Karl-Alois Schenzinger

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zur Person und dem literarischen Auftreten Schenzingers

2.1 Biographie des Autors

2.1.1 Kindheit - Lehre - Studium - Beruf

2.1.2 Emigration in die USA

2.1.3 Politische Aktivitäten in den 30er Jahren

2.1.4 Erfahrungen im Zuge der Entnazifizierung

2.1.5 Zurückgezogenes Leben im niederbayerischen Raum

2.2 Kennzeichnung seiner literarischen Werke

2.2.1 Erfolglose Frühzeit mit expressionistischen Dramen

2.2.2 Steigerung seines Bekanntheitsgrades über Illustriertenromane

2.2.3 Politisch motivierte Schriften der frühen 30er Jahre

2.2.4 Großer Erfolg mit populärwissenschaftlichen Romanen

3 Theoretische Grundlagen und praktische Umsetzung der "politischen Jugendschrift"

3.1 Theoretische Aspekte

3.1.1 Jugendpolitik der NSDAP

3.1.2 Erziehung im NS-Staat

3.1.3 Gleichschaltung des Komplexes Jugendliteratur

3.1.4 Grundlagen des nationalsozialistischen Erziehungswesens

3.1.5 Funktion, Wirkung und Inhalte der "politischen Jugendschrift"

3.2 Praktische Umsetzung der Theorie in Karl-Alois Schenzingers "Hitlerjunge Quex"

3.2.1 Entstehungsgeschichte des Romans

3.2.2 Inhaltsangabe

3.2.3 Gattungstypische Merkmale

4 Der "Hitlerjunge Quex" als parteihöriger Spielfilm

4.1 Gleichschaltung der Prüfungsinstitutionen für das Medium Film

4.2 Welturaufführung des Films in München

4.3 Symbolkraft von Fahnen und Liedern

4.4 Nutzung modernster Filmtechnik

5 "Links wo das Herz ist": Exilliteratur des Leonhard Frank

5.1 Kennzeichnung des Autors Leonhard Frank

5.2 Inhaltsangabe

5.2.1 Not und Demütigungen während seiner Kindheit

5.2.2 Selbstfindungsprozeß in München

5.2.3 Neubeginn als Schriftsteller in Berlin

5.2.4 Erfahrungen mit dem 1. Weltkrieg und der Weimarer Republik

5.2.5 Erfahrungen im Exil

5.2.6 Begegnung mit seiner "Traumfrau"

5.2.7 Rückkehr nach Deutschland

6 Analyse von Karl-Alois Schenzingers zweitem politischen Roman "Der Herrgottsbacher Schülermarsch"

6.1 Vorstellung der Hauptcharaktere

6.2 Inhaltsangabe

6.2.1 Scheinablehnung des Nationalsozialismus seitens der Herrgottsbacher

6.2.2 Aufstand der HJ

6.2.3 Auswirkungen des politischen Machtwechsels auf Herrgottsbach

6.2.4 Begeisterung für die Fliegerei

6.3 Führerkult um Otto Dobel

6.3.1 Ausnahmestellung Otto Dobels

6.3.2 Otto Dobel als Anführer der HJ

6.4 Bedeutung der Fliegerei

6.4.1 Allgemeine Beliebtheit von Fliegerromanen

6.4.2 Jugendliche geeint in Fliegerbegeisterung

7 Vergleichende Interpretation

7.1 Leonhard Frank und Karl-Alois Schenzinger als Träger unvereinbarer Lebenseinstellungen

7.2 Gegensätzlichkeit bei der Bewertung und der Auswirkungen geschichtlicher Ereignisse

7.3 Gegensätzlichkeit der Lehrergestalt

8 Schlußbemerkung: Wachsende Begeisterung für die Fliegerei in Neu-Ulm

9 Quellennachweis

10 Literaturverzeichnis

11 Anhang

Einleitung

"Keiner nahm von ihm in Neu-Ulm irgendeine Notiz". So überschreibt Eduard Ohm jun. seinen, in der NUZ im Rahmen der Serie "Neu-Ulmer Geschichten" erschienenen Artikel über Karl-Alois Schenzinger.

Obwohl der Bestsellerautor Schenzinger neben Persönlichkeiten wie dem Fliegerpionier Hermann Köhl, dem Mitbegründer der Deutschen Verfassung Ottmar Kollmann, oder dem Künstler Edwin Scharff wohl zu den bedeutendsten "Söhnen der Stadt" zählt, schenken ihm die Neu-Ulmer Bürger kaum Beachtung. Lediglich eine kleine Gedenktafel der Metall-Innung Neu-Ulm an Schenzingers Geburtshaus, Augsburger Straße 10, erinnert heute noch an ihn. Diese kleine Aufmerksamkeit kann einem Vergleich mit Institutionen wie dem "Edwin-Scharff-Haus" oder der "Hermann Köhl Schule" wohl kaum standhalten.

Dabei kann der mittlerweile verstorbene Schriftsteller nun wirklich auf ein bewegtes Leben als "Weltenbummler, Forscher, Filmproduzent" zurückblicken.

Auch pflegte er immer einen engen Kontakt zu seiner Heimatstadt, die er mehrmals besuchte. Besonders angetan war er vom Ulmer Münster, dessen Architektur und Atmosphäre ihn faszinierten.

Vielleicht sind es seine politisch motivierten Schriften der frühen 30er Jahre, die mit ihrer nationalsozialistischen Attitüde nach dem Krieg verpönt waren, die die Schuld an dem Verdrängungsprozeß der Neu-Ulmer gegenüber seiner Person tragen. Mich haben die "braunen Flecke" in seiner Vergangenheit aber nicht gehindert, das Leben und Wirken des Neu-Ulmer Autors etwas näher zu beleuchten.

Zur Person und dem literarischen Auftreten Schenzingers

Biographie des Autors

Kindheit - Lehre - Studium - Beruf

Karl-Alois Schenzinger wurde am 28. Mai 1886 als Sohn des Steueruntersuchungs-Assistenten Karl August Schenzinger in Neu-Ulm geboren. Bereits zwei Jahre später zog die Familie nach Ravensburg. In dieser Stadt besuchte Schenz, wie ihn seine Freunde riefen, das Gymnasium und trat nach seiner Schulzeit eine Apothekerlehre an. Die Jahre 1908-1913 verbrachte Schenzinger als Medizinstudent. Er besuchte die Universitäten in Freiburg im Breisgau, München und Kiel und promovierte schließlich mit einer Untersuchung über "Abnorme Hormone bei der Schizophrenie".

Den 1. Weltkrieg erlebte der damals 28-Jährige als Sanitätsoffizier. Nach dem Krieg ging Schenzinger nach Hannover, wo seinem Interesse an der Literatur vielfältige Ausdrucksformen und Anwendungsbereiche offenstanden. So wurde er zum Beispiel zu einem der Mitbegründer der Kästner-Bühne in Hannover. Mit dem 1921 bei Rohwolt verlegten Drama Berggang, trat Karl-Alois Schenzinger erstmals als Autor in Erscheinung. Als ihm die Stelle eines Medizinalrates angeboten wurde, nahm Schenzinger, der nichts mehr fürchtete als dass sein Leben zur vorhersehbaren Routineangelegenheit reduziert werden könnte, von heute auf morgen Reißaus.

Emigration in die USA

Mit 300 Dollar und einigen Perserteppichen im Gepäck, aber ohne ein Wort englisch zu sprechen, schiffte er sich am 13. Oktober 1923 auf einem Emigrantendampfer nach New York ein. Dort angekommen arbeitete sich Schenzinger vom Hausmeister bis zum Nachtambulanz-Arzt hoch. Nebenbei verfaßte er zwei surrealistische Dramen, die Kiepenheuer später verlegte, und erstand außerdem eine Filmkamera.

Die Vision vor Augen, eines Tages mit der großen Fox Film Company konkurrieren zu können, gründete Schenzinger die "West Star Film Company", die er ganz allein unterhielt. Dabei scheute er auch gefährliche Manöver, wie zum Beispiel die Aufnahme des Zeppelins "Los Angeles" von stürmischer See aus, nicht. Doch der Mut und Einsatzwille des frischgebackenen Filmproduzenten wurden nicht belohnt. Als Schenzinger seine Aufnahmen im heimischen Deutschland verkaufen wollte, fielen diese einem Brand im Schneideraum der Berliner Filmagentur "Terra" zum Opfer.

Dermaßen vom Pech verfolgt, begrub er seine Ambitionen als Filmemacher und wurde 1925 in Wedding, einem Arbeiterstadtteil Berlins, seßhaft. Hier widmete sich Schenzinger wieder seinen literarischen Fähigkeiten. Seinen ersten großen Erfolg als Schriftsteller feierte er 1928 mit seinem Abenteuerroman Abitur am Niagara, der von der Frankfurter Illustrierten für ein Honorar von 6000 Mark abgedruckt wurde. Daraufhin kündigte Schenzinger seine Anstellung als Kassenarzt und trat im Auftrag seines Verlages eine Weltreise an, die ihn durch Kanada, die USA und den Südsee-Raum führte. Die Eindrücke dieser Reise hielt er in drei Illustriertenromanen fest.

Politische Aktivitäten in den 30er Jahren

Die Erfahrungen mit dem Proletariat und dessen Polarisierung in links- und, vor allem, rechtsextreme Gruppen, die Schenzingers früherer Beruf mit sich brachte, beeinflußten seine Literatur fortan maßgeblich.

Als er 1931 vom damaligen Reichsjugendführer Baldur von Schirach den Auftrag erhielt, einen Propagandaroman für die Hitlerjugend zu erstellen, verfaßte der von der nationalsozialistischen Ideologie erfaßte Schenzinger den Hitlerjunge Quex. Dieser Roman, in den er seine Milieukenntnisse der Berliner Arbeiterschaft voll einbrachte, avancierte zum bekanntesten Jugendbuch der 30er Jahre und wurde 1933 sogar von der Ufa verfilmt. Darüber hinaus formulierte er einige Reden für den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels.

"Schenzinger, der in die NS-Bewegung zunächst politische und soziale Hoffnungen gesetzt hatte", ließ ab 1935 von der politischen Literatur ab und befaßte sich mit naturwissenschaftlich-technischen Themen. Der 1936 erschienene Roman Anilin erzielte, genau wie das 3 Jahre später veröffentlichte Metall, Millionenauflagen, die Schenzinger zum Bestseller-Autor und zum Begründer des populärwissenschaftlichen Journalismus machten.

