Moor und seine Entstehung

Gliederung

1. Einführung in die Thematik
2. Das Moor und seine Entstehung
3. Die Moorkultivierung: Torfgraben und die Fehnkultur

4. Die Physiognomie der Fehnsiedlungen
4.1 Die Grundliniensysteme
4.2 Die Gestaltung der Baukörper

5. Steigende wirtschaftliche Bedeutung des Moores im 17. Jahrhundert

6. Umfang der Erbpachtverträge
6.1 Reihenfolge der Erschließungsvorgänge
6.2 "Aufgabenverteilung"

7. Gründe und Entwicklung der Fehnschiffahrt
8. Formierung und Auflösung des Siedlungstypus
9. Zusammenfassung:

1. Einführung in die Thematik
Das Moor im ostfriesisch - oldenburgischen Raum stellte für die Menschen bis zum 16. Jh. ein großes Verkehrshindernis dar. Seine Über- querung war so nicht möglich. Es gab zwar vereinzelt Bohlenwege, die um Moorinseln herumführten, doch mit dem Anwachsen des Moores zu größeren Moorgebieten, mussten diese aufgegeben werden. So waren die Moore damals zum Teil auch Sprach- bzw. Brauchtumsgrenzen. Die Unbegehbarkeit des Moores verhinderte auch seine landwirtschaftliche Nutzung.[1]
Erst ab dem 17. Jh. wurde in den Niederlanden mit der Fehnkultur ein Verfahren entwickelt, das den direkten Vorstoß ins Moor und so dessen Besiedlung ermöglichte. Das Moor hatte in zweierlei Hinsicht Vorteile. Zum einen hatte das Moor, aufgrund der Waldarmut in diesem Raum, mit seinem "Produkt" Torf eine optimale Lösung bezüglich der Brennstoff- bzw. der Energieversorgung zu bieten. Zum zweiten konnte das abgetorfte Land, das sog. Leegmoor, landwirtschaftlich kultiviert werden. Zumeist wurde es mit Roggen oder Kartoffeln bepflanzt, oder als Weideland genutzt.
Besondere genetische und physiognomische Eigenschaften definieren die Fehnsiedlungen und setzen sie von den anderen Moorsiedlungen in diesem Raum ab. [2]
Mit dieser Arbeit möchte ich die Einflüsse und Interessen, die auf die Entwicklung und die Ausbildung des Siedlungstypus wirkten, nachvollziehen. Ferner soll aufgezeigt werden, dass die Schiffahrt ein wesentlicher Bestandteil der Fehnsiedlungen ist und sich zu einem selbständigen Wirtschaftszweig entwickelt hat.

2. Das Moor und seine Entstehung
Als Moor bezeichnet man Gebiete, in denen die Oberfläche von Torf bedeckt ist. Sie sind an feuchte Bedingungen gebunden, d.h. die Niederschläge müssen etwa oberhalb von 700 mm pro Jahr liegen.
Die Moorentstehung vollzieht sich in vier Entwicklungsphasen vom verlandeten Gewässer hin zum Hochmoor.(siehe Abb. rechts) Die Moorentwicklung nimmt mit der Verlandung eines nährstoffreichen Sees seinen Lauf. In diesem nährstoffreichen Gewässer wird Biomasse produziert. Die abgestorbene biologische Masse sinkt auf den Gewässerboden, auf dem sich im Laufe der Zeit Faulschlamm ansammelt.
Nun füllt sich das Becken langsam auf, so dass die Pflanzen aus der Randzone in die Gewässermitte vorrücken. Schließlich ist die freie Wasserfläche ganz verschwunden. Ein Flach- oder Niedermoor ist entstanden.
In der weiteren Entwicklung- man spricht jetzt vom Zwischen- oder Übergangsmoor- siedeln sich in den ständig feuchten Gebieten Torfmoose der Gattung Sphagnum an.(siehe Abb. rechts) Sie haben für die weitere Entwicklung eine große Bedeutung, denn sie können in ihren Blättern große Mengen Feuchtigkeit speichern; es herrscht also nach der Ausbreitung der Torfmoose eine hohe Bodenfeuchtigkeit. Die sich schnell ausbreitenden Torfmoose wachsen zu geschlossenen Polstern zusammen, die die vorhandene Vegeta-tion erstickt. Während die Torfmoose oben weiterwachsen, sterben die unteren Teile ab.
Da der Untergrund versauert, durchnäßt und sauerstoffarm ist, wird der biologische Abbau erschwert. Es entsteht eine Schicht aus unvollständig zersetztem Pflanzenmaterial, die Torf genannt wird. Schicht um Schicht wächst die Torfmoosdecke, die sich wie ein Uhrglas aufwölbt. Ein Hochmoor ist entstanden. Die Pflanzen sind jetzt vom Grundwasser abge- schnitten. Feuchtigkeit beziehen sie aus den Niederschlägen, Minerale aus eingeblasenem Flugstaub. Die Bedingungen in den Hochmooren sind also durch Nährstoffarmut gekennzeichnet.

