Konrad Adenauer - Seine Außenpolitik












Thema:





Konrad Adenauers Außenpolitik























Inhaltsverzeichnis


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1. Biographie Konrad Adenauers 1

2. Einleitung 4

3. Die Ausgangslage 5

4. DM - Abwertung und Petersberger Abkommen 8

5. Krise und Durchbruch im Verhältnis zu Frankreich 13
Robert Schuman und der Schumanplan

    Kriegshysterie und Wiederbewaffnung 17

    Die Westverträge 21

    Die Stalin - Noten 25

    Zusammenfassung 27

10. Bildanlagen 28

11. Literaturverzeichnis und Bildquellen 32























1. Biographie Konrad Adenauers :


Konrad Adenauer wurde am 5. Januar 1876 in Köln geboren. Sein Vater arbeitet beim Kölner Oberlandesgericht. Bedingt durch die drei Geschwister lebte die Familie Adenauer sehr sparsam. Alle Kinder wurden streng katholisch erzogen. Adenauer machte sein Abitur in Köln und ein Stipendium eröffnete ihm den Weg zur Universität von Freiburg, wo er Jura studierte.
Am 28. Januar 1901 heiratet Adenauer Emma Weyer, die aus einer reichen Familie stammt. Konrad wird zum ersten Beigeordneten der Stadt Köln vorgeschlagen und gewinnt auch die Wahl. Seine Frau Emma schenkt ihm 3 Kinder, die sie Konrad, Max und Maria tauften. Nach einem langen Leiden stirbt seine Frau aber an einer Krankheit. Ein Jahr später, am 18. Oktober 1917 gelingt es Adenauer, Oberbürgermeister von Köln zu werden. Dies war genau 3 Tage bevor sein Vater starb. Zusätzlich wurde er noch zum Präsidenten des preußischen Staatsrats gewählt. Er setzte sich vor allem für die Herauslösung des Rheinlandes aus dem preußischen Staatsverband sowie für eine selbständige westdeutsche Republik innerhalb des Deutschen Reiches ein. Während des 1. Weltkrieges war er vorwiegend damit beschäftigt, die Leute mit dem Nötigsten zu versorgen. Durch Errichtung von Messen ließ er Köln zum Mittelpunkt des Westens werden. Im Herbst 1919 heiratet er Gussie Zinsser und die Kinderzahl stieg auf 7 an. Konrad war gegen Hitlers Politik und weigerte sich, ihm einen Empfang in Köln zu bieten, als Hitler Köln besuchen wollte. Dies hatte aber schwere Folgen, denn er wurde deshalb als Gegner des Nationalsozialismus 1933 von allen seinen Ämtern enthoben. Von nun an musste er sich in einem Benediktinerkloster in der Eiffel verstecken und wurde gelegentlich inhaftiert, aber schon wieder nach einigen Tagen freigelassen. Nun suchte er mit seiner Familie an vielen Orten Unterschlupf und legte sich dann um 1936 in Rhöndorf ein Haus zu, in dem er mit seiner Familie lebte. Am 20. Juli 1944 sollte er in ein Konzentrationslager kommen, aber es gelang ihm zu fliehen. Nach der Kapitulation der Deutschen wurde Adenauer von den Amerikanern als Oberbürgermeister von Köln eingesetzt, da er auf ihrer weißen Liste stand. Als er wieder in dem Trümmerfeld Köln eintrifft, ist er schon beinahe 70 Jahre alt. Aber Adenauer neigt nicht zum Überschwang. Die Not war auch zu groß. Er entschloß sich, rund um Köln einen Grüngürtel anzulegen, indem man Gemüse und Kartoffeln anpflanzte. Nun stoppte er den Wohnungsbau und ließ erst die Rheinbrücken wieder aufbauen, mit seiner Meinung: Erst Verkehr, dann Transport von Baumaterial. Nach ein paar Jahren erkannte man, dass Adenauer recht hatte. Die Amerikaner waren begeistert. Die Britische Besatzungszone war da jedoch anderer Meinung und hat Adenauer nach wenigen Monaten wieder von seinem Amt enthoben, da er auch England kritisierte und seinen Grüngürtel nicht abholzen wollte. Seine Frau starb zur gleichen Zeit an den Folgen des Krieges.
Unter Adenauers Zielen waren: "Bewahrung der Freiheit, Sicherung des Friedens, die Einigung Europas und die Wiedervereinigung des Volkes". Adenauer traf in Westdeutschland und später auch in ganz Deutschland mit gleichgesinnten zusammen und wurde wegen seiner großen Überzeugungskraft 1946 bei einem Treffen der CDU - Vertreter zum Vorsitzenden der britischen Zone gewählt. Adenauer muss die CDU nun populär machen, da er den Vorsitz der CDU der britischen Zone erhalten hatte. Die SPD war schon länger bekannt und deren Oberhaupt Kurt Schumacher sehr beliebt. Dieser wurde zum härtesten Gegner Konrad Adenauers. Konrad schaffte es auch die CDU populär zu machen, denn er verstand es mit seinen Reden die Menschenmengen in seinen Bann zu ziehen. Er reiste von Ort zu Ort um seine Reden zu halten. Konrad Adenauer liebte Zwischenrufe der Leute, weil er da seine ganze Schlagfertigkeit ausüben konnte.
Am 15. September 1949 wird er nun schließlich mit einer Stimme Mehrheit zum
    Bundeskanzler gewählt. Einen Tag später wurde er zusätzlich noch zum Außenminister Deutschlands gewählt. Außenminister blieb er nur von 1950 - 55 ,
Bundeskanzler von 1949 - 63.
Adenauer schaffte es außenpolitisch, dass die BRD fest in Westeuropa und in das westliche Bündnissystem eingegliedert wurde, um vor allem die volle Unabhängigkeit des neuen Staates zu erreichen und gleichzeitig die Sowjetunion mit Adenauers "Politik der Stärke" zur Herausgabe der DDR zu bringen. Zum Erlangen der Unabhängigkeit ging Adenauer zur Staatsreise nach Frankreich, um das deutsch - französische Verhältnis zu stärken. Dort fand er in Außenminister De Gaulle (siehe Bild 2) einen Freund, mit dem er dann den sogenannten Schumanplan unterzeichnete. Diese Tat gilt auch heute noch unter anderem zu einer der berühmtesten Taten Konrad Adenauers.
Im Oktober 1953 wird er trotz einer starken SPD - Opposition wiedergewählt.
Nachdem Adenauer in der Amerikanischen Zeitschrift "TIME" zum Mann des Jahres gewählt wurde, reiste er zusammen mit anderen Parlamentsgenossen nach Rußland. Hier gab es eine Sitzung mit einer Deutschen und einer Russischen Seite. Die Russen gingen nicht auf die Forderungen der Deutschen ein, wie auch bei der Bitte von Deutschland, die 10.000 Kriegsgefangenen freizulassen. Die Verhandlungen kamen nicht voran, deshalb planten die Deutschen einen Abschlußabend ihrer Staatsreise einen kleinen Wodka - und Weinabend. An diesem Abend waren die Russen eher Verhandlungsfähig und billigten die Freilassung der 10.000 Kriegsgefangenen. In den nächsten drei Wochen fanden über 10.000 Kriegsgefangene ihre Heimat.
Im Oktober 1957 wurde Konrad Adenauer zum 3. Mal nacheinander Bundeskanzler. Nachdem er schon mal 1953 in die USA flog, um Außenminister Dullas zu treffen, mit dem er immer einer Meinung war und zwar, dass man der Sowjetunion und ihrem Kommunismus nur mit einer Politik der Stärke entgegnen kann, beschloß Adenauer nun am 12. April 1961 wieder in die USA zu Präsident Kennedy nach Washington zu fliegen.
Im Januar 1963 geschah das von Sicht Adenauers bedeutendste Werk. Der Deutsch - Französische Vertrag. Dieser Vertrag sollte für ein enges Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich stehen. Die Besiegelung dieses Vertrages wurde durch einen Bruderkuß gemacht. Konrad Adenauer sagte darüber, dass es ein weltgeschichtliches Ereignis war.
Im Oktober 1961 gewinnt er seine 4. Wahl zum Bundeskanzler. Der 23. Juli 1963 ist ein Weltbekanntes Datum, denn an diesem Tag traf der bekannteste und jüngste Präsident der Vereinigten Staaten am Kölnbonner Flughafen ein (siehe Bild 4). Bei der Rede Kennedys in Berlin gab es den allzubekannten Satz von Kennedy: "Ich bin ein Berliner". Dieser dreitägige Staatsbesuch von JFK war ein sehr großes Ereignis für Deutschland, denn es war eine Festigung des deutsch - amerikanischen Verhältnisses. Kennedy kam um die Deutsche Öffentlichkeit für die USA zurückzugewinnen. Dies gelang ihm auch in großem Maße. Wo immer auch Kennedy und Adenauer auch waren, die beiden wurden immer von Millionen von Leuten empfangen. Sie hatten über 40 Jahre Altersunterschied, jedoch war Adenauer noch von genauso viel Initiative wie Kennedy.
Am 10. Oktober 1963 erklärt Adenauer seinen Rücktritt und wird 5 Tage später nach 14 Jahren Amtszeit als ein Held gefeiert und verabschiedet. Adenauer lässt die Politik aber nie richtig los, wie man in seinen Memoiren lesen kann, die 2 Jahre später in 4 Bänden erschienen. Ein Jahr nach seinem Rücktritt wählt die CDU Adenauer erneut zu ihrem Vorsitzenden. Der fast 90 - Jährige gibt das Amt jedoch nach 2 Jahren wieder ab. Mit nun 91 Jahren macht er noch private Besuche ins Ausland wie zum Beispiel zu seinem Freund De Gaulle. Nach 2 Monaten erkrankt er jedoch und stirbt am 19. April um 13.21. Am Tag seiner Beerdigung wurde sein Sarg von über 200.000 Leuten umdrängt, die ihm unbedingt die letzte Ehre erweisen wollten. Der Bischof führte die Messe, während in Frankreich parallel ein Gottesdienst ablief. Die Franzosen verabschiedeten ihn als Freund. Viele bekannte Staatsmänner aus der ganzen Welt kamen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen und ein paar trostspendende Worte zu finden für den Mann der die Nachkriegszeit, die Demokratie und ein ganzes Jahrhundert geprägt hat.

2. Einleitung :


Einleitende Bemerkungen zu einem großen Staatsmann und seinen Widersprüchen.
Hat Konrad Adenauer nach der Wiedervereinigung an Bedeutung verloren ?
Für manche ist er ein Politiker, der zwar das westdeutsche Staatswesen von Beginn an entscheidend prägte und beeinflußte, uns aber angesichts der völlig neuartigen Herausforderungen, mit denen heute das vereinte Deutschland konfrontiert ist, nicht mehr viel zu sagen hat. Lohnt sich also überhaupt noch eine intensive Beschäftigung mit der Person und Politik des Gründungskanzlers der alten Bundesrepublik ?
Eine solche Frage geht in die Irre. Eine Persönlichkeit vom historischen Range Konrad Adenauers kommt nicht aus der Mode. Sie ist nicht Zeitströmungen verhaftet, denn eine Figur, die so eindrucksvoll Geschichte gestaltet hat, wird selbst geschichtsmächtig. Das zeigt seine ungebrochene Präsenz in den Medien. Ob Maximen von ihm zitiert oder Anekdoten erzählt werden - er lebt auf vielfältige Weise im Bewußtsein der Deutschen fort, und selbst die Museumsreife seines Dienstwagens bleibt nicht unbeachtet.
Nach der unverhofften Wiedervereinigung besteht ein doppelter Anlass die Politik des Gründungskanzlers zu erforschen. Zum einen ist die Epoche, in der er tätig war, nun abgeschlossen. Damit ist ein verläßlicheres Urteil möglich, als wenn die deutsche Frage noch offen wäre. Zum anderen, und das erscheint wesentlicher, haben die seit den fünfziger Jahren geführten Kontroversen um seine Deutschlandpolitik und die vielfach erhobenen Vorwürfe, Chancen verpaßt oder bewußt nicht ergriffen zu haben, erheblich an Bedeutung verloren. Nach der realisierten Chance von 1990 ist der Streit um die angeblich verpaßten Gelegenheiten weitgehend uninteressant geworden. Adenauer und die Wiedervereinigung - das ist eine Frage, die noch immer im Vordergrund steht. Das Interesse daran hat sich seit dem 3. Oktober 1990 noch zugenommen, da die Vereinigung von seinen Anhängern als Bestätigung für die Politik des Kanzlers in Anspruch genommen worden ist. Das Wort vom "Realisten als Visionär" machte die Runde. Aber kann man wirklich davon sprechen, dass von seiner Politik eine direkte Linie zum Zusammenbruch des kommunistischen Systems und zur Wiedervereinigung geführt hat? Der Streit ist letztlich eine Glaubensfrage und daher müßig. Gewiß müssen ihm erhebliche Verdienste zugesprochen werden, dass es doch zur Wiedervereinigung gekommen ist. Das gilt jedoch mehr in mittelbarer Beziehung. Nicht seine Sicherheits - und Deutschlandpolitik stellten die Weichen zur Wiedervereinigung. Vielmehr war es seine Leistung als Gründungskanzler, sein herausragender Beitrag zur Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik, der hier in Rechnung zu stellen ist. Es war keineswegs sein "Maximalkonzept", das im Jahre 1990 verwirklicht wurde. Vielmehr wurde die Wiedervereinigung in einer politischen Gesamtkonstellation ermöglicht, die nach der von Kennedy bis Kohl reichenden Phase der Entspannungspolitik kaum noch Ähnlichkeit mit der Ära Adenauer und ihren Problemen hat.


