Sozialschmarotzer oder Arbeitslose ohne Chance auf

GEOGRAPHIEREFERAT
"SOZIALSCHMAROTZER" ODER ARBEITSLOSE OHNE CHANCE AUF BESCHäFTIGUNG[1]

Oftmals ist in den Medien von "Sozialschmarotzern" die Rede, Politiker lassen sich über "Trittbrettfahrern" im Sozialsystem aus, und Stammtischrunden diskutieren über Pfuscher. Tatsächlich ist Arbeitslosigkeit nicht nur ein Schicksal. Tausende nützen die derzeitige Handhabung der Sozialgesetze für ein Grund - oder Zusatzeinkommen ohne Arbeit. Die große Masse der Postensuchenden, die sich aber vergeblich um einen Arbeitsplatz bemüht, wird als "Schmarotzer" geschmäht oder mit ähnlichen Ausdrücken bedacht.

Beispiele wie durch gezielten Mißbrauch der geltenden Sozialgesetze stattliche Summen dazuverdient werden können gibt es genug: Ein arbeitsloser Bauarbeiter meldete seinen Nebenjob, der ihm zehntausende Schilling bringt, nicht beim Arbeitsamt. Eine Verkäuferin kündigt ihren Job, kassiert einen Monat später Arbeitslosengeld. Gleichzeitig betreibt die gelernte Masseuse einen florierenden Massagesalon, und geht sogar auf bezahlte Kur. Eine Graphikerin kündigt nach Differenzen mit ihrem Chef, bezieht ein Jahr lang Arbeitslosengeld, um sich dann selbständig machen zu können. Diese authentischen Fälle sind eine Auswahl aus gut einigen tausend Notstandshilfe - und Arbeitslosengeldbeziehern, die auch ohne offiziellen Job nicht untätig bleiben.

Die Mißbrauchszahl dürfte allerdings eingeschränkt zu sehen sein. Laut dem Chef des AMS Arbeitsmarktservice werden bei bis zu 30.000 Fällen die Bezüge gestrichen, Tendenz steigend. Firmen bei denen die Arbeitsuchenden vorsprechen, klagen dass es den Arbeitslosen nur darum ginge den "Stempel" zu erhalten, der die Berechtigung zum weiteren Bezug der staatlichen Unterstützung bedeutet. Der Höchstbezug von Arbeitslosengeld betrug im Herbst des ver - gangenen Jahres 407 öS pro Tag, das ist monatlich ein Betrag von etwas mehr als 12.600 öS, zu dem dann noch die Familienzulagen hinzugerechnet werden müssen. Im Durchschnitt wurden knapp 9.000 öS ausbezahlt.

Tatsache ist, dass die im Europa - Vergleich niedrige Arbeitslosigkeit[2] in Österreich teuerst erkauft ist. Der Arbeitsmarktservive war im abgelaufenen Jahr nicht nur gezwungen sein über 52 Mrd. hohes Beitragsbudget zu überziehen, sondern auch noch einen 1½ - Milliarden Kredit aufzu - nehmen. Doch der Schuldenberg wächst auch anderweitig. Immer mehr ältere Menschen die gekündigt werden, nutzen diverese Möglichkeiten um in Frühpension zu gehen, ganz im Sinne von Arbeitgebern und Politik. Auch in der Fremdenverkehrsbranche setzt es sich immer mehr durch, Arbeitslosengeld zu beziehen. Im Jahreschnitt kassiert nämlich jede im Fremdenverkehr beschäftigte Arbeitskraft zwei Monate lang staatliche Arbeitslosenunterstützung.

Viel Geld, das der Arbeitsmarktservice aufbringt dürfte allerdings auch falsch eingesetzt werden, glaubt zumindest eine Arbeitsmarkt - Expertin des Wirtschaftsforschungsinstitutes. Die Auszahlung von Arbeitslosengeld schafft schließlich keine neuen Posten. Effektiver wäre es, wurde sich die öffentliche Hand vermehrt bei Betriebsneugründungen engagieren, so wie das bereits im Ausland immer öfter geschieht.

In Wien und Linz werden aber bereits jetzt erfolgversprechende Modelle praktiziert. Gemein - nützige Träger stellen dort "Problemfälle", also schwer vermittelbare Arbeitsuchende, ein und "verleihen" sie sozusagen an Firmen, was wesentlich billiger kommt, als Arbeitslosenunter - stützung auszubezahlen. Diese Modelle wären eine echte Alternative, da die Zahl schwer Vermittelbarer groß ist, und die Arbeitslosigkeit laut Arbeitsmarktservice im Schnitt bei 279 Tagen liegt.

Sinnvoll wäre es außerdem im Bereich der geringfügigen Beschäftigung, welcher immerhin mehr als 200 000 Österreicher und Österreicherinnen betrifft, wenigstens eine gewisse soziale Absicherung verwirklicht zu wissen. Dem gegenüber steht die Zahl von 270 000 Arbeitslosen, bei nur 40 000 freien Posten, fast ausschließlich unqualifizierten Jobs. Die "Zumutbarkeit" für die Annahme für von Arbeitsplätzen zu sinken, würde sicherlich mehr Probleme schaffen als lösen, da gute Posten auch heute angenommen würden, gäbe es genug. In Zukunft dürfte sich wohl die Frage stellen, für wie wenig Lohn man eine Arbeit ausüben müsse, wird den Miß - ständen nicht energisch entgegengewirkt.

Hingegen beklagen zahlreiche Firmen, dass sie kaum geeignete Kandidaten finden, wollen sie hochqualifizierte Posten besetzen. Der neue Arbeitsmarktservice versucht nun in Zusammen - arbeit mit den regionalen Arbeitgebern neue Wege der Ausbildung zu begehen. Gespräche über eine Reform des Gehaltsystems haben nach der Zustimmung der Privatangestelltengewerkschaft bereits begonnen. Der qualifizierten Jugend sollen höhere Gagen geboten werden, um diese im Land zu halten. Dafür werden am Ende des Berufslebens automatische Vorrückungen ge - strichen, was außerdem Freisetzungen, auch ohne den vom Sozialminister vorgeschlagenen zusätzlichen Kündigungsschutz, erspart.

Abschließend kann man sagen, dass sicherlich alles getan werden muss, um Mißbräuche im Sozialsystem abzustellen und zu Unrecht ausbezahlte Unterstützungen nicht weiter zu gewähren. Versuchen aber Politiker, und das geschieht gar nicht so selten, daraus Kapital zu schlagen, indem sie pauschalieren und ganz bestimmte gesellschaftliche Schichten, meist Ausländer, als Sündenböcke hinstellen, so tendieren sie eindeutig zu einer ganz gewissen Denkensweise, die für die innere Stabilität und Demokratie unseres Landes fiel gefährlicher ist, als das "Sozialschmarotzer", so der von ihnen kreierte Begriff, je sein können.

[1] Diesem Referat liegt der gleichnamige Artikel der "Presse" von Herta Scharsach zugrunde.
[2] Vergleiche Spanien mit ca. 25% und EU - Durchschnitt mit ca. 8%

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