Erfahrungen im Zuge der Entnazifizierung

Im 2. Weltkrieg diente Schenzinger als Arzt bei der deutschen Luftwaffe in Wien. Hier lernte er auch seine spätere Frau Gertraud kennen, die 30 Jahre jünger ist als er selbst. Noch während des Krieges heirateten die beiden am 27.5.1944 in der österreichischen Donaustadt und zweieinhalb Jahre später kam ihr Sohn Axel auf die Welt, der aber ein Einzelkind bleiben sollte.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der vielgelobte Schriftsteller von seiner politischen Vergangenheit eingeholt. Die Amerikaner deckten im Rahmen der Entnazifizierung, seine Sympathien zum Nationalsozialismus der frühen 30er Jahre auf und sperrten ihn in das Lager Mauerkirchen. Der Autor musste sich 1947 vor der Landauer Spruchkammer verantworten, wurde aber lediglich als Mitläufer eingestuft. Obwohl man intensiv nach "tiefbraunen Flecken auf seiner Weste fahndete", kam Schenzinger, der nie Mitglied der NSDAP war, mit einer Geldstrafe von 80 RM davon.

Zurückgezogenes Leben im niederbayerischen Raum

Nach dem Krieg trat der mittlerweile 59-Jährige eine Doktorenstelle in Niederbayern an. Wenige Jahre später praktizierte er an der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen bei Deggendorf, wo er 1950 seine eigene Arztpraxis eröffnete. Ab 1951 lebte Schenzinger mit seiner Frau Gertraud in Prien am Chiemsee, wo er versunken in seine literarischen Arbeiten noch viele erfolgreiche Sachbücher schrieb. Vor allem der bereits 1950 erschienene Roman Atom knüpfte sowohl vom Inhalt, als auch vom Erfolg, nahtlos an die Bestseller vor dem Krieg an. Am 4.7.1962 erlag Karl-Alois Schenzinger nach einem bewegten Leben, in dem er viele Höhen und Tiefen durchgestanden hatte, im Alter von 76 Jahren einem Herzschlag. Seine Frau, mittlerweile wieder verheiratet, lebt noch heute in Prien am Chiemsee.

Kennzeichnung seiner literarischen Werke

Nun möchte ich genauer auf Schenzingers literarische Werke eingehen, die den Lesern immer einen Spiegel der aktuellen Ereignisse und dem Zeitgeist vorhielten.

Erfolglose Frühzeit mit expressionistischen Dramen

So war sein frühes Schaffen stark von den Auswirkungen des 1. Weltkriegs geprägt. Von den Literaten der Zeit noch als "reinigendes Gewitter" herbeigesehnt, entpuppte er sich als gnadenloser und verlustreicher Stellungskrieg, der das Leben von 1,8 Millionen deutschen Soldaten forderte. Viele Familien verloren ihre Väter oder Söhne; Deutschland war von den harten Friedensbestimmungen im Versailler Vertrag und den finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen gezeichnet. In dieses Gefühl der Ohnmacht fiel die erste literarische Veröffentlichung Schenzingers, das expressionistische Drama Berggang. Er fand in Rohwolt zwar einen Verleger für dieses Werk, bei den Lesern erlangte es aber nur wenig Beachtung. Auch seine in den USA entstandenen Dramen Aß! Aß! Aß! und "+++" fanden keinen Anklang bei der Öffentlichkeit.

Steigerung seines Bekanntheitsgrades über Illustriertenromane

Erst nach seiner Rückkehr aus Übersee stellte sich der literarische Erfolg langsam ein. Sein 1928 erschienener Abenteuerroman Abitur am Niagara, wurde als Vorabdruck in der "Frankfurter Illustrierten" veröffentlicht und brachte die gewünschte Resonanz bei der Leserschaft. Nachdem Schenzinger für diese Zeitschrift drei weitere, impressionistische Illustriertenromane geschrieben hatte, gelang ihm, vor dem Hintergrund der zunehmend radikaler werdenden Arbeitergruppen und des immer stärker aufkommenden Nationalsozialismus, der Durchbruch als Schriftsteller.

Politisch motivierte Schriften der frühen 30er Jahre

Seine politischen Schriften, vor allem die sozialen Romane Der Hitlerjunge Quex von 1932 und Der Herrgottsbacher Schülermarsch, auf die später noch näher eingegangen wird, trafen mit ihrer nationalsozialistischen Attitüde genau den Puls der Zeit. Auch Busse wandert aus oder Wehe den Wehrlosen gingen in die gleiche Richtung. Er fertigte sogar einige Reden für den hohen Nazi-Politiker Joseph Goebbels an, was sein politisches Engagement für die NS-Ideologie nachdrücklich unterstreicht.

Großer Erfolg mit populärwissenschaftlichen Romanen

Aber bereits 1935, also zwei Jahre nach dem Machtantritt der Nazis, ließ Schenzinger von der politischen Literatur ab und stellte fortan naturwissenschaftlich-technische Sachverhalte in den Mittelpunkt seiner Romane. So entstand 1936 Anilin, Schenzingers erste Veröffentlichung unter dem neuen Genre, in dem er seine Fähigkeit, Entwicklungen und Errungenschaften der deutschen Industrie in spannender und verständlicher Sprache darzustellen, eindrucksvoll demonstrierte. Anilin, das mit einer Gesamtauflage von 3 Millionen Exemplaren zu den meistgelesenen Büchern überhaupt zählt, behandelt den Werdegang der deutschen Farbstoffchemie im 19. und 20. Jahrhundert. Der Autor spannt darin einen Bogen von den ersten Versuchen mit Steinkohleteer bis hin zu den großen Chemiekonzernen unserer Zeit. Drei Jahre später folgte Metall, in dem Schenzinger den Kampf der internationalen Forschung beschreibt, der die Grundlagen für moderne technische Errungenschaften wie z.B. das Automobil oder die Elektrizität gelegt hat.

Und auch nach dem Krieg wurde Schenzinger seinem Ruf als Bestseller-Autor gerecht, denn auch das 1950 erschienene Atom, das den Ursprung, den Verlauf und die bisherigen Ergebnisse der Atomphysik thematisiert, erreichte eine astronomische Auflagenzahl von annähernd 3 Millionen.

Auch nach der Öffnung seiner eigenen Arztpraxis, fand Schenzinger Zeit für die Schriftstellerei und erhöhte die Bandbreite seiner populärwissenschaftlichen Romane in fast jährlichem Abstand. Mit Veröffentlichungen wie Schnelldampfer, Bei IG Farben, 99% Wasser oder Magie der lebenden Zelle, rundete Schenzinger sein Gesamtwerk umfassend ab.

In den letzten Jahren seines Lebens beschäftigte sich "Deutschlands Sachbuchautor Nummer eins" noch mit dem Biographieren deutscher Wirtschaftsgrößen. In Zusammenarbeit mit Heiner Simon und Anton Zischka dokumentierte er das Leben des Ingenieurs Heinrich Nordhoff, und später lieferte er noch eine Lebensbeschreibung von Carl F.W. Borgward, einem bedeutenden Automobil- und Motorenproduzenten.

Schenzingers Romane, die ihren literarischen Wert aus der gelungenen Synthese von spannendem Roman und fundiertem Sachbuch ziehen, wurden schnell über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt und in nahezu alle europäischen Fremdsprachen übersetzt.

Theoretische Grundlagen und praktische Umsetzung der "politischen Jugendschrift"

Theoretische Aspekte

Jugendpolitik der NSDAP

"Die Faschisten, unsere erbittertsten Gegner, wissen sehr gut, wie wichtig die politische Beeinflussung der Kinder ist. Nicht bloß in der Schule und in der Hitlerjugend, vor allem durch eine reichhaltige Kinderliteratur, durch Zeitschriften und Bücher, nehmen sie einen außerordentlich starken Einfluß auf den Nachwuchs." Wie Alex Wedding, eine der wichtigsten Autoren antifaschistischer Jugendliteratur ganz richtig erkannte, hat die Propaganda der NSDAP die Beeinflussung der Jugend als wichtigen Faktor vorgesehen. Schon vor der Machtübernahme der Partei im Jahr 1933, war ihr politisches Programm auf einen Bruch mit der bestehenden Gesellschaftsform ausgerichtet. Die "durch die Weltwirtschaftskrise materiell und moralisch verelendete Jugend" sah darin ein Versprechen, die Ungerechtigkeiten des kapitalistisch ausgerichteten Systems der Weimarer Republik auszumerzen. Die nationalsozialistische Ideologie gab den orientierungslosen Jugendlichen dieser Zeit neue Ziele und Werte und entflammte in vielen leidenschaftliche Begeisterung für die NS-Bewegung. Gleichzeitig machte sie ihre Anhänger blind für die eigentlichen Absichten der Partei, die, durch das wohlhabende Bürgertum finanziert, alles andere als eine Änderung der bestehenden Verhältnisse anstrebte.

Erziehung im NS-Staat

Rolf Eilers definiert in seiner Schrift "Die nationalsozialistische Schulpolitik" die Richtlinie für das Erziehungswesen im NS-Staat.

"Der Nationalsozialismus ist eine Weltanschauung, die einen totalen Anspruch auf Geltung erhebt und nicht Sache zufälliger Meinungsbildung sein will. Das Mittel, diesen Anspruch durchzusetzen, heißt Erziehung. Die deutsche Jugend soll (...) bewußt geformt werden nach Grundsätzen, die als richtig anerkannt sind und sich als richtig erwiesen haben: nach den Grundsätzen der nationalsozialistischen Weltanschauung." Die Erziehung der Jugend wurde also als wichtiges Mittel zur Herrschaftssicherung instrumentalisiert, was natürlich das "absolute Monopol auf alle Erziehungsinstitutionen" voraussetzte.

Gleichschaltung des Komplexes Jugendliteratur

Um den Komplex Jugendliteratur einseitig auf die Propagierung der nationalsozialistischen Ideologie abzustimmen, lösten die NS-Funktionäre sofort nach der Machtergreifung den kompletten Prüfungsapparat für die Kinder- und Jugendschriften auf, um ihn sofort danach, mit zum Teil neuem Personal, für ihre Zwecke wieder einzusetzen. Das eröffnete den Nazis totale Zensur- und Kontrollmöglichkeiten. Mit der Übernahme des einflußreichsten Organs der ehemaligen Prüfungsausschüsse, der Jugendschriften-Warte, besaß die Partei "ein publizistisches Instrument zur Lenkung der von ihr vertretenen Schrifttumspolitik und ein Sprachrohr für die Säuberungsaktionen gegen die vorhandene Jugendliteratur". Fortan waren also alle Neuveröffentlichungen, sowie auch alle alten Exemplare von Jugend- und Schulbüchern der nationalsozialistischen Prüfung unterworfen.