3. Die Moorkultivierung: Torfgraben und die Fehnkultur
Charakteristisch für die Fehnkultur ist die völlige Abtragung der Moorschichten bis auf den Sanduntergrund.
Die Gewinnung des Torfes als Brennmaterial erfolgte zunächst im sog. Handstichverfahren. Zunächst musste die ausgewählte Moorparzelle ausreichend entwässert werden. Die für die Torfgewinnung unbrauchbare obere Schicht, die sog. Bunkerde, musste rechtzeitig vorher abgetragen werden.
Nachdem der Torf dann in mehreren Arbeitsgängen aus dem Boden herausgestochen wurde, formte man ihn zu Soden.
Diese Soden wurden auf dem Trockenfeld zu ring- förmigen Haufen ausge- breitet, welche dann zum Trocknen ca. zwei bis vier Wochen gelagert wurden. Die Bunkerde wurde nun mit dem freigelegten Untergrund vermischt, so dass das abgetorfte Land landwirtschaftlich nutzbar gemacht werden konnte.
Der getrocknete Torf wurde nun auf Wagen oder mit dem Schiff in die Städte transportiert. Auf dem Rückweg brachten die Fehnkolonisten, auch Fehntjer genannt, wenn es möglich war Kleierde, Muscheln, Mist oder Schlick aus den Städten mit, um das abgetorfte Land zu düngen. Im Laufe der Zeit wurde das mühselige Handstichverfahren durch den Einsatz von Maschinen ersetzt. Trotz aller Modernisierung blieben die Wesenszüge der Fehnkultur die gleichen.[3]

4. Die Physiognomie der Fehnsiedlungen
4.1 Die Grundliniensysteme
Das Bild der Fehnsiedlungen wird von den Kanälen geprägt. Die Straßen in den Fehnsiedlungen spielen in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle; sie passen sich zumeist den Kanälen an. Diese sind die dominanten Grundlinien in den Fehnsiedlungen und bilden die optische Achse im Fehnsystem. Das Bild der einfachen Grundform wird von nur einem Hauptkanal bestimmt, welcher in der Regel geradlinig ist. Von ihm aus wird das Land abgetorft. Die abgetorften Flächen beiderseits des Kanals teilt man in Hufen, auf denen die Siedler ihre Wohn- und Wirtschaftsgebäude errichteten, ein.
Der Hauptkanal, auch Wieke genannt, erhielt solche Aus- maße, dass er sowohl der Entwässerung, als auch der Schiffahrt dienen konnte.
Wie oben angedeutet, wird der einfache Typus der Fehnsiedlungen von nur einem Kanal durchzogen. Es gibt aber noch Fehnsiedlungen mit einer komplexeren Vernetzung der Kanäle. Allerdings lassen sich die unterschiedlichen Systeme nicht genau klassifizieren. Dies hat einerseits seine Gründe in der Anpassung an individuelle landschaftliche Gegebenheiten, andererseits in der Anwendung verschiedener verkehrs- und siedlungstechnischer Ge- sichtspunkte.[4]
Die folgende Kategorisierung soll eine grobe Leitlinie in der Typisierung aufzeigen. Demnach kann man die Fehnsiedlungen, je nach Anordnung der Kanäle, in vier verschiedene Typen, die die Art der Kanalführung andeuten, einteilen:[5]

