Iphigenie auf Tauris

Die Szene V,III spielt in Goethes "Iphigenie auf Tauris" eine entscheidende Rolle. In ihr erfÀhrt Thoas, der Herrscher der Taurier, dass Iphigenie Scheu empfindet, zwei gestrandete Griechen der Göttin zu opfern, da diese in unmittelbaren verwandtschaftlichem bzw. freundschaftlichen VerhÀltnis zu ihr stehen.

Der Aufbau der Szene V,III ist klar strukturiert, es handelt sich hier um einen zweiseitigen Dialog zischen Iphigenie und Thoas. Beide Personen befinden sich von Beginn der Szene an auf der BĂŒhne und agieren zusammen bis zum Schluss.
Es handelt sich hier bei den beiden auftretenden Personen um Thoas, den König der Taurier und Iphigenie, die das Amt einer Priesterin auf Tauris ausfĂŒhrt. Iphigenie ist griechischer Abstammung, wurde aber als junge Frau nach Tauris entfĂŒhrt, um dort kĂŒnftig als Priesterin der Göttin zu dienen.
In dem GesprĂ€ch zwischen Thoas und ihr erfĂ€hrt Thoas, der Iphigenie wegen des Aufschubes der Opferzeremonie zu sich kommen lĂ€sst, dass Iphigenie eine Enge emotionale Bindung zu den beiden zu opfernden Griechen unterhĂ€lt. Es handelt sich bei dem GesprĂ€ch um einen Dialog, der Anfangs von den kurzen, prĂ€gnanten Fragen des Thoas und den eher ausweichenden Antworten der Iphigenie bestimmt wird. Iphigenie versucht zuerst, Thoas glaubhaft zu machen, die Göttin hĂ€tte ihm einen Aufschub um das Opfer zu ĂŒberdenken geschenkt. Thoas glaubt diese LĂŒge jedoch nicht, und hinterfragt das VerhĂ€ltnis von Iphigenie zu den Gefangenen solange, bis herauskommt, dass der zu opfernde Orest Iphigenies Bruder ist. Der andere Gefangene Pylades ist dessen Vertrauter und ein guter Bekannter der Iphigenie. Als Thoas daraufhin die sofortige DurchfĂŒhrung des Opfers fordert, da er nicht mehr an die Bedenkzeit der Göttin glaubt, fleht ihn Iphigenie an, er möge ihren Bruder doch ziehen lassen. Hier hĂ€lt Iphigenie einen lĂ€ngeren Teil des Dialogs, der Eigenschaften eines gedankenbeschreibenden Monologs trĂ€gt.
Thoas, seinerseits unsterblich in Iphigenie verliebt, fĂŒrchtet durch die Begegnung Iphigenies mit ihrem Bruder ein Wiederaufquellen ihrer Heimwehgedanken, und damit ihren Verlust. Als Iphigenie bittet, ihren Bruder ziehen zu lassen zögert Thoas bewusst am Ende der Szene. Es stellt sich ihm als Zwiespalt dar, hier eine Entscheidung zu treffen. WĂŒrde er Orest und Pylades ziehen lassen, wĂŒrde er Iphigenie verlieren, da sie evtl. mitziehen wĂŒrde. KĂ€me es ihm hingegen in den Sinn, die Opferung der beiden zu vollstrecken, wĂŒrde er die Sympathie der Iphigenie und damit auch sie fĂŒr immer verlieren. WĂ€hrend Iphigenie am Anfang des GesprĂ€ches in einer schicksalsschweren Situation steckt, und Thoas von den VerhĂ€ltnissen zu den Gefangenen berichtet, bringt sie diesen in eben beschriebene "ZwickmĂŒhle".
Der in dieser Szene verwendete Sprachstil ist gehobenes deutsch, der Satzbau ist in den prĂ€gnanten Fragen zu Anfang an kurz und mit wenig ausschmĂŒckenden Objekten und NebensĂ€tzen. In den lĂ€ngeren GesprĂ€chspartien der Iphigenie gegen Schluss wird der Stil ausschmĂŒckender und umgreifender.
Es finden sich in dieser Szene auffallend viele Bilder. So z.B. Iphigenies Ausspruch "Auf Feindes Pferden, doch mit Beute kehrt"(Z.1903) der auf die Gestalt des Thoas und seine Einstellung Bezug nimmt. Ausserdem werden von Iphigenie oft gezielt rhetorische Fragen eingesetzt, um ihre Interessen dem Thoas gegenĂŒber klar zu machen.
Alles in allem stellt diese Szene eine SchlĂŒsselszene im StĂŒck dar. Das StĂŒck nimmt hier eine aprupte Wendung, die sich nicht mehr umkehren lĂ€sst. Hier stehen sich die beiden HauptcharaktĂ€re des StĂŒckes unmittelbar im zentralen Dialog gegenĂŒber. Die Position der Iphigenie Ă€ndert sich hier von der einst so selbstbewussten, abweisenden Frau zur flehenden Bittenden, die auf die Hilfe des Thoas angewiesen ist.



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