Bilanz und Ausblick

Inhaltsverzeichnis

1 Bilanz und Ausblick

1.1 Einleitung

1.2 Die beschäftigungspolitische Entwicklung

1.3 Die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur

1.4 Aktive Strukturpolitik und Arbeitszeitverkürzung

2 Die zentralen Ursachen der Fehlentwicklung und ihre längerfristigen Folgen

3 Programmatik und Politik der Treuhandanstalt

3.1 Einleitung

3.2 Die Entstehungsphase der THA

3.3 Die THA als Verkaufsagentur - schnellstmögliche Privatisierung durch Verkauf

3.4 Kritik an der Politik der THA und des Bundes

4 Regionale Transformation

4.1 Problemstellung

4.2 Regionaler Strukturwandel - ein Ãœberblick

4.2.1 Die Ausgangslage

4.2.2 Die Kennzeichen des räumlichen Umstrukturierungsprozesses

4.2.3 Die Herausbildung neuer räumlicher Strukturen

4.3 Ein Konzept zum wirtschaftlichen Aufbau in den Regionen Ostdeutschlands

4.3.1 Theoretische Ãœberlegungen zur Regionalentwicklung

4.3.2 Die bisherige Bilanz

4.4 Schlußfolgerungen für eine zukünftige regionale Strukturpolitik in den neuen Bundesländern

5 Der ostdeutsche Arbeitsmarkt im Transformationsprozeß

5.1 Entlastung des ostdeutschen Arbeitsmarktes durch regionale Mobilität

5.2 Beschäftigungsabbau und Arbeitslosigkeit

5.3 Arbeitsmarktpolitische Flankierung

5.3.1 Expansive Arbeitsmarktpolitik ohne politisches Konzept

5.3.2 Der Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente

5.3.3 Der Beitrag der Arbeitsmarktpolitik zur Flankierung des Umbruchprozesses

5.4 Das Erwerbsverhalten in Ostdeutschland

6 Soziale Folgen des Transformationsprozesses

7 Schlußbemerkungen

Literaturverzeichnis.............................................................................................................II

Die Transformation der DDR-Wirtschaft 1990-1995 - Rückblick und Perspektiven

Bilanz und Ausblick

Einleitung

Mit der Wiedervereinigung 1990 war die Chance zur wirtschaftlichen und sozialen Transformation der nun neuen Bundesländer gegeben, die auch die Erhaltung der sozialen Errungenschaften und der Potentiale der DDR mit einschloß. Dadurch waren Möglichkeiten zu Reformen auch innerhalb der alten Bundesländer eröffnet, die jedoch nicht genutzt wurden. So zeigte sich im Verlauf der "Einheit", dass es vor allem darum ging, das System der Marktwirtschaft nun in den neuen Bundesländern zu installieren.

Die Anpassung Ostdeutschlands an Niveau und Struktur Westdeutschlands war bisher jedoch wenig erfolgreich. So ist noch immer eine soziale und wirtschaftliche Teilung Deutschlands festzustellen, die auch andauern wird. Außerdem sind die Transferzahlungen von Westdeutschland nach Ostdeutschland weiterhin notwendig.

Der Grund dieses Entwicklungsstandes ist vor allem zu sehen im alleinigen Vertrauen auf die Kräfte des Marktes und darin, dass wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht oder nur unzureichend und zu spät angewandt wurden. Konkret sind in diesem Zusammenhang zu nennen:

- eine kurzatmige Finanzpolitik und Unterschätzung der Kosten der Einheit;

- das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung bei der Lösung der Eigentumsfrage;

- und eine hastige Privatisierungspolitik der Treuhandanstalt ohne aktive Industriepolitik.

Weitere Aspekte werden im Laufe dieser Arbeit dargestellt. Wenn gestaltende wirtschaftspolitische Maßnahmen eingesetzt wurden, so geschah dies mehr als Krisen- management denn als Konzeption.

"Reflex dieser Entwicklung sind die weitgehende Zerstörung der Industrie, ein historisch einmaliger Beschäftigungsabbau sowie die strukturelle Abhängigkeit der ostdeutschen Länder von Transfers aus dem Westen mit allen damit verbundenen negativen wirtschaftlichen und sozialen Folgen". (Nolte, Sitte, 1995, S. 28)

Die beschäftigungspolitische Entwicklung

Für Ostdeutschland können von 1993 bis 1994 beachtliche Wachstumsraten konstatiert werden. Jedoch ist die inländische Wertschöpfung um fast ein Drittel zurückgegangen, so dass die Zuwachsraten von einem geringen Niveau ausgehen.

Die Zahl der Erwerbstätigen hat sich in Ostdeutschland seit 1990 bis Ende 1994 um über ein Drittel verringert auf ca. 6,3 Mill. Beschäftigte. Im Frühjahr 1994 gab es 5,4 Mill. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Demgegenüber stehen 1,1 Mill. registrierte Arbeits- lose. Dabei schlägt sich nicht der gesamte Beschäftigungsabbau von über 3 Mill. Personen in registrierter Arbeitslosigkeit nieder. Einmal kommt das durch das Ausweichen auf den westdeutschen Arbeitsmarkt durch Wegzug oder Pendeln und zum anderen durch die entlastenden Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik. Die Maßnahmen einschließlich ihrer indirekten Effekte entsprechen einer Gesamtentlastung von über 1,3 Mill. Vollzeit-Erwerbsverhältnissen. Darüber hinaus hat ein Teil der Erwerbslosen resigniert und die Suche nach Arbeit aufgegeben.