3. Die Ausgangslage :


In der frühen Phase der Bundesrepublik Deutschland beschränkte sich die praktische "Außenpolitik" auf den Verkehr der Bundesregierung mit den Hohen Kommissaren (siehe Bild 7), den Vertretern der Westmächte. Ein deutsches Auswärtiges Amt und ein diplomatischer Dienst, die nach der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches aufgelöst worden waren, existierten noch nicht wieder. Durch das Besatzungsstatut vom 21. September 1949 war der Bundesrepublik nur eine begrenzte Souveränität zugestanden worden. Insbesondere die Zuständigkeit für die Außenpolitik hatten sich die alliierten Mächte vorbehalten .

Die Zielsetzungen:
Angesichts der besonderen Lage der Bundesrepublik als Teilstaat Deutschlands und Gliedstaat Westeuropas, politisch eingeengt zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion, musste es für die verantwortlichen deutschen Politiker 1949 darum gehen, im Rahmen eines langfristigen Konzepts folgende Probleme zu lösen bzw. die Voraussetzung für ihre Lösung zu schaffen :

    Wiedergewinnung der außenpolitischen Handlungsfreiheit ,

    Ãœberwindung der deutschen Teilung ,

    Sicherung des Friedens durch eine aktive Politik der europäischen Integration und der Stärkung Europas als politische Kraft .

Die komplizierte Verflechtung aller Bereiche der außen - und deutschlandpolitischen Zielsetzung brachte zwischen Regierung und Opposition tiefgreifende Meinungsunterschiede über den einzuschlagenden Weg mit sich, die zu innenpolitischen Spannungen, ja zeitweise zu förmlichen Zerreißproben führten. Die Gesamtproblematik verkürzte sich in der öffentlichen Diskussion auf eine vereinfachte Alternative :

    Würde man ein Teil eines wirtschaftlichen und militärisch starken Westens die Wiedervereinigung ( eventuell sogar die Rückgewinnung der deutschen Ostgebiete jenseits von Oder und Neiße ) erreichen oder

    bedeutete die "Westlösung", dass die Wiedervereinigung Deutschlands auf
unabsehbare Zeit unmöglich würde, weil es nicht im Sinn der Sowjetunion
liegen konnte, ganz Deutschland in den Bereichen der amerikanischen
Einfluß - und Machtsphäre geraten zu lassen .

Die weltpolitischen Ereignisse jener Zeit wirkten sich auf die Entwicklung in Deutschland aus. Die Entstehung der Bundesrepublik und die erste Ausrichtung ihrer Politik standen unter dem Eindruck des beginnenden "Kalten Krieges" zwischen den Großmächten USA und Sowjetunion .Beide Seiten versuchten, den von ihnen beherrschten Teil Deutschlands auf Dauer in ihr Lager zu integrieren. Den Bedenken deutscher Politiker gegen die Bildung eines Westdeutschen Separatstaates und dem Wunsch nach direkter Wiedervereinigung der verschiedenen Besatzungsgebiete standen die tatsächlichen Machtverhältnisse gegenüber. Die westdeutsche Bevölkerung fühlte sich ohne Zweifel stärker dem Westen als dem Osten zugehörig. Kulturelle Vergangenheit, zivilisatorisches Niveau und technischer Standard spielten hierbei eine ebenso große Rolle wie die Kriegs - und Nachkriegserlebnisse von Millionen Deutschen beim unmittelbaren Kontakt mit den östlichen Lebensformen und dem Verhalten der Sowjetarmee bei der Besetzung Ost - und Mitteldeutschlands.

Die Möglichkeiten:
Angesichts der Situation, der Zielsetzung und des politischen Klimas waren nur ganz wenige Möglichkeiten denkbar, um die grundlegenden Ziele der westdeutschen Politik - Freiheit, Frieden, Einheit - zu verwirklichen:

    Man konnte die außen - und deutschlandpolitischen Initiativen den dafür
offiziell zuständigen Besatzungsmächten zu überlassen. In diesem Fall wäre die
Bundesrepublik auf unabsehbar lange Zeit bloßes Objekt fremder Politik
geblieben. Rückwirkungen auf die westdeutsche Bevölkerung und ihr
Demokratieverständnis waren zu befürchten. Bundeskanzler Adenauer
war zwar von Anfang an für Zurückhaltung, weil das Mißtrauen gegenüber
jeder deutschen außenpolitischen Dynamik weltweit hellwach war, aber er
wollte gleichzeitig unbedingt verhindern, dass die Besatzungsmächte allein
nach ihren eigenen Interessen handelten, möglicherweise sogar gemeinsam
gegen die deutschen Interessen.

    Man konnte vorrangig die Einheit Deutschlands anstreben. Eine solche Politik
hätte in der westdeutschen Öffentlichkeit sicherlich starken Widerhall gefunden,
da die Teilung als ebenso unerträglich wie unnatürlich empfunden wurde. Auf
dem Weg zur deutschen Wiedervereinigung lagen aufgrund der Machtverhält -
nisse jedoch unüberwindliche Hindernisse. Die Sowjetunion betrieb in ihrer
Besatzungszone eine Reparationspolitik, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau
schwer schädigte. Sie hatte überdies mit Hilfe kommunistischer deutscher Kader
die künftige Entwicklung der Gesellschafts - und Wirtschaftspolitik der DDR im
kommunistischen Sinn bereits festgelegt. Eine Wiedervereinigung konnte
deshalb für die Sowjetunion nur dann interessant sein, wenn sie die Chance ein -
geschlossen hätte, ihr System auch auf die westlichen Teile Deutschlands zu
übertragen. Genau dies aber lag weder im Interesse der westlichen Besatzungs -
mächte noch der westdeutschen Bevölkerung.

    Als dritte Möglichkeit einer aktiven Außen - und Deutschlandpolitik bot sich
der Versuch an, durch eine Annäherung an die Westeuropäischen Nachbarn
und an die USA den Beweis der politischen Zuverlässigkeit und des
Friedenswillens zu führen, das Vertrauen des Westens und damit schritt -
weise die volle politische Handlungsfreiheit zurückzugewinnen. Die auf diese
Weise gewonnenen Verbündeten mussten dazu gebracht werden, sich das
speziell Deutsche Ziel der Wiedervereinigung zu eigen zu machen und ihm so
gegenüber der Sowjetunion um so größeren Nachdruck zu verschaffen. Das Ziel
"Einheit" blieb auf diese Weise im Blick, die Ziele "Freiheit und Frieden" aber
wurden unmittelbar erreicht und abgesichert. Die Teilung musste dabei zwar
zunächst in Kauf genommen werden, doch die Chancen für die europäische
Einigung und die Stabilisierung von Frieden und Freiheit erschienen um so
größer. Dieses System schließlich auch auf das wiedervereinigte Deutschland zu
übertragen, war nach Meinung Adenauers und der Regierungsparteien nicht
möglich.

Opposition und Teile der Bevölkerung waren natürlich anderer Meinung. Auch für sie war die Dreiheit "Frieden - Freiheit - Einheit" unabdingbar. Bezüglich der Prioritäten und der politischen Taktik neigten sie ebenfalls zu der Ansicht, dass die außenpolitische Handlungsfreiheit zuallererst wiedergewonnen werden müsse. Sie sollte aber weder durch eine entschieden einseitige Bindung an den Westen "erkauft", noch dazu benützt werden, die Bundesrepublik sofort in ein westeuropäisches Staatensystem zu integrieren. Man befürchtete, aus dieser Position heraus könne die Wiedervereinigung niemals mehr erreicht werden.
Andererseits wurde die Entscheidung für den Westen aus zwei Gründen erleichtert. Es waren dies:

    die Verteidigung der Freiheit West - Berlins während der sowjetischen Blockade 1948/49 mit Hilfe einer Luftbrücke und

    das Angebot der Marshallplan - Hilfe zum Wiederaufbau der durch Krieg und Nachkriegsereignisse schwer getroffenen Deutschen Wirtschaft.

Die Westmächte hatten dadurch Beispiele einer internationalen Verantwortung gezeigt, die über rein egoistische Machtinteressen hinauszuweisen schien. Die ersten praktischen Schritte zu einer festeren Bindung der Bundesrepublik an den Westen unternahm Bundeskanzler Adenauer schon wenige Wochen nach Bildung seiner ersten Bundesregierung.
Am 31. Oktober 1949 trat die Bundesrepublik als gleichberechtigtes Mitglied dem europäischen Wirtschaftsrat (OEEC) bei. Hauptaufgabe dieser Organisation war es, im Rahmen der Marshallplan - Hilfe ein gemeinsames europäisches Wiederaufbau -
programm aufzustellen und abzuwickeln.









