Bürgertum in Frankreich im 18. Jahrhundert

WIE IM 18. JAHRHUNDERT DAS BüRGERTUM IN FRANKREICH WIRTSCHAFTLICH IN DEN VORDERGRUND GETRETEN WAR, POLITISCH ABER NOCH NICHTS ZU MELDEN HATTE, UND WIE ES SICH DIESES WIDERSPRUCHS BEWUSST WURDE


Im 18. Jahrhundert stand in Frankreich die Bourgeoisie an der Spitze von Finanz, Handel und Industrie; sie stellte die Verwaltungskader der Monarchie und lieferte das Für die Staatsgeschäfte notwendige Geld.
Wie sich eine antifeudale Ideologie als "Aufklärung" entwickelte und die bürgerliche Revolution vorbereitete
Eine bürgerliche Weltanschauung formte sich als streitbare antifeudale Ideologie, die zur geistigen Wurzel der Revolution wurde. Man faßt ihre Hauptströmungen gewöhnlich unter dem Begriff "Aufklärung" zusammen. Diese Bewegung zur Befreiung der "Gemeinen" von der Verpflichtung auf Leitbilder der Kirche, der Aristokratie und der monarchischen Willkürherrschaft ergriff ganz Europa, alle Zweige der Wissenschaft und Literatur. Sie erreichte in Frankreich ihren Höhepunkt.
Die Aufklärung knüpfte an die frühbürgerlich - humanistische Emanzipation der Wissenschaften von der Theologie im Zeitalter der Renaissance und der Reformation an. Wo die Feudalherrschaft noch mehr oder weniger intakt war, blieb die Aufklärung ein schwaches Pflänzchen. In Frankreich hingegen, das den Ballast des im Niedergang befindlichen Feudalwesens unwillig durchs 18. Jahrhundert schleppte, wurde sie zur blanken Waffe einer im Vormarsch begriffenen Mittelklasse.
Was einige wichtige Gedanken der Aufklärung sind
Mit der spitzesten Feder begabt war Voltaire. Montesquieu empfahl im Geist der Gesetze die konstitutionelle Monarchie bei "Gewaltenteilung" zwischen Exekutive, Legislative und Rechtsprechung. Rousseau brachte mit dem Gesellschaftsvertrag den Gedanken der Volkssouveränität ein. Hinter diesem steht die Theorie vom "Naturrecht", wie es vor allem von John Locke und Thomas Hobbes formuliert worden war. Sie erkennt dem Menschen eine Reihe unveräußerlicher Rechte zu, die ihm "von Natur aus" zukommen.

WIE SICH DIE SPANNUNG ZWISCHEN NEUEN BESITZVERHäLTNISSEN UND ALTEN HERRSCHAFTSVERHäLTNISSEN IN DER FRANZöSISCHEN REVOLUTION ENTLUD

Dass die Krise der Feudalgesellschaft im Jahre 1789 ihren Höhepunkt erreichte
Die Mißernte des Jahres 1788 führte zu einer beträchtlichen Steigerung des Brotpreises. Ausgaben für Brot spielten in jener Zeit eine weit größere Rolle im Familienbudget als heute. Die Bevölkerung wurde daher durch die Verteuerung des Brotes hart getroffen.
Die Unterstützung der Amerikaner im Unabhängigkeitskrieg hatte in eine Finanzkrise geführt, die einschneidende Reformen erfordert hätte, die die Vorrechte der Aristokratie in Frage gestellt hätten, weshalb sich diese mit aller Kraft dagegenstemmte. Damit aber beschleunigte sie nur den Untergang des "ancien régime".
Wie der "Dritte Stand" aus der Erkenntnis, dass er ohne den Adel besser dran war, die Konsequenz zog
In dieser Situation schien nur noch die Einberufung der Generalstände[1] zu helfen, deren Eröffnung auf den 1. Mai 1789 festgelegt wurde. Die Lasten der Krise sollten noch einmal dem Stand der Nichtprivilegierten, dem "Dritten Stand", aufgebürdet werden. Der "Dritte Stand" aber war im wesentlichen die Nation. Seine Vertreter erblickten daher ihre Aufgabe nicht darin, dem "ancien régime" noch einmal aus seinen Verlegenheiten herauszuhelfen, sondern erklärten sich kurzerhand zur "Nationalversammlung" und setzten sich die Ausarbeitung einer Verfassung zum Ziel.
Wie der Feudalismus abgeschafft wurde - aber nicht ganz
Die feudale Wirtschaftsstruktur überlebte die im August 1789 erfolgte Abschaffung des Feudalismus. Der Trick dabei war die Unterscheidung zwischen herrschender und auf Vertrag beruhender Feudalität. Ehrenrechte des Adels, Gerichtsbarkeiten, Leibeigenschaft, Frondienste, Bannrechte und Erhebung von Brücken - und Wegegeldern, Jagd -, Taubenschlag - und Gehegerechte waren vollständig abgeschafft.
Dass die Bauern frei waren, aber nicht ihr Boden
Diejenigen Feudalrechte, von denen angenommen wurde, dass sie die Gegenleistung für eine ursprüngliche Landabtretung darstellten, wurden in bürgerliches Eigentum verwandelt und damit für loskäuflich erklärt: Pacht - und Grundzins, Kehrzehnt aller Art und jedweder Bezeichnung (jährliche Abgaben) sowie Verkaufsgebühren. Für die Masse der Kleinbauern war die Beseitigung des Feudalsystems, die sich als echte Scheinoperation erwies, eine bittere Enttäuschung.
Die Bauernrevolution, deren Ziel die Befreiung von allen auf dem Grund und Boden lastenden Beschränkungen war, setzte sich in vielfältiger Form bis 1793 fort und trieb die bürgerliche Revolution voran.
Dass "Liberalismus" das Streben des großbürgertums nach ökonomischer und politischer Freiheit bedeutet, und dass sein Ziel nicht unbedingt die Freiheit aller Menschen ist
Die Beseitigung der Feudalität hatte die Freiheit des Eigentums begründet. Die Gewerbefreiheit ergab sich aus der Beseitigung der Monopole, Zünfte und Innungen. Die Freiheit des Binnenhandels ging einher mit der Vereinheitlichung des nationalen Marktes durch die Aufhebung der Wege - und Binnenzölle. Die Aufhebung der Leibeigenschaft hatte die Arbeitskraft befreit. Streik und gewerkschaftlicher Zusammenschluß wurden aber im Gegensatz zur Vereinigungs - und Vereinsfreiheit verboten und blieben bis 1864 bzw. 1884 verboten.
Die Menschenrechtserklärung definierte politische und persönliche Freiheit. Die Person war nun durch die unterstellte Unschuld bis zum Gegenbeweis (Art. 9) vor willkürlicher Anklage und Verhaftung geschützt (Art. 7). Als Herren ihrer eigenen Person konnten die Menschen frei sagen und schreiben, drucken und veröffentlichen, was die bestehende gesetzliche Ordnung nicht störte und keinen Mißbrauch dieser Freiheit darstellte (10, 11).
Das Gesetz war nun für alle gleich, vor ihm waren alle Bürger gleich; der Zugang zu Ehrenämtern, öffentlichen Anstellungen und Beschäftigungen stand allen ohne Rücksicht auf Geburt offen (Art. 6 der Erklärung). Einen Schönheitsfehler hatte die bürgerliche Gleichheit: Die Sklaverei in den Kolonien wurde aufrechterhalten.
Von sozialer Gleichheit konnte keine Rede sein: In Artikel 2 der Erklärung wurdedas Eigentum zu einem natürlichen und unverjährbaren Recht erklärt, ohne Rücksicht auf die Masse derer, die nichts besaßen. Auch der politischen Gleichheit wurde durch das Zensuswahlrecht entgegengewirkt: Die politischen Rechte wurden einer Minderheit von Besitzenden vorbehalten. Die "Passivbürger", diejenigen, die den vorgeschriebenen Zensus (Steuerleistung) nicht erreichten, waren vom Wahlrecht ausgeschlossen.
Wie aus der Revolution ein europäischer Krieg wurde
Die Flucht des Königs am 21. Juni 1791, die Zusammenziehung bewaffneter Emigranten am Rhein und schließlich der seit 1791 gesuchte und herbeigesehnte Krieg machten deutlich, dass es die Aristokratie vorzog, eher die Nation zu verraten als nachzugeben. Der Krieg mit dem Ausland erschien der Aristokratie als letzter Strohhalm. "Statt eines Bürgerkrieges wird es ein Krieg mit dem Ausland sein", schrieb Ludwig XVI."und die Dinge werden damit weitaus besser stehen".
Der Krieg, den die Aristokratie wünschte, um nach der Niederlage die Konterrevolution im Inneren durchzuführen, schreckte auch Girondisten nicht, die Vertreter der Handelsbourgeoisie in der Gesetzgebenden Versammlung: Waren Waffenlieferungen an die Armee nicht schon immer äußerst einträglich gewesen?
Wie die Bedrohung der Revolution durch äussere und innere Feinde Bourgeoisie und Kleinbürgertum trotz unvereinbarer Interessen in eine Koalition zwang und die revolution vorantrieb
Militärische Rückschläge und die Gefahr einer Konterrevolution zwangen die Gironde, sich an das Volk zu wenden. Das einfache Volk, das waren die "Hosenlosen", die "Sansculotten", die Masse der kleinen Gewerbetreibenden und der Lohnabhängigen. Sie gingen über die ihnen vorgegebenen Ziele hinaus und stürzten im August 1792 nicht nur den Thron, sondern auch die Verfassung von 1791 und damit die engen Zensusschranken. Im September wurde die Republik ausgerufen, und im Dezember begann der Prozeß gegen den König, der zum Tod verurteilt und im Jänner hingerichtet wurde.
In dem Konflikt, der nunmehr zwischen dem revolutionären Frankreich und der Aristokratie Europas ausgetragen wurde, nahm ein Teil der Bourgeoisie wahr, dass diese ohne das Volk nicht siegen konnte: die "Montagnards", die vom Klub der Jakobiner dominierte "Bergpartei", die im Stzungssaal auf den höhergelegenen Bänken sitzenden Abgeordneten. Sie verbündeten sich mit den Sansculotten.
Dass die Interessen der Kleinbürger auf Existenz - sicherung durch Zwangs - wirtschaft hinausliefen
Diese trotzten dem Konvent (so nannte sich nun die gesetzgebende Körperschaft), die großen revolutionären Maßnahmen ab: der Terror wurde auf die Tagesordnung gesetzt und ein Getreidehöchstpreis (das Maximum) festgesetzt und schließlich das allgemeine Maximum, d.h. die Zwangswirtschaft eingeführt.
Dass im Sommer 1794 die der Revolution drohenden Gefahren gebannt waren, sodass die liberale Bourgeoisie Zwangswirtschaft und Terror nicht mehr hinzunehmen brauchte
Mit dem Wegfall der militärischen Bedrohung durch das Ausland brauchte die liberale Bourgeoisie nicht länger Zwangswirtschaft und Terror hinzunehmen. Robespierres Revolutionsregierung fiel der Thermidorverschwörung zum Opfer. (nach dem Revolutionskalender am 9. Thermidor des Jahres II der Republik = 27. Juli 1794). Es war den Jakobinern um Robespierre nicht gelungen, die widersprüchlichen Interessen der Sansculotten einerseits und der Bourgeoisie andererseits zu versöhnen. Es war der Revolutionsregierung aber gelungen, die Sansculotterie unter Kontrolle zu bringen. Radikale Randgruppen (die Hébertisten) waren liquidiert. Robespierre hatte die Sansculotterie gezähmt, die nun wenig Grund sah, seine großbürgerlichen Feinde zu beißen. Nur wenige sammelten sich am 9. Thermidor um ihn.
Die der Verfassung des Jahres III (1795) vorausgehende Erklärung der Rechte stellt einen klaren Rückschritt gegenüber jener von 1789 dar: Besondere Sorgfalt wurde auf die Definition des Eigentumsrechts verwendet, von einem Recht auf Widerstand war keine Rede mehr, dafür wurden den Rechten sinnigerweise Pflichten hinzugefügt. Das Wahlrecht war nun wieder durch Zensus beschränkt. Allerlei Tricks, die bei Wahlen angewendet wurden (Annulierung, Ausschluß und Kooptation [nachträgliche Hinzuwahl]), also eine Reihe von Staatsstreichen hielten die Thermidorianer an der Macht. Der Coup Napoleons von 1799 fügt sich nahtlos ein.
Dass die Fortdauer des Kriegs, der zu einem Angriffskrieg der französischen Bourgeoisie entartet war, die Konzentration der Macht zur innenpolitischen Notwendigkeit machte
Unter den Bedingungen des fortdauernden Krieges war die Konzentration der Macht eine innenpolitische Notwendigkeit. Dieser Krieg jedoch hatte aufgehört ein Verteidigungskrieg der Revolution zu sein und konnte für Frankreich nur in einem Desaster enden. Die französische Gesellschaft aber war durch die Revolution so gründlich verändert worden, dass die zurückgekehrten Bourbonen an eine Restauration des ancien régime nicht denken durften.

