Gottfried Keller

Gottfried Keller - Biografie:

Weltoffen, heiter - sinnenfreudig, humorvoll und doch in tiefem sittlichen Ernst hat der Schweizer Gottfried Keller das Leben angeschaut und dargestellt. Er hatte das Auge Goethes und auch dessen Freude am tätigen Auf - der - Welt - sein, war aber kein Nachahmer des grossen Klassikers, sondern ein ganz eigenwüchsiger Gestalter heimatlichen Menschentums.

Gottfried Keller wurde am 19. Juli 1819 in Gladfeld bei Zürich geboren. Bereits 1824 starb sein Vater, der Drechslermeister Hans - Rudolf Keller. Nach zwei Jahren heiratete die Mutter Elisabeth, geb. Scheuchzer, erneut; was folgte, war eine unglückliche Ehe, die 1834 wieder geschieden wurde.
In der "Jugendgeschichte" des Grünen Heinrich verschwieg Keller diese Tatsache, ebenso die Existenz seiner Schwester Regula; ansonsten aber liefert die "Jugendgeschichte" ein authentisches Bild seiner, wie er schrieb, "eigentlichen Kindheit, sogar das Anekdotische darin" sei "so gut wie wahr".
Von 1825 bis 1831 besuchte er die Armenschule, dann das Landknabeninstitut auf der Stüssihofstatt, ab 1833 die kantonale Industrieschule, von der er im Juli 1834 wegen eines Schülerstreiches verwiesen wurde.

Eine gewisse Begabung zur Malerei brachte ihn auf die Idee Landschaftsmaler zu werden. Es schloß sich eine kurze Lehre beim Lithographen und Vedutenmaler Peter Steiger an, dem "Habersaat" des Grünen Heinrich, von November 1837 bis März 1838 erhielt er bezahlten Unterricht vom Kunstmaler Rudolf Meyer, dem "Römer" des Romans. Im April 1840 reiste er zur weiteren künstlerischen Ausbildung nach München. Dort stellte er, nachdem er sich mit einem ganz lebensfremden, romantischen Riesengemälde abgeplagt hatte, fest, dass er auf dem falschen Wege war. Daraufhin kehrte er im November 1842 nach diesem ergebnislosem Aufenthalt nach Zürich zurück.

Dort hatte er zwei Liebesaffären, die gleichermaßen enttäuschend verliefen; die Frauen, Marie Melos und Luise Rieter, konnten dem kleingewachsenen, nur 1,50 Meter großen Keller nicht die rechte Zuneigung entgegenbringen.

Eine scheinbar vertane Jugend. Keller hatte keine konkreten Pläne, er "vegetierte den Winter hindurch ziemlich langweilig und elend". Bis 1848 wohnte er nun bei seiner Mutter; dort lebte er noch immer - abgesehen von den Honoraren für die Publikationen - vom Geld seiner Mutter. Zum Malen hatte er nur wenig Lust, eher zufällig versuchte er sich als Dichter:

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"Ich habe nun einmal großen Drang zum Dichten; warum sollte ich nicht probieren, was an der Sache ist?"
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Er schrieb Gedichte, politische Tageslyrik in der Nachfolge Herweghs und Freiligraths, beteiligte sich aber auch an den Freischarenzügen gegen Luzern (Oktober 1844 und März 1845), wo es wegen der Jesuitenfrage zu offenen Kämpfen zwischen der konservativen Regierung und der radikalen Opposition gekommen war. Keller gefiel sich als radikaler Demokrat, der alles Konservative mit glühendem Haß belegte.
1845 erschienen im Deutschen Taschenbuch von Julius Fröbel erste Gedichte, 1846 kam in Heidelberg sein Band Gedichte heraus.


Diese Abwendung von der Kunst, war sogleich auch die Abkehr von aller Romantik, als liebevolles Umfassen der alltäglichen Wirklichkeit.

Sein erste wahre dichterische Leistung waren die "Gesammelten Gedichte". Diese waren heftig tendentziöse Streitlieder, mit denen er den Kampf der linksgerichteten Liberalen seiner Heimat unterstüzte.