1. Das einfache Kanalsystem. Hier durchfließt nur ein Kanal das System.(Beispiel: Ostgroßefehn)
2. Das gegabelte System. Ein einziger sich Kanal,der sich gabelt, durch- fließt die Fehnsiedlung. (Beispiel: Spetzerfehn)
3. Das einseitig verzweigte System. Hier gehen einseitig vom Hauptkanal Nebenkanäle, die sog. Inwieken, ab.(Beispiel: Westrhauderfehn)
4. Das beidseitig verzweigte System. Hier zweigen beidseitig vom Hauptkanal Inwieken ab.(Beispiel: Warsingsfehn)

Bei Systemen mit abzweigenden Nebenkanälen muss noch festgehalten werden, dass hier auf jeden Fall ein Hauptkanal die Stammlinie bzw. die Achse des Systems bildet. Die Nebenkanäle sind zwar auch Erschließungslinien für den Torfabbau, doch für den Verkehr spielen sie nur eine untergeordnete Rolle. Es sei noch mal betont, dass diese Kategorisierung nicht verbindlich ist. Es gibt auch Siedlungen, die sich keinem der vier Typen zuordnen lassen. Ebenso gibt es Fehnsysteme, in denen das Kanalnetz noch weitläufiger vernetzt ist, als in Warsingsfehn. In diesen Siedlungen zweigen von den Inwieken noch kleinere Kanäle ,die sog. Achterwieken, ab.
Das Kanalsystem paßt sich der Erschließungszone bzw. der Gemarkung an. Genauer gesagt heißt das, dass mit der Größe bzw. mit der Breite der Gemarkung in der Regel das System auch verzweigter ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Siedlung Westerhauderfehn, wohingegen Ostgroße- fehn, mit seiner relativ schmalen Gemarkung von nur einem Hauptkanal durchzogen wird.

4.2 Die Gestaltung der Baukörper
Die Gestaltung der Baukörper in den Fehnsiedlungen ist als einheitlich zu bezeichnen. Die Einheitlichkeit der Physiognomie beruht auf der Verwendung des gleichen Baumaterials, der gleichen Konstruktion und der gleichen Anordnung der Bauelemente. Das Mauerwerk besteht aus rotem Ziegelstein, das Dach setzt sich aus Pfannen, manchmal auch mit Reet kombiniert, zusammen. Geringfügige Unterschiede im äußeren Erscheinungsbild können höchstens durch die unterschiedliche Größe der Häuser auftreten, doch die Grundkonzeption bleibt die gleiche.
Konzeptionell entsprechen die Häuser dem des, in diesem Raum weit
verbreiteten, Gulfhauses.(siehe Abb. rechts) Als Gulf wird der Raum bezeichnet, der von vier, bis zum Dach reichenden, Ständern begrenzt wird. Ein Bauernhaus dieser Art kann, je nach Bedarf, einen oder mehrere Gulfe aufweisen. Charakteristisch für diese Art von Hausbau, ist eine Querteilung des Hauses in einen Wohn- und Wirtschaftsteil.[6]