4. DM - Abwertung und Petersberger Abkommen :


Für die frisch gebildete Bundesregierung und ihren Chef gab es keine Schonfrist, keine Zeit der Einarbeitung. Von den berühmten hundert Tagen, die nach demokratischen Traditionen einer neuen Regierung einzuräumen sind, konnte keine Rede sein. "Die ersten Schwierigkeiten ... sind schon da", schrieb er am 29. September an Wilhelm Sollmann, den in den USA emigrierten Kölner Sozialdemokraten. Das war fast untertrieben, denn es herrschte eine hektische Atmosphäre. Zwischen dem 20. Und 28. September trat das Kabinett achtmal zusammen, mitunter zweimal am Tag. Hinzu kamen inoffizielle Zusammenkünfte, eine Art Wirtschaftskabinett, das auch mehrmals tagte.
Kaum war die Regierung vereidigt, wurden von ihr weitreichende Entscheidungen verlangt. Es ging um den Außenwert der D - Mark, genauer um eine erhebliche Abwertung. Im öffentlichen Bewußtsein von heute kommt die Stärke der deutschen Währung in einer langen Reihe von Aufwertungen zum Ausdruck, die 1961 mit dem bescheidenden Schritt von 4,20 zu 4,00 DM für den Dollar begonnen hatte. Tatsächlich hatte es bereits ein Jahr nach der Währungsreform eine massive Abwertung gegeben. Diese hatte ihre Ursache hauptsächlich darin, dass 1948 der Außenwert der Mark auf 3,33 DM für den Dollar festgelegt worden war, was viel zu hoch war. Dieses Kursverhältnis konnte dem westdeutschen Wirtschaftsraum zwar billige Importe verschaffen, aber kaum große Erfolgsaussichten für den Export bieten. Das Wirtschaftswunder, das zu einem ganz entscheidenden Teil durch den Export ermöglicht wurde, weil deutsche Waren auf dem Weltmark billiger und besser als die Konkurrenz waren, hätte zu dem ursprünglichen Kurs kaum Wirklichkeit werden können.
Am 18. September 1949 hatte Großbritannien das Pfund drastisch abgewertet. Nach langjähriger Mißwirtschaft und einem enormen Handels - und Zahlungsbilanzdefizit entschloß sich die britische Regierung nach vorheriger Konsultation mit Washington zu einer Abwertung von 30 Prozent. Nur wenige Länder wie die Schweiz, Italien und die Türkei folgten diesem Schritt nicht. Holland und die skandinavischen Länder werteten in gleichem Maße ab. Andere gingen nicht so weit; Frankreich senkte den Außenwert des Franc nur um 22,5 Prozent.
Wahrscheinlich hatte die Welle der Abwertungen nicht direkt mit der Bildung der Bundesregierung und damit der endgültigen auf die Beine gekommenen Bundesrepublik etwas zu tun. Die Angleichung vieler Währungen an ihren tatsächlichen Wert war fällig; sie musste einmal erfolgen, auch in Hinsicht auf die Konsequenzen des Marshallplans. Dass die internationale Kommentierung des Abwertungsgeschehens jedoch völlig überging, was denn mit Westdeutschland geschehen sollte, war wohl kein Zufall. So erscheint der Eindruck nicht abwegig, dass die Konkurrenten der westdeutschen Wirtschaft durch die Abwertung ihrer eigenen Währungen in dem Augenblick Ballast abwarfen, als der westdeutsche Staat endgültig auf der Bildfläche erschien.
Die Bank Deutscher Länder hatte nach der Abwertung des Pfundes umgehend den Zahlungsverkehr mit dem Ausland eingestellt. Ein neuer Kurs musste festgesetzt werden - aber welcher? Und wer war dafür zuständig, die Bundesregierung oder die Hohen Kommissare?
Das Kabinett hatte sich seit dem 20. September fast in jeder Sitzung mit dem Problem beschäftigt. Adenauers Einstellung verdient in mehrfacher Hinsicht Beachtung. Zum einen verließ er sich nicht allein auf den Sachverstand der zuständigen Ressortminister und der Spitzen der Bank Deutscher Länder, Vocke und Bernard, sondern er zog noch zwei hochkarätige Experten hinzu: Hermann J. Abs und Pferdmenges.
Während Pferdmenges als finanzieller Ratgeber und Parlamentarier schon zum festen Adenauerschen Beraterstamm gehörte, hatte es mit der Hinzuziehung von Abs doch eine besondere Bewandtnis. Dieser hatte die zwanziger Jahre weitgehend im westeuropäischen Ausland zugebracht und war vornehmlich in den Niederlanden und in England im Bankgeschäft tätig gewesen. Er kannte die Volkswirtschaften Westeuropas und der USA genau und hatte als Experte für Währungsfragen im damaligen Deutschland nicht seinesgleichen.
Die Bedeutung von Abs kommt wohl am besten dadurch zum Ausdruck, dass er bei den bedrängten Raumverhältnissen des Museums König, dem ersten Kanzlersitz, ein eigenes Arbeitszimmer in der Nähe von dem des Kanzlers besaß. Bei wichtigen wirtschaftspolitischen Fragen zog ihn der Kanzler - besonders in den Anfangsjahren - zu den Kabinettsberatungen hinzu.
Die mit 3,33 DM bereits erheblich überbewertete westdeutsche Währung kam durch die Abwertung in den anderen Ländern völlig ins Hintertreffen. Sie musste folgen, aber was war der beste oder, genauer, der am wenigsten schädliche Prozentsatz?
Adenauer leitete die Aussprachen im Kabinett über diese Frage sehr geschickt; er verhielt sich rezeptiv und erbat Vorschläge. Erhard tendierte in wortreichen Ausführungen mehr in die Richtung auf eine Abwertung von 20 Prozent, während Abs stärker die Exportinteressen betonte und für 25 Prozent eintrat. Es versteht sich von selbst, dass die Kabinettsrunde mit dem Kanzler einig war, den Begriff "Abwertung" in der Öffentlichkeit natürlich zu vermeiden. Damit wollte man nichts zu tun haben. Aber wo lag der richtige Punkt? Bis auf 30 Prozent herunterzugehen zögerte man, um den Eindruck zu vermeiden, die Bundesrepublik wolle sich dem Sterlingblock nähern. Gegen eine solche Einschätzung bestand eine erstaunlich starke Abneigung. Aber bevor man sich über den Abwertungssatz einig wurde, ließ Adenauer keinen Zweifel daran, wer für diese Entscheidung zuständig war: nicht die Hohen Kommissare, sondern allein die Bundesregierung. Vor der Beschlußfassung etwa bei den Kommissaren anzufragen, was denn diese meinten, erschien ihm abwegig. Zitat: "Die Alliierten haben die Kontrolle bei allen diesen Sachen. Die Entscheidung aber haben wir. Die Alliierten können nachher sagen: Ihr habt etwas gemacht, was nicht richtig ist ("Kabinettsprotokolle der Bundesregierung 1949", Bd. 1, Seite 299 - 306)."
Diese durch das Besatzungsstatut gedeckte Eigenständigkeit der Entscheidungsfindung betonte er so stark, um zugleich den Unterschied zu dem "Kuddelmuddel" in Frankfurt bei der Bizonenverwaltung möglichst deutlich zu machen, denn mit der für ihn unerträglichen Verfilzung der dortigen Behörden mit ihren alliierten Kontrolleuren sollte nun endgültig Schluß sein.
Die Einschätzung, dass die Alliierten allenfalls nachträglich Kritik zu üben hätten, sollte sich jedoch als krasses Mißverständnis herausstellen, denn sie saßen am längeren Hebel und zeigten rasch, wer wirklich das Sagen hatte.
Am 24. September hatte das Kabinett beschlossen, den Kurs der D - Mark auf 22,5 Dollarcents festzulegen. Das hätte einem Kurs von einem Dollar für 4,50 DM entsprochen. Am folgenden Tag, einem Sonntag, traf sich der engere Wirtschaftsausschuß in Rhöndorf. Man wußte inzwischen, dass die Alliierten unter sich uneinig waren, und schlug sich auf die amerikanische Seite, indem man sich auch mit einem geringeren Abwertungssatz, nämlich 23,8 Dollarcents, einverstanden erklärte. Das Kabinett übernahm diesen Vorschlag am nächsten Tag. Das entsprach dem alten Dollar - Mark - Verhältnis von 1 : 4,20. Am Abend war McCloy eigens nach Rhöndorf gekommen und signalisierte weitgehendes Entgegenkommen. Darüber hinaus versprach er, auf die westeuropäischen Partner positiv einwirken zu wollen, was besonders Adenauer sehr erfreute. Denn mit den Verbündeten der Amerikaner haperte es. Besonders die Franzosen waren daran interessiert, die DM - Abwertung geringer als die des Franc ausfallen zu lassen. Doch auch mit dem geringeren Satz von 23,8 Dollarcents kam die Bundesregierung vorerst nicht durch.
Am 28. September erhielt die Bundesregierung den Beschluß der Alliierten Hohen Kommission übermittelt, der sie mit aller Klarheit über die tatsächlichen Zuständigkeiten und Machtverhältnisse belehrte. In ihm wurden keine Einwände gegen den Kurs von 0,238 Dollar für eine Mark erhoben, was im Klartext bedeutete, dass der Kurs von den Alliierten akzeptiert wurde. Das war aber nicht alles. Weiter teilte der Beschluß mit, dass jegliches "Dumping" aufzuhören habe und das binnen sieben Tagen Maßnahmen zu treffen seien, wonach der Preis für Exportkohle von der DM - Abwertung nicht berührt werde ("Kabinettsprotokolle der
Bundesregierung 1949", Bd. 1, Seite 93). Frankreich war einer der Hauptabnehmer für Ruhrkohle. Der Bundeswirtschaftsminister bezifferte die sich daraus ergebende Mehrbelastung auf 420 Millionen DM, eine für damalige Verhältnisse Beträchtliche Summe. Das Echo im Bundestag auf den alliierten Beschluß notierte Blankenhorn als "teilweise sehr stark", was eher ein diplomatisches Understatement darstellte.
Angesichts dieses drohenden Konfliktes fuhr Adenauer am folgenden Tag, dem 29. September, auf den Petersberg. Es war das zweite Mal, dass er mit den Hohen Kommissaren dort zusammentraf. Eine Woche zuvor hatte er seinen Antrittsbesuch gemacht. Die Alliierten hatten dem ersten Treffen große Bedeutung beigemessen( Adenauer, Konrad: "Erinnerungen 1945 - 1953", Seite 233 - 235). Es sollte ihm mit alliierten Pomp das Besatzungsstatut übergeben werden. Das war ihm bei seinem ausgeprägten Sinn für Würde und seiner Abneigung gegen Diskriminierungen aber zuwider. Er wollte kein Dokument feierlich entgegennehmen, das nichts anderes beinhaltete als die eigene Inferiorität.
Bei diesem ersten Besuch glaubte das alliierte Protokoll, den Unterschied zwischen Besatzern und Besetzten deutlich machen zu müssen, indem die Hohen Kommissare auf einem Teppich standen, Adenauer jedoch davor Aufstellung nehmen sollte. Die Geistesgegenwart Adenauers, mit der er bei der Begrüßung den Teppich betrat und dort stehen blieb, ist immer wieder beschmunzelt worden, aber es ist so etwas wie eine symbolische Geste: Die trotz aller Freiheits - und Gemeinschaftsrhetorik auf ihre Siegerrolle bedachten Alliierten wollten den mit dem erheblichen Mißtrauen zur Kenntnis genommenen neuen Juniorpartner, den Bundeskanzler, die Distanz spüren lassen, die ihrer Meinung nach fortbestehen sollte, während der Kanzler dies bewußt nicht zur Kenntnis nahm und sich einen kalkulierten Regelverstoß erlaubte.
Am 29. September, beim zweiten Besuch, ging es jedoch um mehr. Adenauer kam nicht allein, sondern mit einem Expertenteam. Ihn begleiteten die Wirtschaft und Währung befaßten Minister Blücher, Erhard, Schäffer, dann Abs und Vocke sowie der unentbehrliche Blankenhorn. Nie wieder ist Adenauer mit soviel Gefolge auf dem Petersberg erschienen. In Zukunft kam er in der Regel allein, nur von Blankenhorn begleitet. Offensichtlich fühlte er sich sicherer und auch zu Konzessionen eher fähig, wenn nur sein loyaler und verschwiegener engster Mitarbeiter anwesend war.