Das Reichserziehungsministerium veranlasste 1937 eine "reichseinheitliche Neuordnung" des Schulbücherwesens, indem es eine verbindliche Grundliste für die Schulbüchereien von Volksschulen erließ. Zwei Jahre später erfolgte dann auch eine Empfehlungsliste des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB) für die Zusammensetzung von Oberstufenbüchereien sowie für den Berufs- und Sonderschulbereich.

Neben den offiziellen Prüfungsinstitutionen nahm auch die Hitlerjugend (HJ) ihren Einfluss auf die Jugendliteratur. Fritz Helke vom Kulturamt der Reichsjugendführung rechtfertigt den Anspruch der HJ auf ein Mitbestimmungsrecht in diesem Gebiet:

"Um eine kritische Würdigung durch Begutachtung der deutschen Buchproduktion vom Standpunkt der jungen Generation zu ermöglichen, hat sich die Hitlerjugend in dem Jugendschriftenlektorat der Reichsjugendbücherei ein schlagkräftiges Instrument geschaffen." Grundlagen des nationalsozialistischen Erziehungswesens

Seinen Ursprung hatte das nationalsozialistische Verständnis von Erziehung schon im Wilhelminischen Deutschland, das bereits eine enge Verknüpfung von Dichtung und Erziehung vorsah. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs im Jahre 1918 vollzog sich der Herrschaftswechsel ausschließlich auf höchster Ebene; der gesamte Beamtenapparat blieb unbescholten weiter im Amt. Mit dem Umbruch wurde zwar eine neue Staatsform geschaffen, militante und nationalistische Gesinnungen blieben jedoch über Lehrer oder hohe Militärs weiterhin bestehen.

Dieser Geburtsfehler der Weimarer Republik bot den Nationalsozialisten den richtigen Unterbau für die Durchschlagskraft ihres Erziehungswesens.

Funktion, Wirkung und Inhalte der "politischen Jugendschrift"

Ergebnis dieser Entwicklung war das Auftreten einer neuen literarischen Gattung: "Die politische Jugendschrift". Diese Erscheinungsform stützte das Gedankengut und die Weltanschauung des faschistischen Staates nachhaltig. Zum Wesen der "politischen Jugendschrift" äußert sich Max Fehring in seinem "Grundsatzreferat zu aktuellen Fragen der Jugendliteraturarbeit":

"Sie (die politische Jugendschrift) will das Ich durch Erlebnis und Erkenntnis hineinführen in die Gemeinschaften, aufsteigend von Familie - Freundschaft - Kameradschaft - bündischem Leben - Berufs-, Wehr-, und Arbeitsverband bis hin zum Volksstaat. Sie pflegt Einordnung und Unterordnung, Opferwille und Hingabe aus dem Ethos der völkischen Gemeinschaft, will den Nachwuchs zur Gliedschaft erziehen in den völkischen Lebensordnungen." In diesem Auszug werden aber nicht nur wichtige Elemente der Erziehung angesprochen, sondern gleichzeitig ein Katalog zentraler Themen für die konkrete Umsetzung im Buch genannt.

H. Mohr definiert in seinem Essay "Zur Frage der politischen Jugendschrift" Funktionen und Aufgaben der neuen literarischen Gattung. Danach kommt es ihr nicht zuerst darauf an, "...ein formales Staatsdenken zu erzeugen, sondern vielmehr in der Jugend ein lebendiges Staatsgefühl zu erwecken...", ohne explizit auf das politische Programm der Partei einzugehen. "Die politische Jugendschrift hat also nicht in erster Linie ein politisches Sachbuch zu sein; (...) nein, sie soll (...) den jungen Menschen erheben, begeistern (...) und mithelfen, die junge Generation innerlich bereit zu machen zum Einsatz für den Staat, für die Nation." Erklärtes Ziel der Faschisten war es, eine emotionale Bindung der Zielgruppe zum NS-Staat herzustellen, und die junge Generation zu "künftigen Trägern des nationalsozialistischen Staates" zu erziehen.

Darüber hinaus versprachen sich die auf Massenloyalität angewiesenen Machthaber, über die leichter verführbaren Kinder auch bei den Eltern einen Gesinnungswandel herbeizuführen.

Zu den wichtigsten Bestandteilen des "politischen Jugendschrifttums" zählen hauptsächlich die Werke, die sich mit der "Kampfzeit der Bewegung", also dem Zeitraum vor 1933, beschäftigen. Dazu gehören neben Schilderungen des Führers vor allem Episoden aus dem Bereich der HJ, dem Bund Deutscher Mädel (BdM) und der Sturmabteilung (SA).

Praktische Umsetzung der Theorie in Karl-Alois Schenzingers "Hitlerjunge Quex"

Entstehungsgeschichte des Romans

Karl-Alois Schenzingers Jugendroman Der Hitlerjunge Quex stellte fast eine Art Prototyp für das Genre "politische Jugendschrift" dar. 1932 erschien er zunächst als Fortsetzungsroman in der nationalsozialistischen Parteizeitung "Völkischer Beobachter", wurde aber noch im gleichen Jahr als Buchausgabe veröffentlicht.

Nachdem Schenzinger schon 1931 mit seiner Erzählung Man will uns kündigen, seine Solidarität zum nationalsozialistischen Kurs der NSDAP bekundete, wurde er von Baldur von Schirach, dem späteren Reichsjugendführer, ausgewählt, einen Propagandaroman für die Hitlerjugend zu schreiben. Bis Kriegsende hatte der daraus entstandene Roman Der Hitlerjunge Quex, den Schenzinger in nur 14 Tagen fertigstellte, eine Auflage von einer halben Million Exemplaren erreicht und avancierte zu einem der populärsten Jugendbücher seiner Zeit.

Inhaltsangabe

Vor dem geschichtlichen Hintergrund der Notverordnungen vom 17.6.1932 und dem Tod des Hitlerjungen Herbert Norkus, der bei einer Auseinandersetzung mit kommunistischen Gruppen ermordet wurde, beschreibt Schenzinger im Stile eines Wandlungsromans die Entwicklung des 15-jährigen Heini Völker vom Anhänger der kommunistischen Internationale bis hin zum Mitglied der HJ. Dabei steht der Konflikt mit seinem Vater, einem verwahrlosten aber klassenbewußten Proletarier im Mittelpunkt. Heini, der auf Drängen seines Vaters einer kommunistischen Jugendgruppe angehört, verabscheut das Verhalten seiner Kameraden, die in ihrer Freizeit "... herumlungern, maulen, mit Mädels losziehen und Sauwitze reißen." Er sieht in ihnen "Nichtskönner und Faulpelze", die "... noch nicht ihren Namen richtig schreiben (konnten), wenn es darauf ankam."

Ganz im Gegensatz dazu erfüllt ihn das stramme und zackige Auftreten der uniformierten und Fahnen schwingenden Hitlerjungen, die er heimlich bei der Sonnenwendfeier beobachtet, mit Begeisterung.

"Er wollte mitsingen, aber seine Stimme versagte. Dies war deutscher Boden, deutscher Wald, dies waren deutsche Jungens, und er sah, dass er abseits stand, allein, ohne Hilfe, dass er nicht wußte, wohin mit diesem großen Gefühl." Er macht sich die Braunhemden gewogen, indem er einen Hinterhalt, den ihnen seine kommunistische Gruppe zugedacht hatte, verrät. Als Rache dafür treiben die Jungs der "Rotfront", wie die kommunistische Gruppe im Buch genannt wird, Heinis Mutter in den Tod. Er wird in die Gemeinschaft der HJ aufgenommen, die ihm fortan die Familie ersetzt. Aufgrund seines großen Eifers erhält er den Spitznamen Quex und wird zum Kameradschaftsführer im NS-Jugendheim ernannt. Obwohl dieses Jugendheim im Revier seiner ehemaligen Kameraden, jetzt jedoch tief verhaßten "Rotfront" liegt, zeichnet sich Heini weiterhin durch übergroßes Engagement aus.

Gerade als die erste Liebe zu einem aufrechten BdM-Mädchen neben seinem fanatischen Einsatzwillen für die Partei neue Gefühle in Heini hervorruft, wird er von seinen politischen Kontrahenten und persönlichen Feinden der "Rotfront" bei einer Auseinandersetzung tödlich verletzt. Heini stirbt im Kreis seiner Kameraden. An den Tod des Protagonisten haftet Schenzinger den positiven Beigeschmack eines modernen Märtyrers, der sein Leben getreu dem historischen Vorbild Herbert Norkus', als "Blutopfer der Bewegung" lassen musste. Somit bekommt der Tod Heinis eine übergeordnete Dimension, einen tieferen Sinn.

Gattungstypische Merkmale

Allgemein schlechte Verhältnisse

Dieser Jugendroman Schenzingers hat Beispielcharakter für die Gattung der "politischen Jugendschrift", "weil die weltanschauliche Aussage in einer für jugendliches Verständnis zugänglichen Form dargeboten wurde."

Die Veröffentlichung der Geschichte um Heini Völker fällt genau in den Zeitraum der Weltwirtschaftskrise, der, geprägt von hoher Arbeitslosigkeit und materiellem Elend, vor allem für viele Jugendliche keine Zukunftsperspektive offenhielt.

Verherrlichung der HJ

Der Roman versucht, dem Leser den Glauben an Tugenden wie Kameradschaft und Tapferkeit, die in der HJ ganz oben anstehen, zu vermitteln. Die "sakrale Gemeinschaft" von stets ordentlichen und disziplinierten Jungs erscheint als Träger eines ganz neuen Lebensgefühls. Sie bietet Geborgenheit, verleiht die Sicherheit einer geschlossenen Gruppe und stellt sich voll in den Dienst einer, für sie erhabenen Idee. Welcher von Krisen gebeutelte Junge wünschte sich angesichts der idyllisierenden Beschreibung der HJ nicht, Teil dieser Gemeinschaft zu werden?