5. Steigende wirtschaftliche Bedeutung des Moores im 17. Jahrhundert - Torf als wichtigste Energiequelle bis zum 19. Jahrhundert
Schon im 16. Jh. stellte Torf eine der wichtigsten Energiequellen im ostfriesisch- oldenburgischen Raum dar.
Die nahe dem Moor wohnenden Menschen waren verpflichtet den herrschaftlichen Bedarf zu decken. Die Pflichtabgaben an Torf hatte jeder Moorsiedler, entsprechend seiner sozialen Stellung, zu leisten.
Transportiert wurde der Torf von den Moorsiedlungen zu den Höfen mit Wagen. Trotzdem hielt sich die Torfgräberei zu diesem Zeitpunkt noch in einem kleineren Rahmen. Versorgt wurde nur der Eigenbedarf und der, der in der Nähe liegenden Höfe. Hier konnte man noch nicht von einem Torfhandel reden; so stellte er auch keine Erwerbsquelle dar. Im großen und ganzen gilt dies für den gesamten nordwestdeutschen Raum.
Die Ausnahme bildete das westliche Ostfriesland. Hier war man zu weit von den Moorgebieten entfernt, als das man den Brennstoffbedarf mit eigener Torfgräberei, oder mit nachbarschaftlicher Hilfe decken konnte. Zu diesem Gebiet zählt auch die, für damalige Verhältnisse große Stadt Emden (30 000 EW.) und die Siedlungen im Bereich der Ems. Sie bezogen ihre Torflieferungen aus dem Saterland, welches am Hunte-Leda-Moorgebiet lag und verschiedene Ortschaften aufwies. Hier war Torfstechen schon zu diesem Zeitpunkt eine Erwerbsquelle. Der hier gestochene Torf wurde von den Saterländern in die o.g. Gebiete "exportiert" und verkauft. Die dadurch entstandenen Verdienste müssen nicht unerheblich gewesen sein.
Die Abhängigkeit der Gebiete ohne eigene Torfversorgung von Torflieferungen machten sich zu Beginn des 17. Jh. noch andere Torflieferanten zunutze. Um Oude Pekela, in der Provinz Groningen, entstanden mehrere neue Fehnkolonien. Sie nutzten die guten Absatzmöglichkeiten in Ostfriesland. Zugute kam ihnen, dass dieser Raum sehr gut mit dem Schiff erreichbar war.
Geschätzte Zahlen über den Torfverbrauch liegen erst ab dem 18 Jh. vor: In Ostfriesland lag der Torfverbrauch im Jahre 1764 bei etwa 12000 Last. Das sind umgerechnet etwa 78000 Tonnen.[7] Mit steigendem Brennstoffbedarf und daher auch steigender wirtschaftlicher Bedeutung der Moore, traten in den Anfangsjahren des 17. Jh. rechtliche Normen in Kraft, die die Besitzverhältnisse und Nutzungsrechte klärten und dem Moor einen, seiner Stellung als wichtigste Energiequelle entsprechenden, rechtlichen Status verschafften. Dies war die Konsequenz aus sich häufenden Streitigkeiten, die ihre Ursachen eben in ungeklärten Verhältnissen hatten.
In der wachsenden Bedeutung der Moore sind auch Gründe für die Gründungen der Fehnsiedlungen zu finden. Mit den Fehnsiedlungen konnten größere Flächen des Moores wirtschaftlich nutzbar gemacht werden. Durch systematische Erweiterung der Abbauflächen konnte so dem wahllosen Abbau des Moores Einhalt geboten werden.[8]
In der zweiten Hälfte des 19. Jh. verlor der Torf, bedingt durch das Aufkommen der billigeren Steinkohle, seine Bedeutung als potentielle Energiequelle. Die Steinkohle drückte die Torfpreise um mehr als siebzig Prozent. Diesem Konkurrenzkampf konnte die Torfwirtschaft nicht mehr standhalten.

6. Umfang der Erbpachtverträge
6.1 Reihenfolge der Erschließungsvorgänge
Der zuständige Landesherr, als Eigentümer der Moorgebiete, vergab die zu verteilende Moorfläche in Erbpacht an den interessierten Fehnunternehmer. Dieser baute die, für die Fehnsiedlungen charakteristischen Kanäle. Sie dienen der Entwässerung und gleichzeitig der Verkehrserschließung. Bis ins 17. Jh. hinein war der Fehnunternehmer alleine für die Torfgräberei, den Torfverkauf und die Kultivierung der abgetorften Flächen zuständig. Im Laufe des 17. Jh. vollzog sich hier eine Änderung. Der Fehnunternehmer vergab nun - wiederum in Erbpacht- die Moorparzelle an die eigentlichen Fehnkolonisten, die nun das Land abtorften, den Torf verkauften und das Land danach kultivierten. Die Aufgaben des Fehnunternehmers, nun als Obererbpächter, waren nunmehr das Graben der Hauptkanäle mit den entsprechenden Brücken und Schleusenanlagen. Er kam so allerdings auch in den Genuß von längerfristigen Abgaben, die der Fehnkolonist als Untererbpächter für das abgetorfte und kultivierte Land zu zahlen hatte.