Bei diesem Treffen zwischen dem Kanzler und den Hohen Kommissaren (siehe Bild 7) stand viel auf dem Spiel. Es kam darauf an, wie der westdeutsche Regierungschef sich gegenüber den Vertretern der Alliierten behauptete. Adenauer argumentierte außerordentlich geschickt. Verbindlich und beharrlich fragte er nach der Rechtsgrundlage des Beschlusses der AHK vom 28. September. Es sei für ihn "eine Frage von denkbar großer Bedeutung" für das Verhältnis zwischen AHK und Bundesregierung. Er wollte wissen, ob die Aufteilung der Kompetenzen, wie sie das Besatzungsstatut vorsah, eingehalten würde oder nicht. Denn eindeutig bestand kein Recht der Alliierten, beispielsweise "binnen sieben Tagen" Maßnahmen zu fordern, damit die Interessen der Kohle importierenden Länder geschont würden. Bohrend fragte er: "Was habe die Erhöhung der inländischen Kohlepreise mit dem Besatzungszweck zu tun?", oder anders herum: "Warum solle Deutschland der Schweiz billigere Kohle liefern?" Ihm ging es um eine grundsätzliche Klärung, er wollte erreichen, dass dieser Beschluß nicht als Präjudiz für spätere Maßnahmen ähnlich fragwürdiger Art dienen konnte. Deswegen forderte er eine förmliche Aussprache über die Rechtslage.
Der französische Hohe Kommissar Andre Francois - Poncet, der in diesem Monat den geschäftsführenden Vorsitz in der AHK innehatte und als Vertreter derjenigen Regierung agierte, die die Abwertung mit dem gespaltenen Kohlepreis verknüpft hatte, trat Adenauer gegenüber mit jenem traditionellen französischen Superioritätsgefühl auf, das auf Nicht - Franzosen selten überzeugend wirkt. Mit falschem Pathos erklärte er, "die Überlegungen der Alliierten seien im wesentlichen durch den Gedanken an das Wohl der deutschen Wirtschaft bestimmt worden, das sie nicht nur bei Tag, sondern auch bei Nacht beschäftige". Wie Hohn musste es wirken, wenn der französische Diplomat die Hohe Kommission als "Berater und Freund Deutschlands" darstellte. Über die Rechtslage ließ er sich auf keine Diskussionen ein. Sachverständige könnten wohl darüber beraten, der "Austausch würde aber kein positives Ergebnis haben". Man würde zwar jederzeit Vorschläge entgegennehmen, aber die endgültige Entscheidung liege bei den Hohen Kommissaren.
Abwertung und Kohlepreis traten jedoch in der Bedeutung gegenüber dem Problem der Demontagen zurück. Hier lag der gefährliche Sprengstoff für das politische, wirtschaftliche und psychologische Verhältnis der jungen Republik zu den Siegermächten. Nachdem die Bundesrepublik mit Bildung einer eigenen Regierung endgültig in die Existenz getreten war, wurde immerhin mehr sichtbar, dass verschiedene Entwicklungsstränge der alliierten Nachkriegspolitik sich überschnitten. Die Demontagen erfolgten nach einem Programm, das auf der Moskauer Außenministerkonferenz im März 1947 festgelegt und später in Washington modifiziert worden war. Die Demontagen waren ein Produkt der Nachkriegszeit, als die Fiktion einer Viermächtekontrolle noch nicht aufgegeben war. Mit der Gründung der Bundesrepublik sollte ein neuer Anfang gemacht werden, die Demokratie westlichen Gepräges sollte ihre werbende Kraft entfalten, sie sollte die Westdeutschen im Lager des Westens halten und sie zugleich gegen Versuchungen aus dem Osten immun machen. Um die Westdeutschen aber zu gewinnen, konnte man sie nicht auf dem Stand der Nachkriegsbehandlung mit all ihren Beschränkungen und Schikanen halten.
Das am 22. November 1949 zustandegekommene Petersberger Abkommen brachte eine beträchtliche Veränderung der politischen Situation, die noch acht Wochen zuvor kaum vorstellbar schien. Kein Wunder das Adenauer am späten Abend des Tages nach endlosen Redaktionsarbeiten den Petersberg "in gehobener Stimmung" verließ. Man hatte ein konstruktives Ergebnis erzielt. Die drohende Konfrontation wurde vermieden, weil allen Seiten mehr oder weniger bewußt war, dass für die schwebenden Fragen Lösungen gefunden werden mussten, die das gemeinsame Ziel, die Bundesrepublik im Lager des Westens zu verankern, nicht dauerhaft schädigten, die aber auch dem westeuropäischen Sicherheitsbedürfnis Rechnung trugen.
Im Oktober, nach dem ungeschickten Manöver der DM - Abwertung, definierte Dean Acheson die Amerikanische Westeuropa - Politik und ihr Ziel, konstruktive deutsche Mitarbeit im Interesse von Westeuropa als Ganzem zu ermöglichen. Das konnte nur im Rahmen der Integration geschehen. Entscheidend jedoch war das Wie: "Der Schlüssel zum Fortschritt auf dem Gebiet der Integration liegt in Französischen Händen." Frankreich solle die Initiative übernehmen, denn nur Frankreich, allein Frankreich kann die entscheidende Führung übernehmen, um Westdeutschland in Westeuropa zu integrieren. Das State Department wollte bewußt Frankreich die Vorhand lassen. Die Westeuropäische Einigung sollte über Frankreich laufen, und man strebte nicht etwa unter Umgehung oder gegen den Widerstand Frankreichs eine engere Zusammenarbeit der USA mit der Bundesrepublik an. Auch über den ebenso einflußreichen wie frankophilen amerikanischen Publizisten Walter Lippmann, der sich Anfang Oktober in Bonn aufhielt, ließ McCloy Adenauer die Botschaft übermitteln, dass er sich mit Frankreich verständigen müsse, um amerikanische Hilfe zu bekommen.
Das Petersberger Abkommen hatte für Adenauer vor allem deshalb hohe Bedeutung, weil es eine unmittelbare Entlastung brachte, denn eine Reihe wichtiger Stahlwerke, an der Spitze die August Thyssen Hütte in Duisburg und bedeutende Unternehmen der chemischen Industrie, darunter die Farbenfabriken Bayer, wurden von der Demontageliste gestrichen. Schiffe mit begrenzter Tonnage durften wieder gebaut werden, auch solche für Exportzwecke. Die Stahlerzeugung wurde jedoch auf 11,1 Millionen Tonnen festgeschrieben, wie die Franzosen es gewünscht hatten. Die Aufnahme konsularischer Beziehungen stellten die Alliierten in Aussicht, allerdings wurde der Kriegszustand noch nicht für beendet erklärt. Die grundsätzliche Frage, ob die deutsche Wirtschaft eine echte Entwicklungschance bekommen oder künstlich niedrig gehalten werden sollte, wurde aufgeschoben. Die Demontagen zogen sich noch bis 1952 hin. Der sichtbare Erfolg bestand für Adenauer in der allgemeinen Erleichterung, dass bedeutende Unternehmen und damit viele unersätzliche Arbeitsplätze gerettet wurden. Diese Positive Veränderung der Situation brachte Adenauer die für ihn sehr wichtige Unterstützung des deutschen Gewerkschaftsbundes ein. Die Begrenzung der Stahlproduktion auf 11,1 Millionen Tonnen schaffte das Problem zwar nicht aus der Welt, aber Adenauer konnte fürs erste mit der politischen Abschlagzahlung zufrieden sein. Was noch offenblieb, konnte bei den nächsten Verhandlungen aus der Welt geschafft werden.
Die Debatte des Bundestages am 24. November ist vor allem durch den Zwischenruf Kurt Schumachers - Adenauer sei "der Kanzler der Alliierten" - in die Geschichte eingegangen (Auszug der Debatte in: Adenauer, Konrad: "Erinnerungen 1945 - 1953", Seite 285 - 293). Er war der Höhepunkt einer chaotischen Sitzung, die bis in die Morgenstunden dauerte. Der Alkoholausschank war nicht unterbunden, so dass ein Teil der Ausfälligkeiten und Störungen auf mangelnde Nüchternheit zurückzuführen war. Die Sozialdemokratie war darüber frustriert, dass die Opposition vom Bundeskanzler bewußt über die Entwicklung zum Petersberger Abkommen nicht auf dem laufenden gehalten worden war, und sie beanstandete mit stichhaltigen Gründen die Haltung der Regierung, das Abkommen nicht durch das Parlament ratifizieren zu lassen. Da es aber noch kein Verfassungsgericht gab, entfiel die Möglichkeit der rechtlichen Überprüfung. Es war naheliegend, dass die Opposition das Ergebnis als mager bezeichnete. Zunehmende Verbitterung machte sich bei Schumacher bemerkbar, als Adenauer triumphierend die Meldung über die Zustimmung des DGB zum Petersberger Abkommen verlas. Als Adenauerim weiteren Verlauf der Debatte die Situation durch die Alternative charakterisierte: Entweder Beitritt zur Ruhrbehörde oder, was Robertson schon angekündigt habe, Durchführung der Demontagen bis zum Ende, fiel der ominöse Zwischenruf vom "Kanzler der Alliierten". Was Schumacher damit zum Ausdruck bringen wollte, ist simpel. Er wollte den Kanzler verletzen, ihn beleidigen. Hinzu kam wahrscheinlich in dieser Situation der Haß auf den erfolgreichen Gegenspieler, der die Opposition in eine schwierige Lage Manövriert hatte. Nachdem der Satz in verschiedenen Zusammenhängen immer herangezogen wird, stellt sich unabhängig von dem unmittelbaren Kontext jedoch die Frage, was darunter zu verstehen ist.
Adenauer war insofern der Kanzler der Alliierten, als er niemals die Westbindung in Frage stellte und bei seinen Forderungen stets im Rahmen dessen lag, was die Alliierten noch hinzunehmen bereit waren. Er diente ihnen aber niemals als Handlanger, sondern nervte sie oft durch die zähe Wahrnehmung deutscher Interessen, So veranlasste er sie mitunter zu größeren Konzessionen, als sie ursprünglich einzuräumen bereit waren. Gerade in den Jahren 1949 und 1950 war er auch für McCloy noch keineswegs ein vertrauenerweckender Partner. So unbequem er den Alliierten oft erschien, konnte sie seiner doch sicher sein, von ihm nicht durch einen Bündniswechsel geschockt zu werden.
In Adenauers Augen stellte das Petersberger Abkommen noch im Rückblick den entscheidenden Durchbruch dar. Auch wenn das Ergebnis eher bescheiden wirkt, war es ihm gelungen, in direkten Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren zu einer Einigung zu gelangen, die alle Anzeichen des Vorläufigen trug. Gerade das war es aber, was ihn hoffnungsfroh stimmte. Vor den Betriebsangehörigen der August Thyssen Hütte sagte er am 20. Dezember: "Geduld ist ja die stärkste Waffe des Besiegten, ist seine einzige Waffe, und von dieser Geduld müssen wir Gebrauch machen( aus StBKAH 02.05)." Damit wollte er vor allem deutlich machen, dass die Deutschen auf dem von ihm beschrittenem Wege beharrlich fortschreiten mussten.
Im Rückblick, als die Bundesrepublik eine gefestigte Stellung in der Welt einnahm, vergaß er die bescheidenden, aber entscheidenden politischen Anfänge nicht. In vielen Reden kam er noch Jahre später immer wieder darauf zurück. Eher beiläufig, aber voller Überzeugung erklärte er etwa am 6. April 1960im Bundestag zum Petersberger Abkommen, es sei das Abkommen gewesen, das den Demontagestop brachte, das uns den Anschluß an den Westen brachte und das uns die Möglichkeit wiedergab, ein freies Volk zu werden. Das war die entscheidende Wende in der ganzen Politik der Bundesrepublik ("Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, Stenographische Berichte", Seite 5938).
Mit etwas weniger Überzeugung lässt sich immerhin sagen, dass hier tatsächlich die Weicheneinstellung erfolgte, die seine Politik fortan bestimmen sollte.