Auch Heini Völker ist vom Auftreten der Braunhemden in seinem Innersten erregt und wünscht sich nichts mehr, als zu den Hitlerjungen zu gehören,

"... die da eines Tages an ihm vorbeigezogen waren, einer wie der andere blitzblank, lebendig und frisch, eine Fahne voraus (...). Eine Stunde war er nebenher gelaufen, nur den Wunsch im Herzen, mitmarschieren zu dürfen in diesen Reihen, mit diesen Burschen, die jung waren wie er, die Lieder sangen, bei denen ihm fast das Heulen kam." Wirkungsabsichten

Die eigentliche Wirkung des Buches liegt aber nicht in der historisch authentischen Darstellung der damaligen Verhältnisse, sondern vielmehr an dem hohen Grad von emotionaler Nachvollziehbarkeit. Heini Völker, der aus dem Zusammenbruch seiner Familienstrukturen und als Reaktion auf die schlechten Lebensbedingungen, den Schritt zur HJ tut, wird zur Identifikationsgestalt für die Jugendlichen der Zeit, die in Heini nicht selten ihr eigenes Ich wiedererkennen.

Der Roman macht es sich zunutze, das "... mehr intuitiv richtig als wissenschaftlich exakt erfaßte Angst- und Hoffnungspotential auszubeuten". Gleichzeitig bietet er den Lesern die HJ als zeitgemäße und problemlösende Institution an, die den Jugendlichen in geordnete Bahnen einlenkt.

"Dietrich-Eckart-Stiftung" und "Dietrich-Eckart-Bücherei"

Anläßlich der "Woche des Buches" rief Hans Schemm im Jahre 1934 die "Dietrich-Eckart-Stiftung" und die "Dietrich-Eckart-Bücherei" ins Leben. Diese Institution gab jährlich eine Bücherliste aus, "mit denen der junge Deutsche im Laufe seiner Entwicklung von der Kinderstube an über Schule und Staatsjugend bis zur Lebensreife und beginnender selbstverantwortlicher Lebensführung in Berührung kommen sollte."

Im Jahre 1935 wurden 10 Bücher in die "Dietrich-Eckart-Bücherei" aufgenommen, unter denen auch Adolf Hitlers "Mein Kampf", Hans Günthers "Kleine Rassenkunde" und Karl-Alois Schenzingers Hitlerjunge Quex waren.

Der "Hitlerjunge Quex" als parteihöriger Spielfilm

Gleichschaltung der Prüfungsinstitutionen für das Medium Film

Ähnlich wie die Gleichschaltung der Literatur, wurde auch das Medium Film sofort nach der Machtergreifung vom neu geschaffenen Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, sowie der am 22.9.1933 gegründeten Reichsfilmkammer, einseitig in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie gestellt. Noch im selben Jahr ging daraus eine Art "Märtyrer-Trilogie" hervor, die die parteihörigen Spielfilme SA-Mann Brand, Hans Westmar und der auf Karl-Alois Schenzingers Roman basierende Hitlerjunge Quex, dessen großer Erfolg als Jugendbuch in diesem Film Rechnung getragen wird, umfaßte.

Der von der Ufa verfilmte, von Karl Ritter produzierte und von Hans Steinhoff effektvoll inszenierte "Parteiklassiker" Der Hitlerjunge Quex - Ein Film vom Opfergeist der Jugend, intensivierte die Wirkung der Romanvorlage und versuchte auch jungen Kinogängern die "emotionalen Verlockungen des braunen Regimes nahezubringen."

Welturaufführung des Films in München

Bei der festlich begangenen Welturaufführung des Films am 16.9.1933 in München, waren neben hohen Parteifunktionären auch Reichsjugendführer Baldur von Schirach und sogar Parteiführer Adolf Hitler anwesend.

Die Handlung wurde gegenüber der Romanvorlage nur geringfügig, aber doch bewußt geändert. So ist Heini Völker jetzt Druckerlehrling und kann selbst Propagandazettel herstellen. Sein Vater zeigt sich in Teilen von der NS-Ideologie überzeugt und sein Tod bleibt nicht im Verborgenen, sondern wird direkt messerstechenden Kommunisten zugeschrieben.

Symbolkraft von Fahnen und Liedern

Eine besonders große Bedeutung in diesem Film, kommt den Uniformen, Fahnen und Liedern zu, deren "Symbolkraft" für die damalige Zeit nicht unterschätzt werden darf. So dichteten bzw. vertonten Baldur von Schirach und

H.-O. Bergmann eigens für diesen Film das später zum "HJ-Hit" hochstilisierte Lied: "Unsere Fahne flattert uns voran...". Die innerliche Hinwendung Heinis zur HJ vollzieht sich bezeichnenderweise genau an der Stelle des Films, wo er eine Gruppe in Reih und Glied hinter einer Fahne hermarschierender Hitlerjungen beobachtet, die lauthals dieses Lied singen. Heini wird klar, dass auch er, wie im Lied gefordert, bereit ist zu "...marschieren für Hitler durch Nacht und durch Not mit der Fahne der Jugend für Freiheit und Brot".

Nutzung modernster Filmtechnik

Hans Steinhoff verstand es glänzend, aus den Möglichkeiten der modernen Filmtechnik zusätzlich dramatisierendes Kapital zu schlagen. Dr. Goebbels umschreibt den dem deutschen Film zugrunde liegenden "psychologischen Wirkungsmechanismus" so: Wenn "...eine hohe ideelle Gesinnung sich der lebendigsten und modernsten filmischen Ausdrucksmittel bedient" dann verleiht das "... der deutschen Filmkunst der ganzen Welt gegenüber einen fast uneinholbaren Vorsprung...".

In der Schlußszene des Hitlerjungen Quex wird dies eindrucksvoll dokumentiert. Mittels modernster Schnitt- und Überblendungstechnik tritt aus dem Körper des sterbenden Quex ein ganzes Heer an Hitlerjungen und Fahnen, die in Mehrfachüberblendungen verschmelzen, bis schließlich das Hakenkreuz als "Fahne der Erlösung" überdimensional auf der Leinwand erscheint. Dazu tönt als musikalische Untermalung der "Vorwärts"-Marsch.

Diese, für damalige Zeiten überwältigende Filmkunst, machte es den zumeist jugendlichen Zuschauern noch schwerer, sich der Aussageabsicht des Films zu entziehen.

Resümierend kann man festhalten, dass Schenzingers Hitlerjunge Quex als Buch, oder später als Film sicherlich seinen Beitrag zur Verbreitung des Faschismus in Deutschland geleistet hat.

"Links wo das Herz ist": Exilliteratur des Leonhard Frank

Kennzeichnung des Autors Leonhard Frank

Leonhard Frank wurde 1882 in Würzburg geboren.

Seine erste literarische Veröffentlichung 1914, der Roman Die Räuberbande, wurde noch im selben Jahr mit dem Fontane-Preis ausgezeichnet. Auch die anderen Werke Franks, die immer aus einen konkreten Anlass heraus geschrieben wurden und somit den Bezug zum Zeitgeschehen wahrten, genossen großes Ansehen. Insbesondere Karl und Anna, ein in Paris uraufgeführtes Drama, erreichte Weltruhm und wurde in viele Fremdsprachen übersetzt (sh. Anhang).

Ab 1933 begann für den Autor ein völlig neuer Lebensabschnitt, die Emigration. Von der französischen Internierungspolitik schon früh erfaßt, gelangte er unter abenteuerlichen Umständen und mit Hilfe des "Emergency Recovery Committees", der amerikanischen Hilfsinstitution für Hitlerflüchtlinge, neben anderen bedeutenden Exilanten wie Thomas und Heinrich Mann oder Franz Werfel in die USA. Erst 1950 kehrte er in seine Heimat, die ihm im Exil fremd geworden ist, zurück. Frank und seine Frau werden in München seßhaft, wo er 1961 stirbt.

In seinem Roman Links wo das Herz ist gibt der Autor ein Bild seiner Zeit und seines Lebens. Seinen besonderen Reiz zieht der Roman aus der allwissenden Erzählperspektive des Autors, mittels der er historische "Personen und Ereignisse dichterisch überhöht oder verschlüsselt ...". Durch das Setzen von Schwerpunkten und die Bewertung politisch-geschichtlicher Vorgänge aus der subjektiven Sicht Franks, bekommt der Leser einen relativ genauen Eindruck von seiner Psyche.

Zur genaueren Beleuchtung seines Lebens soll eine ausführliche Inhaltsangabe des autobiographischen Romans Links wo das Herz ist dienen, mit dessen Hauptfigur Leonhard Frank weitgehend identisch ist.

Inhaltsangabe

Not und Demütigungen während seiner Kindheit

Michael wird als viertes Kind einer armen Arbeiterfamilie in Würzburg geboren. Bedingt durch die materiell schlechten Verhältnisse seiner Familie, muss er viele Entbehrungen in Kauf nehmen. Viel härter als das trifft ihn jedoch die Konfrontation mit dem Schulalltag, den der Lehrer Dürr brutal und autoritär gestaltet. Der Unterricht artet für Michael zum Psychoterror aus, der immense Folgeschäden auf seine Persönlichkeitsentwicklung hat.

Selbstfindungsprozeß in München

Eines Tages, Michael hat inzwischen eine Schlosserlehre angetreten, entdeckt er sein Talent zum Zeichnen. Die unverhoffte Erkenntnis, etwas wirklich zu können, überwältigt Michael. Er beschließt, seine Familie zu verlassen um in München Kunstmaler zu werden.

Michael wird in der Stadt auch tatsächlich von einer renommierten Kunstschule angenommen und knüpft über seine Mitschülerin Sophie, in die er heimlich verliebt ist, im Münchener Bohème-Cafe "Stefanie" erste Kontakte zur Künstler-Szene. Sophie integriert Michael nach und nach in den ihr nahestehenden Künstlerkreis um den egozentrischen Dr. Otto Kreuz, der, politisch extrem links ausgerichtet, die neuartige Weltanschauung Siegmund Freuds verwirklicht.

So erobert Michael Sophie wohl eher durch den Einfluß von Kreuz, als durch die Stimme ihres Herzens, was er aus Naivität nicht erkennt.

"... er (Dr. Otto Kreuz) forderte seine Anhänger durch Blicke auf, Sophie und Michael im kleinen Zimmer allein zu lassen. Dass Sophie, die er besonders schätzte, noch unberührt war, erschien ihm gefährlich komplexhaft und ihrer nicht würdig." Michael verlebte einige glückliche Wochen mit Sophie, die ihn neben seinen ersten sexuellen Erfahrungen auch mit Kunst und Kultur vertraut machte. Doch das junge Glück währte nur kurz. Dr. Kreuz, dem Sophie jetzt zur praktischen Umsetzung von Freuds Theorien geeignet erscheint, bindet sie mittels Drogen für "Analysezwecke" an sich. Michael war für ihn nur Mittel zum Zweck.