6.2 Durch die Erbpachtverträge festgelegte "Aufgabenverteilung" zwischen Landesherr, Fehnunternehmer und Fehnkolonist
Die Erbpachtverträge spiegeln die Interessen der drei Vertragspartner, des Landesherren, des Fehnunternehmers und der Fehnkolonisten wieder.
Vorrangiges Interesse des Landesherren war es, einen möglichst hohen Gewinn durch die Fehnkolonien zu erzielen. Zunächst trieb er eine zügige Abtragung der Torfflächen voran, was ihm die nicht unerhebliche Torfheuer einbrachte. Sein Hauptaugenmerk aber richtete sich auf die Kultivierung des abgetorften Landes. Die Nutzung dessen brachte ihm als langfristigen Verdienst den Kanon ein. Nebenbei kassierte er für die errichteten Häuser noch die sog. Hausprästation, die aber im Vergleich zu den o.g. Einnahmen eher unerheblich war.[9]
Durch die Weiterverpachtung nahm der Fehnunternehmer, als Obererbpächter, für den Kolonisten die gleiche Stellung ein, wie der Landesherr ihm gegenüber. Es ergab sich so eine weitgehende Interessens- übereinstimmung zwischen dem Fehnunternehmer und dem Landesherrn. Das Interesse verlagerte sich von der Gewinnung und dem Verkauf des Torfes zu den langfristigen Abgaben für das kultivierte Land.
Um die Vertragsbedingungen zu konkretisieren, führe ich in Teilen als Beispiel den "Erbpachts- Contract Nr. 4" an. Der Kolonist, verpflichtete sich hier im wesentlichen zu folgenden Maßnahmen und Zahlungen an die Fehnunternehmer, die sich hier zu einer Fehngesellschaft zusammengeschlossen hatten:

1. Das Abgraben des Torfes über der zukünftigen Hauptwieke, in einer Breite von mindestens 40 Metern. Die Hauptwieke wird auf Kosten der Fehngesellschaft erstellt.
2. Der Kolonist muss die Inwieken graben und alle 4 Jahre um 40 Fuß fortführen. Zur Instandhaltung der Inwieken und der Hauptwieke hat er sich ebenfalls verpflichtet.
3. Für jedes Tagewerk Torf, dass außerhalb der an den für die Wieken vorgesehenen Stellen gegrabenen wird, muss jährlich ein halber Reichsthaler gezahlt werden.
4. Für die landwirtschaftlich genutzte Fläche muss jährlich ebenfalls ein halber Reichsthaler pro Tagewerk bezahlt werden.[10]

Es zeigt sich hier, dass der Kolonist für die Fortführung der Inwieken, sowie die Instandhaltung dieser und der Hauptwieke zuständig war. Das Graben der Hauptwieken fiel in den Aufgabenbereich der Fehnunter- nehmer.
Es wird also klar, dass der Kolonist nicht nur Geld für den Erwerb des Grundstücks, sondern auch für die Bestreitung der laufenden Unkosten und später, d.h. nach dem Abbau des Torfes, den Bau eines Hauses brauchte. Seine Arbeit bestand nicht nur aus Torfstechen und der Kultivierung des Landes, sondern auch aus "gemeinnützigen" Tätigkeiten, wie der Instandhaltung der Kanäle.

