Die Jacke

In seiner Kurzgeschichte "Die Jacke" aus "Zahltag" schreibt Franz Hodjak ĂŒber den TotengrĂ€ber Tzika, der dem Leser seine Geschichte und gleichzeitig die der Jacke erzĂ€hlt, in der Hoffnung dadurch die Vergangenheit bewĂ€ltigen und der "dunklen" RealitĂ€t entfliehen zu können.
Anfangs kommt Tzika in eine Kneipe, worauf er nach einiger Zeit von einem Bauarbeiter provoziert wird. Dieser reißt, in eine Konfrontation verwickelt, Tzikas Jacke an sich, "lĂ€sst sie fallen" und "trampelt darauf herum".(Z.40)
In seiner Trauer um die Jacke entsinnt sich Tzika an die Herkunft der Flicken, von denen seine Jacke "ĂŒbersĂ€t" ist. Jeder Flicken hat eine eigene Geschichte, die Tzika dem Leser im folgenden nĂ€herbringt.
Ein Motiv in Hodjaks "Die Jacke" ist das des "SchlĂ€gertyps"(Z. 28 - 43). Er vertritt genau dieses Bild vom bulligen und grobschlĂ€chtigen Bauarbeiter, der jedoch nicht mit allzuviel Intelligenz "gesegnet" ist. Nicht nur in seiner Ă€ußerlichen Erscheinung, sondern auch in seinem Handeln wird er diesem Bild ĂŒberaus gerecht. Trotz dessen Provokation (Z.15: "Tzika,....,sing uns einen Psalm"), reagiert dieser nicht darauf und versucht den Anschein zu erregen, den Ruf ĂŒberhört zu haben. Doch der "Kumpel" lĂ€sst nicht locker und erhebt sich, nach zwei weiteren Rufen, um seine Überheblichkeit mit Taten unter Beweis zu stellen. In seinem Verhalten gleicht er weniger einem Menschen, denn mehr einer Katze, die, bevor sie die Maus tötet, mit ihr spielt (Z. 31: "mit Katzenschritten").
Ein Ă€hnliches Motiv ist das der "schmierigen Kneipe". Es fĂ€ngt an bei der Kundschaft, die eigentlich nur aus Arbeitern besteht (Z. 2: "Alles Leute vom Bau,..." ), setzt sich fort bei der AtmosphĂ€re ( "Der Raum bumsvoll", Z.2, "Sie schließen Wetten ab", Z. 13, "erhitzen", "Streiten", Z. 8, "Jeder versucht, alle zu ĂŒberschrein.", Z. 10., "Fast kommts zu einer PrĂŒgelei.", Z. 11) und artet schließlich in der Konfrontation zwischen dem "Bauarbeiter" und Tzika aus.
Sogar die Bedienung trÀgt zu diesem "Kneipen - Image" bei: "Als Grit gesteht, welche Methode bei ihr am besten wirkt,....")
Ein anderes "Typen" - Motiv ist das des "Muttersöhnchens" Tzika. Dass er sehr still und verhalten wirkt, kommt daher, dass er nicht ein einziges Wort in der gesamten Geschichte von sich gibt; er denkt immer nur bei sich (Z. 80: "Gewöhnlich schweig ich"). Auch will er so gar nicht in das "Kneipen - Bild" und in seinen Beruf als TotengrĂ€ber hineinpassen, er, der gerne in der Kirche Psalme singt (Z. 19) und dessen einzige Freiheit darin liegt, das Grab "mal zehn Zentimeter tiefer zu legen"(Z. 111). Von der Tugend "Mut" scheint er schon in frĂŒhen Jahren verlassen worden zu sein: "Über die BrĂŒcke bin ich nie gegangen. Nicht mal in der Vorstellung hab ichs geschafft"( Z. 26). Dass er mehr das Leben des unauffĂ€lligen, individualitĂ€ts - und ideenlosen KleinbĂŒrgers fĂŒhrt, wird anhand folgender Zitate deutlich: "Seither schweig ich", "Ich halt mich raus", "Ich bin vorsichtig", "Steck den Kopf in den Sand", "Und ab und zu mach ich einer Frau den Hof. Doch (das) lohnt sich nicht" (Z. 108 - 117).
Der einzige Versuch, seinen Willen nicht jemandem unterordnen zu mĂŒssen, nĂ€mlich als er sich weigert, eine ErklĂ€rung zu unterschreiben, nach der er seine Jacke als Geschenk "akzeptieren" mĂŒsste, scheitert klĂ€glich an seinem kurzem Durchhaltevermögen (Z. 104 - 107).
