichen Liberalismus

Starke liberale, freiheitliche Strömungen sind in der Geschichte stets eine Antwort auf Unfreiheit. Dem Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts geht politisch der Absolutismus und wirtschaftlich der Merkantilismus (16. bis 18. Jh.) voraus. Ziel der damaligen Wirtschaftspolitik ist die Demonstration staatlicher Macht. Ein System der Reglementierung durchzieht die Wirtschaft und das soziale Leben. Staat und Herrscher sind identisch. (Ludwig XIV.:"L'etat c'est moi!") Merkwürdig ist dabei, dass dort, wo seitens der Obrigkeit gelenkt, geplant und die Freiheit eingeengt wird, man die Missstände nicht der Politik und der Planung zuschreibt, sondern die Auffassung entsteht, dass die Ursache der Missstände eher zuwenig Eingriff des Staates ist. Dazu Brewster: "Der Handel findet gewiss seine Wege, aber er kann den Untergang der Nation bedeuten, wenn er nicht reguliert wird." Die dabei immer größer Anforderungen an die Untertanen lassen den Ruf nach Freiheit und der Einhaltung der natürlichen Gesetze lauter werden.

Der wirtschaftliche Liberalismus

Er lehnt die staatliche Bevormundung ab; die Liberalen sind keine Anarchisten, sie verneinen nicht den Staat, aber der Staat wird in eine Schutzfunktion zurückgedrängt.

Der sog. "Nachtwächterstaat" von Lassalle. Der Staat lässt dabei die Wirtschaftssubjekte am Tage unbehelligt, doch in der Nacht gewährt er ihnen Schutz, damit sie ruhig schlafen können. Die Worte des Marquis d'Argenson: "Laissez faire, laissez passer, le monde va de lui-même", werden zum Leitbild des Wirtschaftsliberalismus, dessen großer Vertreter, der Nationalökonom Adam Smith (1723-1790) sogar meinte, dass die Wirtschaft ohne staatliche Führung nicht nur zu existieren vermag, sondern, dass der Gesamtheit aller einzelnen dadurch der höchste Nutzen entsteht. Die Lehre des Wirtschaftsliberalismus ist die Lehre vom Egoismus in der Wirtschaft.

Beispiel: Ein Unternehmer sucht auf dem Markt nach Versorgungslücken, um das in geringen Mengen zu produzieren, was nachgefragt wird. Durch das geringe Angebot sind die Preise für das Produkt, und damit seine Gewinne sehr hoch. Aber der egoistische Nutzen liegt nicht nur auf seiner Seite, denn die Konsumenten erfahren gleichzeitig eine Marktverbesserung. Mit der Zeit paßt sich das Angebot durch neue Anbieter der Nachfrage an, und die Preise sinken. Das kann sogar soweit führen, dass das Angebot über die Nachfrage steigt, und sich ein Unter-Kosten-Preis einstellt. Dadurch reduziert sich die Anzahl der Anbieter wieder, und langsam stellt sich ein Gleichgewicht ein. Die Produzenten erhalten angemessene Gewinne, und die Konsumenten zahlen einen angemessenen Preis. Die Wirtschaft steuert sich selbst, ohne äußere Lenkung.

Diese sog. "Klassische Nationalökonomie" zeichnet sich durch ihre Einfachheit aus. Im Mittelpunkt steht das stets rational handelnde Wirtschaftssubjekt, der Homo oeconomicus. Er tritt in drei Gestalten auf: 1. Dem Unternehmer, der nach Gewinnmaximierung strebt

2. Dem Arbeiter, der nach höchstem Lohn strebt

3. Dem Konsument, der nach höchstem Nutzen strebt

Diese Gegensätzlichkeit lässt einen Ausgleich entstehen.

Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Kapitalkräftige Unternehmer setzen bei der Produktion Maschinen ein und können damit kostengünstiger produzieren. Es entwickeln sich am Markt Monopolstellungen, die dann den Konsumenten einen Preis diktieren können.

Gleichzeitig mit der Mechanisierung geht die Freisetzung der Arbeitskräfte einher. Die Folge sind Massenarbeitslosigkeit und entrechtete Arbeitermassen, die trotz 80h - Wochen, nicht genug Geld haben, die Familie zu ernähren. So werden die Maschinen, die Arbeitswillige freisetzten, und der Arbeitgeber, der die Arbeiter ausnützt, zu den Feinden der Arbeitermassen.