Die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur

Es ist eine weitgehende Deindustrialisierung in der ostdeutschen Wirtschaft zu konstatieren. Die Voraussetzungen für einen selbsttragenden Aufschwung sind damit ungünstig. "Im Mai 1994 erreichte das Verarbeitende Gewerbe in Ostdeutschland nur rund 42 vH des Niveaus der Industrieproduktion der DDR im ersten Quartal 1990." (Nolte, Sitte, 1995, S. 33)

Für eine moderne Wirtschaft ist eine leistungsstarke Industrie der Kern und daher notwendig. Dazu ist zu bemerken, dass die Bundesregierung eher auf Neuansiedlung von Unternehmen denn auf strategische Sanierung und Modernisierung bestehender Industriebetriebe setzte.

Für den Aufbau einer leistungsstarken Industrie kommt es entscheidend auf eine Belebung im Verarbeitenden Gewerbe an. Davon hängt es ab, ob der Transformationsprozeß zu einem selbsttragenden Aufschwung werden kann. In diesem Bereich lässt sich seit Mitte 1991 eine Aufwärtsbewegung beobachten. Doch vor dem Hintergrund der niedrigen Ausgangsbasis vollzieht sich diese sehr langsam. Deshalb ist eine Angleichung der Wirtschaftskraft Ostdeutschlands an die Westdeutschlands erst in 15 Jahren zu erwarten.

Die einzelnen Sektoren der Wirtschaft sind unterschiedlich am gesamtwirtschaftlichen Wachstum beteiligt. Zentraler Motor des "Aufschwung Ost" ist der Bausektor. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist jedoch abhängig von den Transferzahlungen aus den alten Bundesländern.

So ist die ostdeutsche Wirtschaft eine Dependenz- und Transferökonomie, die weiterhin von Transfers aus Westdeutschland abhängig ist .Die Transfers von 1994 werden netto angegeben mit ca. 164 Mrd. DM. Das ist knapp die Hälfte des ostdeutschen BIP. "Ostdeutschland lebt zur Hälfte von Transfers, Subventionen und Staatskrediten, ohne dass sich eine Änderung dieses Mißverhältnisses abzeichnet." (Hickel, Priewe, 1993, S. 23)

Der Ausfuhranteil an Waren und Dienstleistungen aus Ostdeutschland ist sehr gering, dieser betrug 1994 nicht einmal 7 vH. Dabei gingen drei Viertel nach Westdeutschland.

Durch die Deindustrialisierung kam es auch zu einer Abhängigkeit der ostdeutschen Industriestruktur von der westdeutschen. Die ostdeutschen Unternehmen sind mehr oder minder Tochterunternehmen von westdeutschen Zentralen. Die ostdeutschen Unternehmen haben eine geringe Fertigungstiefe. Zentrale Unternehmerfunktionen und hochwertige Arbeitsplätze sind meist in den westdeutschen Unternehmen zu finden. Die Lieferverflechtungen zwischen ostdeutschen Unternehmen sind gering, es ist alles nach Westen ausgerichtet.

Es ist im weiteren ein starker Rückgang der Innovationstätigkeit im Osten zu konstatieren, verbunden mit einer Demontage der Industrieforschung und einem Rückgang der Patenttätigkeit.

Der Rückgang der Produktion und die Deindustrialisierung haben zur Folge, dass die Güterversorgung der Bevölkerung und die Güternachfrage der Unternehmen vor allem durch westdeutsche Unternehmen befriedigt werden. So betrug das Außenhandelsdefizit im innerdeutschen Handel 1993 für Ostdeutschland 200 Mrd. DM.

Die Einkommensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland sind immer noch unterschiedlich, es hat noch keine Angleichung stattgefunden.

Bei der Investitionstätigkeit im Osten sind hohe Steigerungsraten zu verzeichnen, doch diese gehen von einem geringen Niveau aus. Es sind wesentlich mehr Investitionen nötig, um die alten Bundesländer einzuholen. Zudem sind die Investitionen stark subventioniert. Es sind also geringe Kräfte, die eine Reindustrialisierung bewirken könnten.

Die Arbeitsproduktivität ist in den neuen Bundesländern sprunghaft angestiegen, für die Jahre 1991 und 1992 jährlich durchschnittlich um 43 vH. Dieser Anstieg wurde jedoch vor allem erreicht durch den Abbau von unterdurchschnittlich produktiven Arbeitsplätzen.

Aktive Strukturpolitik und Arbeitszeitverkürzung

In Ostdeutschland fehlt weitgehend eine industrielle Exportbasis. Diese kann sich ohne aktive staatliche Industrie- und Strukturpolitik auch nicht entwickeln. Dazu muss man solche Unternehmen fördern, die einen hohen Anteil an der Wertschöpfung in den neuen Ländern haben. Es wird somit eine Neuorientierung der Wirtschaftsförderung in Ostdeutschland gefordert. Zudem wird eine Fortführung der Transfers gefordert.

Desweiteren sind die Fortführung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sowie Arbeitszeit -verkürzungen notwendig, um die Beschäftigungssituation zu entspannen.

"Festzuhalten bleibt jedoch, dass eine aktive Strategie der Strukturentwicklung und Arbeits-zeitverkürzung bisher nicht betrieben worden ist und es dürfte - angesichts der bestehenden politischen Mehrheiten bzw. Kräfteverhältnisse - unwahrscheinlich sein, dass eine solche Strategie in absehbarer Zeit begonnen wird." (Nolte, Sitte, 1995, S. 47)

Die zentralen Ursachen der Fehlentwicklung und ihre längerfristigen Folgen

Viele sehen die Gründe der Fehlentwicklung in der Erblast der DDR-Wirtschaft. Als entscheidende ökonomische Ursache ist jedoch die schnelle Währungsunion mit den gewählten Umtauschsätzen von DDR-Mark in DM anzusehen. Damit verbunden war eine faktische Aufwertung der DDR-Mark um mehr als das dreifache. Dies jedoch widersprach den ökonomischen Daten. Danach stiegen die Löhne in Ostdeutschland rasch an. So stieg zum einen die Produktivität in den ostdeutschen Betrieben nur langsam an, während zum anderen die Löhne rasch anstiegen. Politisch waren jedoch nur die gewählten Umtauschsätze durchsetzbar.

