Aktionismus und Militianz in der Frauenbewegung

"Man kann sich ja nicht darauf verlassen, dass einen das Gesetz vertritt. Ich find’s dann besser zu spontanen und effizienten Mitteln zu greifen."

"Wenn mir Gewalt angetan wird, dann bin ich der Meinung, dass ich dann auch mit Gewalt antworten kann."

"Es geht auch darum, MĂ€nnern angst zu machen."

"Manchmal ist ein Tritt in die Eier wirksamer als tausend BĂŒcher, die sich mit dem Thema Feminismus und so weiter beschĂ€ftigen...."

Brennende Sexshops, eingedroschene Schaufensterscheiben, verklebte TĂŒrschlösser. Immer wieder reagierten Feministinnen in der Geschichte der Frauenbewegung provokant und militant auf das patriarchale Machtsystem und irritierten es durch solche Aktionen gezielt.
Radikale Gruppen zĂŒndeten auch Bomben, um sich gegen Diskriminierung und Sexismus zu wehren. In der Öffentlichkeit ist diese aktionistische Seite des agressiven und schlagkrĂ€ftigen feministischen Widerstands wenig bekannt und auch Teile der Frauenbewegung zeigen BerĂŒhrungsĂ€ngste mit dem Thema Gewalt.

"Wiener Aktionismus":
In den siebziger und achtziger Jahren in Wien wehrten sich Frauen kreativ und nicht immer gesetzestreu gegen Übergriffe der MĂ€nner oder sexistische Werbung, was in der "Palmers - Aktion" gegen die ersten Plakate mit ReizwĂ€sche gipfelte.
Nachdem die PresseerklÀrungen, Protestschreiben, Anrufe etc. nicht halfen, gab es sowohl Beschmierungen als auch Gegenplakate und eine Aktion mit SachbeschÀdigung. Schaufenster wurden mit Wasserglas angestrichen und Schlösser mit Superkleber unbrauchbar gemacht.
Auch gegen die ersten PornolÀden wurden Àhnliche Manöver veranstaltet.

Frauenpatrouille:
Nachdem es Ende der achtiger Jahre öfters vorgekommen war, dass Frauen, die aus dem Frauenzentrum nachhause gingen, verfolgt wurden und es zwei Vergewaltigungen in diesem Zusammenhang gegeben hatte, kam es zur GrĂŒndung einer Schutztruppe fĂŒr Frauen, die sich "Frauenpatrouille" nannte. Sie sorgte dafĂŒr, dass Frauen nachts sicher nachhause kamen.
Nach dem Motto "Big Sister is Watching You" patroullierte die Truppe durch ganz Wien und hinterließ besprĂŒhte WĂ€nde mit Drohungen an potentielle Vergewaltiger.

Außerhalb von Österreich griffen Frauen zu weit hĂ€rteren Methoden. Ob ihre Aktionen legel oder nicht waren, ein klammheimliches schadenfreudiges LĂ€cheln vieler Geschlechtsgenossinnen ist ihnen sicher.

Frankfurt, 1975: Rund 50 militante Aktionistinnen stĂŒrmten eine Kinovorstellung des Films "Die Geschichte der O." und warfen SchweineschwĂ€nze ins Publikum und vergossen ButtersĂ€ure im Kinosaal. Nach Polizeiangaben konnten die Frauen nicht identifiziert werden.
Als das Überfallkommando eintraf, waren die Frauen verschwunden.

Berlin, 1976: "Feminismus schwach auf der Brust" lautete die Headline einer Zeitung. Aus Protest mauerten Frauen in der Nacht die TĂŒr zum Verlagshaus zu.

Berlin,1984: Die Vergewaltigung und Ermordung von Susanne Matters löst in der ganzen Stadt Proteste aus. Überall fanden sich eingeschmissene Scheiben von Sexshops. Viertausend Frauen zogen durch die Stadt, verprĂŒgelten MĂ€nner oder Polizisten, und warfen Steine.

Mexico City, 1984: Mit Ketten, Flaschen und Stöcken ausgerĂŒstet, mobilisieren sich MĂ€dchenbanden gegen Vergewaltiger. Die Banden bestehen aus zehn bis hundert MĂ€dchen und nennen sich "Las Caspadoras" - "Die Kastrateusen".

Heute sind solche Aktionen dem Anschein nach eingeschlafen. Von feministischen Theoretikerinnen wird diese Tatsache hĂ€ufig damit erklĂ€rt, dass Frauenpolitik seit den achtziger Jahren mehr und mehr institutionalisiert, also in die staatliche Politik eingebunden wurde. Zum Beispiel gibt es in Österreich seither ein Frauenministerium, oder auch Gleichbehandlungsstellen an UniversitĂ€ten. Das Verschwinden von aktionistischen Widerstandsformen wird also mit den sg. "kleinen Erfolgen" der Frauenbewegung erklĂ€rt.
Außerdem hatte Gewalt als Mittel des Widerstands von jeher einen schweren Stand in der Frauenbewegung.

