Asbestose

1. Begriffsbestimmung und Pathogenese

Die Asbestose wird den Pneumokoniosen (Staublungenkrankheiten) zugerechnet. Es werden asbesthaltige Fasern mit einem Durchmesser kleiner als 5 mm inhaliert. Aufgrund ihrer Größe werden diese Asbestfasern nicht vom mukoziliären Apparat abgefangen und wieder hinausbefördert. Sie dringen somit bis in die Alveolen vor und können im Körper nicht abgebaut werden, sondern über Jahrzehnte im Gewebe verbleiben. Asbestfasern induzieren einen chronischen Entzündungsreiz. Dabei spielen Mediatorsubstanzen aus Lymphozyten und Makrophagen eine wesentliche Rolle. Bei dem Versuch, die inhalierten Asbestnadeln zu phagozytieren, gehen die Makrophagen zugrunde und induzieren eine Fibrose. Die Nadeln durchwandern die Alveolarwand bis zur Pleura, wo sie charakteristische tafelbergartige Pleuraplaques und diffuse Pleuraverdickungen verursachen. Auf den Pleuraveränderungen bilden sich typische stippchen- und plattenförmige Verkalkungen.

Als feuerfestes Material wurde Asbest bis in die siebziger Jahre universell eingesetzt im Flugzeug- und Schiffbau, als Baumaterial (Eternit®), für Bremsbeläge und in Haushaltsgeräten. Die Gefahrenquellen bezüglich der Inhalation von Asbeststaub sind vielfältig. Die Latenzzeit der Erkrankung beträgt 20-40 Jahre. Die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung ist proportional der eingeatmeten Faserkonzentration und der Expositionsdauer (Faserjahre). Von den verschiedenen Faserarten des Asbests sind der schwarze oder blaue Asbest aus Afrika am stärksten pathogen. Besonders bedeutungsvoll sind Serpentin- (besonders hohe Hitzebeständigkeit) als auch Amphibol-Asbeste (besonders hohe Säurefestigkeit). Eine besondere Eigenschaft von Chrysotil ist die Spaltbarkeit in der Längsrichtung, so dass superfeine Fasern entstehen, die bei einem Längen / Durchmesserverhältnis von 8 : 1 besonders für die Entstehung von Bronchialkarzinom und Mesotheliom verantwortlich sind.

Diese beiden Folgeerkrankungen entwickeln sich 10-20% aus einer bestehenden Asbestose, abhängig auch vom Tabakkonsum.

Mesotheliome sind von serösen Häuten ausgehende Tumoren, die sich diffus in den Pleurablättern (70%), ausbreiten und selten über thorakale Lymphbahnen, Peritoneum oder Perikard metastasieren.

Das klinische Bild wird von Husten, Dyspnoe und Thoraxschmerzen bestimmt. Die Prognose ist schlecht, 5-Jahres-Ãœberlebensrate: 5-10%.

Beide Tumoren sind im Zusammenhang mit einer Asbestose als Berufskrankheit anerkannt. Nach weitgehender Elimination aus der Industrie wird die Asbestose und ihre Folgekrankheiten bis um das Jahr 2020 weiter ansteigen. Auch Familienangehörige asbestexponierter Personen können Asbestfasern, z.B. aus der Berufskleidung, inhalieren und an Asbestose und deren Folgen erkranken.

2. Diagnose

Die Diagnose und Anerkennung als Berufskrankheit erfolgt anhand der Berufsanamnese, der eingeschränkten Lungenfunktion und des Röntgenbildes.

Der Nachweis von Asbestkörperchen im Sputum, in der bronchoalveolären Lavage sowie im histologischen Bild erhärtet den Zusammenhang zwischen Asbestexposition und Krankheit. Allein vom Nachweis der Asbestkörperchen lässt sich aber nicht das Vorliegen einer Krankheit ableiten (z. B. auch Nachweis von Asbestkörperchen schon relativ kurze Zeit nach geringer Exposition).