5. Krise und Durchbruch im Verhältnis zu Frankreich :
Robert Schuman und der Schumanplan


Kein deutscher Politiker hat sich so intensiv für den deutsch - französischen Ausgleich eingesetzt wie Konrad Adenauer. Erfolg konnte er dafür jedoch erst spät ernten, in den letzten Jahren seiner Amtszeit, als er in de Gaulle den wirklichen Partner fand. In den Jahrzehnten zwischen 1918 und 1958 ist er mit diesem Bemühen wiederholt auf zähen Widerstand gestoßen. Er musste mehr Rückschläge einstecken als Erfolge.
Wenn auch seine Methoden fragwürdig waren und es ihm nicht gelang, den Franzosen sein Anliegen überzeugend darzulegen, weil bei ihnen das Mißtrauen gegenüber allem Deutschen überwog, so bleibt doch sein Bemühen bemerkenswert, den deutsch - französischen Gegensatz zu überwinden und dabei dem Rheinland eine herausragende Stellung zu verschaffen. Das Rheinland, vor allem sein nördlicher Teil, stellte zwar nie eine Brücke zwischen Deutschland und Frankreich dar, aber er wollte es halt so sehen und fühlte sich von dieser Perspektive auch zum Handeln herausgefordert.
Im Jahre 1945, als alles staatliche Leben in Deutschland erloschen schien, hatte er seine Bemühungen, einen Rheinstaat mit französischer Hilfe aufzubauen, wiederaufgenommen. Unabhängig davon, was mit dem übrigen Deutschland geschehen würde. Aus seiner Sicht bedeutete dies nicht, dass er willentlich und mit voller Absicht die Zerstörung des Reiches akzeptiert hätte. Er erstrebte nur in dieser Situation des allgemeinen Chaos eine für das Rheinland zukunftsweisende Lösung, die in einer ganz engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Frankreich und den Benelux - Ländern liegen sollte.
Zum ersten Mal hatte er 1945 französische Gesprächspartner getroffen, die sich seine Vorschläge nicht nur höflich anhörten, sondern sie auch voll akzeptierten und Adenauer als Mann von Format respektierten. Die damals ihm gegenüber bezeugte Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Partnerschaft hatte ihn tief beeindruckt, und in der Tat entsprach die Haltung der französischen Offiziere, die ihn wiederholt aufsuchten, nicht einer mehr zufälligen persönlichen Konstellation, sondern sie handelten im Auftrag de Gaulles (siehe Bild 2), der im Rheinland nach Politikern wie Adenauer Ausschau hielt, mit denen er seine Rheinpolitik verwirklichen konnte. Doch Adenauer wurde gerade wegen dieser Kontakte gejagt, und de Gaulle trat wenig später zurück, so dass die kaum angebahnte Verbindung wieder abriß.
Die Nachfolger des Generals zeigten keinerlei Neigung, mit Adenauer in Kontakt zu treten. Dafür schien um so weniger Anlass geboten, nachdem Adenauer mit seiner Blitzaktion im Januar 1946 die führende Position der CDU in der britischen Zone errungen hatte und damit für die Administratoren der französischen Zone aus dem Blickfeld verschwunden war. Etwas anderes kam hinzu. Er stand Frankreich im Grunde fremd gegenüber, trotz aller Bestrebungen zur Zusammenarbeit, denn weder Sprache noch Kultur waren ihm vertraut, ganz zu schweigen von den religiösen und moralischen Standards, die den gebildeten Franzosen damals prägten.
Als Ansprechpartner und zugleich als Hoffnungsträger betrachtete Adenauer den seit Juli 1948 am Quai d'Orsay amtierenden Robert Schuman. Mit der Person Schumans verknüpft sich die Legende vom "großen Europäer", von dem Lothringer, der, im Kaiserreich aufgewachsen, an deutschen Universitäten studiert und so die einzigartige Fähigkeit erworben habe, "partnerschaftliche Beziehungen zu ihren Nachbarn einen besonders hohen Stellenwert zuzuweisen (aus Schwarz, Hans - Peter, "Adenauer I", Seite 561 f)." Allerdings kann man bei Grenzbewohnern auch den gegenteiligen Effekt, nämlich übertriebenen Nationalismus beobachten.
In den deutschlandpolitischen Vorstellungen, die Schuman vertrat, zeigte er kein Entgegenkommen. Die Londoner Empfehlungen vom Juni 1948, die Bidault noch ausgehandelt und die wegen ihrer Härte Adenauers Entsetzen hervorgerufen hatten, trafen auch bei ihm auf Kritik. Wegen zu großer Milde Deutschland gegenüber. Die Zukunft Westdeutschlands sah er, auch hierin dem Mehrheitstrend der französischen Politik folgend, in der Form eines faktischen Staatenbundes. In einer Rede in Poitiers erklärte er am 18. April 1948, dass es "mehrere Allemagnes" gäbe und dass man diesen Gelegenheit bieten sollte, "sich in autonomen Staaten zu organisieren. Diese Staaten könnten sich dann untereinander verbinden in bezug auf gemeinsame und begrenzte Aufgaben(aus "L'Année politique 1948", Seite 329 - 331)."
Vergleicht man diese Vorstellungen Schumans mit den Äußerungen Adenauers über die politische Bedeutung der Länder "als völkerrechtliche Staatspersönlichkeiten" noch aus dem Jahre 1947, so ist der Unterschied gar nicht so gravierend. Das war auch nicht der Fall, als sich beide Politiker im Oktober 1948 in Bassenheim bei Koblenz trafen.
Die Zusammenkunft war geheim. Schuman hatte die französische Zone bereist, so dass das Treffen unbemerkt arrangiert werden konnte. Das genaue Datum steht nicht fest. Die in Bonn am 12. Oktober herausgegebene Presseerklärung bietet den Anhaltspunkt dafür, dass die beiden Politiker kurz zuvor zusammengetroffen waren.
Diese Vereinbarung für die Presse verdient besonderes Interesse. Sie verkaufte ein Märchen, das fortan in der Propaganda über die zwei großen Freunde und Europäer immer wieder Verwendung finden sollte. Das Kommuniqué behauptete nämlich, dass die beiden "seit der Zeit vor 1933 befreundet seien. Diese freundschaftlichen Beziehungen waren der Anlass dafür, dass die Gestapo während ihrer Tätigkeit in Frankreich Herrn Schuman besondere Schwierigkeiten bereitete. Herr Schuman benützte seinen Aufenthalt in der französischen Zone, um die Freundschaft mit Dr. Adenauer zu erneuern (aus Adenauer, Konrad: "Briefe 1947 - 1949", Seite 604)." Das war pure Erfindung. Adenauer glaubte später halbwegs selbst daran und stellte nach zwei Jahren die Sache so dar, dass er Schuman 1938 einmal begegnet sei, "aber keine Erinnerung daran behalten" habe.
Für Adenauer hatte das Treffen eine außerordentlich hohe Bedeutung, konnte er doch dem Leiter der französischen Außenpolitik seine Gedanken in voller Offenheit darlegen.
Über die konkreten Gesprächsthemen lässt sich nicht viel sagen, eine Aufzeichnung gibt es nicht. Auch bei späteren Treffen mit Schuman verzichtete Adenauer auf jede Begleitung und damit auf jeden Zeugen. Von zwei Themen war aber mit Sicherheit die Rede. Da ging es einmal um den mehr oder weniger föderalistischen Charakter der künftigen deutschen Verfassung. Das zweite Thema war die Saar. Adenauer berichtete Robert Murphy, dem politischen Berater Clays, wenige Wochen später, dass Schuman sich für eine Teilung der Westzonen in drei Staaten ausgesprochen habe, ganz wie Adenauer es gegenüber de Gaulle im Jahre 1945 getan hatte. Ob das tatsächlich der Fall war, muss allerdings offenbleiben. Der britische Verbindungsoffizier in Bonn wußte zu berichten, Adenauer sei in ständigem Kontakt mit Schuman, sicher ein vom Präsidenten des Parlamentarischen Rates bewußt in die Welt gesetztes Gerücht.
Adenauer sah in Schuman einen Verbündeten. Schuman wollte dies aber zu keinem Zeitpunkt sein, da er angesichts der in Frankreich herrschenden Vorstellungen politisch überleben wollte.
Mitte Januar hatte Schuman ursprünglich beabsichtigt, die französische Zone zu bereisen und anschließend mit dem Sonderzug nach Berlin weiterzufahren, um auch dem französischen Sektor ministerielle Aufmerksamkeit zu erweisen. Dazwischen war nur ein Höflichkeitsbesuch beim Bundespräsidenten in Bonn eingeplant gewesen, mehr nicht. Als Adenauer davon erfuhr, hatte er sich der Sache sofort energisch angenommen. Das ganze Verhalten Schumans in Bonn, der immer nur das zugab, was er nicht mehr ableugnen konnte, wird dazu beigetragen haben, dass Adenauer rückblickend erklären konnte, er sei gegen ihn außerordentlich aufgebracht gewesen. Es sei allerdings hinzugekommen, dass ihn Bidault ausdrücklich vor Schuman und dessen Unwahrhaftigkeit habe warnen lassen.
Jedenfalls hatte das Gespräch kein positives Ergebnis. Schuman war auch dem Vorschlag ausgewichen, eine Lösung zu dritt, also mit der Saarbrücker Regierung, für die Saar zu finden.
Auch in der engsten Umgebung Schumans wurde der französische Standpunkt noch viel drastischer dargelegt. Sein Kabinettschef, der das volle Vertrauen des Ministers besaß, gab Blankenhorn zu verstehen, "nach seiner Auffassung haben die Deutschen an der Saar nichts zu suchen".
Adenauer nahm Privat einen Anlauf, um Schuman umzustimmen. In seinem Nachlass befindet sich der handschriftliche Entwurf eines Schreibens an den Außenminister, dass aber sehr wahrscheinlich seinen Empfänger nicht erreicht hat. Es verdient jedoch erhebliches Interesse, weil es einen intimen Einblick in das Denken Adenauers vermittelt. Es beginnt in einem ganz persönlichen, geradezu beschwörenden Ton :"Ich möchte mich so unmittelbar an sie wenden, weil ich glaube, dass sie und vielleicht von Gott dazu berufen sind, in einer entscheidenden Situation für unsere gemeinsamen Ideale Wertvolles zu leisten(aus Adenauer, Konrad: "Briefe 1949 - 1951", Seite 155 - 157)." Dann nahm er auf das Treffen in Bassenheim Bezug, das für ihn eine ganz besondere Bedeutung gehabt haben muss. " Als wir uns im Oktober 1948 in Bassenheim so vertrauensvoll und offen miteinander aussprachen, war ich glücklich, ihre Ansichten, die mit meinen weitgehend übereinstimmten, kennenzulernen. Ihre Ausführungen über die Lösung der Saarfrage, dass Frankreich keine politischen Absichten habe, dass sie die Rückkehr der Saar zu Deutschland als im Bereich des Möglichen sähen, Frankreich wolle nur Sicherung seiner wirtschaftlichen Interessen, haben mich über diesen neuralgischen Punkt in den französisch - deutschen Beziehungen besonders beruhigt."
Der entscheidende Gesichtspunkt in dem Plan von Monnet, wie er am 9. Mai präsentiert wurde, bestand darin, dass er die Eigentumsverhältnisse in der Industrie nicht veränderte. Das Neue bestand in der Schaffung der Hohen Behörde, die jenseits der Nationalen Souveränität errichtet werden sollte mit der Aufgabe, die Industrien der Mitgliedsländer zu kontrollieren. Wenn die Hohe Behörde laufend über den Produktionsstand der jeweiligen Industriezweige informiert wurde und ausreichende Kontrollrechte besaß, konnte in Frankreich gar nicht erst der Verdacht entstehen, die Deutschen produzieren in irgendeinem Betrieb statt Weißblech Panzerplatten. Zugleich bot der Plan von Monnet mit der Einladung an die übrigen westeuropäischen Länder den konkreten Ansatz zur westeuropäischen Einigung. Er eröffnete weite Perspektiven und regte die Phantasie an. Er entwickelte die Vision eines Aufbruchs zu neuen Ufern, die Hoffnung, dass mit der Errichtung der Hohen Behörde, einer vergleichsweise unkomplizierten Einrichtung, ein Aufbauwerk in Gang gesetzt würde, das Europa von Grund auf zu verändern in der Lage sei. Der Schumanplan stellte keineswegs ein hauptsächlich europapolitisches Projekt dar, sondern vertrat handfeste nationale wirtschaftliche Ziele. Entscheidend daran aber war, dass der Plan verhandlungsfähig war und schließlich eine Kompromißlösung gefunden wurde.
Im Mai 1950 waren aber die Möglichkeiten, die sich plötzlich auftaten, wichtiger als das schließliche Ergebnis. Das traf besonders für Adenauer zu, der durch diesen Vorschlag von einer sehr unangenehmen innenpolitischen Auseinandersetzung verschont wurde, die mit dem Beitritt zum Europarat verbunden gewesen wäre. Plötzlich hatte er wieder politische Bewegungsfreiheit und konnte sich mit dem Hinweis, er habe das alles schon vor mehr als 25 Jahren selbst vorgeschlagen, ins rechte Licht setzen.
Für Adenauer stand die politische Bedeutung des Plans stets im Vordergrund. Die wirtschaftliche Seite zu erörtern, vermied er nach Möglichkeit. Am 24. Mai suchte Jean Monnet ihn auf, um ihm sein Konzept vorzutragen und zugleich die nächsten schritte zu besprechen.
Adenauers Verhältnis zu Schuman blieb weiterhin distanziert. Die seit 1952 zunehmenden Schwierigkeiten mit der Saar trugen das ihre dazu bei, der herzliche Ton der Beziehung, wie er am Anfang in Bassenheim bestanden hatte, kam nicht wieder. Eher gab es Ausschläge zur Gegenseite hin. So äußerte Adenauer am 23. Mai 1951, dass er über Schumans Verhalten so verärgert sei, dass er sich am liebsten allein betrinken wolle( Lenz, Otto, "Im Zentrum der Macht. Das Tagebuch des Staatssekräters Otto Lenz 1951 - 1953", Seite 85). Während er selbst an Autorität gewann und seine politische Stellung ständig festigte, konstatierte er den Machtverfall seines Mit - und Gegenspielers am Quai d'Orsay. Als Schuman dann stürzte, fiel das Schreiben Adenauers vom 9. Januar 1953 anläßlich seines Rücktritts eher unpersönlich aus.
Versucht man das Verhältnis von Adenauer und Schuman auf einen Begriff zu bringen, kann man nur zu einem Ergebnis kommen, dass es durch Mißverständnisse geprägt war. Die Last der jüngsten Vergangenheit erwies sich noch als stärker als die Herausforderung der Zukunft.
Der Schumanplan hielt jedoch nicht, was Adenauer sich von ihm versprochen hatte. Vor allem die wirtschaftliche Integration kam nicht voran. Schon frühzeitig wurden Klagen laut über Wettbewerbsverzerrungen, vor allem von französischer Seite gezahlte Subventionen, die von der Hohen Behörde nicht unterbunden wurden. Aber das starke Wachstum der westeuropäischen Stahlindustrie in den fünfziger Jahren insgesamt ließ über solche Abweichungen vom Pfade der marktwirtschaftlichen Tugend hinwegsehen.
Wichtiger als die Vorläuferfunktion für die zwischen 1955 und 1957 entwickelte Europäische Wirtschaftsgemeinschaft war für Adenauer im Mai 1950 die politische Wirkung, dass eine tatsächliche Öffnung der Europapolitik zu erfolgen schien. Eine weit stärkere Veränderung der politischen Situation erfolgte dann wenige Wochen später mit dem Ausbruch des Koreakriegs. Damit rückte die Bundesrepublik in den Blickpunkt des politischen Interesses, und ihr Kanzler fühlte sich zu Initiativen auf dem Gebiet der Wiederbewaffnung veranlasste, die bei den Alliierten für einige Aufregung sorgten, aber wenig Erfolg hatten.