WIE ZUR ZEIT DER BEFREIUNGSKRIEGE IDEOLOGISCHE KONZEPTE ENTSTANDEN, VON DENEN AUCH HEUTE NOCH MANCHER ZEHRT

Dass die deutsche Romantik Stimmungen und Haltungen von Bevölkerungsschichten wiedergibt, die von den neuen Zeiten, die die Französische Revolution einleitete, nicht viel zu hoffen hatten
Das deutsche Geistesleben zur Zeit Napoleons war von der Romantik geprägt. Die deutsche Romantik gibt vor allem Stimmungen und weltanschauliche Haltungen jener Bevölkerungsschichten wieder, denen wohl der Absolutismus eine Last war, die aber vom Aufstieg der Bourgeoisie nicht viel zu hoffen hatten: Kleinbürgertum und niederer Adel. Die Romantiker hatten daher zunächst der Französischen Revolution begeistert zugestimmt. Mit Beginn der napoleonischen Expansion jedoch schlug diese Begeisterung in Feindschaft um. Die Fürstenherrschaft wollten Kleinbürger und niederer Adel gern loswerden. Die Herrschaft der Bourgeoisie wollten sie dafür aber nicht eintauschen, denn die neuen - kapitalistischen - Produktionsverhältnisse, denen die bürgerliche Revolution den Weg freimachte, hatten mit den Verheißungen der Aufklärung wenig gemein. Schon gar nicht wollten sie die Herrschaft einer "fremdstämmigen", "welschen" Bourgeoisie.
Wie die Romantiker versuchten sich die neuen Zeiten zu ersparen, indem sie diese aus dem "Wesen" der Franzosen erklärten
Die deutsche Bourgeoisie war noch nicht stark genug, die in Frankreich begonnene Revolution aus eigener Kraft in Deutschland weiterzuführen und der Fürstenherrschaft und der feudalen Zersplitterung des Landes ein Ende zu setzen. Dass die Romantiker darin nicht einen Entwicklungsrückstand der deutschen Gesellschaft erkennen wollten, ist verständlich. Was konnte dabei schon herauskommen? Dass auch in Deutschland die Zukunft der Bourgeoisie und dem Kapitalismus gehören sollte? Die Romantiker machten lieber eine "Wesens"frage daraus: Aufklärung, bürgerliche Revolution und Liberalismus als Frucht fremden Geistes und Wesens brauchten nicht auf Deutschland übergreifen, wenn sich das "deutsche Wesen" nur seine Reinheit bewahrte und die "welschen" Einflüsse zurückwies. Die Abschüttelung der napoleonischen Herrschaft in den Freiheitskriegen erschien so als Sieg des "deutschen Wesens" und der Nationalismus verband sich in Deutschland nahezu von selbst mit reaktionären und im Ansatz rassistischen Haltungen.
Wie die Romantiker rückblickend das Mittelalter zu einer Idylle verklärten und dort auf das "deutsche Wesen" trafen
Das christliche Mittelalter mit seiner überschaubaren, festgefügten Einteilung der Stände, mit seinen berechenbaren Abhängigkeitsverhältnissen, mit seiner verhältnismäßig schwach entwickelten Arbeitsteilung, mit seiner überschaubaren politischen Kleinräumigkeit, wurde zur patriarchalischen Idylle verklärt und aus dem "deutschen Wesen" erklärt, dem die Romantiker in alter Volksliteratur nachspürten.
Der Publizist und Historiker Josef von Görres (1776 - 1848) charakterisierte das "deutsche Wesen" mit folgenden (und anderen) Worten:
Dass das "deutsche Wesen" nach Auffassung der Romantiker darin besteht, eben nicht Revolution zu machen, sondern "Volksgemeinschaft" zu bilden
"In der That hat sich in diesem Volke nach und nach ein Kern höherer Bildung und Gesinnung angesammelt, der als die Mitte seines Wesens und selbst seiner Verfassung, und als der Keimpunkt seiner Zukunft angesehen werden muss. Es ist ein unsichtbarer Bund, der durch alle Stände geht, ohne, dass irgend ein äußerlich Band da wäre ... eine geheime Macht, die Keinem insbesondere sichtbar ist, gleicht Alles aus, dass es wie aus einem Triebe und einem Leben kommt. und nicht etwas Zufälliges, Vorübergehendes, und daher Zerstörbares, ist diese Einheit der Gesinnung; sie ist die reife Frucht, die aus dem ganzen Wesen der Nation ... erwachsen ist ... Diese Gemeinsamkeit der Besseren ist der Fels, auf dem der neue Bau begründet werden muss ..."[2]
Das "deutsche Wesen" äußert sich also in einer "höheren Gesinnung", einer Art Sonderbegabung, die die Deutschen zur Bildung einer harmonischen "Volksgemeinschaft" befähigt, der klassenkämpferisches Gezänk fremd ist. Dieses Motiv - Aufhebung des Klassenkampfes in der deutschen "Volksge - meinschaft" - wird uns als wesentlicher Bestandteil kleinbürgerlicher Ideologie bis herauf zum Nationalsozialismus noch öfter begegnen. Es bringt den frommen Wunsch derer zum Ausdruck, die den Klassenkampf nicht gewinnen können und ihn daher auch nicht haben wollen.
Wie das Blut ins Spiel kam und aus dem "Wesen" allmählich "Rasse" zu werden begann
Von diesem deutschen Wesen konnte sich nun das - ebenfalls als eine Konstante vorgestellte - Wesen anderer Völker nurmehr negativ abheben. Gelegentlich aber helfen die Germanen als Blutspender anderen Völkern aus, die dann wieder eine gewisse Zeit weiterwurschteln können. Das bekannte Zitat "Und es mag am deutschen Wesen einmal noch die Welt genesen" stammt übrigens von Emanuel Geibel (1861). Görres formuliert folgendermaßen:
"Indem immer neue Ströme nordischen Blutes sich in die Adern des italienischen Volkes ergossen, wurde in dieser Transfusion das alte, angesteckte, abgestorbene ausgespült, und an die Stelle neue plastische Lymphe eingefüllt; und so ward der welke, hinfällige Körper in der Wiedergeburt mehrere Jahrhunderte aufs neue verjüngt und lebenskräftig."[3]
Der erwachende deutsche Nationalismus steigerte sich in den Freiheitskriegen gegen die napoleonische Herrschaft bei manchen zur Teutonomanie. Bei Heinrich von Kleist heißt es in "Germania an ihre Kinder" über die Franzosen:
"Schlagt sie tot, das Weltgericht fragt nach Gründen nicht."
Andere Dichter wie Theodor Körner, Max von Schenkendorf ("Freiheit, die ich meine") und besonders Ernst Moritz Arndt ("Lieder für Teutsche", "Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht Teutschlands Grenze") wandten sich mit ähnlich rabiaten Aufrufen an die Deutschen. Arndt nahm in gewisser Weise die späteren Rassenmystiker (Gobineau, Wagner, Chamberlain, Lanz) vorweg, wenn er in der Mischung der "Rassen" die größte Gefahr für das auserwählte "Lichtvolk" der Deutschen sah, die höllisch aufpassen müssten, dass ihre"Teuschkeit" nicht durch "Welschheit" zersetzt werde, die, "wie ein betäubendes Gift den edelsten Keim angreift".[4]
Dass die Romantiker nicht nur die Franzosen, sondern auch die Juden haßten
"Einen wesentlichen Charakterzug des neuen Teutonentums bildete der eingefleischte Judenhaß", sagte später der konservative Historiker Heinrich Treitschke, ein gewiß unverdächtiger Zeuge in dieser Sache[5], denn von ihm stammt der Satz "Die Juden sind unser Unglück", der später das Motto des Nazi - Hetzblatts "Der Stürmer" bildete. Die Tatsache, dass die Juden in den von den Franzosen besetzten Gebieten staatsbürgerlicher Rechte teilhaftig wurden (der Wiener Kongreß nahm sie ihnen wieder), erweckte bei den nationalgesinnten Deutschen den Eindruck einer französisch - jüdischen Allianz. Franzosenhaß und Judenhaß gingen Hand in Hand.
Wie die Romantikergerne in den Salons assimilierter jüdischer Großbürger verkehrten, sich von ihnen auch gerne unterstützen liessen, und dann über die Juden schimpften
Achim von Arnim, Heinrich von Kleist, Clemens von Brentano, die Brüder Grimm - sie alle waren entschiedene Judengegner, was sie aber nicht hinderte, in den von den Frauen assimilierter jüdischer Großbürger geführten Salons zu verkehren beziehungsweise auch deren Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Berliner Romantiker, unter ihnen etwa Grabbe und Kleist, trafen sich in den Salons der Rahel Varnhagen und der Henriette Herz. Im Haus der Fanny Arnstein in Wien verkehrten die Brüder Schlegel, Theodor Körner und viele andere.
Dass die Romantiker insbesondere von der Emanzipation der Juden nichts wissen wollten
Auf Initiative Achims von Arnim erfolgte 1811 die Gründung einer "Christlich - deutschen Tischgesellschaft", eines reaktionären Debattiervereins dem die von dem damaligen preußischen Staatskanzler Hardenberg betriebenen bescheidenen Reformen (und die seines Vorgängers Stein), besonders aber wohl die Emanzipation der Juden, zu weit gingen. Es handelt sich bei diesen "Stein - Hardenbergschen Reformen" um die Auflösung der Zünfte und Herstellung der Gewerbefreiheit (1810), um die für die Bauern recht ungünstige Regelung der Ablösung der feudalen Dienste und Abgaben (1811) sowie die zögernde staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden (1811 und 1816). Zu den Mitgliedern dieses Vereins zählten (neben etwa vierzig anderen) die Dichter Heinrich von Kleist und Clemens Brentano, der Rechtsgelehrte Friedrich Karl von Savigny, der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, der spätere Held der Befreiungskriege Carl Philipp Gottfried von Clausewitz (damals noch Major) und der Staatstheoretiker Adam Heinrich Müller.
Wie der Philosoph Johann Gottlieb Fichte auf die Idee kam, den Juden die Köpfe abzuschneiden
Zum Thema Judenemanzipation hat Fichte folgendes zu sagen:
"... ihnen Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden ..."
dann bremst er und setzt den Juden wieder Köpfe auf, aber andere
"und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sey. Um uns vor ihnen zu schützen, dazu sehe ich wieder kein anderes Mittel, als ihnen ihr gelobtes Land zu erobern, und sie alle dahin zu schicken."[6]
Dass die "Christlich - deutsche Tischgesellschaft" in ihren Statuten einen "Arierparagraphen" hatte, ist nach all dem nicht weiter verwunderlich. Der jüdische Spätaufklärer und Publizist Saul Ascher, dessen Schrift "Der Germanenwahn" übrigens 1817 anläßlich des Wartburgfestes von Burschenschaftern feierlich verbrannt wurde, äußert sich folgendermaßen zur "Tischgesellschaft":
"Sie soll freilich keine politische Tendenz haben, wie ihr Name auch anzudeuten scheint. Indes enthalten ihre Statuten einige Curiosa, die über den Geist der zeitigen deutschen Kultur einige Winke zu geben vermögen. Eins ihrer Statute setzt nämlich fest, dass kein Jude, kein getaufter Jude und kein Nachkomme eines getauften Juden sogar, als Mitglied aufgenommen werden soll [...] Bei den Zusammenkünften werden Abhandlungen vorgelesen, und man wird sich leicht von dem Geist derselben einen Begriff machen können, wenn wie dem Referenten hinterbracht worden, Exzerpte aus dem berüchtigten Eisenmenger von einem der Mitglieder der Gesellschaft zum besten gegeben worden."[7]
Dass der Jenaer Philosophiprofessor Jakob Friedrich Fries die Ausrottung der Juden empfahl
Großen Einfluß auf die nationalistische Studentenschaft hatte der Jenaer Philosophieprofessor Jakob Friedrich Fries (1773 - 1843), der auch während des berühmten Wartburgfestes, das aus dem Anlass des dreihundertsten Jahrestages des Beginns der Reformation 1817 gefeiert wurde, in den Vordergrund trat. In seiner 1816 verdöffentlichten Schrift "Über die Gefährdung des Wohlstandes und Charakters der Deutschen durch die Juden" spricht Fries bereits von Ausrottung:
"So hat die Judenkaste, wo sie zugelassen wird, auf das ganze Volk, von oben wie unten, auf hohe und niedere eine fürchterliche demoralisierende Kraft. Das also ist das wichtigste Moment in dieser Sache, dass diese Kaste mit Stumpf und Stiel ausgerottet werde..."
Wie die antisemitische Vulgärliteratur noch ein Schäuferl nachlegte
Soweit die "Dichter und Denker". Von ihren Beiträgen zur Ideengeschichte des Antisemitismus wurden hier nur einige Kostproben geboten. Die für den Unterrichtsgebrauch bestimmten Literaturgeschichten übergehen übrigens diesen Aspekt der Romantik und erst recht übergehen sie natürlich die reiche antisemitische Vulgärliteratur, die gleichzeitig entstand. Ein typisches Beispiel dafür liefert Hartwig von Hunt - Radowsky in seinem 1821 erschienenen "Judenspiegel":
"So wie die Juden und Zigeuner in Sprache, Sitten und äußerer Bildung auffallende Ähnlichkeiten haben, und daher auf gleiche Abstammung schließen lassen, so ist auch unter beiden das Verbrechen des Kinderdiebstahls gemein. Höchst verschieden ist das Schicksal der unglücklichen, auf diese Weise ihren Eltern entrissenen Kleinen. Manche werden zu gutem Preise verkauft; andere richtet man zu allerlei seltsamen Springen, Körperverrenkungen und lächerlichen Gebärden ab, und lässt sie, wie Affen und Bären für Geld sehen; viele müssen in Käfigen als Buschmänner, Neuseeländer, Kaffern etc. die Welt durchreisen, und werden gleichfalls für Geld gezeigt; manche werden vopn ihren angeblichen Eltern zu Taschenspielerkünsten und Diebereien gebraucht, und eine Menge dieser gestohlenen Christenkinder wird sogar von den Juden geschlachtet, die mit dem Blut der bedaurungswürdigen Opfer alberne und abergläubische Gebräuche vornehmen ... Ein Volk, welches Verbrechen dieser Art sich erlauben kann, sollte nimmer unter den Christen geduldet werden. Vor sechzig bis siebenzig Jahren wurden in manchen Gegenden Deutschlands die Zigeuner, diese Stammesverwandten der Juden und Ägypter aus den Wäldern, in denen sie ihre Hütten aufgeschlagen hatten, zusammengetrieben, und wie Raubtiere totgeschossen; und nie waren die Zigeuner doch einem christlichen Staate so gefährlich als die Juden."
Zur Lösung der "Judenfrage" schlägt Hunt - Radowsky Deportation, Versklavung, Kastration oder Vernichtung vor.
Das vorliegende Zitat enthält einen deutlichen Hinweis auf einen in unseren Schulbüchern (in denen anscheinend mehr Platz für das "Gute" und "Schöne" als für das "Wahre" ist) schamhaft verschwiegenen Genozid, den über Jahrhunderte sich erstreckenden Mord an den "Zigeunern", der im "Dritten Reich" lediglich seinen Höhepunkt und nicht einmal sein Ende erreichte.
Dass wer in der Romantik seine geistigen Wurzeln erblickt, unter Umständen nicht nur Grimms Märchen meint
Die Romantik geht bereits von einem den Völkern jeweils "eigentümlichen Wesen" aus, das als konstante historische Größe aufgefaßt wird. Ganz oben in der Rangordnung: das "deutsche Wesen". Deutsch ist "urtüchtig, urtugendlich und urmenschlich"("Turnvater" Jahn). Ganz unten: der "foetor judaicus", der "jüdische Gestank" (Schopenhauer). Abgesehen von der Vorbereitung der Judenvernichtung durch christliche Würdenträger, die fast zwei Jahrtausende hindurch ihren Leuten einhämmerten: "Sie haben Jesus getötet, Jesus getötet, sie haben den Teufel zum Vater und Jesus getötet, Jesus getötet, sie haben das Anderle von Rinn getötet, wie sie Jesus getötet haben, sie sind verstockt, sie glauben nicht an Jesus, sie haben ihn getötet, der Mensch ist vernünftig, nicht verstockt, sie sind verstockt, sind sie Menschen? ...", beginnt die ideologische Vorbereitung der maschinellen Judenvernichtung in der Romantik, "... nur dass eben in der Regel noch das Christentum diejenige Größe ist, in deren Namen der Angriff geführt wird ..."[8].
Friedrich Wilhelm Schmidt S.V.D., Theologe, Ethnologe und Begründer der Wiener Schule der Ethnologie, schrieb in dem 1920 erschienenen Werk "Der deutschen Seele Not und Heil" über die Notwendigkeit einer Wiederbelebung der Romantik und des Geistes des Freiheitskriege. Er schloß die damit verbundenen antijüdischen Traditionen ausdrücklich ein und erkannte ihnen zentrale Bedeutung zu:
"Die Befreiungskriege müssen noch einmal wieder aufgenommen und zu einem besseren Ende durchgeführt werden ... Damals haben kurzsichtige Dynastien das Volk, das in den Befreiungskriegen auch für ihre Wiedereinsetzung sein Blut vergossen hatte, um die Freiheit betrogen, die sie ihm zugesichert hatten. Ein unheilvoller Schaden ist damals den deutschen Volke, insbesondere aber seiner Seele zugefügt worden.
Der ganze gewaltige seelische Aufschwung des Volkes in den Befreiungskriegen, ... wurde durch jenen Betrug in seinem Innersten vergiftet. Mißtrauen, Erbitterung und Haß begannen die Seelen zu erfüllen und zu verwüsten. Vor der brutalen Gewalt des Polizeistocks musste sich das alles zuerst verbergen, um dann im Jahre 1848 offen loszubrechen und sich dort rückhaltlos dem Liberalismus, als dem einzigen Retter und Befreier, in die Arme zu werfen, ohne daran zu denken, welche verderblichen Kräfte dieser gleichzeitig entfesselte. Das geschah in der völligen Emanzipation des Judentums, das nun überall mit der vollen Kraft seiner Geldmittel und der Presse, deren es sich bemächtigt, sich in den Dienst des blöden Materialismus stellte.
In der steigenden Hochflut desselben ging dann auch die Romantik zugrunde, die zu Beginn des Jahrhunderts so kräftig und hoffnungsvoll sich ausgebreitet hatte und so entscheidenden Anteil hatte an der Entfachung des Begeisterungsfeuers der Befreiungskriege. Zuerst wurde sie von dem Polizeiabsolutismus als verdächtig betrachtet und verfolgt ... Dann aber geriet sie auch beim Liberalismus und der Demokratie in Mißkredit, und die Heine und Börne suchten sie mit Knütteln totzuschlagen.
... sie trägt doch die ganze tiefe Sehnsucht des deutschen Volkes in sich, über den Riß hinweg, den Renaissance und Reformation in der Geschichte des deutschen Volkes gebracht hatten, den Zusammenhang wieder zu finden zu acht Jahrhunderten echten reichen und stolzen deutschen Lebens und in dieser lebendigen Verbindung durch die Erneuerung alter deutscher Geschichte, deutschen Liedes, deutscher Sage, deutscher Sitte und deutscher Gesellschafts - und Wirtschaftsordnung sich selbst wieder zu erfüllen mit so starker deutscher Lebenskraft, dass sie alles Fremde von sich ausstoßen und seine Herrschaft völlig abwerfen könne."
Wenn heute von einer politischen Gruppierung der Geist der Romantik beschworen wird, so drückt das möglicherweise mehr aus als eine bloße Vorliebe für Grimms Märchen. Auch das enge Zusammenrücken der "offenkundig vorgegebenen Werte" Ehre und Treue erinnert eher an die SS ("meine Ehre heißt Treue") als an Brentanos Hinkel Gockel und Gackeleia:
In der "Lorenzener Erklärung" stellten Vordenker der FPÖ im Jahre 1989 fest, dass auch sie an die Traditionen der Romantik anknüpfen:
"Ausgangspunkte sind das grundsätzliche Bekenntnis zu bleibenden Werten, die offenkundig vorgegeben und mit der menschlichen Natur untrennbar verbunden sind, eine ganzheitliche Schau des Menschen sowie seiner natürlichen und kulturell bedingten Umwelt und der geistige Bereich, der Tun und Beweggründe des Menschen bestimmt. Dieses ganzheitliche Bild folgt den Denkern des deutschen Idealismus, der Romantik und der Freiheitsbewegung ...
Unser Freiheitsideal unterscheidet sich grundlegend von den Schlagworten der Französischen Revolution: die vorgegebenen Unterschiede an Begabung, Fähigkeiten, Neigungen, ja auch an menschlicher Würde bilden die zur volklichen Existenz notwendige Vielfalt ... Unbeschadet der Vielfalt müssen soziales Unrecht, Ausbeutung Manchesterliberalismus u.ä. bekämpft werden und sind durch eine soziale Ordnung zu vermeiden bzw. zu beseitigen."