Die ostdeutschen Unternehmen wurden zudem ohne Vorbereitung in den Wettbewerb des Marktes entlassen. Im ersten Kapitel wurde schon darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung und ihre Wirtschaftspolitik den Kräften des Marktes vertraute. Die Transformation der DDR-Wirtschaft sollte durch eine Anschubfinanzierung in Gang gebracht werden. Man würde die Rahmenbedingungen schaffen, doch sonst sollte die Transformation ohne wirtschaftspolitische Intervention vonstatten gehen.

Als Ursache der Fehlentwicklung sehen die meisten Ökonomen Angebotsprobleme. Die ostdeutsche Wirtschaft ist demnach nicht produktiv und rentabel genug. Hemmnisse und Störfaktoren ihrer Entwicklung sind hohe Löhne und die schlechte Infrastruktur in Ostdeutschland. Nach dieser Meinung ist das Problem der ostdeutschen Wirtschaft vor allem eine Kosten- und Rentabilitätskrise.

Doch es ist zu beobachten, dass auch modernisierte Unternehmen Absatzprobleme haben. Das entscheidende Problem ist hier die Nachfrage. Zuerst ist die Produktion für den überregionalen Absatz wichtig, um das große Nachfragepotential des ostdeutschen Binnenmarktes zu erschließen. So entsteht aus den Löhnen und Gewinnen des überregionalen Absatzes die zusätzliche Binnennachfrage und diese ermöglicht erst die Expansion anderer Unternehmen (die für den regionalen Absatz produzieren).

"Die ostdeutschen Nachfrageprobleme resultieren, zusammenfassend formuliert, aus folgenden Quellen:

- weggebrochener ostdeutscher Binnenmarkt, der vorwiegend von westdeutschen Unternehmen besetzt wurde;

- weggebrochene osteuropäische Märkte;

- weggebrochener West-Handel, seitdem sich die Kosten in Ostdeutschland gegenüber der DDR-Epoche ebenso wie die staatliche Subventionierung geändert haben;

- konjunkturelle Nachfrageschwäche in Westdeutschland und der Weltwirtschaft, insbesondere 1992-1994;

- nur langsame längerfristige Nachfrageexpansion in Westeuropa und der Weltwirtschaft auf den meisten Märkten." (Hickel, Priewe, 1994, S. 33)

Die Absatzprobleme der ostdeutschen Wirtschaft sind auch begründet in Wettbewerbs-nachteilen. So gibt es große Markteintrittshemmnisse auf den meisten Märkten, die von wenigen Anbietern beherrscht werden. Es kommt hinzu, dass nur Großunternehmen bei der Markteinführung lange Durststrecken durchhalten können.

Im ersten Kapitel wurde bereits angeführt, dass viele ostdeutsche Unternehmen im Eigentum westdeutscher Unternehmen sind. Die westdeutschen Unternehmen lassen den ostdeutschen Tochterunternehmen keine eigenen Marktanteile. Ostdeutsche Unternehmen produzieren nur für die regionalen ostdeutschen Märkte.

Ein weiteres Problem der ostdeutschen Unternehmen stellt der Mangel an Marktkapital dar. Dieser beinhaltet Erfahrung auf Absatzmärkten, Vertrauen von Lieferanten und Kunden und Bekanntheitsgrad. Zudem gibt es, wie bereits angeführt, auf den meisten Märkten keine Lücken. So ist es schwierig, die Wettbewerbsvorteile der etablierten Unternehmen aufzuholen. Damit verbunden ist ein Mangel an Risikofähigkeit. Wenn neue Produkte fehlschlagen, so haben die ostdeutschen Unternehmen keine etablierten Produkte, um diese Fehlschläge zu kompensieren. Mit einer ausreichenden Eigenkapitalbasis könnten solche Fehlschläge kompensiert werden. Die ostdeutschen Unternehmen haben jedoch niedrige Gewinne.

Der überregionale Nachfragemangel besteht vor allem in Bezug auf Westdeutschland. Damit ist das ostdeutsche Handelsdefizit - entstanden aus dem innerdeutschen Handel - die Ursache des ostdeutschen Zusammenbruchs. Nötig sind mehr Lieferungen in den Westen und weniger Bezüge aus Westdeutschland. Dadurch jedoch würde auch das Wirtschaftswachstum in Westdeutschland gebremst. "Eine sich selbst tragende ostdeutsche Entwicklung führt spiegelbildlich zu vermindertem Wirtschaftswachstum in den alten Bundesländern." (Hickel, Priewe, 1994, S. 35)

Mit dieser Problematik ist ein Dilemma aufgezeigt. Ostdeutschland braucht Kapital, Transfers und Subventionen aus Westdeutschland und damit Wachstum in Westdeutschland. Der andere Punkt jedoch ist, dass ein sich selbst tragender wirtschaftlicher Aufschwung in Ostdeutschland das Wachstum in Westdeutschland bremst. Daraus ergibt sich eine Konkurrenz zwischen Ost- und Westdeutschland.

Programmatik und Politik der Treuhandanstalt

Einleitung

Am Beispiel der Politik der Treuhandanstalt (THA) soll hier dargestellt werden, dass gestaltende wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht, nur unzureichend oder zu spät eingesetzt wurden, um den Transformationsprozeß erfolgreich zu gestalten.

Die THA war der zentrale Akteur bei der Transformation der Planwirtschaft der DDR in die Marktwirtschaft der Bundesrepublik. Anfang des Jahres 1995 wurde sie aufgelöst, die verschiedenen Aufgaben der THA wurden von den Nachfolgeorganisationen übernommen. Die Aufgabe der THA - die Privatisierung und Sanierung einer ganzen Volkswirtschaft - war eine historisch herausragende Aufgabe.