In seinem Innersten verletzt, hegt Michael in blinder Eifersucht sogar Mordgedanken gegen Kreuz, die allerdings Theorie bleiben. Er kuriert seinen Liebeskummer durch stundenlanges Malen, doch obwohl er letztlich viel Geschick im Umgang mit dem Pinsel entwickelt hat, was sich auch in finanziellem Erfolg niederschlägt, resigniert er in der Erkenntnis, dass "... Malen für nicht das Medium sei, sich auszudrücken."

Als Michael vom Kokaintod Sophies erfährt, ist er erschüttert. "Er war auf einer höheren Ebene so unklar über sich wie vor fünf Jahren als Schlosser am Schraubstock."

Neubeginn als Schriftsteller in Berlin

Er flieht nach Berlin, wo sich sein Gefühlszustand trotz eines recht luxuriösen Lebensstils nicht bessert. So bringt er sein in München verdientes Geld schnell durch und als ihn seine Vermieterin entlässt steht Michael plötzlich vor dem Nichts. Kurzerhand übernachtet er auf einer Parkbank. In dieser Nacht vollzieht sich für Michael, der auf einem schmalen Grat zwischen völliger Abkehr von der Welt und einem Neuanfang in ihr wandert, eine lebenswichtige Weichenstellung.

Ein Alptraum, der in den schönsten Traum seines Lebens umschlägt, verleiht ihm beim Erwachen trotz seiner eigentlich prikären Situation, ein schier überirdisches Gefühl von "...grenzenlosem Größenwahn...".

Er geht in sein Stammlokal, den Künstlertreffpunkt "Café des Westens" und verliebt sich in einen Gast. Ihm ist sofort klar: "Dort saß die Lebensgefährtin". Aus seinem Hochgefühl heraus spricht er Lisa an und bereits vier Wochen später sind sie verheiratet.

Den tiefen Wunsch in sich tragend, doch noch Künstler zu werden, entschließt sich Michael, einen Roman zu schreiben. Fortan ist er für nichts anderes als die Schreiberei zu motivieren, die ihm nach anfänglichen Schwierigkeiten immer besser gelingt.

Im März 1914, nach über eineinhalb Jahren, in denen das junge Ehepaar von der Hand in den Mund gelebt hat, ist sein Roman Die Räuberbande fertig. Der Erfolg ist durchschlagend. Ein Verleger bietet Michael ein stattliches Honorar und auch die Kritiker sind des Lobes voll. Michael verarbeitet in diesem Buch, genauso wie im darauffolgenden Die Ursache, seine schlimmen Kindheitserfahrungen mit dem Lehrer Dürr und hat sich dadurch "... freigeschrieben von den psychischen Ungeheuern, die ihm von diesem Erzieher mitgegeben worden waren auf den Weg ins Leben."

Erfahrungen mit dem 1. Weltkrieg und der Weimarer Republik

Der Größenwahn, von dem er immer noch zehrte findet mit dem Beginn des 1. Weltkriegs ein abruptes Ende. Michael und Lisa sind entsetzt von der allgemeinen Kriegsbegeisterung in Berlin, die auch vor den Intellektuellen nicht haltmacht.

"Sie hielten den Kopf gesenkt und sprachen nicht - unter Wahnsinnigen zwei Fremdkörper, die fürchteten, dass sie von den Wahnsinnigen für wahnsinnig gehalten und zermalmt werden würden, wenn sie aussprächen, was das Herz sagte." Die Kriegsverachtung Michaels gipfelt in einer handfesten Auseinandersetzung mit einem Fanatiker im "Café des Westens". In weiser Voraussicht verlässt Michael noch in der selben Nacht, der des 7.5.1915, das Land gen der Schweiz, denn schon am nächsten Morgen liegt Haftbefehl gegen ihn vor.

Vor dem Hintergrund der Revolution in Rußland schreibt er das Antikriegsbuch "Der Mensch ist gut", das in ganz Europa große Popularität erlangt, in Deutschland aber verboten wird. Nach Kriegsende verlassen Lisa und Michael die Schweiz. In Deutschland sehen sie die Nachkriegsrevolution scheitern, die Inflation wüten und die Weimarer Republik aufsteigen

Das Jahr 1921 bringt für Michael zwei schwere Schicksalsschläge mit sich. Zuerst stirbt im Frühjahr seine Mutter und wenig später erliegt seine geliebte Ehefrau Lisa einer schweren Herzerkrankung, die sie schon ihr ganzes Leben lang behindert hatte. Diesen Schock überwindet er lange nicht. "Er musste erfahren, dass für den, der liebte, auf Erden nichts so unermeßlich furchtbar ist wie das Irreparable des Todes." Erst nach 14 Monaten der Abkapselung findet Michael ins Leben zurück, dass aber noch ungeordnet verläuft. Er lebt planlos in den Tag hinein und führt ein exzessives Nachtleben.

Mitte 1927 lernt Michael über einen Bekannten eine neue Frau kennen. Ilona gibt sich ihm gegenüber verschlossen, aber Michael glaubt, den Schlüssel zu ihr gefunden zu haben. Im Frühjahr 1928 heiraten beide. Michael bringt zwei neue Bücher heraus, den Roman Ochsenfurter Männerquartett und das Drama Karl und Anna, wobei vor allem letzteres ein großer Erfolg wird. Trotzdem kommt es immer wieder zu Spannungen in seiner Ehe. Er will sich von Ilona trennen, aber ihre Schwangerschaft bewahrt ihn zunächst vor diesem Schritt. Als nach der Geburt eines Sohnes kein friedliches Zusammenleben mit Ilona möglich ist muss Michael resigniert einsehen: "Den Schlüssel zu der Festung gibt es nicht." Innerlich ausgelaugt konzentriert er sich wieder auf das Schreiben.

Eines Tages begegnet Michael im Café einem jungen Mädchen, dass ihn so sehr an die Hanna aus dem Ochsenfurter Männerquartett erinnert, dass er hellauf begeistert sofort unsterblich in sie verliebt ist. Aber bevor er sie ansprechen kann, ist Charlotte, ihren Namen konnte er ausfindig machen, auch schon wieder verschwunden. Weitere Nachforschungen über sie verlaufen im Sande.

Erfahrungen im Exil

Durch die Weltwirtschaftskrise der frühen 30er Jahre gewinnen die Nationalsozialisten in Deutschland immer mehr an Boden. Michael sieht diese Entwicklung mit Entsetzen und flüchtet, nachdem der Reichstag brennt über München in die Schweiz. Bald darauf werden seine Schriften in Deutschland verboten und er selbst wird ausgebürgert. Von einer inneren Leere getrieben, reist Michael nach Paris, wo er bald festgenommen und in ein Konzentrationslager gesteckt wird. Obwohl an den höheren Schulen Frankreichs nach seinen Romanen Deutsch gelehrt wurde, muss er wie Tausende andere Emigranten auch, die entwürdigenden Umstände in der Gefangenschaft erdulden. Nach einer zwischenzeitlichen Freilassung wird Michael später wieder verhaftet und in einem Lager in der Bretagne festgehalten. Sogar als die Nazis Frankreich besetzen, werden die Insassen nicht freigelassen. Um dem sicheren Tod durch die Deutschen zu entgehen wagt Michael mit zwei anderen Gefangenen die Flucht aus dem Lager, die schließlich auch gelingt. Da der Seeweg nach England blockiert ist, nehmen die drei eine abenteuerliche Wanderung von der Atlantikküste bis zum Mittelmeer, quer durch deutsche Linien, in Kauf. Als sie total entkräftet endlich in Marseille ankommen, wird ihnen von den französischen Behörden die Ausreise verweigert. Aber Michael schafft es dann doch, über Spanien ins rettende Amerika zu gelangen.

Zunächst verschlägt es ihn nach Hollywood, wo er Bekanntschaft mit Thomas Mann macht. Ansonsten fühlt er sich fremd und nutzlos in dieser Stadt und zieht ins europaähnliche New York. Von hier aus verfolgt Michael das Kriegsende. Die Berichte vom zerstörten Deutschland nimmt er zum Anlass, mehrere Kurzgeschichten über die Nachkriegszeit zu schreiben. Aber außer seinem Sohn, der 1941 mit der Mutter nach Amerika kam und ihn gelegentlich besucht, hat Michael wenig Kontaktpersonen in New York. Er konzentriert sich daher wieder mehr aufs Schreiben und Bringt einen neuen Roman und diverse Kurzgeschichten zu Papier.

Begegnung mit seiner "Traumfrau"

Als er auf einer Urlaubsfarm einige Zeit ausspannen will, verändert sich sein Leben grundlegend. Er begegnet Charlott, dem "... lebend aus dem Ochsenfurter Männerquartett herausgestiegenen Idealbild seiner Manneswünsche...". Michael kommt mit ihr ins Gespräch und erfährt, dass sie seine Romane, auch das Ochsenfurter Männerquartett, kennt und schätzt. Einen aus mangelnder Selbstbeherrschung unternommenen Annäherungsversuch von ihm wehrt sie allerdings erschrocken ab. Sichtlich unsicher verbringen beide einige Tage kontaktlos nebeneinander, bis es schließlich zur Aussöhnung kommt. Die Liebe ist so groß, dass sie beschließen zu heiraten. Während Charlott die Scheidungsformalitäten mit ihrem Mann regelt, beginnt Michael seine Lebensgeschichte in dem Roman Links wo das Herz ist niederzuschreiben.

Rückkehr nach Deutschland

Er geht mit Charlott nach 17 Jahren Emigration zurück nach Deutschland, wo er aber eher sachlich nüchtern empfangen wird. Seine Bücher sind zum Großteil in Vergessenheit geraten; "Über Michael hatte Hitler gesiegt". Er lässt sich schließlich mit Charlott in München nieder, wo er im Mai 1952 Links wo das Herz ist vollendet.

Analyse von Karl-Alois Schenzingers zweitem politischen Roman "Der Herrgottsbacher Schülermarsch"

Schenzingers zweiter politischer Roman Der Herrgottsbacher Schülermarsch, der 1934 veröffentlicht wurde, steht mit seinem nationalsozialischen Grundtenor natürlich im schroffen Widerspruch zu den Anschauungen des Exilautors Leonhard Frank.