WIE ES IM JULI 1830 EUROPA ZU EINER WEITEREN
FRANZöSISCHEN REVOLUTION KAM UND DIESE EUROPA IN AUFREGUNG VERSETZTE



Dass 1814 wohl die Bourbonen mit Ludwig XVIII. auf den französischen Thron zurückkehrten, den Absolutismus aber nicht restaurieren konnten
Die Monarchen Österreichs, Preußens und Rußlands, hatten 1814 - auf dem Wiener Kongreß - den Sieg der europäischen Völker in ihrem Freiheitskampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft in Sieg des Adels umgefälscht.
Mit Ludwig XVIII. gelangten die Bourbonen 1814 erneut an die Macht, nachdem die große Französische Revolution (10. August 1792) ihrer Herrschaft ein vorläufiges Ende gesetzt hatte und Ludwig XVI. hingerichtet worden war (21. Jänner 1793). Die Restauration der absoluten Monarchie gelang Ludwig XVIII. nicht. In der Verfassung von 1814 musste er wesentliche Ergebnisse der Französischen Revolution zur Kenntnis nehmen (Anerkennung des in den Jahrzehnten zuvor entstandenen bürgerlichen und bäuerlichen Eigentums, Recht auf Steuerbewilligung und Gesetzgebung für die Abgeordnetenkammer, Freiheit der Person und der Presse).[9] Ein hoher Wahlzensus sorgte dafür, dass in der Abgeordnetenkammer die richtigen Leute saßen.
Wie der Restaurationsversuch Karls X. die Julirevolution von 1830 auslöste
1824 bestieg Karl X. den Thron und versuchte die Restauration voranzutreiben: Die "Emigrantenmilliarde" sollte den Adel für die während der Französischen Revolution erlittenen Verluste entschädigen. Die Mittel dafür sollten durch eine Senkung der Rente aus den Staatspapieren aufgebracht werden. Damit wurde der Gegensatz zwischen der am Feudalismus, am ancien régime anknüpfenden, künstlich aufgepropften Herrschaftsform und dem aktuellen Entwicklungsstand der französischen Gesellschaft akut, die längst eine kapitalistische geworden war.