Die Aufgabe der THA ist festgelegt im Treuhandgesetz und bekräftigt im Artikel 25 des Einigungsvertrages. Diese war Rückführung der unternehmerischen Tätigkeit des Staates so weit wie möglich durch Privatisierung, Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen und dadurch Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Die konkreten Aufgaben waren damit Sanierung und Privatisierung. Im eigentlichen Gesetzestext wurden diese zentralen Ziele weiter präzisiert und ergänzt.

Seit Beginn ihrer Tätigkeit stand die THA im Spannungsverhältnis zwischen dem Auftrag der Privatisierung und dem Auftrag der Sanierung.

Mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion und dem Einigungsvertrag war der Rahmen gesteckt für die Transformation der Planwirtschaft der DDR in die Marktwirtschaft der Bundesrepublik. Jedoch fiel, wie bereits angeführt, der THA in diesem Prozeß eine zentrale Rolle zu. Der THA wurden erhebliche Teile des ehemals volkseigenen Vermögens übertragen und sie hatte die Aufgabe, dieses nach dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft zu privatisieren und zu reorganisieren.

"Insofern betrieb die THA von Beginn an faktisch Industrie- und Strukturpolitik mit entsprechenden Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Sozialstruktur in den neuen Bundesländern." (Nolte, 1995, S. 69)

Die Entstehungsphase der THA

Die Grundlage für die Bildung der THA war der Beschluß der Regierung Modrow vom 1. 3. 1990 zur Gründung einer Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums.

Am 17. 6. 1990 wurde von der de Maiziere geführten Regierung das Treuhandgesetz verabschiedet.

"Die THA wurde rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Fach- und Rechtsaufsicht oblag dem Bundesminister der Finanzen. Dieser nahm im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem jeweils zuständigen Bundesminister die Fachaufsicht - das heißt die Überprüfung der Zweckmäßigkeit der THA-Tätigkeit - wahr." (Nolte, 1995, S. 70)

Die THA als Verkaufsagentur - schnellstmögliche Privatisierung durch Verkauf

Die Volkskammer beauftragte 1989 die Vorläuferin der THA mit der Schätzung der Vermögenswerte der Industrie. Danach wurden als Ergebnis der Privatisierung Millarden-beträge an Überschüssen erwartet. Allmählich jedoch kamen Zweifel an der Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Unternehmen auf. Wirklich deutlich wurde das Ausmaß des Zerfalls der Industrie, der Kontaminierung des Bodens, der hinfälligen Infrastruktur und der zerstörten Bausubstanz erst nach der Wiedervereinigung, als die Wirtschaft in Augenschein genommen werden konnte. Es wurde eine DM-Eröffnungsbilanz über Vermögen und gegenüberstehende Verbindlichkeiten aufgestellt - es ergab sich ein Fehlbetrag von 209 Mrd. DM. (Vgl. Köhler, 1995, S. 172 f.)

Der THA wurde ein Vermögen übertragen von:

"8 000 Kombinate und volkseigene Betriebe, 30 000 Handelsbetriebe, tausende Apotheken und Buchläden, 19 Mio. ha landwirtschaftliche Nutzfläche, ebensoviel Wald, dazu Güter und Betriebe der ersten Verarbeitungsstufe, 40 000 ha Seen mit volkseigenen Binnenfischereibe-trieben, volkseigene Gestüte und Rennbetriebe, Bergwerkseigentum mit hunderten Bergwerksfeldern und tausend Lagerstätten, Gebäude und bauliche Anlagen des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung, des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit und des Amtes für nationale Sicherheit, der nationalen Volksarmee, sowie der Parteien und Massenorganisationen." (Köhler, 1995, S. 174)

Im Oktober 1990 wurden die "Leitlinien der Geschäftspolitik der THA" beschlossen. Darin legte die THA ihre Strategie fest: schnellstmögliche Privatisierung ist die beste Sanierung. Demnach sollte die Sanierung und die Umstrukturierung durch die privaten Erwerber erfolgen.

Zur nötigen Entflechtung der Kombinate ist zu sagen, dass diese konzeptionslos geschah und sich die THA den Vorwurf der "Rosinenpolitik" einhandelte.

Das Konzept - Privatisierung ist die erfolgreichste Sanierung - wurde von der Bundesregierung mitgetragen. Als Argument dafür galten unternehmerische Kompetenz und Effizienz des Wettbewerbs.

Der Umstrukturierungs- und Privatisierungsprozeß verlief jedoch bis Mitte 1991 enttäuschend. Zudem wuchsen in Ostdeutschland die Arbeitsmarkt- und Strukturprobleme. Dadurch ver-stärkte sich der politische Druck auf die Bundesregierung und vor allem auf die THA. Von der THA wurde gefordert, mehr als bisher soziale, regionale und strukturpolitische Aspekte zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang forderten die ostdeutschen Länderregierungen Beteiligung an den Entscheidungen der THA. Als Ergebnis dieser Situation und eines Gesprä-ches des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten der neuen Länder wurden die "Grund- sätze der Zusammenarbeit von Bund, neuen Ländern und Treuhandanstalt für den Auf-schwung Ost" im März 1991 verabschiedet. Die wichtigsten Punkte dieser Grundsätze waren zum einen die Feststellung, dass die Sanierungsaufgabe der THA stärker in den Vordergrund rücken sollte und zum anderen, dass die Zusammenarbeit von Bund, Ländern, THA und der Bundesanstalt für Arbeit verbessert werden sollte. Jedoch auch nach der Verabschiedung dieser Grundsätze konzentrierte sich die Arbeit der THA vor allem auf die Privatisierung.

Ausgehend von den Grundsätzen vom März 1991 legte die THA ein Konzept zur Begleitung ihrer Beteiligungsunternehmen bei der Sanierung vor. Ziel war dabei vor allem die kurzfristige Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen. Im Hinblick auf ihr vorrangiges Ziel der Privatisierung untersagte die THA den Unternehmen alles, was diesen ein eigenständiges Profil hätte verleihen können. Somit betrieb die THA eine konservierende Strukturpolitik.

