Arbeitslosigkeit

1. Einleitung:

des Wirtschaftswunders in den 50er und 60er Jahren kaum beachtet und heute eines der meist diskutierten Probleme Deutschlands ist die
ARBEITSLOSIGKEIT zu einem der wichtigsten Anliegen der Deutschen geworden. In einer Umfrage des ZDF-Politbarometers nannten im Januar 1996
mehr als 80% der Befragten dies als Ihre größte Sorge.
Zugleich ist Arbeitslosigkeit aber auch die primäre Ursache für viele andere Probleme, die uns heutzutage in Deutschland begegnen. Sinkende
Steuereinnahmen, sinkende Einnahmen der Sozialversicherungen und gleichzeitig höhere Ausgaben für die Arbeitslosen.
Die Facharbeit soll einen Überblick über das Thema Arbeitslosigkeit geben und dabei sowohl theoretische Aspekte, wie z.B. Arten der Arbeitslosigkeit
aufzählen, als auch auf die tatsächliche Entwicklung des Marktes eingehen und speziell auf den Zeitraum von Januar bis Juni 1996. Des weiteren sollen
Lösungsansätze aufgezeigt werden, die zur Beseitigung der momentan sehr hohen Erwerbslosigkeit führen können.

2. 2.1. Allgemeines:

Die Ursachen für Arbeitslosigkeit sind sehr vielfältig begründet, so dass man auch verschiedene Arten differenzieren muss. Im folgenden soll ein Überblick
gegeben werden. Da es weder eine einheitliche Definition, noch eine eindeutige Gliederung gibt, findet man in der einschlägigen Literatur unterschiedliche
Ansätze.

2.2. Subjektive Arbeitslosigkeit:

Darunter versteht man zum einen die persönlich verschuldete Tatsache keine Anstellung zu haben. Gründe hierfür liegen allein beim Arbeitnehmer, z. B.
Verstoß gegen Firmenregelungen, Unehrlichkeit oder starke Unzuverlässigkeit.
Aber auch persönlich unverschuldete Begebenheiten können zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Einen solchen Anlass kann z. B. eine Erkrankung sein, die
zur Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit führt.
Da in beiden Fällen einzelne Individuen verantwortlich sind, spricht man auch von unechter Arbeitslosigkeit.

2.3. Objektive Arbeitslosigkeit:

Im Gegensatz zur Subjektiven bezeichnet man die objektive Arbeitslosigkeit auch als echte Arbeitslosigkeit, denn sie schließt Faktoren ein, die nicht im
Ermessen des einzelnen Arbeitnehmers liegen. Man unterscheidet daher:

Saisonale Arbeitslosigkeit ist durch die jahreszeitlichen Umstände begründet, die aller zwölf Monate wiederkehren. In einigen Wirtschaftszweigen kommt es
zu bestimmten Zeiten zu Einschränkungen. Im Winter herrscht beispielsweise in der Bauindustrie Flaute, da physikalische Eigenschaften von Baustoffen
bestimmte Arbeiten bei Minus-Temperaturen verhindern. Zwar kann es auch im Sommer z. B. bei Skilehrern oder Skiliftbetreibern zu saisonaler
Arbeitslosigkeit kommen, doch überwiegt die im Winter bei weitem.

Friktionelle- oder Fluktuationsarbeitslosigkeit tritt auf, wenn ein Arbeitnehmer zur Zeit der Erhebung der amtlichen Statistik gerade seinen Arbeitsplatz
wechselt. Auch nach Abschluß einer Ausbildung oder Umschulung kann friktionelle Arbeitslosigkeit auftreten, bis ein Arbeitsplatz gefunden ist. Sie dauert
daher normalerweise nur wenige Wochen an.

Konjunkturelle Arbeitslosigkeit tritt auf, wenn durch eine kurzfristig abgeschwächte Konjunktur, also durch einen Nachfragerückgang, Arbeitskräfte
entlassen werden. Ein besonderes Merkmal ist dabei, dass alle Wirtschaftszweige betroffen sind, was Massenarbeitslosigkeit zur Folge haben kann. Ein
extremes Exempel dafür ist die Weltwirtschaftskrise von 1932, bei der die Arbeitslosigkeit auf über 30% angestiegen war.