Die klinische Symptomatik ist bestimmt durch die Zeichen der Fibrosierung mit Entfaltungsknistern und Rasselgeräuschen in den dorsobasalen Unterlappenabschnitten. Die Lungenfunktion ist im Sinne einer restriktiven Ventilationsstörung und einer Diffusionsstörung verändert.

Röntgenologische Zeichen einer (meist dorsobasal liegenden) Lungenfibrose:

Ÿ kleine Winkelergüsse als Frühzeichen

Ÿ kleine irreguläre Fleckschatten (bei Silikose rund!), beginnend an den Lungenbasen, nach kranial fortschreitend

Ÿ selten massive Fibrose (im Gegensatz zur Silikose),

Ÿ Kugelatelektase, "Asbestpseudotumor",

Ÿ tafelbergartige Pleuraplaques (sichtbar ab 3mm Dicke!),

Ÿ flächige, diffuse Pleuraverdickungen (auch hier sind nur die tangential vom Röntgenstrahl getroffenen an der lateralen Thoraxwand gelegenen Verdickungen gut sichtbar),

Ÿ verwaschene Herz- bzw. Pleurakonturen durch pleuroparenchymatöse Fibrose,

verdickte Septen,

Ÿ Kalkdichte Linien (auf Pleuraverdickung) parallel zur Zwerchfellkontur oder Thoraxwand. Kalkplaques sind typisch, kommen aber auch vor nach Talkuminhalation, Hämatothorax, Empyem oder therapeutischem Pneumothorax nach Tbc.

Sowohl bei der pulmonalen als auch bei der pleuralen Form sind computertomographische Untersuchungen zu fordern, um ein genaues Bild über die Ausdehnung und das Ausmaß der Umbauvorgänge zu erhalten und ein eventuell vorliegendes Bronchialkarzinom rechtzeitig zu entdecken.

Computertomographische Zeichen (sensibelste Methode):

Ÿ mikronoduläre Verdichtungen

Ÿ pleuraparallele Verdichtungen: feinporige subpleurale Verdichtung mit zipfligen Verbindungen zu den peripheren Gefäßverzweigungen

Ÿ Kugelatelektase (Parenchymstrukturen sind kometenschweifartig auf die Kugelatelektase gerichtet),

Ÿ "Krähenfüße": sternförmiges Zusammenlaufen von Narbenbändern zu einen Punkt der Pleura,

Ÿ in weit fortgeschrittenen Fällen evtl. Wabenmuster als Zeichen einer fibrotisch zerstörten Lunge,

Ÿ Pleuraplaques (tafelbergartig) und diffuse Pleuraverdickungen ab 1mm Dicke,

Ÿ stippchenförmige und flächige Verkalkungen auf Pleuraveränderungen.

Die typischen pleuralen Veränderungen sind mittels Thorakoskopie sehr gut zu erkennen

(Pleurahyalinose).

3. Therapie / Prophylaxe

Da es bisher keine therapeutischen Möglichkeiten für die Asbestose gibt, ist die Prophylaxe von allergrößter Bedeutung. Diese besteht nicht nur im persönlichen Schutz beim Umgang mit asbesthaltigen Materialien, sondern generell in einer umweltbewußten Orientierung auf Ersatz von Asbest durch andere Dämmstoffe (künstliche Mineralfasern, man-made-mineral-fibres) und die Sanierung asbestverseuchter Gebäude und Arbeitsplätze.

Die beruflich Exponierten sowie die an Asbestose Erkrankten bedürfen der lebenslangen ärztlichen Überwachung. Asbestfasern wirken auch kanzerogen. So kommt es bei einer derartigen Exposition besonders häufig zum Auftreten eines Bronchialkarzinoms oder eines Mesothelioms,

Literatur:

1.) Internet: http://www.mevis.uni-bremen.de; Zugriff 13.05.98, 19:30 Uhr

2.) Stobbe/Baumann (Hrsg.): Innere Medizin, Ullstein Mosby, 7. Aufl., S. 384 - 386

3.) Riede/Schäfer: Allgemeine und Spezielle Pathologie, Thieme, 4. Aufl. S.643, 656-657

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