Der Autor beschreibt darin die Einwirkungen, die der politische Machtwechsel der 30er Jahre auf das kleine, streng katholische Städtchen Herrgottsbach hat. Auch dieser Roman Schenzingers fällt unter die Kategorie "politische Jugendschrift" und steht mit der Verherrlichung der nationalsozialistischen Jugendbewegung ganz in der Tradition des Hitlerjungen Quex.

Die Geschichte schildert den Kampf einer idealistischen, weltoffenen und fortschrittlichen Gesinnung, deren Träger die HJ und ihre Gönner sind, gegen die spießbürgerliche und veraltete Weltanschauung der traditionsbewußten Herrgottsbacher, die sich der nationalsozialistischen Bewegung aus religiösen Gründen verschließen.

Vorstellung der Hauptcharaktere

Ohne eine Hauptfigur herausheben zu können, verstrickt der Roman das Schicksal von fünf Jungen miteinander, die sich früher oder später alle zu überzeugten Hitlerjungen entwickeln. Dolf Laible, der kränkliche Sohn des Briefträgers und Otto Dobel, ein protestantischer Junge, der der HJ schon länger als Kameradschaftsführer vorsteht und die geborene Führerpersönlichkeit verkörpert, werden von ihren Eltern im Ausdruck ihrer Gesinnung unterstützt. Anders verhält es sich mit Max Dolfinger, dem Sohn des Polizeikommissars und Adolf Blankenhorn, dessen Vater die gängige Tageszeitung in Herrgottsbach, den "Oberschwäbischen Beobachter", besitzt. Während Letzterer zunächst selbst wenig Interesse an der nationalsozialistischen Bewegung zeigt, steht Max Dolfinger, aus dem die herzkranke Mutter unbedingt einen Geistlichen machen will, unter der strengen Hand seines konservativen Vaters. Zum Schluß ist noch der Klassenprimus und Lehrersohn Karl Häderer zu nennen, der zu Beginn noch politisch unentschlossen ist.

Inhaltsangabe

Die Geschichte setzt einige Wochen vor der Machtergreifung der Nazis ein. Während ganz Herrgottsbach den immer stärker aufkommenden Nazis mit Skepsis gegenübersteht, hat sich eine Handvoll Jungens bereits für die Bewegung entschieden. Unter ihnen ist natürlich Otto Dobel, Dolf Laible und auch Max Dolfinger, der seine Sympathien für die "Gotteslästerer" jedoch mit Prügel bezahlen muss.

Scheinablehnung des Nationalsozialismus seitens der Herrgottsbacher

Als bekannt wird, dass der Lehrer Häderer Mitglied der NSDAP ist, wird er von seinem Amt enthoben. Dass er darüber hinaus sein neugeborenes Kind nicht taufen lassen will, wird als ungeheuerlich empfunden und ganz Herrgottsbach beteuert nach außen seine Abneigung gegen die neue Politik. Schnell verdrehen Sie das Kürzel HJ zu "Heidenjunge". Eine Versammlung der Nazis, für die selbst der große Saal des Gasthauses nicht ausreicht, um allen Besuchern Platz zu bieten, dokumentiert aber doch ein geheimes Interesse an der Bewegung. Diese Versammlung artet schließlich in eine einzige Prügelei zwischen Hitlerjungen und jugendlichen Katholiken aus.

Aufstand der HJ

Am nächsten Schultag bleiben die Hitlerjungen dem Unterricht geschlossen fern. Erst in der Pause erscheinen sie auf dem Schulhof und zetteln eine Revolte an. Zusammen mit vielen anderen Schülern rufen sie immer wieder im Chor die Parole: "Wir wollen nicht mehr lügen" und prangern damit die gesellschaftlichen Normen an. Die Lehrer lösen das Treiben auf dem Schulhof auf und suspendieren die Aufrührer fürs erste vom Unterricht.

Vor allem für Max Dolfinger ist diese Situation fatal. Sein Vater ist entsetzt vom Verhalten des Sohnes und stiftet permanent häuslichen Unfrieden.

"... seit dieser unleidigen Geschichte in der Schule ist hier die wahre Hölle im Hause. Der Junge darf sich nicht sehen lassen vor dem Vater. (...) ...Flucht vor dem Vater war das häusliche Leben für Mutter und Sohn." Diesen Aufregungen um den Sohn hält das schwache Herz der Mutter nicht stand. Sie stirbt mit den Worten: "Mein Gott, wo bist du? (...) Warum hast du mich verlassen." Der Vater gibt natürlich Max die Schuld für dieses tragische Ereignis und jagt ihm damit schreckliche Schuldkomplexe ein.

Auswirkungen des politischen Machtwechsels auf Herrgottsbach

Mitten in die Verhandlungen um die Rädelsführer des Komplotts, die vom extra angereisten Oberschulrat geführt werden, fällt die Nachricht, dass Adolf Hitler zum neuen Reichskanzler ernannt wurde.

Diese Neuigkeit macht viele Herrgottsbacher offener für die NS-Bewegung, aber die Bewußtseinsänderung der Bürger wird vom Stadtpfarrer durch glühende Predigten zurückgedrängt. Die HJ hingegen feiert den Sieg. Sie besetzt den hoch über die Stadt ragenden Klosterturm, der ihnen fortan als Hauptquartier dient und hißt eine große Nazi-Fahne.

Diese Euphorie teilt Max Dolfinger nicht. Wie es sich seine verstorbene Mutter gewünscht hätte, tritt er in die "Marianische Kongregation", die katholischen Widersacher der HJ, ein. Als sein Vater ihm jedoch mitteilt, dass er wieder heiraten will, schlägt Max' Gesinnung doch wieder um. Aus Verachtung vor dem Vater wendet er sich der HJ zu, die ihm zum Familienersatz wird.

Schließlich kommt der Tag der Wahl. Schon am frühen Morgen verteilen die Hitlerjungens Propagandazettel für die NSDAP. Unter ihnen ist auch der kranke Dolf Laible, der, obwohl ihm der Arzt strengste Bettruhe verordnet hat, um jeden Preis dabei sein will. Er bricht auf offener Straße zusammen und wird, um Ruhe zu finden, noch am selben Tag zu seinem Onkel nach Sigmaringen gebracht. Aber schon auf dem Weg dorthin verschlechtert sich sein Zustand und er stirbt in den Händen seines Vaters.

Der Wahlsieg der NSDAP wird von der HJ frenetisch gefeiert.

Als der als Wendehals verschriene Karl Häderer die Borniertheit des traditionsbewußten Gesellschaftssystems am eigenen Leib erfährt, bekennt auch er sich voll und ganz zur HJ. Um aber vor dem Vorwurf des Opportunismus gefeit zu sein, geht er zu einem Verwandten nach Österreich, wo "es noch was zu kämpfen (gibt)."

Die Nachricht vom Tod des Dolf Laible trifft seine Kameraden von der HJ wie ein Schlag. Otto Dobel gibt seinem Tod in einer spontanen Ansprache einen tieferen Sinn: "Dolf Laible ist nicht gestorben (...) er ist gefallen. (...) Er war Adolf Hitlers bester Soldat. Und dass es noch solche Jungens gibt, ist das schönste."

Begeisterung für die Fliegerei

Nachdem auch Adolf Blankenhorn in den Kreis der HJ aufgenommen wird, beginnt der dritte und letzte Abschnitt des Buches unter dem Schlagwort "Himmelfahrt", in dem die Begeisterung der Jungens für die Fliegerei zum Ausdruck kommt.

Eines Tages zieht ein Flugzeug über Herrgottsbach hinweg und landet im nahen Friedrichshafen. Blankenhorn bringt in Erfahrung, dass es sich beim Piloten um den Ehrenführer der Flieger-HJ handelt. Angesichts dieser Neuigkeiten hält die Jungs nichts mehr zurück und sie beschließen spontan, nach Friedrichshafen zu fahren um Pilot und Flugzeug zu besuchen und zu bewundern. Ihre Abreise bleibt aber nicht geheim. Die "Marianische Kongregation", von der Fliegerei nicht minder begeistert, erfährt von den Absichten der Hitlerjungen und folgt ihnen heimlich. Die verfeindeten Parteien besuchen gemeinsam die Maschine und den Piloten, Major v. Schenk. Dieser erzählt ihnen spannende Geschichten von seiner aktiven Zeit als Kampfflieger im 1. Weltkrieg und lädt alle in die Fliegerschule nach Böblingen ein.

Währenddessen gewinnt der Nationalsozialismus auch in Herrgottsbach immer mehr Anhänger. Erst recht, als Otto Dobel mitten auf dem Marktplatz zu den Bürgern Herrgottsbachs spricht. Der Kameradschaftsführer ruft im Zuge einer symbolischen, von der HJ durchgeführten Verbrennung von Grenzpfählen, zu Gemeinschaft und Nationalbewußtsein auf. Die glühende Ansprache zieht die Herrgottsbacher in ihren Bann.

"Sekundenlang geschah nichts. Dann schlug ein Gewitter des Beifalls gegen die Wände der Häuser. "Deutschland, Deutschland über alles" setzten die Jungens ein, (...), und wie ein steigender Strom, wie eine wachsende Lawine schwoll der Gesang mit den Stimmen der Herrgottsbacher Bürger an." Diese Aktion beschert den Hitlerjungen einen Haftbefehl, der wie sich später herausstellt, nur versehentlich ergangen war. Die Jungs entgehen der Vollstreckung des Urteils, indem sie der Einladung des Majors nachkommen und nach Böblingen fahren. Der Besuch der Flugschule, einschließlich einem Rundflug mit dem Major, verstärkt die Flugbegeisterung der HJ. Besonders Max Dolfinger ist beseelt von dem "... Gefühl, das sein Inneres wie ein wachsendes Feuer durchzog."

Zurück in Herrgottsbach ist der Haftbefehl gegen die HJ schon nicht mehr aktuell.

Als der Kommissar Dolfinger seine Verlobung bekannt gibt, verlässt Max, der das Verhalten seines Vaters als Verrat an der Mutter wertet, Herrgottsbach, um sich in der Böblinger Fliegerschule vorzustellen und damit seinen Lebenstraum zu erfüllen. Auch Blankenhorn rückt von zu Hause aus um Flieger zu werden.