Strukturelle Arbeitslosigkeit liegt im Unterschied zur saisonal oder konjunkturell bedingter Arbeitslosigkeit bei Veränderungen langfristiger Art zugrunde. Im
Laufe der Jahre verlieren einige Wirtschaftsbereiche an Bedeutung oder verschwinden fast ganz, während jedoch auch Neue entstehen. Auch können
Regionen an Attraktivität verlieren. Da jedoch bei dieser Art von Arbeitslosigkeit nur einzelne Wirtschaftsbereiche oder Regionen betroffen sind, besteht die
Gefahr von Massenarbeitslosigkeit nicht so stark. Die Ursachen sind sehr verschiedenartig. Die Nachfrageverlagerung von Kohle zu Erdöl und Gas, sowie die
niedrigen Weltmarktpreise für Importkohle haben zum Beispiel die Kohlekrise ausgelöst und zu hoher Erwerbslosigkeit in den entsprechenden Gebieten
geführt. Aber auch der technische Fortschritt, Billigimporte und politische Ereignisse tragen zur strukturellen Arbeitslosigkeit in Deutschland bei.

Technologische Arbeitslosigkeit ist eng mit struktureller Arbeitslosigkeit gekoppelt. Sie entsteht, wenn durch den technischen Fortschritt Arbeitskräfte
entlassen werden. Dies kann sowohl durch Automation, als auch durch neuartige Produktionsverfahren zustande kommen. Ein Beispiel wäre die Einführung
des mechanischen Webstuhls, die zu großen sozialen Konflikten in der Geschichte geführt hat. Der Vorteil Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzten liegt auf
der Hand. Sie sind belastbarer und genauer in durchzuführenden mechanischen Arbeitsprozessen. Hinzu kommt, dass große Teile der Bevölkerung in
Deutschland skeptisch bis ablehnend gegenüber neuen Technologien, vor allem Gen- und Kerntechnik, eingestellt sind. Dies führt zu einer Verlagerung von
Arbeitsplätzen ins Ausland und lässt somit technologische Arbeitslosigkeit in Deutschland entstehen.

Versteckte bzw. Verdeckte Arbeitslosigkeit beruht auf der Tatsache, dass Bürger, die zwar arbeitswillig sind, sich aber, z. B. wegen momentan ungünstig
eingeschätzter Vermittlungschancen, gar nicht erst als arbeitssuchend bei den Arbeitsämtern registrieren lassen. Diese "stille Reserve" wird in der
Arbeitslosenstatistik nicht erfaßt. Als verdeckt Arbeitslos gelten aber auch Menschen, die sich in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Umschulungen der
Bundesanstalt für Arbeit befinden.

2.4. Beschäftigungsgrade:

In der Volkswirtschaftslehre unterscheidet man grundsätzlich drei Beschäftigungsgrade. Je nach Land schwankt jedoch die Bemessungsgrenze für die
Einteilung.

Vollbeschäftigung: Dieser Beschäftigungsgrad ist in der deutschen Volkwirtschaft als einer der vier Ziele des Stabilitätsgesetzes von 1967 festgesetzt. Im
Idealfall liegt Vollbeschäftigung dann vor, wenn alle Arbeitswilligen und Arbeitsfähigen einen Arbeitsplatz haben, also wenn es keine Arbeitslosen gibt. In der
Realität ist dies kaum möglich, da es z. B. einen bestimmen Prozentsatz gibt, der zum Zeitpunkt der Erhebung der Statistik gerade einen Berufswechsel
vollzieht (friktionelle Arbeitslosigkeit). Auch gibt es etliche Personen, die arbeitslos registriert sind um Anspruch auf entsprechende Sozialleistungen zu haben,
jedoch konsequent nicht arbeiten wollen. Daher spricht man in unserer Volkwirtschaft bei einer Arbeitslosenquote bis maximal 2,0% noch von
Vollbeschäftigung.

Überbeschäftigung: Bei einem Fallen der Arbeitslosenquote unter 0,7% liegt nicht Vollbeschäftigung, sondern eine sogenannte Überbeschäftigung vor, d. h.
das volkswirtschaftliche Arbeitskräftepotential ist nahezu ausgeschöpft.

Arbeitslosigkeit: Steigt die Arbeitslosenquote über 2,0%, so ist Arbeitslosigkeit vorhanden, d. h. es gibt ein Überangebot an Arbeitskräften. Das
Arbeitskräftepotential wird also nicht optimal ausgenutzt.