Am 25. Juli 1830 erließ Karl X. seine "Ordonnanzen", durch die die Pressefreiheit beseitigt, die Abgeordnetenkammer aufgelöst und die Zahl der Wahlberechtigten verringert wurde.
Wie die Liberalen die Verfassung, nichts als die Verfassung" forderten, die Arbeiter aber schon die demokratische Republik wollten
Liberale Journalisten und Politiker, unter ihnen die Historiker Francois Guizot und Adolphe Thiers, Die Bankiers Jaques Lafitte und Casimir Périer sowie der General Horace Sébastiani[10] - verfaßten eine Protesterklärung, die auf die Wiederherstellung der Verfassung von 1814 abzielte. Der Kurssturz von Wertpapieren und die Schließung von Banken und Betrieben mobilisierten die Bevölkerung. Während die Liberalen noch "Die Verfassung, nichts als die Verfassung!" forderten, erscholl aus den Reihen der Pariser Arbeiter bereits der Ruf nach der demokratischen Republik.
Dass die Arbeiter während der "drei glorreichen Tage" der Bourbonenherrschaft ein Ende setzten
Nach drei Tage währenden Barrikaden - und Straßenkämpfen (27. bis 29. Juli - die "drei glorreichen Tage") war die Zeit der Bourbonenherrschaft in Frankreich endgültig vorbei. Die Zurücknahme der "Ordonnanzen" rettete die Herrschaft Karls X. nicht mehr, er dankte am 2. August ab. "Der Fürstenbund der "Heiligen Allianz", der Europa seit 1815 fest und unabänderlich im Würgegriff der Adelsreaktion wähnte, stand vor dem Scherbenhaufen seiner restaurativen Politik."[11]
dass die Bourgeoisie kein Interesse daran hatte, die Revolution über den Sturz Karls X. hinaus voranzutreiben
Die von der Entwicklung überraschten Liberalen wollten weder die Republik noch die Wiederherstellung der Bourbonenherrschaft. Die überwiegende Mehrheit der Bourgeoisie war liberal und royalistisch gesinnt. Die Creme der Bourgeoisie, die sogenannte "Finanzaristokratie" (Kapitalistisch wirtschaftende Großgrundbesitzer, Großkaufleute, Bankiers und Börsenmakler) hatte kein Interesse daran, die Revolution über den Sturz Karls X. hinaus voranzutreiben.
Wie der Bankier Périer die Ängste der Großbürger vor der Demokratie in treffende Worte kleidete:
Casimir Périer sprach die Ängste der großbürgerlichen Liberalen offen aus: "Ohne Monarchie wird das Regime in die Demokratie abgleiten, und dann ist die Bourgeoisie nicht mehr die Herrin."[12]
Wie das mittlere und das Kleinbürgertum die Republik
erstrebten und sich schließlich mit dem "Bürgerkönigtum" Ludwig Philipps abfanden
Die Industrielle Revolution war gerade erst dabei anzulaufen, die Industriebourgeoisie stand dementsprechend noch im Schatten der Fianzaristokratie, deren Einstellung zu den Industriellen am besten wohl durch ein Bonmot James Rothschilds illustriert wird: "Es gibt drei Mittel, sich zu ruinieren: die Frauen, das Spiel und die Ingenieure. Die ersten beiden sind angenehm, das dritte Mittel aber ist sicher".[13]Das mittlere und das Kleinbürgertum erstrebte die Republik mit dem greisen Lafayette als Präsidenten. Dass er das Blutbad auf dem Marsfeld kommandiert hatte, war vergessen. Damals - am 17. Juli 1791 - hatte Lafayette die Nationalgarde in eine Massendemonstration von Republikanern schießen lassen. Der Kandidat der liberalen Großbourgeoisie hingegen war Ludwig Philipp, der Herzog von Orléans. Der öffentliche Bruderkuß Lafayettes auf dem Balkon des Pariser Rathauses machte ihn auch für die Industriebourgeoisie und die Kleinbürger akzeptabel.[14]
Wie der Bankier Jacques Laffitte das wesentliche an der Juli - Revolution in einem Satz zusammenfaßte: "Von nun an werden die Bankiers herrschen"
"Nach der Julirevolution, als der liberale Bankier Laffitte seinen compère [Gevatter, Helfershelfer], den Herzog von Orléans, im Triumph auf das Hotel de Ville [Rathaus] geleitete, ließ er das Wort fallen: "Von nun an werden die Bankiers herrschen". Laffitte hatte das Geheimnis der Revolution verraten."[15] Im August 1830 leistete Ludwig Philipp den Eid auf die Verfassung von 1814. Die Großbourgeoisie hatte damit eine Alternative zur Bourbonenherrschaft einerseits und zur Republik andererseits gefunden "... wo sie herrschte, ohne verantwortlich zu sein; wo eine Scheinmacht, zwischen ihr und dem Volke stehend, für sie handeln und ihr zugleich als Versteck dienen musste; wo sie sozusagen einen gekrönten Sündenbock besaß, auf den das Proletariat losschlug, sobald es sie treffen wollte, gegen den sie sich selbst mit dem Proletariat verband, sooft er ihr lästig wurde und sich als Macht für sich festsetzen wollte."[16]
Was der Liberale Politiker Guizot denen riet, die durch den Zensus vom Wahlrecht ausgeschlossen waren:
"Bereichert euch!"
Der Wahlzensus wurde nur geringfügig gesenkt, die Zahl der Wahlberechtigten erhöhte sich dadurch von etwa 90.000 auf rund 220.000 - bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 30 Millionen Menschen.[17] Damit war auch die Mehrzahl der Industriellen ausgeschlossen, denen Guizots berühmtes Wort "bereichert euch" als blanker Hohn erscheinen musste: Ihr wollt Anteil an der Regierung des Landes? Dann zahlt so viel Steuern wie wir. Ihr könnt es nicht (nicht zuletzt deswegen, weil unsere Wirtschaftspolitik auf unsere und nicht eure Bedürfnisse zugeschnitten ist[18])? So bereichert euch!
Dass die Arbeiter nichts davon hatten, dass sie dem Bürgertum die Bourbonenherrschaft vom Hals geschafft hatten
Die Arbeiter, die in den Kämpfen der "drei glorreichen Tage" dem Bürgertum die Herrschaft Karls X. vom Hals geschafft hatten, gingen leer aus: Die Julimonarchie übernahm und verschärfte die arbeiterfeindliche Gesetzgebung der Restaurationszeit. Koalitions - und Streikverbot blieben aufrecht. Lafayette erklärte im August 1830, die Forderungen der Arbeiter seien mit der "Freiheit der Industrie" unvereinbar. 1830 war das Industrieproletariat zahlenmäßig den Bauern und dem städtischem Kleinbürgertum noch weit unterlegen und sich seiner als einer selbständigen gesellschaftlichen Kraft noch kaum bewußt.
Wie die "Heilige Allianz" - Bourbonen hin, Bürgerkönig her - die Juli - Monarchie als von ihrem Fleische erkannte und nicht an eine bewaffnete Intervention dachte
Auf der Seite der "Heiligen Allianz" deutete man die Zeichen richtig: Wenn man von dem Schönheitsfehler absah, dass die Julimonarchie ihre Existenz einer Revolution verdankte, sprach nichts gegen eine faktische Aufnahme Frankreichs in das reaktionäre Bündnis der Großmächte. "Der neuen französischen Regierung wird auf unterschiedlichem Wege mitgeteilt, dass Europa an einer Stabilisierung des neuen Regimes interessiert sei und an einen Angriff gegen Frankreich nicht denke. Selbst Metternich verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, die neue Regierung möge sich festigen."[19]
Die schon Ende Juli 1830 neuaufgestellte Nationalgarde sollte die neue Ordnung aufrechterhalten, demonstrative Truppenparaden dienten der Einschüchterung der Opposition.[20]
Wie zwei Aufstände der Lyoner Seidenweber zusammengeschossen wurden
Zehntausende Lyoner Seidenweber gingen im November 1831 auf die Straße, um für die Gewährung menschenwürdiger Lebensbedingungen zu demonstrieren. Insbesondere forderten sie die Festlegung eines Mindestlohns und die Einhaltung eines schon abgeschlossenen Tarifvertrags, den die Regierung Périer aufgehoben hatte. Dem Demonstrationszug wurde eine schwarze Fahne vorangetragen, die die Aufschrift "arbeitend leben oder kämpfend sterben" trug. Aber erst als Linientruppen und Nationalgarde in die Kundgebung feuerten, schlug diese in einen Volksaufstand um. Nach zweitägigem Kampf war Lyon in der Hand der revoltierenden Arbeiter.[21] Bereits Anfang Dezember aber eroberten Regierungstruppen die Stadt zurück.
Im Juni 1832 entwickelten sich die Begräbnisfeierlichkeiten für den populären ehemaligen napoleonischen General und deklarierten Republikaner Lamarque zu einem republikanischen Aufstand, der aber bereits nach zwei Tagen unterdrückt war.
Im April 1834 kam es zu einem neuerlichen - ergebnislosen - Arbeiteraufstand in Lyon, der in anderen Städten und vor allem in Paris Widerhall fand. "Republik oder Tod!" war die Losung der Erhebung, die abermals von Regierungstruppen zusammengeschossen wurde. In der Rue Transnonain in Paris übten diese in sinn - und wahllosem Morden Vergeltung.
Wie die Juli - Revolution auf Belgien übergriff, dieses sich von Holland löste und seine "ewige Neutralität" erklärte
Erfolgreich war ein Aufstand der Belgier, der Ende August 1830 losbrach und sich gegen die vom Wiener Kongreß diktierte Zwangsvereinigung mit Holland richtete. Die Drohgebärde Frankreichs verhinderte ein Eingreifen der "Heiligen Allianz": "Wenn sich andere Mächte in ausbrechende Aufstände in anderen Ländern einmischen, dann gibt es Krieg mit Frankreich."[22] Im Januar 1831 einigten sich in London die Vertreter der fünf Großmächte auf die "24 Artikel", in denen die Existenz des neuen unabhängigen Staates Belgien und seine "ewige Neutralität" anerkannt wurden.
Wie im November 1830 ein Aufstand in dem zwischen Russland, Preußen und Österreich aufgeteilten Polen den Nerv der "Heiligen Allianz" traf und von ihr daher unterdrückt wurde
Anders lagen die Dinge in Polen, das 1795 aufgehört hatte, als selbständiger Staat zu existieren. Rußland, Preußen und Österreich hatten das Land im Rahmen der "Polnischen Teilungen" (1772, 1793 und 1795) untereinander aufgeteilt.
Ende November 1830 stürmten polnische Offiziersschüler die Residenz des Großfürsten Konstantin in Warschau, der im russisch besetzten Teil Polens den Zaren Nikolaus I. vertrat und sich gerade noch durch eine Geheimtür seines Schlafkabinetts in Sicherheit bringen konnte. Das polnische Parlament, der Sejm, erklärte den Zaren in seiner Eigenschaft als polnischer König für abgesetzt. Dieser Aufstand traf den Nerv der "Heiligen Allianz", denn er stellte auch die Herrschaft der Hohenzollern und der Habsburger über die von Preußen und Österreich besetzten polnischen Gebiete in Frage.[23] Es gelang dem polnischen Adel jedoch nicht, die große Masse der bäuerlichen Bevölkerung zu mobilisieren, da er an seinen feudalen Vorrechten festhielt und nichts von der längst fälligen Agrarreform wissen wollte. Entsprechend dem geringen Entwicklungsstand der Produktion kam das junge polnische Bürgertum als tragende Kraft des Aufstandes von 1830/31 nicht in Frage.
Auch Frankreich ließ wissen, dass es für die Unabhängigkeit Polens keinen Finger rühren werde. Périer wählte folgende Formulierung: "Wir räumen keinem Volk das Recht ein, uns zu zwingen, für seine Sache zu kämpfen; das Blut der Franzosen gehört ausschließlich Frankreich."[24] Im Februar 1832 brach der Aufstand zusammen.
Wie in Italien ein erfolgloser Versuch, die territoriale
Zersplitterung zu überwinden und die teilweise österreichische Fremdherrschaft abzuschütteln, vor sich ging
Die Bewegung des "Risorgimento", die die nationale "Wiedergeburt" Italiens und die Überwindung seiner Zersplitterung in feudale Fürstentümer zum Ziel hatte, war in den Tagen der Französischen Revolution in Form jakobinischer Verschwörergruppen entstanden. Zur Zeit der Herrschaft Napoleons war die Geheimgesellschaft der "Carbonari" entstanden.
Napoleon hatte die politische Landkarte Italiens völlig verändert: (Piemont, Ligurien, Toskana von Frankreich annektiert, Rom besetzt; Königreich Italien [Napoleon selbst seit 1805 König von Italien]: Lombardei, Romagna, Umbrien, Venetien; Königreich Neapel).
Der Wiener Kongreß hatte Österreich seine Vorherrschaft in Italien zurückgegeben. Auch Venetien war jetzt österreichisch. Habsburgische Truppen hatten bereits 1820/21 Revolutionen im Königreich beider Sizilien und in Piemont niedergekämpft.
Im Februar 1831 begann eine neuerliche Erhebung, die die Bildung der "Vereinigten italienischen Provinzen" zur Folge hatte, die aus den Herzogtümern Modena, Parma und der Romagna bestanden. Damit war ein erster Schritt auf dem Weg zur Einheit Italiens getan, die "Vereinigten Provinzen" übernahmen die französische Verfassung von 1830.[25] Die Julimonarchie unterstützte aber die italienische Revolution nicht. Frankreich leistete weder direkte Waffenhilfe gegen die Intervention Österreichs, noch half es mit Geld oder Material. Nicht zuletzt scheiterte die italienische Revolution auch daran, dass es den bürgerlichen Patrioten nicht gelang, die Masse der Bevölkerung zu mobilisieren. Die von dieser erwarteten tiefgreifenden sozialen Reformen bleiben aus.
Wie das deutsche Bürgertum mehr Angst vor der Revolution als Sympathie für sie empfand und sich daher weitere repressive Maßnahmen gefallen lassen musste
Die Julirevolution fand Widerhall im Deutschen Bund. Hier hatte sich jedoch das Bürgertum noch nicht zur führenden Kraft entwickelt. Wohl kam es in Sachsen, Braunschweig, Kurhessen und Hannover zu Unruhen, wohl kam es im Mai 1832 zu einer gewaltigen Massendemonstration für ein geeintes und republikanisches Deutschland (Hambacher Fest mit ca. 30.000 Teilnehmern), aber: "In Berlin ist sich die Regierung ihrer Bourgeoisie so sicher, dass sie schon bei den ersten Tumulten die Bildung von bürgerlichen Sicherheitsvereinen anregt. Klug beugt sie der Gefahr vor, deren Gewehre könnten doch in die falsche Richtung losgehen. Auf Erlass des Ministers des Innern und der Polizei vom 4. Oktober 1830 werden "Studenten und Schüler ... ebenso wie die vom täglichen Broterwerb lebende Volksklasse davon ausgeschlossen"."[26] Ludwig Börne kommentierte die Bildung solcher bürgerlicher Sicherheitsvereine mit folgenden Worten: "Dem deutschen Bürgerstande wird Angst gemacht vor dem Pöbel, und er bewaffnet sich, stellt sich in seiner viehischen Dummheit unter das Kommando der Militärmacht und vermehrt dadurch nur die Gewalt der Regierungen."[27]
Im Sommer 1832 beschloß der Bundestag in Frankfurt am Main eine Reihe von repressiven Maßnahmen ("Sechs Artikel" und "Zehn Artikel") wie etwa die Verschärfung der Zensur und Bespitzelung, das Verbot aller politischen Vereine, Volksversammlungen und öffentlichen Reden, die gegenseitige Auslieferung politisch Verfolgter.[28]
Dass die Kleinstaaterei wieder einmal den Sieg davongetragen hatte, dem Bürgertum aber seine politische Machtlosigkeit 1834 durch die Begründung des deutschen Zollvereins versüßte
Wieder einmal trugen Fürsten, Adelsreaktion und Kleinstaaterei in Deutschland den Sieg davon, der bürgerlichen Opposition wurde aber ihre politische Machtlosigkeit im Jahre 1834 durch die Begründung des Deutschen Zollvereins versüßt, womit ein wesentlicher Schritt auf einen einheitlichen deutschen Wirtschaftsraum zu getan war. Damit fiel eine Schranke, die sich bis dahin der Industriellen Revolution in den Weg gestellt hatte. Die Bourgeoisie gewann an ökonomischer Bedeutung, und umso deutlicher trat die Fragwürdigkeit einer Herrschaftsform hervor, die ihr politische Rechte vorenthielt.