Ein weiteres Motiv, ein Zeitmotiv, das in Hodjaks Text vorkommt, ist das des "Zweiten Weltkriegs". Dieses Motiv tritt sehr hĂ€ufig in literarischen Werken auf, reprĂ€sentativ fĂŒr das Unrecht und fĂŒr eine menschenverachtende Politik.
Jedoch ist, meiner Meinung nach, nicht so sehr das "nationalsozialistische Regierungsbild" der damaligen Zeit gemeint, sondern das "kommunistische".
So wird Tzika scheinbar grundlos auf brutalste Weise unter Verwahrung gestellt und in ein "Loch" gesteckt. Erst nach vielen Tagen und NÀchten des Leidens wird er, nachdem er eine ErklÀrung unterschreiben musste, deren einzelne Punkte in keinster Weise der Wahrheit entsprachen, freigelassen. Meiner Meinung nach bringt Hodjak dieses Motiv, um aufzuzeigen, dass unter der Regierung eines solchen Regimes sogar der Unschuldige, der "Brave" ohne weiteres zu einem Opfer dieser idealistischen Ideen werden kann.

Die ErzĂ€hlform ist die Ich - ErzĂ€hlung. Stellvertretend fĂŒr den ganzen Text lassen sich Beispiele in Zeile zwei, drei oder vier finden: "Ich komm rein...", "Ich drĂŒck mich ..." und "Meine Arme...". Doch hĂ€ufig steht ein "unsereins" anstatt dem "Ich", was die eigene Gleichstellung Tzikas mit seinen "Landsleuten" ausdrĂŒcken soll. Er ist wie jeder andere kein richtiges Individuum, sondern eingebunden in ein "Kollektiv". Hodjak wĂ€hlt meiner Meinung nach die "Ich" - beziehungsweise die "Wir" - ErzĂ€hlung, um den Leser direkt in das Geschehen mit einzubinden.
Die ErzĂ€hlperspektive ist Innensicht, da man das Geschehen durch die Augen des personalen Ichs verfolgt. Deutlich sind die Überlegungen und Gedanken des Protagonisten Tzika einzusehen. Auch die Erinnerungen an frĂŒhere Erlebnisse werden dem Leser offenkundig gemacht. "Immer, wenn ich mich bedroht fĂŒhle, muss ich etwas zurĂŒckdenken. ZurĂŒck bis in die Kindheit. Da gabs eine HĂ€ngebrĂŒcke...."(Z. 22/23).
Der Standort des Ich - ErzĂ€hlers ist deshalb auch sehr nah; man ist sozusagen "live dabei", was beispielsweise in den Zeilen 28 bis 43 deutlich wird. Man kann sich in den ruhigen, etwas schĂŒchternen TotengrĂ€ber sehr leicht hineinversetzen und mit ihm mitfĂŒhlen.
Durch den "limited point of view" des ErzĂ€hlers können wir nicht die Gedanken und die GefĂŒhle der anderen Personen "erkennen". Nur aufgrund Tzikas Beschreibungen kann man RĂŒckschlĂŒsse und Vermutungen auf deren Charaktereigenschaften ziehen. (Beispiele in den Zeilen 28 - 43: "Er richtet sich auf und sitzt starr da" oder "plötzlich senkt er den Kopf, schiebt ihn vor.")
Auch hier zeigt sich wieder, dass der Autor den Leser nicht unnötig mit der Gedankenwelt der anderen Personen "belasten" will, allein Tzika soll die Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Tzika lĂ€sst in seiner Ereignisbeschreibung immer wieder bewertende Kommentare miteinfließen. Somit ist die ErzĂ€hlhaltung eine berichtende und kommentierende zugleich.( Z. 4: "War das ein Sautag", oder Z. 122: "Denken, was sind sie fĂŒr Teufelskerle. Wirklich Teufelskerle.")
Diese Kommentare werden deswegen von Hodjak angefĂŒhrt, um die jeweiligen Situationen am treffendsten und am prĂ€gnantesten zu beschreiben. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass diese nicht unbedingt der RealitĂ€t entsprechen mĂŒssen, sondern lediglich Tzikas Sicht der Dinge entspringen.
Die Darbietungsform in Hodjaks Text ist durchgehend erzĂ€hlte Rede.(Z. 15: "Tzika, ruft da einer, sing uns einen Psalm. Das war ein böses Zeichen, ich spĂŒrte es sofort.")
"Durchwachsen" ist diese stellenweise von dem inneren Monolog, der sich beispielsweise in den Zeilen 17 bis 19 wiederfinden lĂ€sst: "Denk, genĂŒgt es dir nicht, GrĂ€ber zu schaufeln? Mußt unbedingt den Clown spielen? Und noch dazu in der Kirche?".