3. 3.1. Begriffe und Ermittlung der Zahlen:

Erwerbspersonen sind alle Menschen, abzüglich der Nichterwerbspersonen (Kinder, Schüler, Rentner, nicht berufstätige Hausfrauen usw.). D. h. alle
Personen die aktiv im Berufsleben stehen oder vorübergehend arbeitslos, aber dennoch arbeitsfähig und arbeitswillig sind.
Der Quotient von Erwerbspersonen und Wohnbevölkerung gibt an, wieviel Prozent der Gesamtbevölkerung Arbeitsleistung erbringen kann.

Es ist Wichtig zu unterscheiden zwischen der Arbeitslosenquote bezogen auf abhängige Erwerbspersonen und bezogen auf alle Erwerbspersonen. In
Zeitungen und Büchern finden sich Quoten, die entweder nach der einen oder anderen Formel ausgerechnet worden sind:

Ab 1973 ist wiederum ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit zu beobachten und 1975 klettert die Zahl auf über eine Millionen Erwerbslose. Nach leichter
Erholung in den folgenden Jahren erhöhte sich die Zahl 1983 auf über 2 Millionen. Entsprechend den Verläufen der Konjunkturzyklen sank die Quote in den
Folgejahren zwar, jedoch nicht wieder auf das Niveau der 70er Jahre. Die Wiedervereinigung Deutschlands leitete nach einiger Zeitverzögerung eine Phase
extrem hoher Arbeitslosigkeit, vor allem im Osten ein, die bis heute anhält.

4. Die folgenden Grafiken [2] geben einen Überblick über die Entwicklung am Arbeitsmarkt in den Monaten Januar bis Juni '96. Nachfolgend wird ausführlich
zur Grafik und zum Fortgang am Arbeitsmarkt Stellung genommen:

4.1. Januar 1996:

Nachdem Anfang Februar die neuesten Zahlen der Arbeitslosenstatistik für den Vormonat veröffentlicht worden sind, geisterten beunruhigende Überschriften
durch die Presse. "Über vier Millionen ohne Arbeit" hieß es da beispielsweise im Handelsblatt.
Dies ist gleichzeitig ein neuer negativer Nachkriegsrekord in Deutschland. Der absolute Wert lag bei 4,159 Millionen Arbeitslosen, entsprechend 10,8%,
gemessen an der Zahl aller zivilen Erwerbspersonen. Die Zahl der Kurzarbeiter hat im Januar sehr stark zugenommen und war mit 293900 deutlich über dem
Niveau des Vorjahres. Die Arbeitslosigkeit Älterer hat sich ebenso erhöht. Über 0,8 Millionen Arbeitslose, 112000 mehr als vor einem Jahr, sind über
55Jahre alt. Das entspricht einem Anteil von 20%. Leider sind diese ohnehin schon erschütternden Zahlen nur die "halbe Wahrheit". Mehr als eine Million
weitere Menschen wurden nur, dank unseres Sozialstaates, durch Arbeitsförderungsmaßnahmen, wie z. B. Umschulungen und ABM-Stellen vor der
Arbeitslosigkeit bewahrt.
Der enorme Anstieg lässt sich zum großen Teil durch die Kältewelle begründen, die verstärkt zur saisonalen Arbeitslosigkeit, vor allem auf dem Baugewerbe,
geführt hat.
Angesichts der negativen Entwicklung appellierte der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, das Bündnis für Arbeit zum Erfolg zu
verhelfen. Dabei handelt es sich um ein von der Bundesregierung vorgeschlagenes Programm, dass Investitionen fördern und die Beschäftigung erhöhen soll.