WIE 1848 IN FRANKREICH DER TRAUM VON DER
SOZIALEN REPUBLIK WIRKLICHKEIT ZU WERDEN SCHIEN, LETZTLICH ABER IN DER DIKTATUR NAPOLEONS III.
ENDETE

Wie das Grossbürgertum abermals mit einer Wahlrechtsreform zufrieden gewesen wäre, das mittlere und Kleinbürgertum sowie die Arbeiterschaft aber die Republik erzwangen und Louis Philippe verjagten
Die Mißernte des Jahres 1845/46, von der eine ganze Reihe europäischer Staaten betroffen war, und die darauf folgende Wirtschaftskrise bildeten den Hintergrund der europäischen Revolution des Jahres 1848, die im Februar von Frankreich ihren Ausgang nahm.
Seit dem Sommer 1847 brachte die französische Bourgeoisie, deren Großteil ja auch unter dem "Bürgerkönig" Louis Philippe keinen Anteil an den politischen Entscheidungen hatte, ihre Opposition durch die Abhaltung von Banketten zum Ausdruck, auf denen Reden gehalten wurden, die zunächst lediglich die Forderung nach einer Wahlrechtsreform zum Inhalt hatten. Bald aber wurde auch der Ruf nach der Republik laut.
Das Verbot eines dieser Bankette im Februar 1848 löste die Revolution aus. Weder Zugeständnisse (Regierungsumbildung, Entlassung Guizots) noch der Einsatz von Militär vermochten die Herrschaft Louis Philippes zu retten. Die Erschießung von Demonstranten steigerte nur die Wut der Bevölkerung. Die Menschen verkrochen sich nicht, sondern bauten Barrikaden. Louis Philippe dankte ab und floh nach England.
Dass Bürger und Arbeiter verschiedene Auffassungen von der Gestaltung der künftigen Republik hatten
Die erste Stunde jeder Revolution gehört den Visionen, den Illusionen, den Helden und dem Pathos. Dann folgt der Kampf um die neue Ordnung. Die großbürgerlichen Liberalen wären mit einer bloßen Wahlrechtsreform unter Beibehaltung der monarchischen Staatsform zufrieden gewesen. Mittleres und Kleinbürgertum sowie die Arbeiter wollten und erzwangen die - zweite - Republik. Aber welche Republik? Bürgerliche oder soziale? Trikolore oder rote Fahne? In der provisorischen Regierung, die sich aus Wortführern der Revolution gebildet hatte, und die die Geschicke Frankreichs lenken sollte bis eine gewählte Regierung an ihre Stelle treten konnte, waren die Bürgerlichen in der überwiegenden Mehrheit. Nur zwei "Sozialisten" gehörten ihr an.
Wie der "Sozialist" Louis Blanc der Verelendung der Arbeiter und der Proletarisierung der Kleinbürger durch "Organisation der Arbeit" begegnen wollte
Einer von ihnen war der Historiker und Journalist Louis Blanc. Der Titel seiner 1839 erschienenen sozialkritischen Schrift Organisation der Arbeit war zum Kampfruf der Arbeiter geworden. Blanc geißelte in der Organisation der Arbeit das soziale Elend, das das Industriezeitalter mit sich brachte:
"In der modernen Gesellschaft beruht die öffentliche Ordnung hauptsächlich auf zwei Arten von Menschen, von denen die eine die Aufgabe hat, zu repräsentieren, und die andere, die Köpfe abzuschlagen. Die Hierarchie der Konservativen beginnt beim König und endet beim Henker.
Als die aufständischen Arbeiter von Lyon riefen: "Entweder man gibt uns etwas zum Leben oder man soll uns umbringen", geriet man durch diese Forderung in nicht geringe Verlegenheit; weil es jedoch zu schwierig schien, sie am Leben zu erhalten, schlachtete man sie ab.
Auf diese Weise war die Ordnung wiederhergestellt! [...]
Ist der Arme ein Mitglied oder ein Feind der Gesellschaft? Antwortet!
Rings um sich her findet er den Boden in Besitz genommen. Darf er das Land für sich selbst bestellen? Nein, denn das Recht des ersten Besitzers ist zum Eigentumsrecht geworden.
Darf er die Früchte ernten, die Gott an den Straßen der Menschen reifen lässt? Nein, denn wie den Boden haben andere sich die Früchte angeeignet.
Darf er frei jagen oder fischen? Nein, denn das ist ein Recht, das die Regierung verpachtet.
Darf er aus einem Brunnen auf einem Feld Wasser schöpfen? Nein, denn der Eigentümer des Feldes ist kraft Akzessionsrechts Eigentümer der Quelle.
Darf er, um nicht vor Hunger und Drust umzukommen, sich an das Mitleid der andern wenden? Nein, denn es gibt Gesetze gegen Bettelei.
Darf er, wenn er kein Dach über dem Kopf hat und vor Müdigkeit umfällt, auf dem Straßenpflaster übernachten? Nein, denn es gibt Gesetze gegen Landstreicherei.
Darf er dieses mörderische Vaterland verlassen, das ihm alles verweigert, und seinen Lebensunterhalt weit weg von seinem Geburtsort suchen? Nein, denn das ist ihm nur unter gewissen Bedingungen erlaubt, die er nicht erfüllen kann.
Was also soll der Unglückliche tun? Er sagt zu euch: "Ich habe Arme, weiß meinen Kopf zu gebrauchen, bin jung und stark. Nehmt das alles und gebt mir dafür ein Stück Brot." Das tun und sagen heutzutage die Proletarier. Aber selbst darauf könnt ihr dem Armen entgegnen: "Ich habe keine Arbeit für dich!" Was soll er dann noch tun? Ihr seht deutlich, dass ihm nur zwei Möglichkeiten bleiben: sich oder euch umzubringen.
Was hieraus folgt, ist höchst einfach: Sichert dem Armen die Arbeit! Für die Gerechtigkeit habt ihr damit nicht allzuviel getan, und bis zum Reich der Brüderlichkeit ist es noch weit [...]."
Louis Blanc wollte durch die "Organisation der Arbeit", also durch die Reglementierung der Wirtschaft (keineswegs aber Enteignung der Kapitalisten), gleichermaßen der Verelendung des Proletariats und der Proletarisierung des Kleinbürgertums durch den unbarmherzigen Konkurrenzkampf begegnen. Er umriß sein Konzept mit folgenden Worten:
"Die Regierung wird als oberste Leitungsbehörde der Produktion eingesetzt und dafür mit großer Macht ausgestattet. [...]
Die Regierung nimmt eine Anleihe auf, die zur Errichtung von Nationalwerkstätten in den wichtigsten Industriezweigen der Nation verwandt wird. [...]
Als einziger Gründer von Nationalwerkstätten verfaßt die Regierung die Statuten. Ihre Abfassung hat nach Beratung und Beschlußfassung in der Nationalversammlung Form und Kraft eines Gesetzes. Alle rechtschaffenen Arbeiter werden aufgerufen, in den Nationalwerkstätten zu arbeiten und sogar das Anfangskapital für den Kauf von Arbeitsmitteln aufbringen zu helfen. [...]
Für das erste Jahr nach der Errichtung der Nationalwerkstätten hat die Regierung die Rangordnung der Tätigkeiten festzusetzen. Danach wird es nicht mehr nötig sein. Denn die Arbeiter haben bis dahin genug Zeit, sich gegenseitig einzuschätzen, und da alle gleichermaßen am Gedeihen der Assoziation interessiert sind, wird man die Stufenfolge durch Wahl festlegen.
Der alljährlich berechnete Reingewinn zerfällt in drei Teile: Einer wird zu gleichen Teilen unter die Mitglieder der Assoziation verteilt. Der zweite dient einmal zur Unterhaltung der Alten, Kranken und Arbeitsunfähigen, sodann zur Linderung von Krisen, die andere Industriezweige betroffen haben [...]. Der dritte Teil schließlich wird zum Ankauf von Arbeitsinstrumenten für diejenigen verwandt, die der Assoziation beitreten möchten, so dass diese unbegrenzt in die Breite wachsen kann. [...]
Die Kapitalisten werden aufgerufen, der Assoziation beizutreten. Sie erhalten für das von ihnen eingebrachte Kapital Zinsen, die vom Budget garantiert werden. Am Gewinn sind sie jedoch nur in ihrer Eigenschaft als Arbeiter beteiligt.
Ist die Nationalwerkstatt einmal nach diesen Grundsätzen errichtet, versteht sich alles weitere von selbst. In jedem Hauptindustriezweig, sei es im Maschinenbau, in der Seiden - und Baumwollindustrie oder im Druckereiwesen, gibt es dann eine Nationalwerkstatt, die der Privatindustrie Konkurrenz macht. Wird der Kampf lange dauern? Keineswegs! Denn die Nationalwerkstatt ist gegenüber jedem Privatbetrieb im Vorteil auf Grund der größeren Wirtschaftlichkeit, die sich aus der gemeinschaftlichen Lebensweise und der Art der Organisation ergibt, in der alle Arbeiter ausnahmslos daran interessiert sind, schnell und gut zu produzieren. Wird dieser Kampf vernichtend sein? Nein. Die Regierung ist stets in der Lage, seine Auswirkungen zu zügeln und zu verhindern, dass die Preise der in den Nationalwerkstätten produzierten Waren zu niedrig festgelegt werden. [...] Statt, wie die heutigen Großkapitalisten, den Markt zu beherrschen und zu tyrannisieren, wird die Regierung ihn regulieren. Sie bedient sich der Waffe der Konkurrenz nicht, um die Privatindustrie gewaltsam zu vernichten [...], sondern, um sie unmerklich zu einem glücklichen Vergleich zu bringen. Bald werden sich nämlich Arbeiter und Kapitalisten in jedem Produktionsbereich, in dem es eine Nationalwerkstatt gibt, wegen der Vorteile der Mitgliedschaft um die Aufnahme in die Assoziation bewerben. [...] Ein Großindustrieller kann heute mit einem gewaltigen Schlage alle Rivalen aus dem Sattel werfen und einen ganzen Industriezweig monopolisieren. In unserem System bemächtigt sich der Staat nach und nach der Industrie, und am Ende steht statt des Monopols die Niederlage der Konkurrenz und damit die Assoziation."
Wie durch die Einrichtung von "Nationalwerkstätten" das Recht auf Arbeit gesichert werden sollte und an der Trikolore vorübergehend auch ein rotes Bändchen flattern durfte
Als die Arbeiter nun die Anerkennung ihres Rechts auf Arbeit forderten, wurde auf Vorschlag Louis Blancs tatsächlich ein entsprechendes Dekret erlassen. Die praktische Folge war die Einrichtung von "Nationalwerkstätten", unter denen man sich aber nicht wirklich Werkstätten vorzustellen hat, denn die Arbeitslosen wurden mit Erdarbeiten beschäftigt. Anstatt der ebenfalls geforderten Einrichtung eines "Ministeriums für Arbeit und Fortschritt" gab es aber nur eine Kommission für Arbeitsfragen, die Louis Blanc gemeinsam mit dem anderen "Sozialisten" in der provisorischen Regierung (Albert) leiten durfte. Sollte er ruhig die Umkrempelung der französischen Gesellschaft nach seinen Vorstellungen planen, gefährlich werden konnte er ihr nicht, denn die Kommission für Arbeitsfragen hatte weder finanzielle Mittel zu ihrer Verfügung, noch kamen ihr gesetzgeberische Kompetenzen zu. Indem er die Arbeiterschaft auf die Zeit nach allgemeinen Wahlen vertröstete, erwies Louis Blanc der Bourgeoisie sogar einen großen Dienst. Die Frage: bürgerliche oder soziale Republik? Trikolore oder rote Fahne? entschied sich so zugunsten der Trikolore, wenn zunächst auch noch ein rotes Bändchen an der Fahnenstange flattern durfte, das später entfernt wurde.
Immerhin aber hatte man den Arbeitern die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit auf zehn (in der Provinz elf) Stunden zugestehen müssen. Alle Männer, die das 21. Lebensjahr vollendet hatten, durften wählen. Presse - und Versammlungsfreiheit ermöglichten nun die Gründung zahlreicher Zeitungen und Zeitschriften sowie politischer Klubs, darunter vor allem die "Société républicaine centrale", die "Zentrale Republikanische Gesellschaft" des Sozialistenführers Auguste Blanqui.
Das Wesentliche, das aus der Perspektive der Bauern die Revolution mit sich gebracht hatte, zeigte sich in Form einer neuen Steuer von 45 Centimes, deren Einhebung mit den Kosten begründet wurde, die die Nationalwerkstätten verursachten. Das Wahlverhalten der Bauern bei den Wahlen zur Konstituierenden Versammlung war entsprechend. Außerdem ließ ein knapper Wahltermin (April 1848) der Linken nicht genug Zeit, sich als wahlwerbende Kraft zu organisieren.
Wie sich bei den Wahlen zur Konstituierenden Versammlung die Schwäche der jungen Arbeiterbewegung zeigte, und der Traum von der sozialen Republik im Juni 1848 in einem blutigen Desaster endete
Die Wahlen ergaben einen überwältigenden Sieg der Rechten, das heißt der rechten Republikaner und der Monarchisten (Anhänger der Bourbonen und des Hauses Orléans). Die Anhänger der Familie Bonaparte errangen allerdings nur zwei Mandate. Kleinbürgerliche Demokraten und Sozialisten erlangten nur 80 von insgesamt 880 Sitzen. Mit einer satten konservativen Mehrheit im Rücken konnte die neue Regierung daran gehen, die Errungenschaften der Februarrevolution zu demontieren. Das Petitionsrecht und die politischen Klubs wurden Beschränkungen unterworfen, eine Gesetzesvorlage zur Bildung eines Arbeitsministeriums wurde verworfen.
Im Verlauf einer Massendemonstration kam es zur Besetzung des Palais Bourbon, in dem die Konstituierende Versammlung tagte. Die meisten Abgeordneten verließen den Sitzungssaal, worauf einer der Wortführer der Demonstranten die Versammlung für aufgelöst erklärte. Dann wurde eine revolutionäre Regierung ausgerufen. Nun aber war der Anlass für den Einsatz von Truppen und bürgerlicher Nationalgarde gegeben. Die wichtigsten Arbeiterführer wurden verhaftet, unter ihnen Auguste Blanqui, der vergeblich vor den Folgen einer unbesonnenen, übereilten Aktion gewarnt hatte.
Nun folgten allerlei Repressionen, das Verbot von Demonstrationen und vor allem die Schließung der Nationalwerkstätten. Der Traum von der sozialen Republik war ausgeträumt. Im Juni 1848 stellten sich einige Zehntausend Pariser Arbeiter einem Truppenaufgebot von 250.000 Mann, das der mit diktatorischen Vollmachten ausgestattete General Cavaignac befehligte, zu einer viertägigen Schlacht, die nur in einem blutigen Desaster enden konnte.
Für Zeitungen und Zeitschriften wurde in der Folge eine Kaution (wieder - )eingeführt, die Arbeitszeitverkürzung wurde rückgängig gemacht, das Streikrecht wurde den Arbeitern wieder genommen.
Wie Louis Napoléon Bonaparte zum Präsidenten der Republik gewählt wurde, eine Diktatur errichtete und sich als Napoleon III. zum Kaiser ausrief
Die Konstituierende Versammlung verkündete im November 1848 eine Verfassung, die einen durch Volksabstimmung zu ermittelnden Präsidenten vorsah, dem weitreichende Vollmachten an die Hand gegeben waren. Aus der Präsidentenwahl, die im Dezember abgehalten wurde, ging nicht General Cavaignac, der sich große Chancen ausgerechnet hatte, als Sieger hervor, sondern der Kandidat der Bonapartisten: Louis Napoléon Bonaparte, der versprochen hatte, die 45 - Centimes - Steuer abzuschaffen.
Im Juni 1849 kam es abermals zu blutigen Unruhen. Sie waren im Zusammenhang mit der Entsendung französischer Truppen gegen die im Zuge der 48er Revolution gebildete Römische Republik ausgebrochen. Rom blieb übrigens bis 1870 von französischen Truppen besetzt. Diese wurden dann im deutsch - französischen Krieg (1870/71) dringender gebraucht und zogen ab.
Stimmengewinne der Linken bei den Wahlen zur Gesetzgebenden Versammlung führten zur Annahme eines neuen Wahlgesetzes, das das Stimmrecht von dreijähriger durchgehender Ansässigkeit an einem Ort abhängig machte. Damit konnte man immerhin ungefähr drei Millionen Menschen das Wahlrecht nehmen.
Bonaparte errichtete am 2. Dezember 1851 per Staatsstreich eine Diktatur, deren reaktionären Charakter er durch Abschaffung eben jenes Wahlgesetzes bemänteln wollte. Der Widerstand war tatsächlich schwach. In einigen Pariser Bezirken errichteten die Arbeiter wohl Barrikaden, doch beendete der rücksichtlose Einsatz von Artillerie den Kampf innerhalb von zwei Tagen. Dabei kamen auch etwa 2000 Menschen ums Leben, die sich an den Kämpfen gar nicht beteiligt hatten.
Auf den Tag genau ein Jahr nach seinem Staatsstreich rief sich Bonaparte als Napoleon III. zum Kaiser aus (nach bonapartistischer Auffassung galt nämlich der jung verstorbene Sohn Napoleons I., der "Herzog von Reichstadt", der nie regiert hatte, als Napoleon II.).

WIE IN DEUTSCHLAND 1848 EINE REVOLUTION ZIEMLICH ERFOLGLOS BLIEB, WEIL DIE ANGST DES BüRGERTUMS VOR DEN ARBEITERN GRöSSER WAR ALS DAS BEDüRFNIS, DIE ALTE ORDNUNG ZU ZERSCHLAGEN

Wie sich die Revolution 1844 im Aufstand der schlesischen Weber ankündigte
In Deutschland hatte sich die Revolution 1844 durch den schlesischen Weberaufstand angekündigt, den ersten Aufstand des deutschen Industrieproletariats, der nicht nur Künstler wie Heinrich Heine, Gerhart Hauptmann und Käthe Kollwitz inspirierte, sondern auch ahnen ließ, dass die soziale Frage die Bereitschaft des deutschen Bürgertums, Kompromisse mit den alten Mächten einzugehen, erhöhen würde.
Die allgemeine Wirtschaftskrise hatte zu einer Absatzkrise der schlesischen Textilindustrie geführt. In Schlesien waren die Löhne niedriger und das Elend größer als in Westdeutschland. Hier waren im Juni 1844 die Grenzen des Zumutbaren erreicht. Ein spontaner Aufstand der Weber wurde aber von preußischem Militär unterdrückt.