Ab Herbst 1992 kam es wiederum zu verstärktem politischen Druck auf die Bundesregierung und auf die THA. Der Deindustrialisierungsprozeß in Ostdeutschland hatte sich weiter fortgesetzt. Der politische Druck ging aus von den Gewerkschaften, den Oppositionsparteien, Teilen der Koalition und den ostdeutschen Landesregierungen. Die THA begann nun damit, sogenannte industrielle Kerne zu erhalten. Nun vollzog die THA einen vorsichtigen Wandel ihrer Strategie insgesamt - der Strategie der schnellstmöglichen Privatisierung.

Zur Bilanz der Arbeit der THA - der Stand vom 31. 12. 1994:

Betriebe

Gesamtportfolio 13.815

Fusionen, Rechte usw. 12.354

Bruttobestand 1.461

Privatisierungen, Kommunalisierungen 8.399

Besitzeinwiesungen 45

Stillegungen 3.718

Nettobestand 192

Mantel- und Restgesellschaften 127

Noch zu privatisieren 65

(Quelle: Köhler, 1995, S. 179)

Kritik an der Politik der THA und des Bundes

1. Strategie der schnellstmöglichen Privatisierung bei regelloser Entscheidungsfindung

Bis Herbst 1992 war die THA eine reine Verkaufsagentur. Sie musste immer mehr die Konditionen der wenigen Investoren akzeptieren.

Desweiteren gab es keine einheitlichen Entscheidungsregeln zur Beurteilung der Sanierungsfähigkeit der Unternehmen, zur Auswahl der Investoren und zur Subventionierung oder Stillegung von Unternehmen. Zur Weiterführung von Unternehmen wurden in der Regel betriebswirtschaftliche Kriterien zugrunde gelegt, regionale oder industriepolitische Gesichtpunkte wurden kaum berücksichtigt.

2. Die systematische Vernachlässigung der aktiven Sanierung vor der Privatisierung

Man war einseitig orientiert auf Neuansiedlung, nicht auf Bestandspflege. Die Einsicht, regional und industriepolitisch bedeutsame Kerne zuerst zu sanieren, kam zu spät.

So ist als Fazit zu ziehen:

Durch ihre Politik haben THA und Bundesregierung zur derzeitigen Situation in Ostdeutschland erheblich beigetragen. In Ostdeutschland fand eine Deindustrialisierung statt. Eine selbsttragende Entwicklung ist nicht festzustellen. Es sind auch weiterhin Transfers von Westdeutschland nach Ostdeutschland nötig.

Regionale Transformation

Problemstellung

Mit dem Beginn der Einigung gab es regionale Unterschiede in Ostdeutschland bezüglich der ökonomischen Ausgangsbedingungen. Dadurch ergaben sich unterschiedliche Auswirkungen des Transformationsprozesses. Aus dieser Problematik ergibt sich einmal die Fragestellung, ob die Deindustrialisierung abwendbar war und es ergeben sich zum anderen Schlußfolgerungen für eine zukünftig dezentral angelegte Wirtschaftspolitik für und mit den Regionen Ostdeutschlands.

Regionaler Strukturwandel - ein Ãœberblick

Die Ausgangslage

Die regionale Wirtschaftsstruktur der Ex-DDR war durch eine spezifische Struktur gekennzeichnet. Die industrielle Produktion wurde gefördert und gleichzeitig der Strukturwandel in den ländlichen Gebieten vernachlässigt.

Eine grobe Einteilung der regionalen Wirtschaftsstruktur der Ex-DDR ergibt drei räumliche Schwerpunkte:

1. Die dünn besiedelten, landwirtschaftlich geprägten Gebiete Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs.

2. Die dicht besiedelten, industriell geprägten Landesteile in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

3. Der Großraum Berlin, mit einer Konzentration auf den Dienstleistungssektor.

Weitere Merkmale der regionalen Wirtschaftsstruktur der Ex-DDR waren:

- Monostrukturierung - Dominanz eines oder mehrerer Sektoren;

- Übergewicht der Großbetriebe in der Form der Kombinate;

- kaum kleinere und mittlere Betriebe; (Vgl. Ziegler, 1995, S. 89)

Die Kennzeichen des räumlichen Umstrukturierungsprozesses

Die Transformation der Wirtschaft Ostdeutschlands hatte vor allem Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt der überbesetzten Sektoren der Industrie und der Landwirtschaft. Im Zeitraum von April 1991 bis April 1994 verringerte sich die Anzahl der registrierten Beschäftigten in den landwirtschaftlichen Betrieben um über 52 vH. In der Industrie beträgt diese Zahl in den Bereichen Bergbau und Verarbeitendes Gewerbe für den gleichen Zeitraum fast 70 vH.

"Der Abbau an Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und in der Industrie konnte durch den Aufbau neuer Strukturen nicht aufgefangen werden." (Ziegler, 1995, S. 93)

Die deutsche Wirtschaftspolitik hatte ihre Hoffnung auf die Bereiche Mittelstand, Dienstleistung und Handwerk gesetzt. Doch auch diese Bereiche konnten keinen ausreichenden Ausgleich an Arbeitsplätzen schaffen. Es war ein Beschäftigungsabbau in Industrie und Landwirtschaft erwartet worden. Doch der Beschäftigungsabbau nahm ein enormes Ausmaß an und er verlief regional unterschiedlich. Betrachtet man die wirtschaftliche Ausgangslage in den Regionen Ostdeutschlands, so ist im Süden ein hoher Verlust an Industriearbeitsplätzen zu verzeichnen, während im Norden Ostdeutschlands viele Arbeitsplätze aus der Land- und Forstwirtschaft verloren gingen. So zeigen sich gravierende Auswirkungen besonders in den monostrukturierten Gebieten.