4.2. Februar 1996:

Auch im Februar hat sich der Arbeitsmarkt in Deutschland weiter dramatisch verschlechtert. Nachdem schon im Januar die Zahl der erwerbslosen Personen
auf ein neues Nachkriegsniveau kletterte, stieg sie im Februar um 0,3% auf nunmehr 11,1%. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Anstieg um über einen
Prozentpunkt. Erheblich zu der Entwicklung trug die Baubranche bei. Die Beschäftigung in diesem Sektor lag im Winter 95/96 im Westen knapp 4% niedriger
als noch ein Jahr zuvor. Aber auch die derzeit gedämpfte allgemeine Konjunkturlage in Deutschland ist mitverantwortlich.
Zwar erhöhte sich die Zahl der offenen Stellen im Februar leicht, doch ging die Zahl der Vermittlungen durch das Arbeitsamt binnen Jahresfrist um 6% zurück.
Dramatisch stieg im gleichen Zeitraum die Zahl der Kurzarbeiter um 64% auf mehr als 0.4 Millionen an. 1,5 Millionen Menschen wurden nur durch
arbeitsmarktpolitische Maßnahmen des Staates vor der Beschäftigungslosigkeit bewahrt.
Politiker, führende Gewerkschafter und Arbeitgeber machten sich erneut gegenseitige Schuldzuweisungen über die Ursachen der Arbeitsmarktzahlen und
Auswege. So wurde beispielsweise kritisiert, dass über eine Millionen Nicht-EU-Bürger eine Arbeitserlaubnis in Deutschland erhielten. Die
Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Schmalz-Jacobsen, wies dies jedoch mit der Begründung zurück, dass eine Arbeitserlaubnis nur ausgestellt werde,
wenn kein deutscher Arbeitnehmer für den jeweiligen Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Im Hinblick auf die auch schon 1995 angespannte Lage auf dem
Arbeitsmarkt, ist dies jedoch nur schwer nachzuvollziehen.
Arbeitgeber wiesen den Gewerkschaften die Schuld zu, da deren Forderungen nach 5-6% mehr Lohn ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze geschehe.
Gewerkschafter verteidigten ihre Politik und forderten die Regierung auf, geplante staatliche Investitionen nicht zu streichen.
Die äußerst negativen Zahlen vom Arbeitsmarkt sollten allerdings viel mehr zum Anlass genommen werden, auf "gegenseitige Schuldzuweisungen zu verzichten
und endlich Nägel mit Köpfen zu machen" [3].

4.3. März 1996:

Erwartungsgemäß setzte im März die Frühjahrsbelebung ein. Diese war aber wegen der kalten Witterung nur schwach ausgeprägt. Der Rückgang sei
ausschließlich auf jahreszeitliche Gründe zurückzuführen. Jagoda sprach allgemein von einer enttäuschenden Entwicklung. Die Zahl der Arbeitslosen reduzierte
sich um knapp 130000 auf 4,14 Millionen. Dies entspricht einer Quote von 10,8 bezogen auf alle Erwerbspersonen. Im Vergleich zum Vorjahr, liegt diese
Zahl über 1% oder 0,47 Millionen höher. Die Kurzarbeit wurde nur noch geringfügig ausgeweitet und liegt bei 420000.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) appellierte erneut an Politiker und Arbeitgeber endlich zu Handeln. Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft
wertete die immer noch dramatische Arbeitslosenzahl als Ausdruck einer gravierenden Konjunkturschwäche und forderte daher eine Senkung der Leitzinsen,
um die Wirtschaft anzukurbeln.
Weiterhin schlecht sieht es auf dem Ausbildungsstellenmarkt aus. Von Oktober 1995 bis März 1996 lag die Zahl der Ausbildungsplätze im Westen mit
413100 um 8% niedriger als im Vorjahreszeitraum. Andererseits ist die Zahl der Bewerber um 7% gestiegen. Eine ähnliche Entwicklung wurde auch im Osten
verzeichnet. Jagoda appellierte erneut an die Wirtschaft ihre Zusage, 1997 10% mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen, zu realisieren.

4.4. April 1996:

Erstmals in diesem Jahr ist die Zahl der Erwerbslosen wieder unter die vier Millionen Marke gefallen. Der Rückgang auf 3,97 Millionen entspricht einer Quote
von 10,4%, im Vorjahr lag sie in diesem Zeitraum jedoch mit 9,4% deutlich niedriger. Die Kurzarbeiterzahl verminderte sich im April auf 390400, nachdem
sie in den letzten Monaten stetig bis auf über 0,42 Millionen gestiegen war. Diese Rückgänge sind allerdings nur saisonal begründet, da z. B. in
Angestellten-Berufen, die weniger von den saisonalen Schwankungen beeinflußt werden, ein weiterer Anstieg zu verzeichnen war.
Der sehr kalte Winter und konjunkturelle Einflüsse waren auch im April noch für sehr hohe Zugänge in die Arbeitslosigkeit verantwortlich (521900, +18% zum
Vorjahr). Außergewöhnlich hoch waren überdies die Abgänge aus Arbeitslosigkeit mit fast 0,7 Millionen und die Stellenmeldungen und -vermittlungen. Diese
Zahlen lassen sich allerdings nicht als konjunkturelle Impulse interpretieren, sondern sie spiegeln die nachgeholte Frühjahrsbelebung wider. [4]
Der DGB wies auf die Tatsache hin, dass trotz guter Ertragslage der Unternehmen keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen würden, obwohl die
Unternehmen dies behaupteten. Es besteht weiterhin akuter Handlungsbedarf, um die Arbeitslosigkeit zu senken.