Die Weber

Im düstern Auge keineThräne
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
"Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem Götzen, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöthen;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
und uns wie Hunde erschießen lässt -
Wir weben, wir weben!, wir weben!
Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!
Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch.
Wir weben, wir weben!"
Heinrich Heine
Wie in den einzelnen deutschen Staaten Zugeständnisse erzwungen wurden
Im März 1848 griff die Revolution von Frankreich auf die einzelnen deutschen Staaten über: Massendemonstrationen zwangen die Fürsten zu Zugeständnissen und zur Einsetzung der liberalen "Märzministerien", also zu Regierungsumbildungen. In Bayern verband sich die Revolution mit einer Art Staatsoperette, in deren Verlauf der bayrische König Ludwig I. beleidigt abdankte (zugunsten seines Sohnes Maximilian), nachdem die Münchner die Geliebte des alternden Monarchen, die zur "Gräfin Landsberg" avancierte Tänzerin Lola Montez, vertrieben hatten, die Ludwig zu einer Reihe von Willkürmaßnahmen bewegt hatte.
Wie sich selbst im Metternichschen Polizeistaat das Bürgertum zu Wort meldete
Selbst im Metternichschen Polizeistaat wagte nun das Bürgertum, sich zu Wort zu melden. "Der Monat März begann in Wien mit Petitionen bürgerlicher Gremien wie des Niederösterreichischen Gewerbevereins und des Juridisch - Politischen Lesevereins, die in bescheidenem Ton Teilnahme des Großbürgertums an Verwaltung und Finanzgebarung des Staates erbaten."[29]
Wie am 13. März eine Demonstrastion in der Herrengasse den Auftakt zur Revolution gab
Die studentische Jugend war weniger zurückhaltend und erhob die Forderung nach Presse -, Rede - und Lehrfreiheit, Gleichstellung der Konfessionen, Reform der Verfassung des Deutschen Bundes und Bewaffnung des Volkes. Am 13. März gab eine Demonstration vor dem Niederösterreichischen Landhaus in der Herrengasse den Auftakt zur Revolution. Adolf Fischhof, ein junger jüdischer Sekundararzt am Allgemeinen Krankenhaus hielt eine Rede, in der er Pressefreiheit und Geschworenengerichte forderte. Seine Hochrufe auf die Freiheit und die Verbrüderung der in der Monarchie lebenden Völker fanden ein begeistertes Echo. Ferner wurden die von Ludwig Kossuth in Ungarn aufgestellten Forderungen nach einer demokratischen Verfassung verlesen.
Dass Erzherzog Albrecht auf Demonstranten schießen ließ, dass die Menschen sich aber nicht mehr einschüchtern ließen
Erzherzog Albrecht - Oberbefehlshaber in Niederösterreich und nachmaliger Sieger von Custoza (1866) - ließ auf die Demonstranten schießen, wodurch sich aber deren Empörung nur steigerte. Viele Bürger, die zunächst abgewartet hatten, nahmen aktiv an den Straßenkämpfen teil, die nun entbrannten. Auch die Bevölkerung der Vorstädte geriet in Aufruhr. Ihre Wut richtete sich nicht nur gegen die politischen Machthaber, sondern auch gegen die Kapitalisten und die arbeitsplatzvernichtenden Maschinen. Fabriken wurden gestürmt und gingen in Flammen auf. Paradoxerweise wurde aber gerade erst dadurch der bürgerlichen Revolution der nötige Nachdruck und ein vorläufiger Sieg verliehen. Das Proletariat hatte dem Bürgertum zu den "Märzerrungenschaften" verholfen: Entlassung Metternichs, Verfassungsversprechen, Fall der Zensur, Bildung bewaffneter Verbände - der Nationalgarde und der akademischen Legion - aus Bürgern und Studenten "auf den Grundlagen der Bildung und des Besitzes", also unter Ausschluß der Arbeiter.
Wie ein Verfassungsentwurf die Massen enttäuschte und empörte, worauf man ihnen freie Wahlen versprach
Die "oktroyierte" Verfassung, die dann (am 25. April von Innenminister Freiherr v. Pillersdorf) vorgelegt wurde (aber nie in Kraft trat), bedeutete für die Masse der Bevölkerung eine herbe Enttäuschung: Sie sah zwei Kammern vor. Ein Oberhaus sollte sich aus vom Kaiser nominierten Mitgliedern und - überwiegend - aus Vertretern des Großgrundbesitzes, also Hochadeligen, zusammensetzen. Zur Zusammensetzung des nach Zensuswahlrecht zu wählenden Unterhauses verfügte ein Patent vom 8. Mai 1848: "Arbeiter gegen Tag - oder Wochenlohn, Dienstleute und Personen, die aus öffentlichen Wohltätigkeitsanstalten Unterstützung genießen, können nicht als Wähler auftreten". Überdies war dem Kaiser ein Vetorecht gegen beide Kammern vorbehalten. Der Protest der Bevölkerung gipfelte in der "Sturmpetition" vom 15. Mai vor der Wiener Hofburg, einer Massendemonstration, die den Freiherrn von Pillersdorf (jetzt Ministerpräsident) zwang, im Namen des Kaisers Wahlen auf der Basis des des allgemeinen und gleichen Wahlrechts zu einem "konstituierenden Reichstag" zu versprechen, der eine demokratische Verfassung ausarbeiten sollte. Der Hof hatte sich schon am 17. Mai nach Innsbruck zurückgezogen (kehrte allerdings Mitte August in die Wiener Hofburg zurück). Dem "gütigen" Kaiser Ferdinand hatte man erst unterwegs gesagt, wohin die Reise ging.[30]
Die von Pillersdorf verfügte Auflösung der Akademischen Legion (26. Mai) löste neuerliche Straßenkämpfe aus. Die Regierung nahm die Verfügung zurück und stimmte der Bildung eines Sicherheitsausschusses zu, der nun unter dem Vorsitz Adolf Fischhofs eine Art Neben - oder Revolutionsregierung bildete.
Wie in österreich verschiedene Bevölkerungsschichten verschiedene Erwartungen in die Zukunft setzten
Die Illusion der Einigkeit und Brüderlichkeit aller gegen den Absolutismus angetretenen Kräfte, die in der feierlichen Beisetzung der Märzgefallenen einen Höhepunkt gefunden hatte, wich abermals der Ernüchterung und dem Kampf um die neue Ordnung.
Wie die Arbeiter Brot forderten, aber blanken Stahl bekamen
Den meisten Konfliktstoff barg die soziale Frage in sich. Ganz ähnlich wie in Frankreich waren auch in Wien zunächst die revolutionären Energien der Arbeiter durch Beschäftigung von etwa 20.000 Menschen bei Erdarbeiten Rechnung kanalisiert worden. Die Gegensätze zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft spitzten sich aber zu und gipfelten in einem Blutbad, das am 23. August Nationalgarde und Sicherheitswache im Prater unter den Arbeitern anrichteten, die dort gegen Lohnkürzungen demonstrierten. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse löste sich der Sicherheitsausschuß selbst auf.
Dass die Bauern die Abschaffung der Feudallasten erreichten - gegen Entschädigung
Die Bauern erreichten die Abschaffung der Untertänigkeit und der Feudallasten. den entsprechenden Antrag stellte im Reichstag der schlesische Abgeordnete Hans Kudlich. Die Bauern mussten den Grundherren allerdings Entschädigungszahlungen leisten.
Wie das Kleinbürgertum lieber zurück ins Mittelalter als vorwärts in den Industriekapitalismus wollte
Das Kleinbürgertum konnte sich naturgemäß mit den Zielen der Liberalen nicht identifizieren. Seine Bedürfnisse erforderten nicht die freie Wirtschaft, sondern die geschützte Werkstätte. Es war antiabsolutistisch und antikapitalistisch orientiert. Als Klasse von Kleinbesitzern trat es aber an die Seite der Großbourgeoisie, wenn es darum ging, die Arbeiter in Schach zu halten.
Die Arbeiterschaft war dabei, eine Ideologie zu entwickeln, die darauf hinauslief, dass der als bloße Etappe der gesellschaftlichen Entwicklung aufgefaßte Kapitalismus möglichst schnell durcheilt werden sollte, dem Licht einer sozialistischen Gesellschaft entgegen. Die Kleinbürger wollten erst gar nicht hinein in diesen Kapitalismus. Licht sahen sie nur in der Vergangenheit. Ihr Zukunftsstaat, auf den ihr christlicher und nationaler "Sozialismus" abzielt, war - und sollte es noch lange bleiben - der mittelalterliche Ständestaat. Eine rationale Analyse der Gesellschaft konnte dem Kleinbürgertum nur den Ausblick in eine düstere Zukunft eröffnen, die von Rationalisierung der Produktion und Proletarisierung der kleinen Gewerbetreibenden gekennzeichnet sein würde. Entsprechend irrational mussten ihre - weiterhin von der Gedankenwelt der Romantik beherrschten - politischen Vorstellungen und Feindbilder sein.
Wie der Antisemitismus als wesentlicher Bestandteil des kleinbürgerlichen Weltbildes hervortrat
In den Reihen der Revolutionäre von 1848 fanden sich viele Juden, die sich von einer siegreichen bürgerlichen Revolution die Emanzipation versprachen. Juden gehörten auch zu den Opfern der Kämpfe des März 1848. Der Rabbiner Mannheimer war mit der Aufgabe betraut worden, anläßlich des Begräbnisses der Märzgefallenen einen (und überhaupt den ersten) ökumenischen Gottesdienst abzuhalten. Bei dieser Gelegenheit trat Isidor Busch mit einem Gedicht an die Öffentlichkeit, dessen letzte Strophe lautet:
Und der nur verdienet der Freiheit Glück,
der gerne es theilet mit Allen;
Drum Brüder! Wenn ihr nun kehret zurück,
Denkt, dass auch ein Jude gefallen.
Die Revolutionsparlamente jedoch hielten die Emanzipation der Juden keineswegs für selbstverständlich. In Österreich - Ungarn gerieten sie zwischen die erwachenden Nationalismen der Deutschen, Ungarn, Polen, Tschechen usw. Der von den Tschechen gegenüber den Juden erhobene Vorwurf, auf der Seite der Deutschen zu stehen, führte im April 1848 zu massiven antijüdischen Ausschreitungen in Prag.
Im Rahmen des mittelalterlichen Zunfthandwerks war kein Platz für Juden gewesen. Von absoluten Herrschern waren sie aber oft ermutigt worden, Manufakturen zu errichten, die sozusagen "an den Zünften vorbei" produzieren sollten. Oft war auch die Gründung eines solchen Betriebes zur Bedingung für die Gewährung einer Aufenthaltsgenehmigung gemacht worden. Mit anderen Worten: Unter den Zunfthandwerkern gab es keine Juden, unter den Betreibern von Manufakturen und später von Fabriken gab es sie aber sehr wohl. Der kleinbürgerliche Antikapitalismus setzte nun einfach Liberalismus, Kapitalismus und Judentum gleich.
Die Aufhebung der Zensur gab nun auch "... reaktionären Kräften die Möglichkeit, ihr Unbehagen an Aufklärung und Liberalismus in ungezügeltem Antisemitismus zum Ausdruck zu bringen."[31]
Ein Produkt der von Antiliberalismus und Antisemitismus geprägten kleinbürgerlichen Gedankenwelt war vor allem auch die "Wiener Kirchenzeitung", die der katholische Priester Sebastian Brunner erstmals im April 1848 herausgab.
Wie selbst in Preußen der König klein beigeben musste, das Bürgertum aber seinen Sieg nicht ausnutzte
Auch in Berlin waren die Anfang März 1848 in Bewegung geratenen Bürger und Arbeiter durch Militär nicht mehr einzuschüchtern. Am 18. März kam es zu einer Massendemonstration vor dem Berliner Schloß, die der König (Friedrich Wilhelm IV.) durch vage Versprechungen zu zerstreuen versuchte. Dann fielen Schüsse und die Massenkundgebung steigerte sich zur Revolution. Die Berliner bauten Barrikaden und bewaffneten sich und hielten dem Angriff regulärer Truppen stand, deren Moral in den Morgenstunden des 19. März schwer erschüttert war. Einige Truppenteile hatten den Gehorsam verweigert, und der König sah sich gezwungen seine Streitmacht aus Berlin zurückzuziehen, wenn er nicht ihre völlige Auflösung riskieren wollte.