Die Herausbildung neuer räumlicher Strukturen

In den verschiedenen Regionen Ostdeutschlands gab es unterschiedliche Chancen, den Transformationsprozeß gut zu bewältigen. So gibt es Regionen, die vom wirtschaftlichen Niedergang stärker betroffen sind und Regionen, die davon schwächer betroffen sind.

In den wirtschaftlich stärkeren Regionen hat sich der Aufschwung eingestellt, dort sind wirtschaftliche Aktivitäten zu verzeichnen, dort wird investiert. Doch es kommt zu keinem Überschwapp-Effekt auf die wirtschaftlich schwächeren Regionen.

Ein Konzept zum wirtschaftlichen Aufbau in den Regionen Ostdeutschlands

Als zentrales Instrumentarium wurde die in Westdeutschland bereits existierende Regionalförderung, die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschafts-struktur" (GRW) eingesetzt.

Theoretische Ãœberlegungen zur Regionalentwicklung

In der BRD fließen Finanzmittel in strukturschwache Regionen, um deren Wettbewerbs-positionen zu verbessern. Diese Mittel kommen von Bund und Ländern und sollen in den betreffenden Regionen ein sich selbst tragendes Wirtschaftswachstum auslösen. Diese Politik beruht auf zwei Prinzipien:

1. dem Schwerpunktorte-Konzept und

2. der Export-Basis-Theorie

Dabei soll sich bei beiden Prinzipien die Förderung auf Schwerpunktorte konzentrieren.

1. Das Schwerpunktorte-Konzept

Bei diesem Konzept werden von den geförderten und bereits bestehenden Zentren positive Wachstumsimpulse auf das Umland erwartet. Man unterscheidet hier regionsinterne und regionsexterne Nachfrage. Desweiteren bezeichnet man hier Produkte, die aus der Region ausgeführt werden als Basisgüter und solche als Nichtbasisgüter, die nicht ausgeführt werden.

2. Die Export-Basis-Theorie

Diese Theorie beinhaltet, dass die Grundlage für den regionalen Wachstumsprozeß die Exporte über die Grenzen der Region sind. Indem man die Exporte steigert, kommt es durch einen Multiplikatoreffekt zu einer vielfachen Erhöhung der regionalen Produktion.

Auf den beschriebenen Prinzipien und ihrer Wirkungsweise beruht die Strukturpolitik in der BRD in Ausprägung der GRW. GRW-Fördermittel gehen an Betriebe, die Investitionen in Schwerpunktorten durchführen und Betriebe, die ihre Produkte überregional absetzen (Basis-sektor). Durch die regionalen Effekte des Basissektors kommt es zu Überschwapp-Effekten, diese erhöhen die regionalen Einkommen. Dadurch steigt die regionale Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen (Nichtbasissektor). Diese Wirkungseffekte führen zu Wachstum in der Region im Basisbereich und im Nichtbasisbereich.

Entsprechend diesen Überlegungen ist im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands festzustellen, dass sich der wirtschaftliche Aufbau mit primär regionaler Bedeutung vollzogen hat. Zu nennen sind hier der Handel, Banken, Versicherungen, das Handwerk und die Bauwirtschaft. Schwierigkeiten haben Unternehmen, die sich der internationalen und interregionalen Konkurrenz stellen müssen. Hier ist vor allem der Industriesektor zu nennen.

Aus den dargestellten Prinzipien wird jedoch deutlich, dass die exportorientierten Bereiche wichtig sind, denn diese sollen ein sich selbst tragendes Wirtschaftswachstum auslösen.

Die bisherige Bilanz

Als zentraler Baustein des regionalen wirtschaftlichen Aufbaus wurde die GRW angesehen. Als Bilanz der GRW ist zu konstatieren, dass die GRW den wirtschaftlichen Niedergang ganzer Regionen nicht aufhalten konnte.

Von 1990 bis 1993 beliefen sich die bewilligten GRW-Mittel für Ostdeutschland auf 26,4 Mrd. DM. Mit diesen Mitteln wurden knapp 389.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und über 284.000 Arbeitsplätze gesichert.

Jedoch konnte die Deindustrialisierung nicht verhindert werden. Ein Grund dafür war auch, dass der Bestand an Betrieben im Besitz der THA in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung von den Finanzmitteln der GRW ausgeschlossen war. Außerdem wurden Industriebetriebe, die meist am Markt nicht überlebensfähig waren, nicht aktiv restrukturiert. Dies wurde, wie bereits dargestellt, durch die THA-Politik der strikten Privatisierung ausgeschlossen.

Im Laufe der Jahre 1992 und 1993 kam es durch politischen Druck auf die Bundesländer dazu, dass diese ihre Haltung änderten. So ging man dazu über, die GRW für Unternehmen, die sich in Treuhandverwaltung befanden, zu öffnen. Jedoch waren die größten Einbußen in der ostdeutschen Industrie zur Jahreswende 1991/1992 zu verzeichnen, so dass dieser Schritt bereits zu spät kam.

Schlußfolgerungen für eine zukünftige regionale Strukturpolitik in den neuen Bundesländern

Für den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland ist der Aufbau und die Stabilisierung einer exportfähigen Wirtschaft entscheidend. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Revitalisierung bzw. der Reindustrialisierung und der Erhöhung des exportfähigen Unternehmenspotentials zu.

Der Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft zeigt, dass man die Transformation der Wirtschaft der Ex-DDR nicht nur den Kräften des Marktes überlassen darf. Es genügt nicht, nur die Rahmenbedingungen zu setzen.

So muss ein im politischen Konsens entstandenes und getragenes Aufbaukonzept für jede einzelne Region Ostdeutschlands gefordert werden. Das primäre Ziel dieser Aufbaukonzepte muss es sein, eine exportfähige Basis aufzubauen und zu sichern. Es kommt im weiteren aber auch darauf an, dass sich um die exportorientierten Wirtschaftsbereiche eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur in den einzelnen Regionen entwickeln kann.