4.5. Mai 1996:

Im Mai ging die Arbeitslosenzahl saisonbedingt weiter leicht zurück und liegt nun bei 3,18 Millionen. Dies entspricht einer Quote von genau 10% (-0,4% im
Vergleich zum Vormonat). Dämpfend hat sich die schlechte Auftragslage am Bau ausgewirkt und andere Bereiche in Mitleidenschaft gezogen. Zwar ging auch
die Kurzarbeit zurück, diese lag jedoch noch sichtlich über dem Vorjahresniveau.
Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit ist aber keineswegs bei allen Personengruppen gleich. Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich bei Arbeitern im Verlauf der
letzten 12 Monate mit +10% im Westen eindeutig stärker als bei Angestellten mit +7%. Der Grund hierfür liegt nach Meinung Jagodas in der "schwachen
Tendenz im Produzierenden Gewerbe". Bei den Frauen ist dagegen ein geringerer Anstieg als bei Männern zu verzeichnen gewesen. Der Grund hierfür liegt in
der Teilzeitarbeit, die immer noch eine Domäne der Frauen ist. In den neuen Bundesländern lässt sich insgesamt ein ähnlicher Trend beobachten.
Weiterhin wies Jagoda in dem Bericht für Mai auf die Kosten der Arbeitslosigkeit hin. Die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit sind von Januar bis Mai
1996 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 6% angestiegen. Daher ist es fraglich, ob der Bundeszuschuß von 4,3 Mrd. DM reichen wird.
Kritik und Besorgnis kamen vor allem aus Kreisen der Gewerkschaften, die befürchteten, dass die Arbeitslosenzahl im Durchschnitt dieses Jahres bei fast 4
Millionen konsolidieren würde. Sie griffen vor allem das Sparpaket der Bundesregierung an. Bonner Politiker der CDU/CSU Fraktion verteidigten ihr
Sparpaket und warfen den Gewerkschaften, durch ihre Tarifpolitik, Mitverantwortung für die Arbeitslosigkeit vor.

4.6. Juni 1996:

"Kaum Bewegung am Arbeitsmarkt" [5] titelte das Handelsblatt über die jüngste Entwicklung im Juni. Die Zahl der Arbeitslosen ging um nur 0,1% auf 9,9%
zurück. Das entspricht einer absoluten Zahl von 3,784 Millionen registrierten Arbeitslosen für ganz Deutschland. Obwohl die Zahl der Kurzarbeiter gesunken
ist und eine kräftige Zunahme bei den Stellenangeboten zu verzeichnen war, kann dies keineswegs als eine konjunkturelle Belebung gedeutet werden, da die
Meldungen überwiegend aus der Baubranche und Landwirtschaft kamen. Vielmehr ist die Besserung auf saisonale Gründe zurückzuführen. Insgesamt ist die
Entwicklung gleichwohl negativ, da zum Beispiel die Erwerbslosigkeit unter Angestellten merklich zunahm. Desweiteren befanden sich auch im Juni weit über
eine Millionen Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Mit einer Verbesserung der Lage sei zumindest in diesem Sommer nicht mehr zu rechnen, so
Jagoda in seiner Stellungnahme. Handlungsbedarf bestehe auch bei den Lehrstellen. Berechnungen des DGB ergaben, dass jeder fünfte 1996 keinen
Ausbildungsplatz bekommen werde.
Wie schon im letzten Monat wurde das Bonner Sparpaket energisch abgelehnt, da Gewerkschaften dadurch eine weitere Verschlechterung sehen.
CDU-Generalsekretär Hinze hingegen sprach sich, gerade im Angesicht der hohen Arbeitslosigkeit, für eine konsequente Umsetzung des von seiner Partei
beschlossenen Maßnahmenkatalogs aus.