Kritik des Liberalismus

Die Kritik kam von zwei Seiten. Von Vertretern der Wissenschaft aus dem bürgerlichen Lager und den Sozialisten, die eine Veränderung ihrer Arbeitsbedingungen fordern und nach praktischer Hilfe durch den Staat für die ausgebeuteten Arbeiter suchen. Ich möchte hier jetzt nur auf die letzteren eingehen.

Der Sozialismus hat vielerlei Prägungen, auch hier möchte ich mich wieder auf eine beschränken, den wissenschaftlichen Sozialismus. Der geistige Vater ist Karl Marx (1818 - 1883). Marx entwickelte die Methode des "historischen Materialismus", die davon ausgeht, dass die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen, materiellen Verhältnisse, in denen die Menschen leben, ihr Bewußtsein, ihr Denken bestimmen. Die materielle Situation nennt Marx den "materiellen Unterbau", über den sich der "geistige Oberbau" erhebt. Das Versagen des Harmoniegedankens des Liberalismus, das verelendete Proletariat und die nie dagewesene Not, entstanden durch den Frühkapitalismus, bilde jenen "Unterbau", über den sich als Notwendigkeit der "geistige Oberbau", Marx Idee des Sozialismus erhebt.

Marx entwickelt seine Theorie entlang von 5 Akten:

Akt: Der Urkommunismus, eine Zeit völliger gesellschaftlicher Harmonie.

2. Akt: Die Einführung des Privateigentums, d.h., die Akkumulation und Häufung des

Eigentums. Er geht dabei davon aus, dass es vor langer Zeit zwei Sorten von

Menschen gab, eine fleißige, intelligente Elite und faulenzende, alles verjubelnde Lumpen. Die ersteren eigneten sich die Reichtümer an, teils durch Eroberung, teils durch Raubmord, so dass die letzteren im Endeffekt nicht mehr zu verkaufen hatten, als ihre eigene Haut.

3. Akt: Der Kapitalismus, der Höhepunkt der Verderbnis. Der Kapitalismus wird geprägt durch den Markt, auf dem Güter bewertet werden, und die Produktion, in der Maschinen eingesetzt und von Arbeitern bedient werden. Je nach Bedarf lässt der Arbeitgeber die Anzahl der Angestellten, durch Einstellungen bzw. Entlassungen, größer oder kleiner werden. Marx geht davon aus, dass permanent eine gewisse Anzahl von Arbeitswilligen freigesetzt, d.h., nicht in den Arbeitsprozeß eingegliedert ist. Er spricht hier von einer "industriellen Reservearmee". Aus dieser drohenden Arbeitslosigkeit folgt eine Rechtlosigkeit der Arbeiter. D.h., der Unternehmer bestimmt den Lohn willkürlich, aber nie über dem Existenzminimum, da sich dann gleich jene Arbeitslosen anbieten würden, die zum Existenzminimum eingestellt werden möchten. Es liegt aber nicht alleine am Unternehmer, sondern viel mehr am kapitalistischen System überhaupt. Denn um konkurrenzfähig zu bleiben, muss der Unternehmer so billig wie möglich produzieren, d.h., den Arbeitern den Minimallohn bezahlen. Würde er das nicht tun, ging er bankrott und müsste alle Arbeiter entlassen, womit auch niemandem geholfen wäre. Außerdem sieht Marx in dem System einen Keim der Selbstzerstörung, der durch den "tendenziellen Fall der Profitrate" zum Ausdruck kommt. Was Marx damit meint, wird durch eine kleine Rechnung leicht deutlich:

Die Arbeitszeit eines Angestellten, die wertmäßig dem Existenzminimum entspricht beträgt beispielsweise 5h. Marx bezeichnet das Einkommen der Arbeiter eines Unternehmens als variables Kapital, da der Unternehmer durch Einstellungen, bzw. Entlassungen seine Ausgaben variieren kann und kürzt es mit (v) ab. Den Grad der Mechanisierung bezeichnet er als konstantes Kapital und kürzt ihn mit (c) ab. Arbeitet der Arbeiter nun aber 8h statt 5h, so entsteht ein Mehrwert (m) von 3h zugunsten des Unternehmers. Die Rechnung sieht nun folgendermaßen aus:

m / v = 3/5 = 60%

Nun ist aber an der Produktion nicht nur die Arbeitskraft, sondern auch Maschinen (c) beteiligt. Nimmt man (c) = 1 an, dann ändert sich die Rechnung wie folgt:

m / v + c = 3 / 5 +1 = 50%

Wächst nun der Mechanisierungsgrad auf (c) = 2, dann folgt:

m / v + c = 3 / 5 + 2 = 43%

Also wird die Profitrate mit steigender Mechanisierung immer kleiner. Um aber die Höhe der Gewinne bei fallender Profitrate ausgleichen zu können, muss der Unternehmer mehr verkaufen. Das Ziel ist also die Vergrößerung. Mehr Arbeiter und mehr Maschinen bringen mehr Profit. Dabei ist klar, dass an diesem Prozeß natürlich nur die kapitalkräftigen und sowieso schon großen Unternehmen teilhaben können. Diese vergrößern sich ständig und verdrängen die kleineren, den Mittelstand, bis letztendlich nur noch ein paar große übrig sind. Monopolbildung ist die folge. Der Mittelstand verarmt und wird in die Masse des besitzlosen Proletariats aufgenommen. Der allgemeine Lebensstandard sinkt.

Nachdem die Verelendung immer stärker wurde, vollzieht sich der erlösende Um - schlag, die Revolution. Die Proletarier enteignen die wenigen übrigen Kapitalisten, wenn nötig, mit Gewalt, und führen deren Eigentum und Kapital in Volkseigentum über. Das neue "kommunistische Paradies" mit völliger Gleichheit der Menschen. Die Menschen brauchen nichteinmal eine Religion, da sie das Paradies auf Erden haben. Es existiert nur noch eine völlig strukturlose, ausschließlich durch Verständnis und Liebe regierte Gemeinschaft. Marx meint sogar, dass eine Rechtsordnung überflüssig sei, da Verbrechen aufgrund von Neid und Ungerechtigkeit entstehen, was es in diesem Paradies nicht mehr gibt, da alle all das haben, was sie brauchen. Der Staat würde funktionslos absterben.

Kritik zu Marx' Theorie aus Sicht des 20. Jh.

Stellt man in Zweifel, dass eine ständige Unterbeschäftigung herrscht, so entzieht man der ganzen Argumentation von Marx das Fundament. Es wäre z B. denkbar, dass, außerhalb des Liberalismus, der Staat ein gesetzliches Mindesteinkommen festlegt. Schon alleine damit würden die restlichen von Marx genannten Folgen nicht eintreten. Es würde nicht zu dem Ausmaß an Widersprüchen kommen, so dass es letztendlich zu einer Revolution führen würde. Außerdem stellt sich die Frage, ob das Wesen des Mensch, wie Marx meinte, tatsächlich einer strukturlosen, von Liebe regierten Gemeinschaft entspricht. Die Geschichte zeigt, dass eine Monopolisierung in dem Maße, wie von Marx angekündigt ebenfalls nicht stattgefunden hat. Das Kapital hat sich in Form von Aktiengesellschaften sogar noch mehr verteilt. Es ist also eher eine Kapitalstreuung eingetreten. Das Absterben des Mittelstandes hat sich auch in viel geringerem Ausmaß ausgewirkt, als Marx angenommen hat. Durch Genossenschaftsbildung erstarkte der Kleinhandel seit 1900 sogar. Außerdem ist zusätzlich ein "neuer Mittelstand" entstanden, das Angestellten- und Beamtentum. Relativ früh wurde auch das Elend des Proletariats durch Sozialgesetzgebung gelindert.

Man sieht, dass Marx in seinen Überlegungen eindeutig die wirtschaftlichen Veränderungen bzw., die Möglichkeiten, die sich durch staatlich aktive Wirtschaftspolitik ergeben, nicht bedacht hat. Trotzdem sollte man seinen Verdienst, nämlich die Unterstützung der Arbeiterklasse durch die Wirtschaftspolitik schätzen.

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