Dies kann nur erreicht werden über regionale und sektorale Verflechtungsskonzepte. Es gibt bereits Ansätze solcher Konzepte, in den einzelnen Länderinitiativen zum "Erhalt der industriellen Kerne". Eine Kritik dieser Konzepte ist jedoch dahingehend anzubringen, dass diesen Konzepten die Verknüpfung der sektoralen und der regionalen Problemlösungen fehlt.

Desweiteren sollten zur Entwicklung und Umsetzung einer dezentralisierten Entwicklungs- und Strukturpolitik in Ostdeutschland die verschiedenen Entscheidungsebenen zusammenarbeiten:

Region, Land, Bund und die EU-Kommission.

Der ostdeutsche Arbeitsmarkt im Transformationsprozeß

Entlastung des ostdeutschen Arbeitsmarktes durch regionale Mobilität

Durch die unterschiedlichen Arbeits-, Lebens- und Einkommensbedingungen in Ost- und Westdeutschland kam es zu massiven Wanderungs- und Pendlersrömen von Ost nach West. Durch Wanderungssröme wurde das Erwerbspersonenpotential in Ostdeutschland bis 1993 um 650.000 Erwerbspersonen vermindert. Die Zahl der West-Pendler ist in den Jahren 1990 bis 1994 kontinuierlich angestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes pendelten 1994 jahresdurchschnittlich 493.000 Erwerbspersonen von Ost- nach Westdeutschland. Durch diese regionale Mobilität wurde das Arbeitskräfteangebot in Ostdeutschland reduziert.

Beschäftigungsabbau und Arbeitslosigkeit

Im Verarbeitenden Gewerbe sind 2 Mill. Arbeitsplätze verloren gegangen. 1993 waren in diesem Bereich nur noch 20,7 vH der Erwerbstätigen tätig. Diese Zahlen sind Ausdruck der in Ostdeutschland stattgefundenen Deindustrialisierung.

Der größte Rückgang in der Beschäftigung ist in der Land- und Forstwirtschaft zu verzeichnen. Seit 1989 ging hier die Beschäftigung um fast vier Fünftel zurück.

Die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt sank von 9,75 Mill. 1989 auf 6,3 Mill. 1994. Damit ist eine Abnahme um 34 vH zu verzeichnen.

Wenn man nur die nicht öffentlich geförderte abhängige Beschäftigung berücksichtigt, so ging diese seit 1989 um 42 vH zurück ( Dies erfaßt die statistisch erfaßte abhängige Erwerbstä-tigkeit ohne Beschäftigte in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder in Maßnahmen nach § 249h AFG sowie ohne die - in Vollzeitäquivalente umgerechnete - Kurzarbeit).

Die registrierte Arbeitslosigkeit lag 1994 bei 1,14 Mill.. Der Arbeitsplatzabbau schlug sich in dieser Zahl nur zu einem Drittel nieder. Dies sind die Auswirkungen administrativer Regelungen wie Kündigungsschutzabkommen, Kurzarbeiterregelungen und geförderter Beschäftigung.

Die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt ist mittelfristig als normal anzusehen. Die bisherige Dynamik auf dem Arbeitsmarkt nimmt ab - die wirtschaftlichen Prozesse spiegeln sich auf dem Arbeitsmarkt wieder.

Dies geht auch damit einher, dass Arbeitslosigkeit bisher lediglich eine Zwischenphase darstellte zwischen der Aufgabe des alten Arbeitsplatzes, arbeitsmarktpolitischer Förderung und/oder der Aufnahme einer neuen Beschäftigung. So gab es laut Untersuchungen zu dieser Problematik nach der Einigung viele Betriebswechsel der Beschäftigten. Dies ist nun mit der abnehmenden Dynamik auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr so. Dadurch verstärkt sich die Verfestigung und die Segmentation von Arbeitslosigkeit. Die Folge davon ist Langzeitarbeitslosigkeit. 1994 waren 362.000 Arbeitslose länger als ein Jahr arbeitslos. An der Zahl der Arbeitslosen insgesamt war das ein Anteil von 32 vH. Im Vorjahr lag der Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen insgesamt bei 29 vH.

Es ist im weiteren eine ungleichmäßige Verteilung des Risikos, längerfristig arbeitslos zu bleiben, zu verzeichnen. Dieses Risiko ist für Frauen und für Ältere besonders groß.

Arbeitsmarktpolitische Flankierung

Expansive Arbeitsmarktpolitik ohne politisches Konzept

Es wurde durch den Transformationsprozeß mit einem Beschäftigungsabbau gerechnet und auch damit, dass dieser nicht zu verhindern wäre. Doch man hat auch damit gerechnet, dass neue, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze entstehen würden. Desweiteren erwartete man den Rückzug eines Teiles der Erwerbspersonen vom Arbeitsmarkt. Diese Erwartung betraf insbesondere die Frauen. Diese Gründe waren ausschlaggebend dafür, dass keine mittel- und langfristigen beschäftigungspolitischen Konzepte entwickelt wurden. Der Beschäftigungsabbau wurde zunächst vollstängig der Arbeitsmarktpolitik und der Sozialversicherung überantwortet. Dabei ging es vor allem um die friedliche Abwicklung des enormen Abbaus der Beschäftigung.

Es wurden zwar Mittel über die Bundesanstalt für Arbeit und das Gemeinschaftswerk "Aufschwung Ost" für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Verfügung gestellt, jedoch wurden diese Mittel nicht mit strukturpolitischen Aufgaben gekoppelt. So wurde vom Land Brandenburg 1992 ein Strukturförderungsprogramm "Arbeit statt Arbeitslosigkeit" vorgeschlagen. Dieses Programm zielte ab auf die Verzahnung von Arbeitsmarktpolitik und regionaler Strukturpolitik, es erhielt jedoch nicht die notwendige politische Unterstützung.