4.7. Zusammenfassung:

Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt im 1. Halbjahr 1996, trotz leichter Frühjahrsbelebung, dramatisch verschlechtert hat.
Die Quote verharrte fast konstant 1% höher als 1995 (vgl. Grafik 4). Die Arbeitslosenzahlen für Ostdeutschland näherten sich nur sehr geringfügig an die im
Westen an. Wie in Grafik 2 dargestellt, fiel der Anstieg im Februar sogar höher aus als im Westen. Ebenfalls markant ist der Verlauf der Kurzarbeiterzahlen
(vgl. Grafik 5). Während 1995 kaum saisonbedingte Anstiege zu verzeichnen waren, kletterte die Zahl vor allem im Februar 1996 stark an. Ein Grund für
diesen starken Anstieg ist die Neuregelung von witterungsbedingten Einkommensausfällen, die seit Januar 1996 nicht mehr von den Arbeitsämtern getragen
werden müssen. Als Folge sind Baufirmen auf Kurzarbeit ausgewichen oder haben verstärkt entlassen, was sich im Januar und Februar sehr stark ausgewirkt
hat (vgl. Grafik 3 und 5). Über eine Million weitere Menschen befanden sich in diesem Zeitraum in Maßnahmen der Arbeitsämter und entfielen somit der
Statistik.
Hauptursache lag also im kalten Winter 1995/96, und somit in saisonalen Gründen. Auch suchten immer mehr Frauen Beschäftigung, was zu einer zusätzlichen
Anspannung auf dem Arbeitsmarkt führte. Demographische Entwicklungen in Deutschland sind nur untergeordnet als Ursache zu sehen. Die Zuwanderung
wird durch niedrige Geburtenraten in Deutschland und Abwanderung fast ausgeglichen, so dass die Bevölkerung insgesamt nur leicht zunimmt.

5. 5.1. ...auf den Einzelnen:

So hoch die wirtschaftlichen Kosten der Arbeitslosigkeit auch sein mögen, so vermittelt doch der DM-Wert allein kein Eindruck der anhaltenden
Arbeitslosigkeit.

Der Verlust des Arbeitsplatzes ist zunächst mit einem Schock verbunden; dann folgt eine aktive Phase der Stellensuche, während der der Einzelne noch
optimistisch ist und sich mit seinem Los noch nicht abgefunden hat. Im zweiten Stadium, wenn alle Bemühungen und Versuche fehlgeschlagen sind, wird der
Betroffenen zunehmend pessimistisch und leidet unter Ängsten. Dies kann bis hin zu Depressionen führen. In der dritten und letzten Phase schließlich wird er
fatalistisch und findet sich mit seiner Lage ab. [6]
Darunter zu Leiden hat hauptsächlich die Familie des Arbeitslosen. Besonders betroffen sind auch ältere Leute, für die die Aussichten eine neue Anstellung zu
bekommen erheblich schlechter sind. Jüngste Untersuchungen aus den USA zeigen, dass Arbeitslosigkeit sowohl physisch als auch psychisch zu einer
Beeinträchtigung der Gesundheit führt. Vermehrte Herzkrankheiten, Alkoholismus und sogar Selbstmord sind nur einige Beispiele. [7] Die finanziellen
Einbußen verstärken die Probleme noch zusätzlich. Zwar bezieht ein Arbeitsloser unter bestimmten Voraussetzungen ein Arbeitslosengeld, dies ist allerdings
nur ein festgelegter Prozentsatz von seinem vorherigen Einkommen.

5.2. ...auf die Betriebswirtschaft:
Durch die hohe Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung sinkt naturgemäß die Kaufkraft stark ab. Sicherlich muss der Arbeitslose weiterhin seine Grundbedürfnisse
erfüllen, doch wird er deutlich weniger Luxusgüter nachfragen. Dies gilt ebenso für viele Arbeitnehmer, die vielleicht von Arbeitslosigkeit bedroht sind, und
daher lieber Sparen als irgendwelche Güter zu konsumieren. Betriebswirtschaftlich führt dies zu einem deutlichen Umsatzrückgang verschiedener
Wirtschaftsbereiche. Ein Beispiel ist der Einzelhandel, der bereits 1994 und 1995 einen Umsatzrückgang von jeweils 1% und 1996 sogar von 2% zu
verkraften hatte. Lebensmittelgeschäfte, die hauptsächlich die Grundbedürfnisse befriedigen, konnten ein Plus von 0,3% verzeichnen, der aber sicherlich auf
die leichte Bevölkerungszunahme in Deutschland zurückzuführen ist. Um mit dem stagnierenden oder gar rückläufigen Umsätzen dennoch einen Gewinn zu
erwirtschaften, versuchen viele Unternehmen ihre Kosten zu senken. Daher tätigen Unternehmer verstärkt Rationalisierungsinvestitionen, entlassen
Arbeitskräfte und Intensivieren die Arbeit mit der verbliebenen Belegschaft. Mehr Arbeitslose bedeuten ein weiteres Absinken der Kaufkraft und somit
schließt sich ein Teufelskreis.