Tzika stellt sich diese Fragen meiner Meinung nach auf der einen Seite, um dem Leser einen besseren Einblick in seine Gedankenwelt zu gewÀhren, auf der anderen Seite aber auch, um den offensichtlich fehlenden Ansprechpartner unter UmstÀnden ersetzen zu können. So hat Tzika scheinbar weder Freunde, was einerseits aus seinem Beruf als TotengrÀber andererseits aber auch aus seiner verschwiegenen und verschlossenen Persönlichkeit resultiert, noch hat er lebende Verwandte ("Nicht einmal meinen Eltern habe ich das Grab geschaufelt", Z. 112).
Die einzig zÀhlbare Personenkonstellation in Hodjaks Text ist die Beziehung "Jacke - Tzika". Die Jacke wird eindeutig von Tzika personifiziert; sie bedeutet ihm sehr viel in seinem Leben, was er auch immer wieder wiederholt (Z. 124: "...was einem eine Jacke bedeuten kann.", Z. 49: "Ist eine Art GedÀchtnis").
Die anderen Personen, wie beispielsweise der "SchlĂ€gertyp" oder seine frĂŒheren Bekanntschaften (Z. 52 - 64), stehen mehr im Hintergrund und spielen minder wichtige Rollen.
Die Handlung unterteilt sich in Rahmen - und Binnenhandlung. So ist erstere der Besuch der Kneipe und die Konfrontation mit dem "Bauarbeiter", wĂ€hrend hingegen letztere seine Erinnerungen an frĂŒhere Ereignisse, insbesondere in Bezug auf seine Jacke, ausmacht. Ausgelöst wird der Bruch Gegenwart - Vergangenheit beziehungsweise RealitĂ€t - Erinnerung meiner Meinung nach durch das Schockerlebniss mit der Zerstörung seiner Jacke: "Plötzlich trampeln alle auf meiner Jacke rum". Dieser Bruch wird auch durch die zwei AbsĂ€tze, vor und nach dieser "Erkenntnis", optisch verdeutlicht.
Zeitdeckend berichtet Tzika seine Erlebnisse in der Rahmenhandlung(Z. 2 - 46).
Doch schwenkt dann die ErzÀhlweise in der Binnenhandlung um, hin zu zeitraffend (Z. 45 - 121). In den Zeilen 28 bis 43 wird es deutlich, warum Hodjak hier das Geschehen zeitdeckend beschreibt; er will die Spannung, die diese Situation in sich birgt, dem Leser direkt vor Augen halten. So wirkt die Beschreibung fast schon zeitdehnend; dem Leser soll nicht ein Detail dieser "geladenen" AtmosphÀre entgehen.
Wenn man Hodjaks Text zum erstenmal liest, sticht einem sofort die derbe und vulgĂ€re Umgangssprache ins Auge, derer er sich bedient ("Der Raum bumsvoll", Z.2 oder "War das ein Sautag", Z.4 ). Sie trĂ€gt viel zu der einfachen und unkomplizierten Person "Tzika" bei. So kann man davon ausgehen, dass dieser nicht in den Genuß einer allzu guten schulischen Ausbildung gekommen sein muss. Auch sein Beruf als TotengrĂ€ber ist kaum das Resultat außerordentlich guter schulischer Leistungen.
AuffÀllig sind auch die kurzen, prÀgnanten SÀtze, die sich auf den ganzen Text erstrecken. Auf der einen Seite entsprechen sie der vulgÀren Sprache, die Tzika verwendet, auf der anderen Seite sollen sie ein MissverstÀndnis des Lesers aufgrund langer, komplexer und verschachtelter SÀtze von vornherein unmöglich machen. Hodjaks Ziel ist es, den Leser direkt anzusprechen, sowohl unter der Verwendung der Umgangssprache, als auch mit Hilfe des streng parataktischen Satzbaus.
Die moderne ErzĂ€hltechnik, die Hodjak in "Die Jacke" anwendet, ist der "stream of consciousness", wörtlich ĂŒbersetzt mit "Bewußtseinsstrom". Die Handlung tritt beispielsweise in den Zeilen acht und neun soweit zurĂŒck, dass das Geschehen nur noch als Folge von EindrĂŒcken und Bildern Tzikas erscheint: "Schneiden Speck. Streiten. Reißen vom Brot, spalten die Zwiebeln mit der Faust. Halten Reden". Oder auch bei seiner Begegnung mit dem "Bauarbeiter" kommt diese Technik zum Einsatz: "Beugt den Kopf vor, geht leicht in die Knie. Kommt auf mich zu, leise, langsam, mit Katzenschritten. Einen Schritt. Noch einen. Bleibt stehn....." (Z. 30/31). Hodjak will mit diesen "Impressionen", die Tzika in diesem Augenblick "erfĂ€hrt", die aufkommende Spannung unterstreichen; gleichzeitig dienen sie vortrefflich dazu, auf einen Höhepunkt hinzuarbeiten und die Situation bis in das kleinste Detail zu erlĂ€utern. Man merkt beim Lesen dieser Passage des Textes richtig, wie man unbewusst in den reißenden "Bewusstseinsstrom" gerĂ€t und von der Dramatik des Ereignisses "gefangen" genommen wird.