6. Kriegshysterie und Wiederbewaffnung 1950 :


Nach der Gründung der NATO im April 1949 schrieb "Le Monde", "dass die deutsche Wiederaufrüstung im Atlantikpakt enthalten sei wie der Keim im Ei" ("Die deutsch - französischen Beziehungen", Seite 53). Und doch sollten fast sieben Jahre vergehen bis, die ersten deutschen Soldaten ihre Uniformen anzogen. Im Petersberger Abkommen, ein gutes halbes Jahr später, verpflichtet sich die Bundesregierung, die Entmilitarisierung des Bundesgebiets aufrecht zu erhalten und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Neubildung irgendwelcher Streitkräfte zu verhindern. Dennoch bestand in den Expertenkreisen der drei Westmächte zu diesem Zeitpunkt bereits die Überzeugung, dass eine Verteidigung Westeuropas ohne Einbeziehung der Bundesrepublik nicht möglich sei. Dass es dennoch so lange gedauert hat, bis die mehr als bescheidenden Anfänge der Bundeswehr präsentiert werden konnten, zeigt die Kraft des Widerstandes bei den ehemaligen westlichen Kriegsgegnern - keineswegs nur Frankreich - gegen die Vorstellung, dass es wieder deutsches Militär geben könnte. Zwischen der Einsicht in die Notwendigkeit und dem Entschluß, dass für notwendig Erachtete auch in die Tat umzusetzen, können sich in demokratisch verfaßten Ländern erhebliche zeitliche Verschiebungen und Widersprüche ergeben, die manchmal sogar unüberbrückbar sind. Obwohl das Gefühl der Bedrohung durch die Sowjetunion seit 1948 dramatisch zunahm, blieb dennoch der Zweite Weltkrieg, den Deutschland planmäßig vorbereitet und mit erbarmungsloser Konsequenz bis zum Ende geführt hatte, unvergessen und im Bewußtsein vieler noch bedrängend aktuell. Doch auch in der Bundesrepublik bestand keine Sehnsucht nach einer neuen "schimmernden Wehr".
Die Ablehnung der Wiederbewaffnung im Ausland wie zu Hause war eine Grundtatsache, mit der jeder Politiker rechnen musste, der dieses heiße Eisen anfaßte. Nur Konrad Adenauer glaubte sich von dieser Einsicht dispensieren zu können.
Sein Verhalten im Sommer 1950 war keineswegs allein eine Reaktion auf den Ausbruch des Koreakrieges. Bereits Anfang Juni 1950, vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten in Ostasien am 25. Juni, trug er den Hohen Kommissaren konkrete Pläne zur Wiederbewaffnung vor. Aber auch das ist eine zu enge Terminierung. Seit 1948, seit der Zuspitzung des kalten Krieges, begann er mit der Möglichkeit eines "heißen" Krieges zu rechnen. Schon im September 1948 verbreitete er sich vor der CDU/CSU - Fraktion des Parlamentarischen Rates mit einer für ihn typischen Genauigkeit über den 1949 zu erwartenden Kriegsausbruch.
Es widersprach seiner Art, angesichts eines so hohen Kriegsrisikos die Hände untätig in den Schoß zu legen. Die entstehende Bundesrepublik müsse der NATO beitreten. Das verkündete er Ende März in einem Artikel in der "Welt" und dann wieder auf der Tagung der Unionspolitiker am 8. und 9. April 1949 in Königswinter. Zuvor hatte er Anfang Januar vor leitenden CDU/CSU - Politikern die Sicherheitsfrage als wichtiger als die ganzen Arbeiten am Grundgesetz bezeichnet. Bei diesem Treffen warnte er vor Generälen, die in Kontakt mit Abgeordneten zu kommen suchten, um sie auf die Frage der Wiederbewaffnung anzusprechen. Das hätte ihn nicht gehindert, im Dezember1948 den Generalleutnant Hans Speidel zu empfangen, der nach dem Besuch eine Denkschrift ausarbeitete, die bereits die Grundlinien der späteren Bundeswehrplanung enthielt. Speidel berichtete, Adenauer habe "einige herabsetzende Bemerkungen über die Soldaten" gemacht, die er mit dem kühlen Hinweis zurückgewiesen habe, dass er ja selbst weder Soldat noch in der Widerstandsbewegung gewesen sei. Speidels Urteil über Adenauers militärische Fähigkeiten fällt auch im Rückblick überraschend kritisch aus: "Adenauer hatte kein Verhältnis zum Soldaten, auch nicht zu militärischen Problemen ( Speidel, Hans, "Aus unserer Zeit. Erinnerungen, Berlin - Frankfurt/Main - Wien 1977", Seite 253.)."
Doch Adenauer ließ nicht locker. Im August 1949 erklärte er dem US - Generalkonsul Altaffer, Westdeutschland solle wiederbewaffnet werden, die Amerikaner brauchten Bodentruppen. Im vorangegangenen März hatte er den Generalkonsul gefragt, wie es um seine persönliche Sicherheit im Falle einer russischen Invasion bestellt sei. Wieviel anderen amerikanischen oder britischen Offizieren und Geschäftsträgern er in gleicher oder ähnlicher Weise sein Problem in den Jahren 1948 und 1949 nahezubringen versucht hat, lässt sich nicht feststellen. Das erscheint auch nicht notwendig, denn wichtig ist nur die Tatsache, dass Adenauer, wenn auch erfolglos, diese Frage schon frühzeitig und wiederholt angeschnitten hat.
Für Adenauer war es die in seinen Augen immer stärker werdende Bedrohung aus dem Osten, die eine Sicherheitsgarantie durch die Alliierten unbedingt notwendig machte, wie er am 8.
Dezember auf dem Petersberg den Hohen Kommissaren zu verstehen gab: "Aber die Auffassung bei uns ist doch die, dass eine Verteidigung am Rhein einfach ein leeres Wort und nichts anderes ist." Eine solche Planung müsse eine demoralisierende Wirkung ausübe. Deshalb beharrte er darauf: "Wir würden es sehr begrüßen, wenn von seiten der Westalliierten eine Erklärung abgegeben würde, dass die Bundesrepublik geschützt wird ("Adenauer und die Hohen Kommissare", Band 1, Seite 55)." Immer wieder sollte er fortan eine solche schriftliche Erklärung fordern, besessen von der Furcht, dass ohne förmliche Verpflichtung die Alliierten nicht in jedem Fall Westdeutschland verteidigen würden.
Am 28. April 1950 sandte der Kanzler eine Note an die Hohen Kommissare, in der er die Errichtung einer Bundespolizei mit einer Stärke von 25000 Mann forderte. Wieder betonte er, dass Deutschland keine Armee wünsche, dem Bund unterstehende Polizeikräfte aber nötig seien, um die verfassungsmäßige Ordnung im Falle von Unruhen aufrechtzuerhalten und den Sitz des Bundes in Bonn zu schützen, wo zur Zeit nur 110 Polizisten Dienst täten, die nicht einmal der Bundesregierung unterständen. Adenauer beklagte sich über die Zurückhaltung der Alliierten und monierte, dass er auf ein Schreiben vom Dezember bisher keine Antwort erhalten habe ("Adenauer - Teegespräche 1950 - 1954",Seite 5). Daraus erklärte sich der zweite Anlauf am 28. April. Auf eine Antwort musste er wieder lange warten. Als sie exakt drei Monate später eintraf, konnte das Schreiben nur Enttäuschung hervorrufen, denn es gestattete lediglich die Vermehrung der Länderpolizeien um 10000 Mann, was in seinen Augen lächerlich war. Von einer Bundespolizei, auf die allein es ihm ankam, war nicht die Rede.
Bei den Briten fand Adenauer für die ihn bedrängende Frage der Organisierung einer deutschen Abwehrkraft das meiste Verständnis, nicht nur weil Sir Brian Robertson General war, sondern weil auch die britische Regierung sich in der Sicherheitsfrage ganz pragmatisch verhielt.
Zwischen dem 6. und 8. Juni empfing Adenauer in Rhöndorf die Hohen Kommissare, um mit ihnen die militärpolitische Frage in Mitteleuropa zu besprechen. Das die Gespräche in seinem Haus in Rhöndorf stattfanden, hatte seinen besonderen Grund. Der Kanzler war gesundheitlich schwer angeschlagen, keineswegs nur fiebrig erkrankt. Am 24. Mai, einen Tag nach dem erfolgreichen Besuch Monnets, hatte er sich "gelegt". Der Urlaub auf dem Bürgenstock in der Schweiz vom 13. Juli bis 11. August, auf dem Höhepunkt der Koreakrise, war ärztlich verordnet, da der Patient unbedingt einer gründlichen Erholung bedurfte.
Adenauer erklärte also den Hohen Kommissaren mit allem Nachdruck, dass nur die Aufstellung ausreichender deutscher Panzerkräfte Westeuropa Sicherheit vor einem sowjetischen Angriff biete. In der Einsamkeit seines Krankenlagers hatte er sich entschlossen, aufs Ganze zu gehen und um das Problem nicht mehr herumzureden. Von Bundespolizei oder ähnlichen Mogelpackungen war nicht länger die Rede, und wie ernst es ihm dabei war, zeigt sich mit letzter Deutlichkeit bei seinem aberwitzigen Vorschlag, als Sofortmaßnahme eine Legion in Frankreich aufzustellen, in der deutsche Freiwillige schon vorab ausgebildet werden könnten. Hier wird der Realitätsverlust Adenauers und seine völlige Fremdheit gegenüber der französischen Psychologie offenbar. Auf dem heiligen Boden Frankreichs sollten wieder deutsche Soldaten stehen!
Dann kam der Schock des 25. Juni 1950. Zunächst freilich reagierte Bonn auf den Ausbruch der Feindseligkeiten in Korea kaum. Die Vorstellung, dass das, was in Ostasien geschah, sich im geteilten Deutschland jederzeit wiederholen konnte, brauchte einige Zeit, um die verantwortlichen Stellen in Bewegung zu setzen.
Blankenhorn, damals noch der einzige außenpolitische Gehilfe Adenauers, begann am 10. Juli mit den Gesprächen über die westdeutsche Wiederbewaffnung. Sein wichtigster Gesprächspartner war der stellvertretende Hohe Kommissar der USA, General Hays, der sich jedoch in dieser Situation weniger als Vertreter von Mc Cloy, sondern mehr als Militär fühlte. Die Gespräche mit Hays am 10. und 17. Juli verliefen erstaunlich konstruktiv und vertrauensvoll. Unter anderem begrüßte der amerikanische General die Bildung einer deutschen Expertengruppe - eine Anspielung auf den Kreis früherer Wehrmachtsgeneräle unter Speidel und Heusinger. Die Gruppe sollte als "Arbeitsausschuß für Raumforschung" firmieren.
Adenauer entwickelte dann vor den Hohen Kommissaren ein eindrucksvolles Szenario der Bedrohung Westdeutschlands. Zuerst gab er einen Überblick über die Sowjetischen Streitkräfte in ihrer Zone. Insgesamt seien 34 Divisionen dort stationiert, "alle voll aufgefüllt, mit Kriegsgerät ausgerüstet und mit Brennstoff ausreichend versorgt". Doch das war nicht alles. Wesentlich ausführlicher und mit erstaunlich detaillierten Angaben trug er vor, wie sich die Militarisierung der Kasernierten Volkspolizei, die aus der allgemeinen Polizei herausgelöst sei, vollziehe. Es gebe fünf Gruppenkommandos, die jeweils eine Panzergruppe und eine motorisierte Infanteriegruppe umfaßt. Im Klartext waren das Divisionen. Er konnte sogar den Aufbau einer solchen Panzerdivision detailliert beschreiben. Fünfzig - bis sechzigtausend Mann seien bisher schon ausgebildet. Es fehle an Offizieren, aber diesem Mangel werde energisch abgeholfen durch die Einrichtung von fünfzehn Waffenschulen, die in der Lage seien, so viele Offiziere und Unteroffiziere auszubilden, dass ab 1951 Unterführer und Offiziere für 150000 Mann, ab 1952 für rund 200000 Mann ausgebildet wären.
Zur politisch - militärischen Situation stellte er fest, er sei überzeugt, dass Stalin dieselbe Entwicklung für Westdeutschland vorsehe, wie er das für Korea getan habe. Besonders gefährlich erschien ihm die Möglichkeit, die für ihn persönlich schon zur Gewißheit wurde, dass die Volkspolizei angreifen könnte und die Alliierten nichts dagegen tun würden, weil diese nur auf die Sowjets fixiert seien, nicht aber auf die bewaffneten ostdeutschen Einheiten. Und er äußerte immer wieder diesen Gedanken, obwohl die Amerikaner in Korea gerade das Gegenteil praktiziert hatten. Die Volkspolizei - Armee war für ihn die Hauptgefahr, ein Alptraum. Die Bevölkerung würde den allein angreifenden Vopos, so dozierte er weiter, keinen Widerstand entgegensetzen: teils weil es auch Deutsche seien, teils weil die deutsche Bevölkerung infolge der Ereignisse in Korea weitgehend den Glauben an die Stärke der Vereinigten Staaten verloren hätte.
Schließlich äußerte er zwei "Bitten": Einmal sollten die Alliierten endlich militärische Macht zeigen. Der andere Punkt war jedoch entscheidend. Die Bundesregierung müsse in die Lage versetzt werden, eine Macht aufzubauen, die bis zum Frühjahr fähig sei, einem etwaigen Angriff der Volkspolizei wirksamen Widerstand zu leisten. Da die Alliierten vorerst keine Truppen nach Deutschland bringen konnten, um einen Angriff der Volkspolizei abzuwehren, bleibe nur die Alternative, eine deutsche Verteidigungsmacht aufzubauen in Form von freiwilligen Formationen bis zur Gesamtstärke von 150000 Mann. Und er setzte gleich hinzu, wie man elegant und schnell die rechtliche Grundlage dafür schaffen könne: Nach dem Besatzungsstatut hätten die Alliierten das Recht, Maßnahmen zur Verteidigung der demokratischen Ordnung zu ergreifen. Sie könnten also jederzeit auf dieser Grundlage die Bundesregierung zu entsprechenden Maßnahmen ermächtigen. Nun sollte plötzlich das Besatzungsstatut, das er ansonsten so schnell wie möglich loswerden wollte, als willkommene rechtliche Handhabe dienen, um den innenpolitischen Ärger und Verzögerungen durch die Öffentlichkeit und die Opposition zu entgehen und unverzüglich an die Aufstellung der Truppe herangehen zu können. Denn für die Bundespolizei war eine Verfassungsänderung nötig.
Die Hohen Kommissare reagierten auf diese düstere Lagebeurteilung ausgesprochen reserviert. Francois Poncet antwortete, es scheine ihm naiv, wenn man annehme, dass der Marsch der Volkspolizei gegen den Westen nicht notwendigerweise ein Eingreifen der Alliierten nach sich ziehen würde. Er ließ sich von der "Vogelscheuche", wie seine Mitarbeiter die vermeintliche Vopo - Armee nannten, nicht bange machen. McCloy hatte ebenfalls einen negativen Eindruck. Seiner Meinung nach, so schrieb er im Bericht vom selben Tag, war der Kanzler von wirklicher Angst erfüllt, benutzte aber zugleich seine übliche Taktik des Unterdrucksetzens.
Am 24. August musste sich der Kanzler eine regelrechte Standpauke anhören. Es müsse endlich Schluß sein mit der beständigen Furcht vor dem Massenangriff und dem Defätismus. Adenauer schluckte die Kritik ohne sichtbare Reaktion. Er wollte nun nicht mehr ein Pendant zur sowjetzonalen Armee haben, sondern eine gut ausgebildete motorisierte Polizeitruppe, die mit leichten Waffen ausgerüstet werden müsse. Normale militärische Streitkräfte wären nur im Rahmen einer europäischen Armee aufzustellen. McCloy muss so voller Mißtrauen gegenüber den krausen Plänen und Manövern des Kanzlers gewesen sein, dass ihm nicht gleich auffiel, dass Adenauer von sich aus zurückgesteckt hatte. So fühlte der Kanzler aus den Worten McCloys nur Ablehnung heraus und verließ ihn in sehr deprimierter Stimmung.
Der äußere Gesichtspunkt der Sicherheit der Bundesrepublik verlange dringend eine Verstärkung der Alliierten Truppen. Der Bundeskanzler hat seine Bereitschaft erklärt, im Falle der Bildung einer internationalen westeuropäischen Armee einen Beitrag in Form eines deutschen Kontingents zu leisten. Damit ist eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der Bundeskanzler eine Remilitarisierung Deutschlands durch Aufstellung einer eigenen nationalen militärischen Macht ablehnt. In der konkreten Situation konnte damit jedoch nichts angefangen werden. Da es keine internationale westeuropäische Armee gab, konnten auch keine westdeutschen Kontingente in sie eingegliedert werden. Wurden also, wie gefordert, Truppen unverzüglich aufgestellt, so mussten sie national sein und bestenfalls einem alliierten Befehlshaber unterstellt werden.
Nun gab es noch die Sicherheit unter einem inneren Gesichtspunkt. Dafür brauche man eine Schutzpolizei auf Bundesebene, die eine hinreichende Gewähr für die innere Sicherheit zu bieten vermag. Was sollte deren Aufgabe sein? Nicht nur die Niederschlagung innerer Unruhen oder die Abwehr von bloßen "Übergriffen" der Volkspolizei, sondern auch von "offenen" oder "getarnten" Aktionen, die nach koreanischem Muster erfolgen könnten, vor allem, wenn die Alliierten aus irgendwelchen Gründen ihre Kräfte nicht zum Einsatz bringen. Also die sture Wiederholung dessen, was die Alliierten Adenauer seit dem 17.August auszureden versucht hatten. Der innere Widerspruch des Memorandums ist unübersehbar. Erst wird die Volkspolizei als vollwertige Armee mit Panzern und Infanterie in einer künftigen Stärke von 150000 Mann geschildert und ausdrücklich auf das koreanische Vorbild verwiesen, doch dann soll diese Armee lediglich von einer Schutzpolizei abgewehrt werden, die nur für die innere Sicherheit zuständig ist.
Die geheimen militärpolitischen Vorbereitungen in der Bundesrepublik gingen weiter. Für die Anfang Oktober 1950 vorgesehene Tagung von Speidels "Arbeitsstab" hatte der Kanzler selbst die Lokalität ausgesucht: das abgelegene Kloster Himmerod in der Eiffel bei Wittlich, dessen Abt er kannte. Dort wurde unter dem Vorsitz des Ex - Generalobersten von Vietinghoff die "Himmeroder Denkschrift" erarbeitet, die das Gründungskonzept der Bundeswehr darstellt. Ob der Kanzler die Denkschrift gelesen hat, ist ungewiß. Dass sie von ihm nicht abgezeichnet worden ist, will nicht viel besagen, denn noch war jede Beschäftigung mit militärischen Fragen streng verboten, und der Kanzler hatte schon vorher großes Geschick darin bewiesen, keinerlei schriftliche Zeugnisse über sein Wirken auf diesem brisanten Feld aus der Hand zu geben.
Es dürfte im Auf und Ab des Ringens um den Verteidigungsbeitrag im Jahre 1950 hinreichend deutlich geworden sein, welch zentrale Rolle Adenauer dabei spielte. Seit dem Dezember 1949 hat er immer wieder die Alliierten gedrängt, etwas zu unternehmen, ob es um eine Sicherheitsgarantie, die Verstärkung der alliierten Streitkräfte oder die Aufstellung deutscher Truppen ging. Der Ausbruch des Krieges in Korea hatte da nur eine verstärkende, keineswegs eine auslösende Rolle gespielt. Tatsächlich sah er keine Gunst der Stunde, keine durch den Koreakrieg sich eröffnende Möglichkeiten, eine Konstellation klug zum eigenen Vorteil zu nutzen, sondern nur tödliche Gefahren, denen er mit einem in sich widersprüchlichen Konzept der Aufrüstung begegnen wollte, das die Westmächte jedoch ablehnten.
Adenauer war von der Furcht der Bedrohung aus dem Osten besessen. Selbst am Weihnachtstag vergaß er nicht, warnend auf den Feind hinzuweisen.