5.3. ...auf die Volkswirtschaft:
Volkswirtschaftlich führt die hohe Arbeitslosigkeit auch beim Staat zu niedrigeren Einnahmen. Weniger Lohnempfänger bedeuten primär weniger Steuerzahler
und somit geringere Einnahmen. Darunter zu leiden hat auch die Sozialversicherung, die immer wieder durch diverse Defizite in den einzelnen Bereichen
Schlagzeilen macht. Trotz der geringeren Staatseinnahmen bleiben die bisherigen Aufgaben und Ausgaben bestehen und erhöhen sich sogar noch. So musste
der Staat 1996 zum Beispiel über 4,3 Mrd. DM Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit zahlen, damit diese ihren Verpflichtungen nachkommen konnte. Das
Resultat ist zum einen eine höhere Kreditaufnahme des Staates bzw. ein Leistungsabbau des Staates, der allerdings nur schwer zu verwirklichen ist. Daher sind
Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge, vor allem bei der Kranken- und Rentenversicherung geplant. Diese Maßnahme führt jedoch zu steigenden
Lohnnebenkosten, die zur Zeit im internationalen Vergleich in Deutschland ohnehin schon an der Spitze liegen. Diese zusätzlichen Belastungen geben allerdings
einen erneuten Anreiz zu gunsten des Personalabbaus in Deutschland und somit schließt sich auch in diesem Bereich ein Teufelskreis.

6. Anhand der dramatischen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, der wie der Name schon sagt, eigentlich nur von Angebot und Nachfrage beherrscht wird,
sollte jedem klar sein, dass es Maßnahmen von Seiten des Staates bedarf. Leider lässt sich nicht ohne weiteres ein Wundermittel finden, mit dem man die
Probleme beseitigen kann. Im internationalen Vergleich, z.B. mit den Vereinigten Staaten von Amerika lässt sich veranschaulichen, dass mit bestimmten
staatlichen Mitteln die Arbeitslosigkeit reduziert werden kann. In den USA ist seit einigen Jahren ein stetiger Rückgang bis auf aktuell unter 6% zu verzeichnen.
Im folgenden soll versucht werden Maßnahmen für Deutschland aufzuführen, deren Auswirkungen zu analysieren und auszuwerten.

6.1. Allgemeine Maßnahmen:
Lohn- und Lohnnebenkosten: Mit über 43DM je Arbeitsstunde in der Industrie wies Westdeutschland 1994 die höchste Arbeitskostenbelastung aller
Industriestaaten auf. Und auch 1996 lag Deutschland im internationalen Vergleich an der Spitze. Ein Großteil dieser Kosten sind auf Personalzusatzkosten, vor
allem Sozialversicherungsbeiträge zurückzuführen, die der Arbeitgeber zu einem bestimmten Prozentsatz mittragen muss. Im Durchschnitt betragen
Lohnnebenkosten 80% des Direktentgeltes. Zugegeben ist auch die Produktivität hoch, dennoch ist der Standort Deutschland zu teuer geworden, was das
derzeitige Abwandern von Unternehmen ins billigere Ausland erklärt. Eine Senkung der Kosten könnte diesen Trend aufhalten und sogar vermehrt
ausländische Unternehmen nach Deutschland locken. Erreicht werden könnte dies, indem versicherungsfremde Leistungen aus der Sozialversicherung
herausgenommen werden. Die Beiträge würden sich dadurch um über 8% reduzieren und die Arbeitskosten um 3,5% mindern. [8]

Überstunden abbauen: Während die Zahl der Arbeitslosen in den letzten Jahren stetig gestiegen ist, nahm auch die Zahl der Überstunden der Arbeitnehmer
immer weiter zu. Eine logische Schlußfolgerung daraus wäre, diese Überstunden abzubauen. Nach Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg,
könnten dadurch bis zu 400000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Leider fehlt jedoch die Bereitschaft der Arbeitgeber, da Überstunden, trotz Zulage,
immer noch billiger kommen, als die zusätzlichen Aufwendungen einer Neueinstellung. (Siehe auch den ersten Punkt: Lohn- und Lohnnebenkosten)

Teilzeitarbeit erhöhen: Idealerweise könnten sich zwei Teilzeitarbeiter einen Arbeitsplatz teilen. Bekräftigt wird diese Maßnahme außerdem durch die rege
Nachfrage nach Teilzeitarbeit, vor allem durch berufstätige Mütter, die z. B. aus familiären Gründen nicht den ganzen Tag arbeiten wollen. Allerdings rechnet
sich für die meisten Betriebe Teilzeitarbeit kaum, weil zusätzliche Aufwendungen auf das Unternehmen zukommen.