7. Gründe und Entwicklung der Fehnschiffahrt
Das Eindringen der Schiffahrt, die sich zunächst auf die Torfschiffahrt beschränkte, in die Fehnsiedlungen war ganz eng mit einer entscheidenden Voraussetzung, nämlich der Entwässerung der Moorflächen, verbunden. Die zwingende Notwendigkeit der Entwässerung ließ die Kanäle entstehen, denn die Entwässerung war nur möglich, wenn das Moorwasser durch Anschluß an einen Flußlauf einen natürlichen Ablauf bekam. Zunächst wurden die Kanäle planlos, später systematisch und großzügig errichtet, denn die entstandenen Kanäle waren bestens für die Verschiffung des Torfes in die Städte geeignet; die schlechten Wegeverhältnisse ließen keinen Massentransport des Torfes zu. So ist die Torfschiffahrt als eine wirtschaftlich notwendige Begleiterscheinung des intensiven Torfabbaues, die sehr stark durch den technischen Vorgang des Kanalbaues beeinflußt wurde, zu bewerten.
Für die Verschiffung des Torfes waren zunächst noch die Schiffer größerer Häfen, meistens Emdener Schiffer, zuständig. Diese Schiffer handelten im Auftrag des Fehnunternehmers. Im Laufe des 17. Jh. vollzog sich in diesem Bereich eine Änderung. Der Fehnsiedler selbst übernahm die Verschiffung des Torfes. So verlagerte die Torfschiffahrt ihren Standort vom "Konsumplatz ins Binnenland"[11], bzw. an die Produktionsstätte selbst.
Der Güterbedarf der Fehnsiedlungen ließ die Torf- und die Fracht- schiffahrt in einem engen Zusammenhang stehen. Die Verschiffung des Torfes geschah immer nur aus den Fehnsiedlungen heraus in die Absatzgebiete. Der Frachtraum der Schiffe konnte auf dem Rückweg also noch für die Güterversorgung der Fehnsiedlungen genutzt werden. Folg- lich sind hier Torf- und Frachtschiffahrt nicht zu trennen; beide sind Teile der Fehnschiffahrt.
Das Anwachsen der Siedlungen durch die fortschreitende Abtorfung hat- te zur Folge, dass sich die Fehnschiffahrt immer mehr von der Torf- zur Frachtschiffahrt verlagerte, die bei weitem nicht mehr allein auf die Versorgungsaufgaben der Fehnsiedlungen beschränkte. So löste sich die Fehnschiffahrt fast gänzlich von den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Fehnsiedlungen und entwickelte sich in ständiger verkehrsräumlicher und zahlenmäßiger Ausweitung größtenteils bis zur Seeschiffahrt. Doch damit war die Fehnschiffahrt auch den, sich in diesem Wirtschaftszweig schnell vollziehenden Änderungen ausgesetzt. So bedeuteten die in der Mitte des 19. Jh. einsetzenden technischen und organisatorischen Veränderungen den Niedergang der Fehnschiffahrt, da sie in der betriebenen Form nicht mehr konkurrenzfähig war.
Die wichtigste Veränderung stellten wohl die- bedingt durch das neue Baumaterial Stahl- stark vergrößerten Schiffe dar. Die zu klein gewordenen Fehnkanäle konnten von ihnen nicht befahren werden. Die Schiffer wanderten in die Hafenorte an den Flußunterläufen ab, die über tiefere Fahrwasser verfügten und so auch die Möglichkeit zu umfangreicheren Hafenbauten ließen.
Ein anderer Punkt in diesem Zusammenhang ist der in der Mitte des 19. Jh. aufkommende Eisenbahnverkehr. Er stellte eine zusätzliche Konkurrenz zum Güterverkehr auf dem Wasser dar. Zwar hatte das Eisenbahnnetz zu diesem Zeitpunkt nicht annähernd die Dichte des Kanalnetzes, doch es gab Eisenbahnlinien, die fast parallel zu einem Wasserlauf liefen und so die Bedeutung einzelner Wasserläufe als Gütertransportweg beeinträchtigten.

8. Formierung und Auflösung des Siedlungstypus
Bei der Betrachtung der Grundrißentwicklung der Fehnsiedlungen, ist dem Grundliniensystem eine besondere Beachtung zu schenken. Sein Einfluß ist in den Fehnsiedlungen besonders prägnant. Leitlinie für die Bebauung ist ein Kanal, der einerseits Entwässerungskanal, andererseits Transportweg war.
Dieser Kanal zwang die Bebauung in seine Nähe, denn von ihm aus wurde das Moor zuerst abgetorft und damit die Bebauung erst möglich gemacht; außerdem reihten sich die in Erbpacht vergebenen Besitzparzellen an seinen Seiten. So konnten die langen, direkt an den Kanälen sich aufreihenden Gebäudeserien entstehen, die das formal typische Element der Fehnsiedlungen sind. Bünstorf nennt diesen Typus "regelmäßige Kanalsiedlung"[12]. Die weitere Anwendung dieses Siedlungstypus endet in der ersten Hälfte des 20. Jh, in der das Moor mit Maschienenkraft abgetorft und auf dem Landwege abtransportiert wird. Die Kanäle als grundrißprägendes Element verlieren ihre wirtschaftliche Bedeutung. Die Kanäle waren nun überflüssig, und auch die Vergabe einzelner Moorparzellen nicht mehr nötig. Damit löste sich das ganze wirtschaftliche System, dass den Formtypus wesentlich geprägt hat auf; ein Weiterbau der Fehnsiedlungen in der dem Formtypus entsprechenden Art endet hiermit.

