Faust

These zur Erörterung der Gretchenfrage.

Eindeutig ist, dass Gretchen ein tragisches Schicksal erleidet. Tragik wird empfunden beim Untergang menschlicher Größe. Faust wird im Handlungsverlauf immer mehr in die Defensive gedrängt bei der immanenten Konsequenz, bei der Gretchens Entwicklung ihren lauf nimmt, bleibt ihm nur noch die Möglichkeit der Reaktion.

Im allgemeinen Wortgebrauch wird Tragik wie folgt definiert: "Tragik ist der schicksalhafte Untergang oder Verderben bringendes Leid, das den Betrachter durch seine Größe erschüttert." Geht man jedoch von der Deutung Aristoteles der Tragik aus, kann Gretchens Schicksal nicht als tragisch beschrieben werden. Dafür müsste sie einen Gewissenskonflikten zwischen zwei hohen moralischen Werten entscheiden. Dies ist jedoch nicht der Fall, da zwar der Glaube an Gott, nicht jedoch die Liebe zu Faust als hoher moralischer Wert bezeichnet werden kann. Im folgenden werde ich den Begriff Tragik dahingegen verwenden, wie es allgemein üblich ist. Hiermit werde ich wahrscheinlich auch dem Autor der oben stehenden These gerecht.

Gretchen lebte vor dem Zusammentreffen mit Faust in der behüteten Welt des Elternhauses. Dieses war zwar kein goldener Käfig doch gab es Gretchen einen gewissen Halt, da sie für sich wußte, was richtig und was falsch war. Auch erleichterte Gretchen ihre Frömmigkeit das Treffen von Entscheidungen, da die Kirche in vielen Dingen einen klaren Maßstab für richtige oder falsche Entscheidungen vorlegt. Jedoch fühlt Gretchen sich manchmal einsam, seit ihre kleine Schwester und ihr Vater gestorben sind.
Als sie bei einem Spaziergang den Edelmann Faust kennenlernt ist sie zu tiefst beeindruckt und fühlt sich ihm nicht ebenbürtig. So wundert sie sich, dass "der Herr" (2679) sich für sie interessiert.
Faust ist nach seiner Verjüngung ein Mann von Welt der durch seinen Charme und Geist besticht. Nachdem Mephisto das erste Zusammentreffen arrangiert hat, beginnt die eigentliche Tragödie. Mephisto leitet das Spiel. So gibt Faust Gretchen für ihre Mutter einen vermeintlich ungiftigen Schlaftrunk, den er vermutlich von Mephisto erhalten hat. Somit tötet Gretchen ihre Mutter ausversehen und rennt damit in ihr Unglück. Auch wird sie nach dieser einen Nacht schwanger. Faust trifft das vorletzte Mal mit Gretchen zusammen und bringt dabei ihren Bruder um. Wiederum wird sein Handeln massiv von Mephisto beeinflußt. Nach dem Mord gibt es nur noch die letzte Begegnung zwischen den beiden im Kerker, in dem Gretchen ist, da sie das gemeinsamem Kind in ihrer Verzweiflung umgebracht hat. Faust möchte sie retten, aber sie bemerkt, dass er sie nicht mehr so wie vorher liebt und folgt ihm deshalb nicht.

Die These lässt sich in zwei Teile aufspalten. So wird ausgesagt, dass Gretchen zum einem ein tragisches Schicksal erleide zum anderen Faust jegliche Möglichkeit zur Wendung ihres Schicksals fehle.
Der ersten Aussage stimme ich zu, wenn Tragik nicht nach Aristoteles definiert wird. So wendet sich Gretchens Leben nach dem Zusammentreffen mit Faust und sie wird unbewußt zur Mörderin ihrer Mutter und später durch gesellschaftliche Zwänge in die Enge getrieben bringt sie auch ihr Kind um. Ihr Leben endet unglücklich durch den gewaltsamen Tod.


Jedoch stimme ich mit der zweiten Aussage nicht überein. Meiner Meinung nach hatte Faust mehrere Chancen Gretchens Schicksal eine positive Wende zu geben und auch ihr Unglück mit verschuldet. So hätte er sie gar nicht erst zu der gemeinsamen Nacht drängen dürfen. Ihm war sehr wohl bewußt, dass es für Gretchen negative Folgen haben könnte. Somit hätte eine Heirat vieles verhindern können. Als seine Ehefrau hätte sie das Kind nicht umbringen müssen und auch ihr Bruder hätte seinen Schwager vermutlich akzeptiert, so dass es gar nicht zu dem für Valentin tödlichen Streit gekommen wäre.
Faust lässt sich sein Taten vollständig von Mephisto diktieren. So lässt er sich zu der Verführung Gretchens hinreißen und übernimmt für sein Handeln keinerlei Verantwortung. Er könnte gegen Mephisto aufbegehren und die Zusammenarbeit kündigen. Statt dessen nutzt er die für ihn einfachere Lösung und gibt Gretchen auf. Gegen Mephisto anzukämpfen wäre auf jeden Fall schwerer gewesen. Faust scheint Gretchen auch zu vergessen, so vergnügt er sich mit anderen Frauen während der Walpurgisnacht und erst bei einer Erscheinung des toten Gretchens erinnert er sich wieder an sie und versucht sie aus dem Kerker zu befreien, nun allerdings hat sie den Verstand verloren und da sie die frühere Wärme vermißt, weist sie ihn zurück.

Abschießend bleibt zu sagen, dass die These meiner Meinung nach zwar teilweise richtig ist, sie aber doch nicht alle Aspekte genau genug mit einbezieht. Dies könnte aber auch an dem fehlenden Kontext liegen.

Quellen: Goethe, Faust, Verlag C.H. Beck München, Sonderausgabe,1999
Fremdwörterbuch, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 3.Auflage, 1991


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