7. Die Westverträge :

Konrad Adenauers politische Leitidee bestand nach 1945 darin, Westdeutschland in eine enge, unwiderrufliche Verbindung mit dem Westen zu bringen. Die Westverträge sind als Adenauers größte politische Leistung zu sehen.
Die konkreten Bemühungen Adenauers, die Beziehungen zu den Westmächten auf eine neue vertragliche Ebene zu stellen, setzten in den letzten Monaten des Jahres 1950 ein. Sie standen mit der zunehmenden Bereitschaft der Amerikaner, deutsche Truppenkontingente aufzustellen, im Zusammenhang.
Schon im November 1950 hatte Adenauer in einem langen Brief an Dannie Heineman seine Vorstellungen darüber entwickelt, was in naher Zukunft notwendig sei. Adenauer hoffte, dass Heineman den Brief einflußreichen Persönlichkeiten in New York und Washington, so auch General Eisenhower, zeigen würde. Von seinem früher geäußerten Willen, deutsche Truppen um fast jeden Preis zu erhalten, war nichts mehr zu spüren. Der Brief spiegelte Adenauers Wunschdenken wider. Sicherheit sollte durch amerikanische Truppen garantiert werden, für deutsche Kontingente müsse volle Freiheit gegeben werden, viel kosten dürfe die ganze Geschichte allerdings nicht.
Adenauers Vorstoß, den Abschluß eines Sicherheitsvertrages zu erreichen, um die Jahreswende 1950/51 blieb erfolglos. Die Entwicklung nahm einen anderen Verlauf. In Adenauers Vorstellung hätte der Sicherheitsvertrag, den er so schnell wie möglich abschließen wollte, bedeuten sollen: Sicherheit, Souveränität und die Aufstellung deutscher Truppen als Teil einer Europa - Armee.
Die Alliierten hatten, um wenigstens auf dem Gebiet der Ablösung des Besatzungsstatuts nicht völlig passiv zu erscheinen, der Bundesregierung am 27. Februar 1951 eine Liste von 39 Einzelthemen übermittelt, über die vom Mai bis August zu verhandeln die erste Aufgabe von Professor Wilhelm Grewe darstellte, der in den späteren Vertragsverhandlungen noch einen bedeutenden Part übernehmen sollte. Die Auflistung dieser Themen stammte von den Briten und diente lediglich dazu, eine Aktivität vorzutäuschen.
Am 15. März 1951 wurde der Kanzler zum Außenminister ernannt. Am 18. April unterzeichnete er in Paris den Vertrag über die Montan - Union. Von nun an prägte sich für den Bundesbürger die Vorstellung fest ein, dass Außenpolitik und Adenauer eine unzertrennliche Einheit bildeten. Gab es eine Außenministerkonferenz, nahm er seinen Platz unter den ausländischen Kollegen ebenso ein, wie er als Regierungschef im Ausland Besuche absolvierte, die in der Regel mit einem repräsentativen Besuchsprogramm verbunden waren, worüber die deutsche Presse dann eingehend berichtete.
Im Juli 1951, als die Frage der Westverträge endlich in Gang kam, kanzelte er einen Vorstoß des FDP - Abgeordneten August - Martin Eulersouverän ab. Denn: "In den nächsten 3 - 6 Monaten wird die Frage der Herbeiführung der Gleichberechtigung, eines Beistandsvertrages und des Beitrags des Deutschen Volkes zur Verteidigung zu lösen sein. Diese Aufgabe einem Manne anzuvertrauen, der den bisherigen Verlauf der Verhandlungen nicht kennt, erscheint mir ganz unmöglich (aus "Adenauer - Briefe 1951 - 1953", Seite 87)." Das war sicher ein richtiges Argument. Wie die Westverträge verhandelt und zugleich vor jeder möglichen Kritik bis in den Mai 1952 hinein abgeschirmt wurden, indem weder das Kabinett noch die Führer der Koalitionsfraktionen vom Verlauf der Verhandlungen und dem Inhalt der Verträge erfuhren und so störende Einwirkungen unterbunden wurden, ist darauf zurückzuführen, dass allein bei Adenauer die Fäden zusammenliefen und kein weiterer Ressortminister etwas zu sagen hatte. So wurden auch interne Reibungen vermieden, denn selbst der geschickteste und loyalste Außenminister hätte vor dem mißtrauischen und nervösen Kanzler nicht bestehen können.
Im Sommer 1951 fanden relativ wenige Treffen mit den Hohen Kommissaren statt. Die Alliierten klärten unter sich, wie weit man der Bundesrepublik vertraglich entgegenkommen sollte. Außerdem legte man in dieser Situation keinen besonderen Wert darauf, von Adenauer mit Klagen und Forderungen überschüttet zu werden. Adenauer hielt sich weiterhin an McCloy. Vom 11. Juni bis 2. Juli hielt sich der amerikanische Hohe Kommissar in den USA auf, um an Beratungen teilzunehmen, wie man endlich bei der Verteidigung Europas zu konkreten Ergebnissen gelangen könnte und welches Vorgehen bei den Vertragsverhandlungen einzuschlagen wäre.
Adenauer muss gewußt haben, dass in Washington unter Mitwirkung von McCloy wichtige Entscheidungen getroffen wurden. Deshalb schickte er ihm am 7. Juni, einige Tage vor dessen Abreise, einen ungewöhnlich langen persönlichen Brief, in dem er noch einmal seine Sicht der Dinge darlegte. Schon allein deswegen, weil er McCloy seine Anliegen auf die Seele binden wollte, verdient der Brief erhebliches Interesse. Zusätzlich gibt er Aufschlüsse über sein Denken und die Art, wie er damals seine politischen Wünsche und Forderungen vortrug. Bei der Beschreibung der politischen Lage ist bereits zu diesem Zeitpunkt wie zehn Jahre später, als Dean Rusk darunter leiden sollte, immer wieder festzustellen, dass Adenauer echte oder auch eingebildete Gefahren, die nicht unbekannt waren, mit großem Nachdruck vorträgt.
Als im August 1951 deutlicher wurde, dass die USA die französischen Pläne bevorzugte, die von Monnets Plevenplan ihren Ausgang genommen hatten und die die Deutschen eindeutig diskriminierten, schlug er den Amerikanern listig eine Zwischenlösung vor. Er wollte die Bildung eines "provisorischen Verteidigungsrates". Dieser sollte aus den Verteidigungsministern der Mitgliedsstaaten bestehen. Damit wurde schon offenkundig, worum es Adenauer ging. Er wollte mit dieser provisorischen Einrichtung die französischen Pläne unterlaufen, denn einen Verteidigungsminister sollte die Bundesrepublik ursprünglich gar nicht besitzen.
Vom 10. Bis14. September konferierten die drei westlichen Außenminister über die wesentlichen Bestandteile des mit der Bundesrepublik abzuschließenden Vertrages. Sie steckten damit das Betätigungsfeld ab, auf dem ihre Hohen Kommissare mit dem Bundeskanzler dann den Vertrag aushandeln sollten. Nach Abschluß der Verhandlungen war wiederum eine Außenministerkonferenz geplant, diesmal in Paris und zum ersten Mal durch die Anwesenheit des Bundeskanzlers erweitert. Sie hatte die Aufgabe, den Generalvertrag abzusegnen und zu paraphieren. Daran schlossen sich die Verhandlungen um die "Zusatzverträge" an, die den Generalvertrag ergänzten, in erster Linie der "Truppenvertrag" und der "Überleitungsvertrag", insgesamt eine sehr detaillierte, aber zugleich auch wichtige und schwierige Materie, da sie die Ablösung des Besatzungsregimes und die neuen rechtlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zu den Alliierten und ihren Truppen regelten.
Adenauer hatte bereits am 6. Juli von den Amerikanern erfahren, dass die USA bereit seien, bei der Übertragung der Souveränität auf Deutschland sehr weit zu gehen. Ob er weitere Gespräche mit McCloy über diese Frage geführt hat, ist ungewiß.
Am 24. September begannen die Beratungen zwischen dem Kanzler und den Hohen Kommissaren auf Schloß Ernich, dem Sitz des französischen Vertreters. Man hatte, da man die Abneigung Adenauers gegen den Petersberg kannte, beschlossen, die Treffen am Sitz desjenigen Hohen Kommissars durchzuführen, der jeweils die Geschäfte führte. Im September war Francois - Poncet an der Reihe, der besonders eifrig über die Erhaltung der Siegerrechte wachte. Er überreichte dem Kanzler den alliierten Entwurf und stellte sofort klar, dass dieser die Grundlage für die kommenden Erörterungen darstellte. Das entsprach durchaus dem weiteren Verhandlungsverlauf. Der Generalvertrag sollte schließlich weitgehend auf der alliierten Vorlage beruhen. Im Gegensatz zu dem "Bürgenstock - Entwurf" stand das Festhalten an dem Grundsatz, dass die Alliierten die oberste Gewalt in Deutschland weiterhin ausübten, im Vordergrund. Auffallend viel Gewicht erhielten die Bestimmungen, welche die Rechte der Alliierten im Falle des Notstandes regelten.
Adenauer nahm den alliierten Entwurf mit tiefer Enttäuschung auf. Er vermißte Gleichheit und Gegenseitigkeit, beurteilte den Entwurf als eine Zwischenstation zwischen Besatzungsstatut und Friedensvertrag, wobei er im Grunde letzteren anstrebte, und kündigte an, dass keine deutsche Bundesregierung je ihre Unterschrift unter einen solchen Vertrag setzen werde.
Adenauer hatte aber am 1. Oktober noch nicht sein ganzes Pulver verschossen, um die Alliierten von ihrer Rechtsposition abzubringen. Am 3. Oktober hörte er sich die Ausführungen der Hohen Kommissare noch einmal an und erklärte dann, dies alles könne ihn nicht überzeugen. Dann machte er noch einmal den Versuch, die Hohen Kommissare aufs Glatteis zu führen, und meinte: "Er wolle noch einmal praktisch sprechen. Die Bundesregierung biete den Alliierten an, im Wege des Vertrages alles zu erhalten, was sie nötig hätten (aus "Adenauer und die Hohen Kommissare", Bd.1, Seite 411)." Für ihn waren nur zwei Gründe erkennbar, die die Alliierten so starrsinnig machten. Der eine war eine bis zu einem gewissen Maße überflüssige Rücksichtnahme auf die Sowjets, denn die Alliierten seien auch jetzt bereit, auf den größten Teil ihrer Rechte zu verzichten, ohne sich dabei um Rußland zu kümmern. Nachdem sie 90 Prozent ihrer Rechte aufgegeben hätten, klammerten sie sich an die letzten 10 Prozent, weil dies in Sowjetrußland unter Umständen gewisse Reaktionen auslösen könnte. Dies war ein seltsames Argument. Er wollte den Westmächten vorschlagen, sie könnten ruhig auf den Rest verzichten, nachdem sie ohne Rücksicht auf die Sowjetunion und gegen deren Willen die Weststaatgründung durchgeführt hatten. Der zweite Grund, für den er ein gewisses Verständnis aufbrachte, war das Notstandsrecht, das sich die Alliierten vorbehalten wollten.
Die Verhandlungen um den Generalvertrag erlebten noch einen weiteren dramatischen Höhepunkt, mit dem vorher kaum zu rechnen gewesen war. Die Verhandlungen liefen den Oktober über bis in den November hinein. Das ging Adenauer zu langsam. Am 25. Oktober beklagte er sich, dass dies schon die neunte Sitzung sei. Am 14. November entstand eine heftige Meinungsverschiedenheit zwischen Adenauer und den Hohen Kommissaren über die Frage, was denn das wiedervereinigte Deutschland alles umfassen sollte. Adenauer hatte am 6. Oktober in einer Rede in Berlin sich gegen die Anerkennung der Oder - Neiße - Linie gewandt und ausdrücklich in seinem Bestreben, die Einigung Europas und die Wiederherstellung der Einheit Deutschland miteinander zu verbinden. Für die Alliierten gab es die klare Definition, dass Wiedervereinigung nur den Zusammenschluß der Westzonen mit der Ostzone bedeutete. Als Adenauer dies beanstandete, erklärte McCloy: "Wir können uns jetzt aber nicht auf bestimmte Grenzen im Osten festlegen."
Adenauer zeigte jedoch keine Bereitschaft, den Begriff Oder - Neiße - Linie in irgendeiner Weise in den Vertrag aufzunehmen. Statt dessen erinnerte er die Kommissare daran, die Westmächte hätten in Potsdam das staatsrechtliche Fortbestehen Deutschlands in den Grenzen vom 1. Dezember 1937 anerkannt.
Der in Bonn unterzeichnete Vertrag hieß bis kurz vor der Unterzeichnung Generalvertrag. Dies war im Grunde eine technische Bezeichnung, die nur zum Ausdruck bringen sollte, dass dieser Vertrag die allgemeinen Dinge regelte, während in den Zusatzverträgen spezielle Themen behandelt wurden.
Am 30. April hatte ihm sein Staatssekretär Otto Lenz vorgeschlagen, den Generalvertrag in Deutschlandvertrag umzubenennen. Lenz hatte einen wachen Sinn für Propaganda und war seit der Aufnahme seiner Tätigkeit im Kanzleramt Anfang 1951 unablässig bemüht gewesen, die Regierungspropaganda auf verschiedenste Weise zu verstärken. die einfache Bezeichnung des Vertrages wird ihm um so weniger gefallen haben, als die DDR - Propaganda daraus einen Generalkriegsvertrag gemacht hatte. Adenauer leuchtete dieser Vorschlag sofort ein, und fortan bemühte sich die Bundesregierung, den Begriff "Deutschlandvertrag" als offizielle Bezeichnung durchzusetzen. Bei den Hohen Kommissaren stieß er jedoch wieder auf Schwierigkeiten. Sie weigerten sich, die Bezeichnung zu übernehmen, obwohl Adenauer auf die Bedeutung der Überschrift für die Propaganda hinwies, womit er sein eigentliches Motiv deutlich macht. Die Alliierten waren nur zu einer minimalen Änderung bereit. Am 15. Mai wurde beschlossen, ihn als "Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten" zu bezeichnen (aus "Adenauer und die Hohen Kommissare", Bd.1, Seite 231). Schon bald darauf aber hat sich der Sprachgebrauch in der Weise gefestigt, dass ganz selbstverständlich der Begriff "Deutschlandvertrag" benutzt wird. Daher stellt sich abschließend die Frage: Wenn man die Entstehungsgeschichte dieses Vertrages betrachtet und sich die Ziele vergegenwärtigt, die Adenauer mit ungeheurer Hartnäckigkeit, allerdings ohne Erfolg durchzusetzen versuchte - ist es dann gerechtfertigt, das Ergebnis Deutschlandvertrag zu nennen?
Auf Adenauer bezogen, muss die Frage verneint werden, denn er wollte einen Friedensvertrag für den souveränen Teilstaat Bundesrepublik, nichts anderes. Im Verlauf der Verhandlungen wurde ein Vertrag erarbeitet, der die deutschlandpolitischen Möglichkeiten offenhielt. In diesem Sinne ist es angemessen, vom "Deutschlandvertrag" zu sprechen. Nur sollte man dabei deutlich sehen, dass Adenauer ursprünglich etwas anderes gewollt hatte.


