Undine geht

Ingeborg Bachmann
"Undine geht"

Autoreninformation:
Ingeborg Bachmann *1926, +1973
Bachmann wurde in Klagenfurt als Tochter eines Lehrers geboren. Sie studierte Philosophie und arbeitete dann im Rundfunk. Ab dem Jahr 1953 ist sie als freie Schriftstellerin tĂ€tig und erhielt unter anderem den Preis der Gruppe 47. Sie lebte zumeist in Italien und bereiste Frankreich, England und auch die USA und Ägypten im Laufe ihres Lebens. Sie war auch Gastdozentin fĂŒr Poetik. 1973 verbrannte sie unter seltsamen UmstĂ€nden in ihrer Wohnung in Rom.
Bachmanns Werk gilt als allgemein schwer zugĂ€nglich und ihre sogenannte Gedankenlyrik irritierte die Öffentlichkeit. Äußerst vielseitig gestaltet sich ihre literarische Produktion, die von Epik und Lyrik ĂŒber das Hörspiel bis zu journalistischen Publikationen reicht. Als erste LyrikbĂ€nde erschienen "Die gestundete Zeit" (1953) und "Ausrufung des Großen BĂ€ren" (1956). 1958 wurde das Hörspiel "Der gute Gott von Manhattan" gesendet und im ErzĂ€hlband "Das dreißigste Jahr" (1961) befinden sich sieben handlungsarme Novellen, von dem "Undine geht" eine davon ist. 1971 erschien schließlich ihr bekanntester Roman "Malina", den man als Selbstanalyse des lyrischen Ichs betrachten kann.
Seit 1977 wird in Klagenfurt alljĂ€hrlich der Ingeborg - Bachmann - Preis fĂŒr zeitgenössische Literatur vergeben.

Der Inhalt:
Diese knappformulierte und sprachlich verdichtete Novelle ist eine Art Klagelied der Undine. Diese Undine (oder Nymphe) lĂ€sst sich in dieser Rede ĂŒber die MĂ€nner und deren Blindheit und Ichbezogenheit aus. Sie gibt dem mĂ€nnlichen Geschlecht das Pseudonym "Hans" und bezeichnet ihn, alle MĂ€nner immer wieder direkt ansprechend, als Monster, Ungeheuer und VerrĂ€ter. Die unglĂŒckliche Undine, die sich enttĂ€uscht zurĂŒckzieht (...sie geht!), beschuldigt Hans, dass er sie nie richtig geliebt hatte und deshalb muss sie Abschied nehmen. Das Leid der Undine wird umso deutlicher, als man erfĂ€hrt, dass sie mehrmals diese Erfahrung gemacht hat. Jedenfalls beschreibt Undine auch das gĂ€ngige Bild der Frauen, das vor allem von MĂ€nnern geprĂ€gt und unterstĂŒtzt wird.
Als Interpretationsansatz kann man das romantische Motiv der Undine/Nymphe hernehmen. Eine Undine gehörte zu den "Wasserleuten" in der volkstĂŒmlichen MĂ€rchenwelt. Sie kann, sofern sie sich in einen Menschen verliebt, das Wasser verlassen, doch schmerzt sie das Gehen und macht die FĂŒĂŸe blutig. Hier könnte man daraus schließen, dass Bachmann auf den ewigen Geschlechterkampf beziehen wollte. Eine Beziehung ist mit Schmerz und Leid verknĂŒpft. Bachmann drĂŒckt mit diesen Symbol aus, dass zwar die Frau, die mit den Elementen Luft und Wasser in Verbindung gebracht wird, im strengen Gegensatz zum Mann steht, der die Elemente Erde und Feuer verkörpert, dass widersprĂŒchliche Komponenten Spannungen erzeugen und sich aber doch irgendwie ergĂ€nzen.
Die mythologische Geschichte setzt sich aber noch weiterhin fort. Verflucht nĂ€mlich der Mann seine Undinen - Frau ĂŒber dem Wasser, so verliert er sie. Zumeist spielt hier noch eine verfĂŒhrerische Frau als Gegenspielerin mit. Jedenfalls kehrt dann die unschuldige Natur wieder in ihr Element zurĂŒck. Bei der ErzĂ€hlung von de La Motte ForquĂ© kehrt die Undine noch einmal zurĂŒck und tötet den Mann bei vollzogener, neuerlicher Heirat.
Bachmann geht in ihrer Novelle nicht so weit, doch auch bei ihr verlĂ€sst die Undine den Mann und kehrt um eigene Erfahrungen ĂŒber die Menschen (MĂ€nner) reicher in ihr ursprĂŒngliches Element zurĂŒck. In "Undine geht" spĂŒrt man zum Schluß sogar noch ein wenig Sehnsucht und Reue. Wehmut begleitet sowieso die Reden der Undine die ganze Novelle ĂŒber.

Persönliche Wertung:
Ich war sehr beeindruckt von der sprachlichen Gewalt und die Direktheit, die Bachmann in diese Novelle verpackte. Und ich bewundere auch die FĂ€higkeit der Schriftstellerin, die es vollbringt, den Leser auf wenigen Seiten zu fesseln und emotionell tief zu bewegen. Ich stimme mit der verbreiteten Meinung zwar ĂŒberein, dass Ingeborg Bachmann nicht gerade leichte Kost ist, doch bin ich der Ansicht, dass bei aufmerksamem oder vielleicht sogar nochmaligem Lesen sich dem Leser die literarische Welt der Autorin schnell offenbart. Ich habe gerade die Hauptfigur dieser Geschichte als gelungen empfunden, da sie vergeblich ein neues Leben sucht und, dass sie so eher einen Antihelden spielt.

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