Von Ironie kann man in Hodjaks Text eigentlich nicht sprechen. Wenn ĂŒberhaupt, dann sind nur geringfĂŒgige Spuren enthalten (Z. 10: "Als Argumente, sozusagen", Z. 110: "Das ist die Freiheit, die mir geblieben ist" und Z. 122: "Wirklich, Teufelskerle"). Diese "flĂŒchtige" und nur in AnsĂ€tzen zu erkennende Ironie umrahmt das Bild des schĂŒchternen und stillen Tzika.
Weiterhin ist es interessant, dass die erste Zeile eine kurze Zusammenfassung der nĂ€chsten 42 Zeilen ist. FĂŒr den Leser klingt diese Zeile zunĂ€chst banal: "Zum Beispiel hat da einer eine Jacke, und die trampeln dir darauf herum". Doch der TotengrĂ€ber Tzika verbindet mit dieser Jacke mehr als nur einen Gegenstand. So erzĂ€hlt er nun die vollstĂ€ndige, die ausfĂŒhrliche Version seiner Geschichte und berichtet wie es zu diesem "UnglĂŒck" kam. Durch die knappe Zusammenfassung am Anfang will Tzika das ausdrĂŒcken was ihn am meisten bewegt, weder der schlechte Tag, den er erwischt hatte (Z. 4), noch der aufgebrachte Bauarbeiter, mit dem er sich fast in eine SchlĂ€gerei verwickelt hĂ€tte; es ist die "Verletzung" seiner Jacke, die ihn belastet.
Überhaupt spielt die Jacke in Tzikas Leben eine zentrale Rolle. Da diese eine Art "GedĂ€chtnis"(Z. 49) fĂŒr ihn ist, bezieht er sie bewußt und selbstverstĂ€ndlich als ein Teil von ihm in sein Leben mit ein. Die Flicken auf ihr erinnern ihn an seine Vergangenheit, an die Abenteuer, die er einst erlebt hat. Mit ihrer Hilfe kann er gewissermaßen in die Vergangenheit "flĂŒchten". Er fĂŒhrt zu diesem Zeitpunkt ein Leben, das er gerne mit seinen Erinnerungen "vertauschen" wĂŒrde.
Bei genauerer Betrachtung des Textes fĂ€llt auf, dass Hodjak immer wieder Wendungen und AusdrĂŒcke verwendet, die auch in seiner anderen Kurzgeschichte "Am Eck" in Ă€hnlicher Weise vorkommen: "Die Amseln waren wie verrĂŒckt"(Z.68) oder "Ich hab mir große MĂŒhe gegeben, die Sprache der Toten zu lernen"(Z.119). Vielleicht will er anhand dieser Ähnlichkeiten zeigen, dass Tzika auf seine Weise dem langweiligen Leben genauso wenig entgehen kann, wie die sieben Jugendlichen dem "Teufelskreis" des Alltags nicht mehr entkommen konnten. Auch Tzika hat sich fĂŒr die Einsamkeit und fĂŒr ein Leben in Abgeschiedenheit entschieden (Z. 108: "Seither schweig ich", Z.117: "Ich bin vorsichtig. Steck den Kopf in den Sand.") Was in "Am Eck" als Symbol fĂŒr die Freiheit galt, nĂ€mlich die Straßenbahn, ist nun der ausgedorrte Fluß unter der Erde, "wo MĂŒhlen auf Wasser warten"(Z. 110).