Nichts schien nun der Errichtung eines deutschen Nationalstaates im Weg zu stehen, in dem Recht und Freiheit statt der Rechte und Freiheiten einer privilegierten Kaste herrschen sollten. Doch die Angst der Bürger vor den Arbeitern war womöglich größer als die vor der Reaktion:
",Die Bewaffnung der Bürger wird mit Eifer und großer Ausdehnung betrieben‘ schrieb am 20. März 1848 der Liberale Otto Camphausen aus Berlin an seinen Bruder Ludolf, Bankier in Köln, der bald darauf preußischer Ministerpräsident wurde, ,gebe Gott, dass sie vollendet sei, bevor die Masse das Gelüste ergreift, sich ebenfalls Waffen auszubitten.‘"[32]
Wie eine Nationalversammlung gebildet wurde, diese sich selbst entmachtete und dann hauptsächlich über eine Verfassung beriet
Von der Wahl der Abgeordneten zur Nationalversammlung, die in Frankfurt am Main zusammentreten sollte, waren in der Mehrheit der deutschen Staaten die unteren Volksklassen ausgeschlossen. Dementsprechend sah die Zusammensetzung dieses ersten deutschen Parlaments, das in der Frankfurter Paulskirche tagte, aus: 262 von 812 Abgeordneten waren Beamte, Richter und Staatsanwälte der alten Ordnung, die anderen waren Rechtsanwälte und Notare, Professoren und Geistliche, Offiziere und Diplomaten, Kaufleute, Fabrikanten und Privatiers, aber keiner war Arbeiter oder Bauer. Für mehr als vier Fünftel der Bevölkerung Deutschlands sprach lediglich eine kleine Gruppe demokratisch gesonnener Intellektueller. Einer von ihnen war etwa der Trierer Rechtsanwalt Ludwig Simon, der den Antrag stellte, die Regierungsgewalt einem Vollziehungsausschuß des Frankfurter Parlaments zu übertragen. Statt dessen wurde der Habsburger Erzherzog Johann zum provisorischen Regierungschef - "Reichsverweser" gewählt, "dessen wesentlichste demokratische Qualifikation darin bestand, dass er die Tochter eines Postmeisters geheiratet hatte".[33]
Die Frankfurter Versammlung konnte sich weder zur Verkündung des Prinzips der Volkssouveränität noch zur Aufstellung eines Volksheeres durchringen und hatte kein Machtmittel, keine Exekutivorgane zur Verfügung, um ihre Beschlüsse durchzusetzen, und war auf die Kooperation der Landesfürsten angewiesen.
In einer auf hohem Niveau geführten Diskussion um eine künftige Verfassung Deutschlands, während der eine Reihe glänzender Reden gehalten wurde, vergaß die Paulskirchenversammlung ihre faktische Machtlosigkeit. Die erst im März 1849 fertiggestellte Verfassung sah die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Rede -, Presse - und Versammlungsfreiheit, Abschaffung des Adels und seiner Vorrechte und die Aufhebung der Feudallasten - gegen "angemessene" Entschädigungszahlungen der Bauern vor.
Wie die Frankfurter Paulskirchenversammlung durch ihre Unentschlossenheit der Reaktion Mut machte
Die Frankfurter Nationalversammlung billigte die Unterdrückungsmaßnahmen der preußischen Regierung, die im preußisch besetzten Teil Polens, dem Großherzogtum Posen, Militär einsetzte und einen Aufstand der nationalen Befreiungsbewegung niederwarf.
Weit geringeren Eifer als in Polen zeigte das Militär unter General Wrangel in einer Art Scheinkrieg gegen Dänemark, bei dem es um die Zurückweisung dänischer Ansprüche auf Schleswig - Holstein ging. Friedrich Wilhelm hatte keine Lust, den Kampf von "Rebellen", die aus ganz Deutschland als Freiwillige zusammenströmten gegen ein gekröntes Haupt zu unterstützen. Ein Volkskrieg konnte sehr leicht der Anfang einer neuen Revolution sein, nachdem die Märzrevolution recht glimpflich verlaufen war. Die Preußen schlossen daher bei der ersten Gelegenheit ein Waffenstillstandsabkommen mit Dänemark. Die Frankfurter Nationalversammlung protestierte gegen die preußisch - dänischen Abmachungen, bezeichnete sie als Landesverrat - und billigte sie wenige Tage später. Auch sie wollte den Volkskrieg gegen Dänemark nicht und führte lieber gegen das Volk Krieg, das sich in Frankfurt und Umgebung zu Protestkundgebungen versammelte. Preußische, österreichische und Truppen anderer deutscher Staaten brauchten immerhin drei Tage (19. - 21. September), um die Ordnung wiederherzustellen.
Die Haltung der Paulskirchen - Versammlung ermutigte die preußische Reaktion zum nächsten Schritt: Die bürgerlich - liberale Regierung wurde abgelöst, Ministerpräsident wurde ein General.
Wie sich die Wiener auf en letzten Kampf gegen die Reaktion vorbereiteten, aber auch aufeinander schossen
Während die Nationalversammlung weiter über die Verfassung des künftigen Deutschland beriet, stand in Österreich und Preußen der Sieg der Reaktion bereits unmittelbar bevor, der in der Habsburgermonarchie durch die Siege der Truppen Radetzkys über die nationale Befreiungsbewegung in Oberitalien und durch die Niederwerfung des Prager Pfingstaufstandes angekündigt wurde. Kriegsminister Latour wollte Truppen auch nach Ungarn entsenden, deren Abmarsch am 6. Oktober von einer wütenden Volksmenge verhindert wurde. Viele Soldaten gingen zu den Revolutionären über. Latour wurde Am Hof an einem Laternenpfahl aufgehängt. Konservative Teile der Nationalgarde und reguläre Truppen auf der einen, Vorstadtgarden und Arbeiter auf der anderen Seite lieferten einander einen erbitterten Kampf beim Stephansdom, dessen (Kugel - )Spuren heute noch beim Leopoldsaltar zu sehen sind. In der Nacht vom 6. zum 7. Oktober stürmte die Menge das Zeughaus in der Renngasse.
Die Gegensätze traten nun deutlicher hervor, und die entschiedensten Demokraten sahen ihr Ziel nun in der "sozialen Demokratie". Der Publizist Hermann Jellinek schrieb: "Wißt ihr, wo die Gerechtigkeit ruht? In der sozialen Demokratie und nirgends anders. Unsere Demokratie ist nicht etwa die des kleinen engherzigen Geldkrämers oder des beschränkten Kleinbürgers, welcher entzückt ist, dass man gegen einen Minister auftritt, aber außer sich gerät, wenn man ihn selbst seine Privilegien aufzugeben zwingt. Diese Demokratie wird noch große Kämpfe kosten."[34]
Der erst vor kurzem aus Innsbruck zurückgekehrte kaiserliche Hof hatte sich wieder zurückgezogen, diesmal nach Olmütz. Der Reichstag wurde nach Kremsier in Mähren verlegt. Feldmarschall Fürst Windischgrätz zog eine mehr als hunderttausend Mann starke Armee zusammen, die hauptsächlich aus Kroaten und Panduren bestand. Daher lautet auch das Lobgedicht, mit dem ein Poet namens Joseph Weyl den letztlichen Sieg der Reaktion besang:
Vom Schmutz: Republikaner
Vom Unflat: Demokrat,
Fegt’ rein der Serezaner,
Befreite der Kroat’!
"Die Serezaner waren die durch ihre Tracht ("Rotmäntler") auffälligen, furchteinflößenden Elitetruppen der Militärgrenze, die vom kroatischen Banus Jellacic im Oktober 1848 gegen Wien geführt wurden."[35]
Wie barbarisch die Truppen des Fürsten Windischgrätz in Wien hausten
Nachdem zwei "Reichskommissare" mit einem vagen Vermittlungsauftrag von der Frankfurter Nationalversammlung nach Wien entsandt worden waren, es aber vorgezogen hatten sich in das sichere Olmütz zu begeben, entsandte die Linke der Paulskirche die Abgeordneten Robert Blum und Julius Fröbel, die am 17. Oktober in Wien eintrafen. Am 23. schloß sich der Ring der konterrevolutionären Truppen und der Kampf begann. Die den Wienern zu Hilfe eilenden Ungarn wurden zurückgeschlagen. Am 1. November fiel Wien.
"...,die kaiserlichen Soldaten hausten in der eroberten kaiserlichen Residenzstadt, wie unter zivilisierten Völkern auch in Feindesland nicht vorgegangen wird‘, berichtet ein Augenzeuge. Ungefähr 4.000 Verteidiger dürften im Kampf gefallen sein, Hunderte wurden nach der Gefangennahme massakriert..."[36]
Wie die Reaktion der Frankfurter Paulskirche ihre Verachtung zeigte, indem sie einen ihrer Abgeordneten erschießen ließ
Blum und Fröbel, die bis zuletzt an den Kämpfen teilgenommen hatten, wurden gefangengenommen. Windischgrätz ließ Blum sowie 24 weitere prominente Anhänger der Revolution vor ein Erschießungspeloton stellen. Blum wies darauf hin, dass er als Abgeordneter der verfassunggebenden Versammlung unverletzlich sei. Das werde man ja gleich sehen, gab der kommandierende Offizier zur Antwort und ließ feuern.
"Robert Blum wurde erschossen, nicht obwohl, sondern gerade weil er die Männer der Paulskirche in Wien vertrat. Es war die Kampfansage der Habsburger Reaktion an die deutsche Nationalversammlung, die höhnische Enthüllung der Ohnmacht des Parlaments und der tiefen Verachtung..."[37]
Der demokratische Publizist Hermann Jellinek wiederum wurde den Juden zur Warnung erschossen, die in der demokratischen Intelligenz überrepräsentiert waren. Er schrieb vor seiner Hinrichtung: "Ideen können nicht erschossen werden."
Dass nach dem Fall Wiens Berlin kampflos kapitulierte
Wenige Tage nach dem Fall Wiens rückten die Truppen General Wrangels in Berlin ein. Die Bürgerwehren verzichteten auf bewaffneten Widerstand. Die Bürgerwehr wurde aufgelöst und entwaffnet und der preußische Landtag auseinandergejagt.
Wie die Paulskirchenversammlung unterdessen an der Verfassung weiterarbeitete und dem Preußenkönig eine Krone anbot, die dieser aber nicht wollte
Die Nationalversammlung verurteilte diese Vorgangsweise, wandte sich dann aber mit ihrer ganzen Energie der Arbeit an der Verfassung zu, die am 28. März 1849 beschlossen wurde. Die Versammlung hatte sich für die "kleindeutsche Lösung" (Deutschland unter Ausschluß Österreichs) entschieden. An der Spitze Deutschlands sollte ein Erbkaiser stehen. Die Krone wurde dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. angetragen. Dieser aber wollte "keine Kaiserkrone, die ,mit dem Ludergeruch der Revolution‘ behaftet sei, keine ,Schweinekrone‘, keine ,Wurstbrezel, die nicht von Gottes Gnaden, sondern von Meister Bäcker oder Meister Metzger‘ käme, kein ,Halsband aus ungegerbtem Leder, womit man den König von Preußen an die Revolution binden will‘".[38]
Wie es im Frühjahr 1849 in verschiedenen Teilen Deutschlands zu einer letzten erfolglosen Erhebung kam
Im Frühjahr 1849 kam es in verschiedenen Teilen Deutschlands (preußische Rheinprovinz, Sachsen, Baden Pfalz) zu Volkserhebungen, die unter der Bezeichnung "Reichsverfassungskampagne" in die Geschichte eingegangen sind. Am 23. Juli wurde Rastatt, die letzte von den Aufständischen gehaltene Festung, von preußischen Truppen genommen.
Wie Franz Joseph seinem Onkel Ferdinand auf den Thron folgte und dem Konstitutionalismus den Garaus machte
In Österreich folgte Anfang Dezember 1848 Kaiser Franz Joseph seinem Onkel Ferdinand, dem "Gütigen", auf den Thron. ("Gütig": Ferdinand soll z.B. auf die Nachricht, dass die Wiener sich erhoben hätten, gesagt haben "Ja, dürfens denn das?") Franz Joseph löste den Reichstag in Kremsier auf (7. März 1849) und oktroyierte eine Verfassung, die ihm ein Notverordnungsrecht vorbehielt und die gesamte Verwaltung strikt an ihn und seine Regierung band. Seit (Sylvester - Patente)1851 hielt er nicht einmal mehr den Schein des Konstitutionalismus aufrecht: Seit August 1851 ist der Ministerrat nurmehr dem Monarchen verantwortlich.