Die Rote Zora:
Die Rote Zora war die einzige sich feministisch nennende Guerillia, die sich bewußt in einen feministischen Kontext stellte, und dort als bewaffnete Tendenz mit einer bemerkenswerten KontinuitĂ€t wirkte.
Seit Mitte der siebziger Jahre bis heute verĂŒbte sie AnschlĂ€ge und setzte Aktionen mit ganz unterschiedlichem Niveau, das vom Verteilten von gefĂ€lschtne Fahrscheinen fĂŒr die U - Bahn bis hin zu AnschlĂ€gen auf Siemens oder Ă€hnliche Firmen reicht.
"Frauen erhebt euch und die Welt erlebt euch" - unter diesem Motto zĂŒndete die Rote Zora 1974 ihre erste Bombe. In der ganzen BRD demonstrierten damals Frauen gegen den Abtreibungsparagraphen 218. Die Regierung ignorierte jedoch ihre Forderungen, den Paragraphen zu streichen. Daraufhin startete die Rote Zora ihre erste terroristische Aktion.
Drei Jahre spĂ€ter löste derselbe Konflikt eine weitere Aktion der Roten Zora aus. Diesmal zĂŒndete die Gruppe einen Sprengsatz vor der BundesĂ€rztekammer.
In Folge richtete sie ihren Zorn verstĂ€rkt gegen FrauenhĂ€ndler und die Pornoindustrie. Sie plĂŒnderte Sexshops oder steckte sie in Brand.
Ab 1985 erfolgten vor allem AnschlÀge gegen Forschungszentren der Gen - und Reproduktionstechnik. Die Rote Zora setzte ihre Archive in Brand, endwendete zahlreiche Akten und veröffentlichte sie.
Internationale Reaktionen löste die Rote Zora 1987 mit einer großflĂ€chig organisierten Anschlagserie gegen den Bekleidungskonzern Adler aus: Adler beschĂ€ftgte in SĂŒdkorea tausende Arbeiterinnen zu Billiglöhnen und ohne gewerkschaftlichen Schutz. 1600 der sĂŒdkoreanischen Arbeiterinnen stiegen deshalb auf die Barrikaden und protestierten gegen die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen. Die Firmenleitung ging mit MilitĂ€rtrupps und SchlĂ€gertrupps gegen die Streikenden vor. Etliche Frauen wurden verhaftet und viele entlassen. Die Rote Zora unterstĂŒtzte den Kampf dieser Arbeiterinnen solidarisch. BrandanschlĂ€ge auf Verkaufs - und LagerrĂ€ume der Bekleidungs - AG in Deutschland zerstörten ihr buntes Versandhausimage in der Öffentlichkeit. Nach dem neunten Brandanschlag der Roten Zora entschloß sich die Firma Adler, auf die Forderungen der Roten Zora einzugehen und verlautbarte in einer Aussendung: "Wir beugen uns der Gewalt:"
Die letzte öffentliche Aktion der Roten Zora war 1995. Bis heute, mehr als 20 Jahre nach dem ersten Anschlag, kann die Polizei keine Fahdungserfolge gegen sie verbuchen. Alles, was man ĂŒber die Organisation, die Zusammensetzung der Gruppe, ihre Ziele und Inhalte weiß, spielten sie selbst der Öffentlichkeit zu. In Bekennerinnenbriefen, Manifesten und anonymen Interviews legitimiert und begrĂŒndet sie ihre terroristischen Aktionen: "Die Frauenbewegung hat zwar auf dem legalen Wege einiges erreicht. Aber zu einer grundsĂ€tzlichen Änderung der Lebenssituation der Frauen hat das nicht gefĂŒhrt."
Von einer revolutionĂ€ren Moral zu sprechen, klingt seltsam angesichts der Aktionen der Roten Zora. Bei ihren AnschlĂ€gen pflegte sie jedoch einen deutlichen Unterschied zwischen Sach - und PersonenbeschĂ€digung zu machen. Menschen kamen bei ihren AnschlĂ€gen nie zu Schaden. Bevorzugte Ziele waren Autos, GeschĂ€fte nach Ladenschluß oder GebĂ€ude, die an Wochenenden leerstehen. Viele Aktionen hat die Rote Zora wieder verworfen, weil die GefĂ€hrdung Unbeteiligter nicht auszuschließen war.
Der ĂŒberwiegende Teil der Frauenbewegung hielt Abstand von jeglicher Sympathiebekundung mit der Roten Zora, um nicht in die NĂ€he der terroristischen Szene gerĂŒckt, von der Presse als solche diffamiert oder vom Staatsapparat verfolgt zu werden. In den siebziger und achtziger Jahren war das politische Klima in der BRD durch die terroristische Szene, wie etwa die RAF oder die "Bewegung des 2. Juni" stark aufgeheizt. Zudem zeichneten sich diese terroristischen Vereinigungen durch einen auffallend hohen Frauenanteil aus. Zwei Drittel der Terroristinnen waren Frauen. Das brachte wiederum die an sich friedliche Frauenbewegung in den Verruf der Sympatisantenschaft mit dem Terror und löste wilde Vorurteile aus.

Mit der fortschreitenden staatlichen Einbindung von Frauenpolitik wurden militante Widerstandsformen wie die Rote Zora innerhalb der feministischen Bewegug zunehmend marginalisiert.




















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