Nachdem die Liberalen in Zürich die Regierung übernommen hatten, machte der Staat das frühere Schul - Unrecht an ihm wieder gut. Er durfte 1848 als Stipendiaten zum Studium nach Heidelberg gehen. Dort wirkte der Philosoph Ludwig Feuerbach mit Vorträgen. Es war das Jahr der deutschen Revolution. Keller war überwältigt von dessen philosophischen Vorlesungen:

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"Ich werde tabula rasa machen - mit allen meinen bisherigen religiösen Vorstellungen, bis ich auf dem Feuerbachschen Niveau bin. Die Welt ist eine Republik, und erträgt weder einen absoluten, noch einen konstitutionellen Gott" Ein Jahr später war der Taumel einer nüchternen Beurteilung gewichen: "Als ich Gott und Unsterblichkeit entsagte, glaubte ich zuerst, ich würde ein besserer und strengerer Mensch werden, ich bin aber weder besser noch schlechter geworden, sondern ganz, im Guten wie im Schlimmen, der Alte geblieben"
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Unter seinem Einfluss bildete Keller seine Weltanschauung. Dabei war ihm wichtig, dass er den Glauben an eine persönliche Unsterblichkeit nach dem Tode ablehnte. Diese Folgerung war für seine weitere Entwicklung als Dichter entscheidend. Da es kein besseres Leben nach dem Tode zu erhoffen gibt, muss er mit allen Kräften seines Herzens diese Welt und dieses Leben in Ehrfurcht lieben und durch Menschlichkeit veredeln. So seine Meinung. Alle Schönheit des Irdischen soll er dankbar und ergriffen in seine Seele aufnehmen:

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Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, Von dem goldenen Überfluss der Welt!
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Ähnliches Pech, wie mit seiner ersten Liebe hatte er 1849 in Heidelberg mit Johanna Kopp und später in Berlin mit Betty Tendering.

Ein weiteres Stipendium des Kantons Zürich ermöglichte Keller, 1850 nach Berlin zu gehen. Die Stadt selbst mochte er nicht:

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"Es gibt auch keinen besseren Bußort und Korrektionsanstalt als Berlin, und es hat mir vollkommen den Dienst eines pennsylvanischen Zellengefängnisses geleistet, so dass ich in mich ging und mich während dieser ausgesucht hundsföttischen Jahre zu besseren Dingen würdig machte; denn wer dergleichen anstrebt oder sonst kein Esel ist, der befindet sich hier vollkommen ungestört und sich selbst überlassen."
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Er verkehrte in den literarischen Salons der Fanny Lewald und Varnhagen von Enses, ansonsten aber war er geradezu manisch produktiv: Er schrieb den Grünen Heinrich, die erste Fassung des Apotheker von Chamounix und den ersten Band der Leute von Seldwyla; darüberhinaus plante er bereits das Sinngedicht, die Sieben Legenden, den zweiten Band der Leute von Seldwyla und auch eine der Züricher Novellen.

Schliesslich vollendete er 1855 seinen umfangreichen Bildungsroman "Der grüne Heinrich". Dieses Buch erzählt, mit einigen dichterischen Freiheiten, von seiner Kindheits - und Jungendgeschichte. Der überquellende Reichtum dieses anschaulichen Lebens und den klugen Gedanken rief bald allgemeine Bewunderung hervor und machte ihn als Dichter bekannt.

Im Dezember deselben Jahres kehrte er nach Zürich zurück, um, wie er sich vornahm:

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"Eine ordentliche und geregelte Industrie zu betreiben. Rohstoff hat sich genug angesammelt während der sieben Jahre in der Wüste".
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Aus dem Vorsatz aber wurde nichts. Er wohnte wieder bei seiner Mutter und seiner Schwester. In der ersten Zeit hatte er Umgang mit Friedrich Theodor Fischer, Richard Wagner und Gottfried Semper, bald aber fiel er in eine schwere depressive Phase und Schaffenskrise:

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"Ich habe wochenlang nicht nur kein Wort geschrieben, sondern auch keines gesprochen, denn der Mensch denkt und Gott lenkt, und man kann sein inneres Geschick oder Ungeschick nicht zum voraus bestimmen wie einen Fakturzettel."
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Ein Jahr später liess er dem Erfolg des grünen Heinrichs, den ersten Band seiner Novellensammlung "Die Leute von Seldwyla" folgen. Seldwyla ist ein erfundener Ortsname. In diesem Ort siedelt Keller die Helden seiner Geschichten an. Unter diesen insgesamt zehn Novellen, befinden sich nebst "Die missbrauchten Liebesbriefe" auch zwei besondere Kostbarkeiten:

"Romeo und Julia auf dem Dorfe", dessen Titel nach Shakespeare ist. Dieses Buch erzählt die Geschichte eines jungen Liebespaares. Zwei befreundete Bauern geraten wegen eines herrenlosen, zwischen Äckern liegenden Feldes in Streit, der in tödliche Feindschaft ausartet. Aber Sali und Vrenchen, ihre Kinder, lieben einander, und in der Ausweglosigkeit ihrer Leidenschaft suchen sie am Ende ihre Vereinigung im Tode.