Jetzt holt Schenzinger zu einem grandiosen Schlußgedanken aus. Max Dolfinger erfährt bei einem Besuch Otto Dobels in Böblingen, dass sein Vater von den Nazis wegen separatistischer Aktivitäten in Schutzhaft genommen worden ist. Er bekniet daraufhin den Major v. Schenk, mit ihm in das Gefangenenlager seines Vaters zu fliegen. Mit der Hilfe des einflußreichen Majors gelingt es Max, seinen Vater, der über den Unterricht im Lager mittlerweile ein überzeugter Nationalsozialist ist, zu befreien.

Schlußendlich gewährleistet also die nationalsozialistische Gesinnung Maxens, von der ihn sein Vater mit vehementem Widerstand abbringen wollte, dessen Freiheit. Tief beeindruckt von dieser Erkenntnis verspricht Herr Dolfinger seinem Sohn, der Mutter die Treue zu halten und nicht wieder zu heiraten.

Führerkult um Otto Dobel

Ausnahmestellung Otto Dobels

Otto Dobel nimmt in Schenzingers Roman eine besondere, fast überragende Position ein. Er verkörpert alle Tugenden des geborenen Führertyps, wie

z.B. Kameradschaft, Opferbereitschaft und Einsatzwille, aber gleichzeitig auch in Verbindung mit Autorität und Befehlsgewalt. Diese Charakterzüge lassen sich an vielen Stellen im Buch nachweisen.

Seine Ausnahmerolle wird schon ganz zu Beginn verdeutlicht. Während alle Jungs in seiner Klasse katholisch sind, ist Otto Dobel der einzige mit protestantischem Bekenntnis. Das hindert ihn aber nicht daran, sich für seine Mitschüler einzusetzen. Als in der Schule der Schuldige für einen kleinen Streich gesucht wird, dokumentiert Otto seine Opferbereitschaft. Nachdem sich der Gesuchte nicht rührt, nimmt Otto Dobel spontan die Schuld auf sich, um somit der Klasse als Gemeinschaft die Strafe zu ersparen. Dass sich seine Mitschüler, die um Ottos Unschuld wissen, jetzt aus Solidarität allesamt erheben, unterstreicht nachdrücklich den Respekt, den sie ihm entgegenbringen.

Außerhalb der Schule ist Otto die Anlaufstelle für seine Schulkameraden. So zum Beispiel für Max Dolfinger, dessen Familie ihm keine Nestwärme bietet.

"Da war er nun mitten in seiner Heimatstadt, stand mitten in der Wohnung von Vater und Mutter, stand in seiner eigenen Stube und hatte Heimweh, richtiggehendes Heimweh. Heimweh nach einem Menschen, zu dem er reden konnte, der seine Gedanken dachte, seine Nöte verstand, seine Freude fühlte, der jung war wie er, der leben wollte wie er, der hinaus wollte wie er.

Wohin? (...) Zu Otto! Zu Otto Dobel! Zum "Judas"...

Die ganze Zeit schon hatte er's gewußt.

Seit Wochen schon!"

Otto Dobel als Anführer der HJ

Richtige Führerqualitäten beweist Otto Dobel im Kreise der HJ, der er als Kameradschaftsführer vorsteht. Hier respektiert jeder seine Autorität. Bei öffentlichen Auftritten der HJ, wie zum Beispiel der Revolte im Schulhof oder bei der Verbrennung der Grenzpfähle auf dem Marktplatz, führt Otto das Wort.

Darüber hinaus ist er der Verbindungsmann zu höheren Persönlichkeiten der Partei. So unterhält er enge Kontakte zu dem Nationalsozialisten und früheren Lehrer Häderer, der später die Geschäfte der Stadt Herrgottsbach kommissarisch verwaltet. "Sein bester Bundesgenosse war Otto Dobel, seine treuesten Soldaten (...) waren die Jungens, die dem Kameradschaftsführer Dobel unterstanden."

Auch beim Besuch des Piloten Major v. Schenk, regelt er die Formalitäten mit dem Ehrenführer der Flieger-HJ ab. Dass zur Führerpersönlichkeit auch ein Schuß Befehlsgewalt gehört, beweist Otto Dobel mehrmals. Wenn er seine Jungs zum Antreten auffordert, dann herrscht sofort Ruhe. Besonders eindrucksvoll kommt seine Autorität beim Zusammentreffen der HJ mit "Marianischen Kongregation" zum Ausdruck. Auch die katholischen Jungs begeben sich ohne zu murren unter den Befehl Otto Dobels "als verstünde sich das von selbst", obwohl sie einen eigenen Anführer haben.

Schenzinger hat mit der Figur des Otto Dobel einen Charakter geschaffen, von dem ausgehend die jungen Leser einen Bezug zum "Reichsführer Adolf Hitler" herstellen sollen. Die durchweg positiven Eigenschaften der Romangestalt sollen ins tägliche Leben hineinprojeziert, und somit auf alle Staatsautoritäten übertragen werden. Die bedingungslose Unterordnung der Hitlerjungens gegenüber ihrem Führer, der seine Machtposition aber nie zum eigenen Vorteil ausnützt, soll dem Leser als leuchtendes Vorbild dienen und ihn zur Nachahmung anregen.

Bedeutung der Fliegerei

Allgemeine Beliebtheit von Fliegerromanen

Gern aufgegriffene Themen in der Jugendbuch-Szene ab 1933, waren unter anderem auch Berichte vom Fliegen, von der Seefahrt und von der Technik. Von diesem Lesestoff versprachen sich die Nazis, über das Interesse der Jugendlichen an modernen Technologien, ihre Begeisterung für das Militär zu wecken.

Getreu der Forderung Herrmann Görings, der selbst Kampfflieger im 1. Weltkrieg und ab 1935 Oberbefehlshaber der Luftwaffe war, "Das deutsche Volk muss ein Volk von Fliegern werden", fanden vor allem Fliegerromane immer mehr Anklang bei den Jugendlichen. So wurde Manfred Freiherr von Richthofens Jugendroman "Der rote Kampfflieger", allein bis 1938 420000 mal verkauft und dokumentiert damit den Enthusiasmus der deutschen Jugendlichen für die Fliegerei.

Karl-Alois Schenzingers integriert dieses Thema im letzten Abschnitt seines Jugendbuchs Der Herrgottsbacher Schülermarsch, der bezeichnenderweise mit "Himmelfahrt" überschrieben ist.

Jugendliche geeint in Fliegerbegeisterung

Eines Tages zieht ein Flugzeug mit "donnernde(m) Getöse" über Herrgottsbach hinweg. Die Bürger sind beeindruckt von dieser Maschine. Ihre "...Gesichter (hatten) in den hohen Himmel hinaufgestarrt, mit großen, hellen, fast erschrockenen Augen, hatten schnell den silbrigen Vogel entdeckt und mit Blicken festgehalten, solange wie es gegangen war."

Auch der HJ bleibt dieses Spektakel nicht verborgen. Nachdem sie erfahren, dass der Pilot Ehrenführer der Flieger-HJ ist, beschließen sie, ihn und das Flugzeug auf dessen Landeplatz im nahen Friedrichshafen zu besuchen. Auch die katholischen Jungs der Kongregation können sich dem Reiz, den das Flugzeug auf sie ausübt, nicht entziehen und folgen der HJ nach Friedrichshafen. Die eigentlich verfeindeten Gruppen der Hitlerjungen und der "Marianischen Kongregation" treten also, geeint durch die Begeisterung für die Fliegerei, gemeinsam die Reise an. Sie werden auch tatsächlich vom Piloten, dem Major v. Schenk empfangen. Der frühere Kampfflieger erzählt den Jungs von seinen Einsätzen und erklärt ihnen die Funktionsweise des Flugzeugs. Damit zieht er sie voll in seinen Bann. Als er mit einem der Jungen an Bord von einem kleinen Rundflug zurückkehrt, gibt es für die Gruppe kein Halten mehr. "Die Jungens stürmten die Maschine, hoben den Major auf die Schultern und trugen ihn unter ohrenbetäubendem Geheul um die Maschine herum."

Als der Major sich verabschiedet, spannt er einen Bogen von der allgemeinen Flugbegeisterung der Gruppe hin zum gemeinschaftlichen Einsatz für eine Idee.

"Es freut mich, dass ihr gekommen seid. Es freut mich doppelt, dass ihr gemeinsam gekommen seid. Die Not einigt. Aber auch die Liebe zu einer großen Sache einigt, und ich freue mich unbändig, dass es gerade die Fliegerei ist, die euch gemeinsam hierher geführt hat. Ich nehme das, bei Gott, als ein gutes Zeichen, Jungens! Kommt bald mal zu mir nach Böblingen. Ich zeige euch dann die Fliegerschule. Heil Hitler!" Nach den Eindrücken dieses tollen Tages, kommen die Jungs der Einladung des Majors schon bald nach.

In Böblingen darf jeder einen Rundflug mitmachen, und die Euphorie der Jungs steigt ins Unermeßliche.

"So etwas also konnte der Mensch! Ein Druck seines Fußes, ein Griff seiner Hand, und schon sank die Last der Erde weit zurück. Kein Hindernis mehr, kein Gewicht, kein Hemmnis, kein Widerstand. Alles überwand der Mensch: Ein Druck seiner Hand: ihm gehorchte die Erde, vor ihm neigte sich die Welt." Schenzinger verbindet mit der Begeisterung für die Luftfahrt auch die Verbreitung der NS-Ideologie. Durch diese Parallelschaltung will Schenzinger die moderne und befreiende Einstellung der Menschen zur Luftfahrt auch auf den neuen Staat übertragen.

Vergleichende Interpretation

Leonhard Frank und Karl-Alois Schenzinger als Träger unvereinbarer Lebenseinstellungen

Den Romanen Links wo das Herz ist von Leonhard Frank und Karl-Alois Schenzingers Der Herrgottsbacher Schülermarsch liegt ein von Grund auf verschiedenes Verständnis von Mensch und Gesellschaft zu Grunde. So ist die Lebensphilosophie des Exilautors Leonhard Frank stark von pazifistisch-sozialistischen Einschlägen geprägt, mit denen er sich in all seinen Romanen identifiziert. In seiner Novelle Die Ursache verurteilt Frank die Todesstrafe als unmenschliches Mittel zum Strafvollzug. "Der Mensch ist gut" zeigt schonungslos die Brutalität eines Krieges auf und erteilt gewaltsamen Auseinandersetzungen jeglicher Art eine schroffe Absage. Sein Roman Die Jünger Jesu prangert die inhumanen Züge des Nationalsozialismus, wie z.B. den Antisemitismus, an.