Mindestlöhne einführen: Diese, Ende 1996 für die Baubranche beschlossene Maßnahme, zielt nicht darauf ab neue Arbeitsplätze zu schaffen, sondern
Arbeitsplätze für Deutsche zu sichern. Durch die Öffnung der Grenzen Europas kamen in den vergangenen Jahren immer mehr Bauarbeiter aus
Niedriglohnländern, z. B. Portugal, Griechenland und andere, vor allem osteuropäischen Staaten über Arbeitsverträge nach Deutschland. Entsprechend dem
niedrigeren Niveau der dortigen Löhne arbeiteten diese Menschen billiger auf Deutschlands Baustellen als Deutsche, da dieser Lohn nicht ausreichte, um in
Deutschland den Lebensunterhalt finanzieren zu können. Durch die Mindestlöhne, die seit Januar 1997 gelten, muss jedem Arbeiter ein bestimmter Stundenlohn
gezahlt werden. Dadurch wird erhofft, dass Arbeitgeber wieder vermehrt Deutsche anstellen.

Staatlichen Investitionen erhöhen: Durch diese Aktion würde der Staat auf dem Markt verstärkt als Nachfrager auftreten. Hieraus resultiert indirekt auch
eine größere Nachfrage nach Arbeitskräften und somit ein Rückgang der Arbeitslosigkeit. Dies entspricht der Lehrmeinung von John Maynard Keynes: Ist die
Nachfrage zu schwach, um Vollbeschäftigung zu gewährleisten, soll der Staat zum Ausgleich mehr Güter und Dienste nachfragen und dazu notfalls ein
Haushaltsdefizit in Kauf nehmen. [9] Allerdings kann eine solche Maßnahme nur von vorübergehender Dauer sein, z. B. zur Überbrückung einer
Rezessionsphase.

Mehrwertsteuer anheben: Obwohl die Erhöhung der Mehrwertsteuer von momentan 15 auf 16% eine Maßnahme ist, die sowohl die Bundesanstalt für
Arbeit als auch die Regierung befürworten, sollte diese Aktion vorsichtig betrachtet werden. Dadurch würden sich die Steuereinnahmen erhöhen, was zum
Beispiel zu einer Entlastung der Sozialversicherung, also der Lohnnebenkosten führen könnte. Gleichzeitig wird der Bevölkerung aber Kaufkraft entzogen.
Dies könnte zu weniger Konsumausgaben bzw. Investitionen führen, somit zu weniger Unternehmensgewinnen und letztlich in einem gewissen Grad zur
Arbeitslosigkeit.

Qualifikation anpassen: Es ist auch äußerst wichtig zu beachten, dass die derzeitigen Arbeitslosen zum Teil eine niedrige Qualifikation aufweisen oder
zumindest nicht die auf dem Arbeitsmarkt Nachgefragte. Umschulungen und Weiterbildungen der Bundesanstalt für Arbeit sind wichtige Mittel dem Trend
entgegenzuwirken. Oftmals wird von der Wirtschaft beklagt, dass Lehrlinge oder Hochschulabgänger nicht das notwendige und wünschenswerte Wissen
mitbringen. Es besteht also bei Schulen und Hochschulen Reformbedarf, um die schulische Ausbildung der Nachfrage anzupassen.

Dienstleistungssektor ausbauen: Im internationalen Vergleich wird deutlich, dass es in Deutschland noch ein großes Potential an Arbeitsstellen im
Dienstleistungssektor gibt, die es auszunutzen gilt. Starre Landenöffnungszeiten und die Haltung der Gewerkschaften behindern flexible Unternehmenspolitik im
Mittelstand und der Industrie. Aber auch die steuerliche Anerkennung für Ausgaben im Haushaltsbereich, z. B. für Putzfrauen, Gärtner usw. würde eine
positive Auswirkung auf den Arbeitsmarkt haben.

Nach Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeit würden solche Maßnahmen, werden sie konsequent und schnell umgesetzt, bis zum Jahr 2000 weit über
eine Million neue Arbeitsplätze schaffen.

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