9. Zusammenfassung:
Fehnsiedlungen sind die ältesten Siedlungsformen im Moor. Basis dieser Kulturart ist die Fehnkultur: Das abgetorfte Land kann landwirtschaftlich kultiviert und besiedelt werden.
Die Kanäle, als technisch- wirtschaftliche Notwendigkeit, zeichnen die Physiognomie der Fehnsiedlungen aus.
Der steigende Brennstoffbedarf und das damit steigende Interesse am Torfabbau lässt die Torfgräberei aus ihrem, anfangs kleinen Rahmen, zu einer größeren wirtschaftlichen Unternehmung anwachsen. Das Interesse der Obrigkeit, als Besitzer der Moorflächen, besteht nun aus kontrollierter Vergabe der Parzellen, zu vertraglich manifestierten Vorgaben, be- treffend der Kultivierung und des daraus resultierenden Ausbaus der Siedlungen. Diese Vorgänge spiegeln sich in den Erbpachtverträgen wieder.
Die technisch- wirtschaftliche Notwendigkeit des Kanalbaus, aber auch obrigkeitliche, bzw. unternehmerische Interessen wirkten auf die Aus- bildung des Formtypus ein. Durch das Zusammenspiel dieser Einflüsse und Interessen konnte die "regelmäßige Kanalsiedlung"[13] entstehen.
Als prägendes Element der Fehnsiedlungen, ist noch das Eindringen der Schiffahrtswirtschaft in die Fehnsiedlungen zu erwähnen. Die Entstehung dieses Wirtschaftszweiges ist letztlich als logische Konsequenz der wirtschaftlichen Notwendigkeit der Torfabfuhr, begünstigt durch den technischen Vorgang der Entwässerung, zu sehen. Damit ist auch die Berufsstruktur der Fehnsiedler entscheidend beeinflußt worden. Bis in die Mitte des 19. Jh. war in diesem Wirtschaftszweig eine ständige Weiterentwicklung, bis hin zur Seeschiffahrt zu verzeichnen. Letztendlich bedeuteten technische Revolutionierungen den Niedergang dieses Wirtschaftszweiges; in der betriebenen Form war die Fehnschiffahrt nicht mehr konkurrenzfähig.
In der ersten Hälfte des 20. Jh. endet der Weiterbau der Fehnsiedlungen. Einerseits hatte die aus dem Ruhrgebiet "importierte" Steinkohle dem Torf den Rang als potentielle Energiequelle den Rang abgelaufen, andererseits wurde Torf nun mit Maschinenkraft gestochen und zudem noch auf dem Landwege abtransportiert. Damit waren Kanäle überflüssig, und auch die Vergabe einzelner Moorparzellen nicht mehr nötig. Die wesentlichen Elemente, die den Formtypus geprägt haben werden bedeutungslos; die weitere Anwendung dieses Formtypus nimmt hier ein Ende.

[1]Sanders, S. 15ff
[2]Bünstorf, S. 20
[3]Schrader, Teil II, Karte 44
[4]Bäuerle, S. 23
[5]Bünstorf, S. 32
[6]Bünstorf, S. 34ff
[7]Bünstorf, S. 39
[8]Bünstorf, S. 38 - 41
[9]Bünstorf, S. 42
[10]Arbeitsblatt Nr. 7b, zur Exkursion vom 25.11.94 - 27.11.94
[11] Bünstorf S. 121
[12]Bünstorf, S. 79
[13]Bünstorf, S. 79

3214 Worte in "deutsch"  als "hilfreich"  bewertet