Dekompressionskrankheit beim Sporttauchen

1.) Begriffsdefinition und Pathophysiologie

2.) Klinisches Bild

3.) Diagnose und Primärtherapie

4.) Schlußfolgerungen

5.) Literatur

1.) Begriffsdefinition und Pathophysiologie

Unter dem Begriff "Dekompressionskrankheit" sind Krankheitserscheinungen zusammengefaßt, die durch das Ausperlen von Inertgas, meist Stickstoff, in den Körpergeweben oder auch im Blut verursacht werden. Durch das Atmen von Luft im Überdruck wird dem Körper Stickstoff, der in der Luft zu ca. 79% enthalten ist, zugeführt. Während Abstieg und Aufenthalt eines Tauchers in der Tiefe sättigen sich die Körpergewebe mit Inertgasen entsprechend dem erhöhten Partialdruck im Atemgas (beim Tauchen mit Atemluft: Stickstoff). Die hängt von der Art des Gewebes, der Gaslöslichkeit und der regionalen Perfusion und Diffusion ab.

Der während des Tauchgangs in den Körpergeweben und Körperflüssigkeiten in vermehrtem Ausmaß physikalisch gelöste Stickstoff muss beim Auftauchen wieder über die Lunge abgegeben werden.

Da der Stickstoff jedoch als Inertgas weder gebunden noch verbraucht wird, kann er ausschließlich nur über das Gefäßsystem aus den Geweben abtransportiert, über die Lunge abgeatmet und so aus dem Körper eliminiert werden. Erfolgt die Abnahme des Umgebungsdruckes langsam, so kann der Stickstoff aus dem Körper eliminiert werden, ohne dass sich Symptome einer Dekompressionskrankheit einstellen.

Sollte der Taucher zu schnell auftauchen oder sich nicht an die notwendigen Dekompressions- (Auftauch-) stufen halten, so kann sich das stickstoffhaltige Gewebe nicht schnell genug entsättigen; es können in Körperflüssigkeiten und Körpergeweben Mikrogasblasen entstehen.

2.) Klinisches Bild

Ausprägung und zeitliches Auftreten von Symptomen werden durch die Lokalisation der Gasbläschen und daraus resultierenden pathologischen Veränderungen bestimmt. Es kann zu einer großen Bandbreite von Manifestationen der Dekompressionskrankheit mit Hautsymptomen (Juckreiz, rote oder livide Verfärbung, Ödem), Muskel- und Knochenschmerzen, zu unspezifischen Beschwerden (Krankheitsgefühl, Müdigkeit, etc.), sowie zu neurologischen (von kleineren Dysästhesien bis zur Querschnittsymptomatik) und kardiopulmonalen Manifestationen kommen.

Je nach Beschwerdebild unterscheidet man bisher üblicherweise den Typ I und den Typ II der Dekompressionskrankheit.

Typ I : Leitsymptom Schmerz

(inf. von lokalen Raumforderungen & folgendem entz. Reiz und Mediatorenausschüttung)

Haut: Juckreiz ("Taucherflöhe"), Erythem, Marmorierung der Haut

Bewegungsapparat: "muskelkaterartige" Schmerzen

Gelenkschmerzen (abends, bes. Knie Hüfte, Ellenbogen, Schulter)

Typ II:

Nervensystem, einschließlich Hör- und Gleichgewichtsorgan

Müdigkeit, Verwirrung, Desorientierung

Seh- und Sprachstörung

Parästhesien, Blasen- und/oder Mastdarm-Störung

Paraparese/-plegie

Bewußtlosigkeit, Strecksynergismen, generalisierte Krämpfe

Schwindel, Übelkeit, Brechreiz, Tinnitus, Hörverlust

Kardiopulmonales System: Zyanose, Schmerzen in der Brust, Schock

"chokes" (primär in der Blutbahn auftretende Gasblasenansammlungen) mit Atemnot,

3.) Diagnose und Primärtherapie

Weist ein Taucher nach einem Tauchgang die geschilderten Symptome auf, muss ärztlicherseits sofort gehandelt werden. Dies gilt auch für alle unklaren Erkrankungen, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem Tauchgang stehen. Eine Differenzierung zwischen Dekompressionserkrankung und Barotrauma mit arterieller Gasembolie (AGE) und neurologischer Symptomatik kann schwierig oder unmöglich sein, schon weil beide Schädigungsmechanismen gleichzeitig vorliegen können.