"Kleider machen Leute". Diese Novelle erzählt das Schicksal eines armen jungen Schneiders, der mit einem besonders vornehmen Anzug durch die Welt läuft und dadurch für einen polnischen Grafen gehalten wird. Dies verschafft dem Hungernden Wohlleben und gesellschaftliches Ansehen. Doch wird er bald entlarvt und ausgestossen. Nur eine hat nicht seine Kleider verehrt, sondern den Menschen geliebt. Diese bittet um ihn mit ihrer Hand und schenkt ihm eine bürgerliche Stellung.

Im Jahre 1861 erhielt Keller ein hohes Amt in der Zürcher Regierung, er wurde Staatsschreiber. Da er sich mit Eifer dieser Tätigkeit widmete, verstummte seine Dichtung für einige Zeit. Nach Aufgabe seines Amtes, kam für Keller eine neue Schaffenszeit.

Einen tragischen Ausgang nahm seine 1866 geschlossene Verlobung mit Luise Scheidegger, einer schwermütigen Frau, die noch im gleichen Jahr, als sie durch Schmähartikel von Kellers nicht ganz solidem Lebenswandel erfuhr, Selbstmord beging. Bereits 1864 war Kellers Mutter gestorben, seine Schwester führte ihm nun alleine den Haushalt.
Mit großem Pomp beging die Stadt Zürich 1869 Kellers 50. Geburtstag, die Universität verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. Die Ehrung galt dabei keineswegs dem im deutschsprachigen Raum noch immer relativ unbekannten Prosaisten, sondern dem schweizerischen Patrioten und Liederdichter.

Bald darauf erschienen 1872 seine "Sieben Legenden", deren Humor darin besteht, dass die Heiligen die Erde mehr lieben als den Himmel. Fünf Jahre später folgten die Züricher Novellen, welche fünf Erzählungen zusammenfassen. Darunter "Hadlaub", eine Liebesgeschichte aus dem Mittelalter, die in der Entstehung einer Minnesänger - Handschrift eine Rolle spielt, und "Das Fähnlein der sieben Aufrechten", worin Keller staatsbürgerliche Tüchtigkeit und Gemeinschaftssinn über Egoismus siegen und ein junges Paar sein Glück erringen lässt. Dadurch wurde Keller über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt. Sein Ruhm wuchs und die Auflage seiner bis dahin eher erfolglosen Bücher stieg.

Darauf folgte 1884 "Das Sinngedicht", das eine Fülle kleinerer Novellen in einer romanartigen Rahmengeschichte, in denen es auch um die Frage des richtigen Liebens geht. Ein junger Wissenschaftler, der sich gerne verheiraten möchte, hat ein "Sinngedicht" des Barocklyrikers Logau gelesen:

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"Wie willst du weisse Lilien zu roten Rosen machen? Küss eine weisse Galatee: sie wird errötend lachen."
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Dies beschliesst der junge Mann zu erproben. Jedoch ist es nicht leicht eine zu finden, die beides vereinigt: Das Lachen als Zeichen der Lebensfreude und des Glücks, und das Erröten als Zeichen der Sittsamkeit und des Schams. Es gelingt ihm dennoch, die Rechte heimzuführen.

Der zweite und letzte Roman Kellers, "Martin Salander", der 1886 erschien, erzählt vom seltsamen Schicksals eines Mannes, dem zweimal im Leben das gleiche Unglück zustösst. Dieser verliert durch eine leichtsinnig übernommene Bürgschaft sein Vermögen, geht nach Brasilien, kehrt nach sieben Jahren reich zurück, verliert abermals sein Geld, zieht wieder aus, um dann glücklicher heimzukommen und Anteil an der inzwischen eingeleiteten hochkapitalistischen Wirtschaftsentwicklung zu nehmen. Der Roman greift mit seinem Stoff bereits in die moderne Industriezeit hinein.

Abgesehen von wenigen Freundschaften - zu Adolf Exner, zu Wilhelm Petersen, zu Paul Heyse, später zu Arnold Böcklin und zu Theodor Storm, mit dem er brieflich verkehrte - vereinsamte Keller in seinen späten Jahren zunehmend. Er - "ein kleiner dicker Kerl", der abends 9 Uhr ins Wirtshaus und um Mitternacht zu Bett geht als alter Junggeselle" - führte mit seiner Schwester Regula ein eher abgeschiedenes Leben.

1888 starb die Schwester, zu Beginn des Jahres 1890 wurde er bettlägrig. Nach sechsmonatiger Krankheit starb Gottfried Keller am 15. Juli 1890 in Zürich.

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