Am Ende seiner in Links wo das Herz ist niedergeschriebenen Lebensgeschichte gibt er sich eindeutig als Anhänger der sozialistischen Staats- und Wirtschaftsform zu erkennen. Über Michaels Glaubensbekenntnis prognostiziert er, dass "... die Haben-haben-haben-Wirtschaftsordnung (...) im Jahre 2000 abgelöst sein wird durch die sozialistische Wirtschaftsordnung."

Ebenso intensiv glaubt Leonhard Frank an die Kraft der Liebe, die sich im Roman durch seine Beziehungen zu Frauen äußert. Im Glaubensbekenntnis definiert Michael die gegenseitige Liebe als das größte Glück im Leben: "Wer das nicht erlebt, hat nicht gelebt".

Im Gegensatz dazu ist die Lebenseinstellung, die Schenzinger im Herrgottsbacher Schülermarsch vermittelt, von ganz anderen Wertvorstellungen geprägt. Traditionelle Werte wie Religiosität werden von ihm durchweg negativ besetzt, da sich ihre Träger der nationalsozialistischen Idee verschließen. Vor allem der Stadtpfarrer Strobel ruft die Herrgottsbacher immer wieder zu aufrechtem Katholizismus auf und warnt vor der neuen Idee. Schenzinger verurteilt dadurch das konservative Spießbürgertum, weil es nicht offen für neue Einflüsse ist. Besser als die sturen Väter verhält sich die aufgeschlossene, jüngere Generation. Der Autor bestimmt die avantgardistische Ideologie der HJ als die einzige, den Ansprüchen der Zeit genügende, Gesinnung. Der Kampf für diese Gesinnung, nicht selten mit einem Bruch bestehender Gesellschaftsnormen verbunden, nimmt eine zentrale Position im Herrgottsbacher Schülermarsch ein.

Gegensätzlichkeit bei der Bewertung und der Auswirkungen geschichtlicher Ereignisse

Aus der Gegensätzlichkeit der Lebenseinstellungen ergeben sich natürlich auch völlig unterschiedliche Bewertungen von historischen Ereignissen. Am Eindrucksvollsten lässt sich der Nachweis dieser These vor dem Hintergrund der Machtübernahme der Nazis bei Leonhard Frank führen.

Er beschreibt die Entwicklung dieser "unheilschwangeren Wirklichkeit" in düsteren Farben. Ihren Auslöser sieht er, im Unterschied zu Schenzinger, nicht in der überragenden Eindringlichkeit der nationalsozialistischen Ideologie, sondern führt die hohe Arbeitslosigkeit und die materiell elenden Verhältnisse der Menschen während der Weltwirtschaftskrise als Grund für die Machtübernahme des "Sumpfmenschen Hitler" an. Seine Ernennung zum Reichskanzler ist für Michael, alias Leonhard Frank, politisch nicht zu rechtfertigen. Den brennenden Reichstag wertet er als gemeinen Trick, um eine legitime Begründung für die Verhaftung von Kommunisten in der Hand zu haben. "Wenn die etwa glauben sollten, mit Gangstermethoden auch Weltpolitik machen zu können, wären sie schon jetzt zum Untergang verurteilt und würden wie Gangster enden." Da die Nationalsozialisten Michael schon früh als ihren Gegner fixiert hatten; es erschien " ...ein Artikel (im <Völkischen Beobachter>), gespickt mit Drohungen und wüsten Schimpfworten (...) gegen ihn ...", geht Michael schließlich in die Schweiz, "fliehend vor einer unsichtbaren Gefahr." Seine spätere Deportation ins Konzentrationslager weist ihn nachdrücklich als Nazi-Gegner aus.

Während sich die Einstellung Leonhard Franks gegenüber dem Nationalsozialismus nie ändert, durchlaufen die Bürger Herrgottsbachs einen Prozeß der allmählichen Bewußtseinsänderung. Vor 1933 beteuert jeder, zumindest nach außen, seine Abneigung gegen die Bewegung. Nachdem Hitler zum Reichskanzler ernannt wird, schlägt die Stimmung in Herrgottsbach langsam um. "Sie (die Bürger) waren wach. Da und dort loderte schon die Begeisterung...".

Nachdem die Reichstagswahlen vom 5.3.1933 den Nazis die politische Macht beschert, bringen auch die Herrgottsbacher ihre Sympathien für den neuen Staat frei zum Ausdruck. Der tosende Beifall und das gemeinsame Singen des Horst-Wessel-Liedes nach Otto Dobels Rede auf dem Marktplatz, dokumentiert die geistige Einheit der Bürger. Als sich am Schluss auch noch der stramm konservative Kommissar Dolfinger von der NS-Ideologie beeindruckt zeigt, schließt Schenzinger den Kreis der "Bekehrten".

Die Menschen in Herrgottsbach verwandeln sich also im Laufe der Zeit von Nazi-Gegnern zu deren Anhängern, wodurch Schenzinger die Überzeugungsmächtigkeit, die die NS-Ideologie seiner Meinung nach hat, verdeutlicht.

Gegensätzlichkeit der Lehrergestalt

Die Romane Links wo das Herz ist von Leonhard Frank und Karl-Alois Schenzingers Der Herrgottsbacher Schülermarsch, entwerfen zwei völlig unterschiedliche Bilder von der Gestalt des Lehrers.

Leonhard Franks Volksschullehrer Dürr macht seinen Schülern das Leben zur Hölle. Viel schlimmer als die brutale körperliche Züchtigung durch den Lehrer, wiegt die Angst, die er seinen Schülern einflößt.

"Seine Erziehungsmethode war, die Knaben in Angstbesessene zu verwandeln. Das Schulzimmer war mit Angst geheizt. Angst war nachts der Trauminhalt seiner Schüler. Frühere Schüler fuhren seinetwegen noch als verheiratete Männer aus Angstträumen hoch ... ." Vor allem die geistig Schwächeren werden vor der Klasse bloßgestellt und jegliches Selbstbewusstsein dieser Schüler wird vom Lehrer systematisch zerstört.

Während die anderen zu Untertanen erzogen wurden, "(trugen) die Empfindsameren (...) den Stempel des Irrenhauskandidaten auf der Stirn." Seine "überwältigende Autorität" missbrauchte der Lehrer, um "die Persönlichkeit des Schülers auszurotten."

Am schlimmsten leidet der sensible Michael unter den Erziehungsmethoden des Herrn Dürr. Er hält dem psychischen Druck, den der Lehrer ausübt, nicht stand. Michael, zuvor fließend sprechend, beginnt plötzlich zu stottern, muss zur Strafe in die letzte Bank sitzen und wird, vom Lehrer forciert, permanent ausgelacht. "Nur zur Belustigung der Klasse rief er ihn noch manchmal auf, und sie durften zusammen mit dem Lehrer über Michael lachen, wenn er seine falschen Antworten stotternd herauspresste."

Ganz anders verhält sich Schenzingers Lehrer, der Professor Hahn, im Herrgottsbacher Schülermarsch.

"Professor Hahn hieß nun einmal der "Prophet", und sie fühlten sich als seine Jünger." Aus dieser einführenden Bemerkung wird schon erkennbar, dass die Schüler der Herrgottsbacher Lateinschule eine besondere Beziehung zu ihrem Lehrer haben. Sie akzeptieren seine uneingeschränkte Autorität, die er sich nicht durch übertrieben harte Bestrafungen, sondern über kompetente und spannende Darstellung der Unterrichtsinhalte erwirbt. "Die Jungens horchten gespannt. Nicht einen Augenblick ließen sie diesen sprechenden Mund aus den Augen. Das war nun wieder einmal fabelhaft, was ihr Prophet da zum besten gab."

Auch die Vergangenheit ihres Lehrers als Divisionspfarrer imponiert den Jungs sehr. Die 12 Schüler umfassende Klasse des Propheten ist in der ganzen Schule als "Apostelklasse" bekannt, "und sie waren - ohne zu wissen warum - nicht wenig stolz auf diesen Namen."

An einer Stelle des Buches wird konkret auf den Respekt und die große Achtung vor dem Lehrer Bezug genommen. Als Max Dolfinger von zu Hause ausrückt, um auf die Fliegerschule zu gehen, lässt er zwar seinen Vater ahnungslos zurück, bringt es aber nicht übers Herz, den Propheten gleichermaßen zu hintergehen.

"Ich (Max Dolfinger) kann mir nicht helfen, Otto, aber ich glaube, ich hätte doch mal mit dem "Propheten" reden sollen, bevor ich weggehe. Er glaubt sonst am Ende, ich hätte ihn umgehen wollen, ich sei ihm ausgewichen, und das möchte ich nicht. Gerade beim "Propheten möchte ich das nicht." Professor Hahn reagiert erwartungsgemäß verständnisvoll. Er redet dem jungen Max zwar ins Gewissen, hindert ihn aber nicht an seinem kühnen Plan und gibt dem bereits davonstürmenden Jungen sogar den Segen der Kirche.

Schlussbemerkung: Wachsende Begeisterung für die Fliegerei in Neu-Ulm

Die Euphorie der deutschen Jugendlichen für die Luftfahrt, auf die Schenzinger im Herrgottsbacher Schülermarsch eingeht, war das Ergebnis von gezielten Propagandaeinsätzen der Nationalsozialisten für die Luftfahrt.

Auch in Neu-Ulm lässt sich dieser Trend ab 1934 verstärkt nachweisen. Im Zuge einer groß angelegten Werbewoche vom 1.6.1934 - 8.6.1934, die auf das ganze Reichsgebiet ausgedehnt war, staunten mehr als 7.000 Besucher über diverse Flugschauen auf dem Schwaighofener Fluggelände. Auch die Ausstellung von Segelflugzeugen und ein Propagandamarsch lockten viele Interessierte an.

Die Werbeeinsätze verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Fliegerei erlebte im wahrsten Sinne des Wortes einen Aufwind, dessen Bedeutung Oberbürgermeister Nuißl unterstreicht. Seiner Ansicht nach ist es die "nationale Pflicht jedes Deutschen, die eminent wichtige Flugsache zu unterstützen und zu fördern."

Dieser Boom wirkte sich auch zahlenmäßig aus. Neben vielen neuen Mitgliedern kann sich die Fliegerortsgruppe Neu-Ulm über die Gründung drei neuer Fliegerstützpunkte in Thannhausen, in Vöhringen und in Krumbach freuen. Mit den bereits bestehenden Stützpunkten in Weißenhorn und Illertissen, "(hat) die Fliegerortsgruppe Neu-Ulm somit ihr Gebiet voll abgedeckt."

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