Was Hodjak mit seinem Text unter anderem aussagen will, ist, dass es zum einen eine wesentliche Rolle spielt, wo man geboren ist und welche Eltern man hat, zum anderen aber auch der Umstand, zu welchem Zeitpunkt man geboren wird. Dies ist eine zentrale Aussage in der Geschichte "Die Jacke", die Tzika sogar selber in Worte fasst: "Weder Vater noch Mutter noch der Zeit, in die ich hineingeboren wurde. Jeder hat nĂ€mlich drei Elternteile. Das ist die einzige Überzeugung, zu der ich bislang gekommen bin." (Z. 112 - 114)
Tzika setzt "die Zeit" mit seinen Elternteilen gleich, das heißt fĂŒr ihn hat sie denselben Wert. Damit drĂŒckt er seinen sehnlichsten Wunsch aus, den er hat, nĂ€mlich sein jetziges Leben vergessen und ein völlig anderes fĂŒhren zu können, ein Leben, das in seiner Gedankenwelt schon Ă€ußerst "real" ist und das "verweltlicht" wird durch die Flicken auf seiner Jacke.
Ein anderer Punkt ist der, dass Hodjak Kritik an den "dunklen Machenschaften" der damaligen kommunistischen Regierung ausĂŒben will.
So wird Tzika mehrmals als Spion verdĂ€chtigt, verhört oder spĂ€ter grundlos eingesperrt und erpresst (Z. 83 - 107). Der Staat ist in Hodjaks Text die korrupte Macht, die das Volk unterdrĂŒckt und einschĂŒchtert. Hodjak versucht, die politische RealitĂ€t der damaligen Zeit in den Text zu "kopieren" und die Situation weder kĂŒnstlich zu "schönigen", noch ĂŒbertrieben darzustellen.
Er verurteilt die HĂ€rte und die Ungerechtigkeit einer solchen Regierung und will den Leser auf die "rohe" Gewalt aufmerksam machen, mit der sie zu Werke geht (Z.86: "Ich bekam einen Fußtritt, dass ich ins Auto flog. Einer riß mir von der rechten SchĂ€delhĂ€lfte ein HaarbĂŒschel aus, ein kleines StĂŒckchen Haut ging mit.") Den Menschen der damaligen Zeit, die unter einer solchen Regierung lebten, waren jeglicher Freiheit beraubt worden; es war ihnen sogar verboten zu reden (Z.82: "Vielleicht wĂ€rs am besten, unsereins wĂ€r stumm.").

Wenn man den Text auf die heutige Zeit widerspiegelte, kĂ€me man zu dem Ergebnis, dass die Probleme von "damals" immer noch aktuell sind. Hodjaks "Die Jacke" sollte nicht als "Überbleibsel" aus der Vergangenheit oder als ein "verstaubtes Zeugnis" lĂ€ngst vergessener Schicksale, entstanden in einer Zeit ohne Hoffnung und Perspektive, angesehen werden. So leben noch viele Menschen auf der Erde unter dem "Adlerauge" einer solchen Regierung, dessen zwiespĂ€ltigen Ideologien jedem klar denkendem Individuum aufgrund der darin enthaltenen Engstirnigkeit und Intoleranz sofort ins "Auge stechen".
Zudem haben sich die "Personentypen", die in "Die Jacke" vertreten sind, in den letzten Jahrzehnten kaum oder fast gar nicht verĂ€ndert. Beispielsweise offenbart die "Arbeiterkneipe", die Tzika aufsucht, im Vergleich mit einer heutigen keinerlei Unterschiede; sie wĂ€re vollstĂ€ndig in unsere Zeit "ĂŒbertragbar".
So komme ich zu dem Ergebnis, dass Hodjaks Geschichte etwas "Zeitloses" hat, obwohl sie fest in einem Zeitpunkt "verankert" ist. Meiner Meinung nach werden sich fĂŒr die Probleme, die Hodjak anspricht auch in nĂ€herer Zukunft keine ĂŒberzeugenden Lösungen finden lassen; doch sollte man sich dennoch darum bemĂŒhen, da das Leben, wie es Tzika fĂŒhrt, keinem zuzumuten ist oder gar in irgendeiner Weise erstrebenswert wĂ€re.
Abschließend möchte ich noch einen Kommentar, veröffentlicht im "Kritischen Lexikon zur deutschsprachigen Literatur" von Holger Dauer in Bezug auf "Die Jacke" anfĂŒhren, da man den Inhalt des Textes besser und treffender nicht umschreiben könnte:
"Mit Tzika entwirft Hodjak eine Figur, die der zerstörerischen Monotonie der sozialistischen Alltagswelt in RumĂ€nien ebenso ausgeliefert ist wie der eigenen, daraus entspringenden Ohnmacht. In Tzika spiegelt sich eine bis ins Unfaßbare gesteigerte AbsurditĂ€t der gesellschaftlichen und zwischen -
menschlichen VerhÀltnisse, in denen die Menschen, in vielerlei Hinsicht gescheiterte Existenzen, keine Konflikte mehr austragen, sondern vielmehr Produkte ausgefochtener und stets verlorener Konflikte sind."







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