[1] Adel, Geistlichkeit und "Dritter Stand" der Nichtprivilegierten, unter denen die Bourgeoisie die führende Rolle spielte. Alleiniges Recht der Bewilligung allgemeiner Steuern. Erstmals 1302 und zuletzt 1614 einberufen
[2]) Dantine, 197f
[3] Poliakov, 275
[4] Poliakov VI, 186
[5]) Dantine, 184
[6]) Dantine, 202
[7] zit. nach Grab, 90
[8]) Dantine, 192
[9]) 22
[10]) 9
[11]) 21
[12]) 59
[13]) Maurice Lévy - Leboyer: Les banques européennes et l'industrialisation dans la première moitié du XIXesiècle, Paris 1964, S. 178. Zitiert nach: Holzapfel, S. 78f
[14]) 31
[15]) Karl Marx, Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850, MEW 7, S. 12
[16]) Karl Marx, Die Pariser "Réforme" über die französischen Zustände, in MEW 5, S. 449, zit nach Holzapfel S. 32
[17]) 61
[18]) "Die Finanzaristokratie setzt nach 1830 die Schutzzollpolitik der Restaurationszeit fort. Schutzzölle ... kommen Großagrariern und ... Teilen der Manufakturbourgeoisie zugute. Aber schon während der Restauration hemmen sie die Einfuhr neuer Techniken und untergraben auf diese Weise die französische Wettbewerbsfähigkeit." (199)
[19]) 41
[20]) 85
[21]) 89ff
[22]) Graf Louis Mathieu Molé, Außenminister Louis Philippes, zit nach 116f
[23]) 109f
[24]) zit. nach 168
[25]) 113
[26]) 176
[27]) 177
[28]) 175
[29] Wolfgang Häusler, Aufbegehren, 638
[30] Vajda 491f
[31] Schubert, Museum 29
[32] Engelmann, Wir Untertanen 222
[33] Streisand, 188
[34] Häusler, 640
[35] Häusler, 641
[36] Manfred Scheuch, Historischer Atlas Österreich, 125
[37] Wir Untertanen, 234f
[38] Wir Untertanen, 237f

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