Für den Notarzt steht an der Unfallstelle primär die Kontrolle und Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen im Vordergrund. Die Lagerung des Patienten orientiert sich am klinischen Bild: Flache Rückenlagerung bei wachen Patienten, stabile Seitenlagerung bei Bewußtlosen. Bei wachen, ansprechbaren Patienten kann durch Anamnese und Fremdanamnese der Tauchgang rekonstruiert und dokumentiert werden. Wichtig hierfür ist ebenfalls die Aufbewahrung des Tauchcomputers, der üblicherweise Tauchtiefe und Tauchzeit speichert. Der Patient sollte orientierend untersucht und die Lunge auskultiert werden

Essentiell in der Primärtherapie ist die kontinuierliche Gabe von normobarem reinem Sauerstoff über Maske, um Stickstoff schneller zu eliminieren und eine bessere Oxygenation des Gewebes zu erreichen.

Bei jedem bewußtlosen oder respiratorisch insuffizienten Patienten ist die Indikation zur Intubation und assistierenden/kontrollierten Beatmung mit 100% Sauerstoff zu stellen. Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand wird nach den allgemeinen Richtlinien der kardiopulmonalen Wiederbelebung reanimiert. Wärmeverlust und Hypothermie müssen durch geeignete Maßnahmen verhindert werden.

Während Heparin sich als Notfallmedikament nicht durchsetzen konnte, wird Acetylsalicylsäure bis zu 500 mg beim schweren Tauchunfall schon seit längerem empfohlen, um die pathophysiologischen Vorgänge an der Blasenoberfläche zu beeinflussen. Die Therapie mit Acetylsalicylsäure ist allerdings wegen möglicher Blutungskomplikationen nicht unumstritten. Die Glucocorticoidgabe ist ebenfalls Gegenstand kontroverser Diskussionen, dennoch wird die hochdosierte Dexamethasongabe aufgrund der veröffentlichten Ergebnisse weiterhin empfohlen.

Nach Kontrolle und Stabilisierung der Vitalfunktionen des Patienten muss der möglichst direkte Transport mit Arztbegleitung in ein aufnahmebereites (Voranmeldung über die Rettungsleitstelle!) und geeignetes Druckkammer - (HBO-) - Zentrum erfolgen. Während des Transportes ist die begonnene Therapie (Sauerstoffgabe, Infusion) in jedem Fall fortzuführen. Neurologie (Glasgow Coma Scale), kardiorespiratorische Funktionen, Urinausscheidung

und Körpertemperatur sind zu überwachen und zu dokumentieren. Bei Hubschrauber-Transporten sollte eine Flughöhe von 300m nicht überschritten werden, sonst kann es durch den entstehenden Druckverlust zu einem erneuten Ausperlen von Gasblasen aus dem Gewebe kommen.

Einzelne Fallberichte weisen auf eine Wirksamkeit einer intravenösen Lidocainbehandlung bei schwerster Dekompressionskrankheit als adjuvante Therapie bei Versagen der HBO - Therapie hin. Die Dosierung wird mit 2mg/kgKG kontinuierlicher Infusion für 24 Stunden nach Bolusgabe von 1mg/kgKG angegeben. Da bislang Ergebnisse aus kontrollierten Studien nicht vorliegen, sollte diese Behandlung verzweifelten Fällen vorbehalten sein, in welchen HBOT nicht zum Ziel führt.

Primärtherapie der Dekompressionserkrankung

Sicherung der Vitalfunktionen !

Applikation von 100 % Sauerstoff

Behandlung der Hypothermie

rascher Transport in ein Druckkammer-Zentrum (HBO-Zentrum)

medikamentöse Therapie (Acetylsalicylsäure, Dexamethason)

Infusionstherapie

Aufbewahrung des Tauchcomputers

4.) Schlußfolgerungen

In der Initialbehandlung nach einem akuten Tauchunfall ist, neben den üblichen, lebenserhaltenden Sofortmaßnahmen, die frühzeitige Gabe von reinem Sauerstoff das Mittel der Wahl. Anschließend muss sofort ein schneller und schonender Transport in ein Druckkammerzentrum zur hyperbaren Oxygenation erfolgen. Die HBO-Therapie, bei welcher der Patient Sauerstoff innerhalb einer Behandlungskammer mit Umgebungsdrücken>2 bar

Überdruck atmet, ist die einzige kausale Therapie der bei Tauchunfällen auftretenden Gasblasenerkrankungen (Dekompressionserkrankung und arterielle Gasembolie).

5.) Literatur

1. Hargasser S, Mielke L, Lanzinger M, Burgkart R, Entholzer E, Breinbauer B, Kling M, Moon RE, Hipp R: Tauchunfälle durch Überdruckexposition. Sportorthopädie-Sporttraumatologie 1996; 12.3:176-180

2. van Laak U: Tauchunfall und Gasembolie. In: Almeling M, Welslau W (Hrsg): Grundlagen der hyperbaren Sauerstofftherapie. Archimedes Verlags GmbH 1996; 29-33

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