8. Die Stalin - Noten :


In den Stalin Noten wurde von der Sowjetunion ein Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland den Westalliierten vorgeschlagen. Dieser Vertrag sollte auch die mögliche Vereinigung der beiden deutschen Staaten enthalten. Der dadurch entstehende einheitliche Staat sollte jedoch nach bestimmten Voraussetzungen gestaltet werden. Zum einen sollten alle Besatzungsmächte und deren militärische Einrichtungen aufgehoben werden, zum anderen sollte dieser neue Staat unabhängig von anderen Ländern, demokratisch und friedliebend sein. Die deutsche Bevölkerung müsste alle Menschenrechte genießen dürfen, inklusive der Versammlungs -, Rede - und Pressefreiheit. Alle Parteien und Organisationen sollten selbstverständlich die gleichen Rechte erhalten. Ein wichtiger Punkt war für Stalin die Sicherheit, dass dieser neue Staat keine militärischen Bündnisse mit anderen Staaten eingeht. Damit war auch gesagt, dass keine Organisationen gegen Krieg und Frieden beherbergt werden durften. Die Sowjetunion sprach zwar von einer gesamtdeutschen Regierung, allerdings nicht von freien Wahlen. Die Westmächte stellten in ihrer Antwort allerdings primär die Frage nach freien Wahlen in den Vordergrund. Dies setzt jedoch eine Kontrollkommission der Vereinten Nationen voraus. Die Sowjetunion hatte daran ihre berechtigten Zweifel, da die UNO seit der Korea - Krise als "amerika - hörig" galt. Der Vorschlag der Sowjetunion war eine Kommission, die sich aus den vier Besatzungsmächten zusammensetzen sollte. Die Alliierten lehnten eine solche Kommission jedoch ab, da sie nicht an deren Durchsetzungsvermögen glaubten. Diese Neigung war nach den gescheiterten Konferenzen von Jalta und Potsdam auch verständlich.
Die Alliierten erklärten sich aber bereit, Vorschläge für eine unparteiische Untersuchungskommission anstatt der UNO - Kommission zu prüfen. Die Sowjetunion sprach daraufhin von einer Verschwörung und trug erneut ihre bisherigen Vorschläge vor. Zusätzlich wurde erwähnt, dass eine gesamtdeutsche Regierung Souveränität genießen würde. Auch die Westmächte wiederholten ihren Standpunkt. Allerdings schlugen sie eine Konferenz vor, die über eine mögliche Kontrollkommission beraten sollte. Dies wurde wiederum von der Sowjetunion abgelehnt. Sie machte ihrerseits eigene Vorschläge für eine Konferenz :
    Durchführung freier Wahlen Schaffung einer gesamtdeutschen Regierung
Zu dieser Konferenz sollten Vertreter beider deutscher Staaten geladen werden. Die Alliierten antworteten darauf: eine Konferenz hat nur das Organisieren freier Wahlen zu behandeln. Auf diesen Vorschlag reagierte die Sowjetunion jedoch nicht mehr.
Die Westmächte waren nach anfänglichem Zögern davon überzeugt, dass Stalin es mit seinem Angebot ernst meinte, allerdings waren sie nicht bereit eine Lösung der deutschen Frage zu akzeptieren, da sie zu viele Risiken und Nachteile mit sich brachte. Die Westmächte hätten den Einfluß auf Westdeutschland verloren und ein Gesamtdeutscher Staat hätte einer Invasion hilflos gegenüber gestanden. Die Sowjetunion wollte mit ihrem Angebot erreichen, dass die BRD nicht weiter in den Westen integriert würde. Deswegen war die Sowjetunion auch zögerlich mit freien Wahlen, da man befürchtete, dass dann Gesamtdeutschland zum Westen überläuft. Diese Reaktion wollte Stalin auf jeden Fall verhindern.
Jetzt stellt sich die Frage, von welchen Vorstellungen und Zielen die Westalliierten sich haben leiten lassen bei der Ablehnung des Friedensvertrages mit Gesamtdeutschland und welche Ziele Stalin mit diesem Friedensvertrag forderte. Die Westintegration der BRD war wohl die bessere Lösung, da ein neutrales Gesamtdeutschland zu viele Risiken mit sich brachte. Hätte die Sowjetunion es wirklich versucht den Kommunismus auf ein neutrales Deutschland auszubreiten? Das befürchtete die USA, die den Sowjetischen Kommunismus als "Sklaverei" und die Sowjetunion als Unterdrücker freier Völker bezeichnete.
Adenauer war die Westintegration wichtiger als eine mögliche Wiedervereinigung, da er befürchtete, dass, wenn er einmal von der politischen Bildfläche verschwindet, eine zukünftige Regierung gemeinsame Sache mit der Sowjetunion machen könnte.


Zusammenfassung:


Außen - und deutschlandpolitisch war die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1955 durch den Provisoriumscharakter geprägt. Man sprach von "Westdeutschland" und den "Westzonen" und hatte oft den Eindruck, in der Bundesrepublik nur eine weitere Form der ehemaligen "Tri - Zone" bzw. des "Vereinigten Wirtschaftsgebietes" mit politischer Führungsspitze zu sehen. Es wurde innerlich akzeptiert, was die Alliierten dem neuen Staat in einer Erklärung im September 1950 zugestanden hatten: Das die Regierung der Bundesrepublik Deutschland als einzige nach Freiheit und Recht gebildete Regierung in Deutschland allein berechtigt sei, für Deutschland zu sprechen. Obwohl der Staat als Provisorium angesehen wurde, war man stolz auf seine frei gewählten Organe, die die Basis für die Alleinvertretung darstellte. Als die Regierung der Bundesrepublik dann die These aufstellte, dass jede diplomatische Anerkennung der von den Sowjets bereits im März 1954 für souverän erklärten DDR einen unfreundlichen Akt gegen die Bundesrepublik und damit gegen die von ihr vertretene Auffassung des Fortbestehens des Deutschen Reiches darstellte, gab es dagegen zunächst kaum Bedenken. Die "Sowjetzone" war für die Vorstellungswelt der westdeutschen Bevölkerung vor allem durch die als charakteristischen angesehenen Ereignisse beim Juni Aufstand 1953 geprägt. Aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet flüchteten Jahr für Jahr Hunderttausende von Menschen. Die SBZ/DDR, so lautete eine weit verbreitete Meinung, würde sich nicht lange halten können. Eine langfristige Überlegung zur Hallstein - Doktrin und damit auch zur Politik gegenüber dem "Staat" DDR erschien jedenfalls 1955 vielen Bundesbürgern nicht erforderlich. Die Voraussetzung dafür, eine Stabilisierung der DDR, wurde nicht erwartet.
Zwischen 1950 und 1955 änderte sich das Bild der Parteien, die noch aus der Weimarer Republik stammten. Der SPD hatte man damals "internationalistische Tendenzen" nachgesagt. Jetzt profilierte sich diese Partei durch deutliche Betonung des Willens zur Einheit Deutschlands unter dem nachhaltigen Einfluß ihres Vorsitzenden Schumacher zur eigentlich "nationalen" Partei. Die sogenannten "bürgerlichen Kräfte" in den christlichen Parteien CDU und CSU, bei den Freien Demokraten und in der Deutschen Partei, denen man traditionell nationale Schwerpunkte zuschrieb, traten dagegen mit einer eher übernationalen, (west - )europäischen politischen Zielsetzung hervor.
Das Engagement für Politik war unter den Bürgern der Bundesrepublik nicht besonders groß. Nur 27 % erklärten 1952, sie seien an politischen Vorgängen interessiert. Es dauerte weitere 20 Jahre, bis der Anteil der politisch interessierten auf 47 % stieg.
Andererseits beweisen die hohen Beteiligungen bei den Bundestagswahlen eine große Anteilnahme an der Auseinandersetzung um Wiederbewaffnung und Wiedervereinigung. Für viele Bürger der Bundesrepublik lagen in der Phase von 1949 bis 1955 allerdings die Interessenschwerpunkte deutlich auf sozial - und wirtschaftpolitischem Gebiet. Erst Mitte der 50er Jahre verlagerten sich mit dem Abklingen materieller Not des einzelnen die Interessen auf andere politische Probleme. Etwa von der gleichen Zeit an wurden jedoch die Möglichkeiten der Ost - und Deutschlandpolitik nur noch in Erklärungen behandelt.
Insgesamt gesehen war wohl die Kraft, die sich von der Integration der Bundesrepublik in das westliche Bündnissystem auf das Ziel der deutschen Wiedervereinigung auswirken sollte, überschätzt worden. Die zunehmende Konfrontation der beiden Supermächte auf weltpolitischer Ebene wirkte sich zu Lasten der deutschen Frage aus. Die deutsche und die europäische Einheit blieben jedoch als grundlegende Ziele deutscher Politik weiterhin bestehen.








Literaturverzeichnis :


    "Adenauer" von Gösta von Uexbüll

    "Konrad Adenauer (Eine Biographie in Bild und Wort)" von Ulrich Frank - Planitz

    "Information zur politischen Bildung Nr.168 / Die Bundesrepublik Deutschland 1949 - 1955"

    "Konrad Adenauer 1876/1976" herausgegeben von Helmut Kohl

    "Adenauer (Eine politische Biographie)" von Henning Köhler

    "Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland"

    "Erinnerungen 1945 - 1953" von Konrad Adenauer

    "Adenauer I" von Hans Peter

    "Aus unserer Zeit. Erinnerungen, Berlin - Frankfurt/Main - Wien 1977" von Hans Speidel

    "Im Zentrum der Macht. Das Tagebuch des Staatssekretärs Otto Lenz 1951 - 1953" von Otto Lenz




































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