Es wurden damit im Bereich Beschäftigung und Arbeitsmarktpolitik Chancen vergeben.

Der Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente

Der Einsatz dieser Instrumente wurde möglich mit der Einführung des Arbeits-förderungsgesetzes AFG am 1. 7. 1990 in der DDR. Die Anwendung der Instrumente erfolgte umfassend und modifiziert.

Kurzarbeit - Ein Spezialfall für Ostdeutschland war hier die sogenannte Kurzarbeit-Null- Regelung. Das bedeutete, dass auch Betriebe mit geringer oder ohne Aussicht auf wirtschaftliche Erholung Kurzarbeit durchführen konnten. Zeitweise waren fast ein Viertel der Erwerbstätigen in Ostdeutschland in Kurzarbeit.

Vorruhestand und Altersübergangsgeld - Dies war eine Möglichkeit für ältere Bürger, die Zeit bis zum Übergang in den Ruhestand sozialverträglich zu gestalten. Von 1990 bis 1995 wurden fast 1 Mill. ältere Arbeitnehmer zwischen 55 und 65 bzw. 60 über diese Maßnahmen aus dem Erwerbsleben ausgegliedert.

Fortbildung und Umschulung - Diese Maßnahme wirkt nicht nur entlastend auf den Arbeits-markt. Gleichzeitig dient sie auch dem Erwerb von Qualifikationen entsprechend der Ausrichtung auf ein anderes Gesellschafts- und Wertsystem, sowie entsprechend der Ausrichtung auf einen neuen Beruf. 1992 war bezüglich dieser Maßnahme mit einer Teilnehmerzahl von 425.000 die Höchstmarke erreicht.

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und § 249 AFG - Der § 249 AFG ist als arbeitsmarkt-politisches Instrument eine Innovation - hervorgebracht durch den Transformationsprozeß.

Mit der Aufhebung der einschränkenden Voraussetzungen - diese einschränkenden Voraussetzungen sind in Westdeutschland gängig - bei den ABM konnten diese projekt-orientiert gefördert werden. Dadurch konnten die ABM beitragen zur Verbesserung der Angebotsbedingungen der Wirtschaft durch Infrastrukturverbesserung und Umweltsanierung. Es waren zeitweise mehr als die Hälfte der ABM-Teilnehmer in Bereichen tätig, die als investiv gelten. Ein Beispiel hierfür ist die Sanierung von Betriebsgelände zur Vorbereitung gewerblicher Neuansiedlung. Der Einsatz von ABM erfolgte zunächst noch zögerlich. Dies änderte sich jedoch mit der Verabschiedung des Gemeinschaftswerkes "Aufschwung Ost". Danach stieg die Zahl der ABM und die Zahl ihrer Teilnehmer.

Der Einsatz von ABM hat auch indirekte Effekte. So sind Sachmittel-Vorleistungen nötig, die produziert werden müssen. Außerdem kommt es durch das höhere Einkommen zur Steigerung der privaten Konsum-Nachfrage.

Der Beitrag der Arbeitsmarktpolitik zur Flankierung des Umbruchprozesses

Die Arbeitsmarktpolitik hat den Umbruchprozeß auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt stark mit-geprägt.

Im Vordergrund stand die Fallschirmfunktion - die Abfederung des Zusammenbruchs des ostdeutschen Arbeitsmarktes. Die Arbeitsmarktpolitik wurde in einem bisher nicht gekanntem Ausmaß eingesetzt, da es politisch notwendig war, ein sprunghaftes Ansteigen der offenen Arbeitslosigkeit zu verhindern. Dieses Ziel wurde auch erreicht.

Die Brückenfunktion - die individuelle Überbrückung von anderenfalls beschäftigungslosen Zeiten - wurde nur teilweise erfüllt. Die Beschäftigungsentwicklung befindet sich noch in der Talsohle. Hier ist ein größerer Beitrag der Wirtschafts- und Strukturpolitik notwendig.

Besondere Bedeutung kommt der Strukturfunktion der Arbeitsmarktpolitik zu. Die Strukturwirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik ist davon abhängig, wie die Wirtschaftspolitik strukturpolitisch interveniert. Die Potentiale und Leistungen der Arbeitsmarktpolitik müssen von den wirtschaftspolitischen Akteuren aufgegriffen und genutzt werden. Außer, dass die ABM und die § 249h-Maßnahmen für die Beseitigung von Altlasten instrumentalisiert wurden, gab es kaum derartige Bemühungen. In diesem Zusammenhang ist eher von einer spontanen Annäherung der Arbeitsmarktpolitik an die Strukturpolitik zu sprechen.

Der Arbeitsmarktpolitik lag kein Konzept im wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozeß zugrunde. Trotz Würdigung ihrer Leistungen muss konstatiert werden, dass sie den Arbeitsplatzabbau nicht verhindern und auch den Aufbau von neuen Arbeitsplätzen wenig fördern konnte. Hauptursache dieser Tatsache sind einmal das enorme Ausmaß des Beschäftigungsabbaus, aber auch, wie bereits angeführt, dass keine mittel- und langfristigen beschäftigungspolitischen Konzepte entwickelt wurden.

Das Erwerbsverhalten in Ostdeutschland

Auch vier Jahre nach der Einigung war noch keine Angleichung des ostdeutschen Erwerbs-verhaltens an das westdeutsche festzustellen. Es wird auch längerfristig diesbezüglich strukturelle Unterschiede geben.

Im Osten gibt es eine größere Nachfrage nach Erwerbsarbeit. Nach Befragungen hierzu ist auch kein ausgeprägter Rückzug vom Arbeitsmarkt zu erwarten.

Die Erwerbsquote der Frauen war in der DDR wesentlich höher als in der alten Bundes-republik. Heute ist die Erwerbsquote der Frauen in den neuen Bundesländern auch höher als in den alten Bundesländern.

Es gibt weiterhin ein unterschiedliches Erwerbsverhalten und strukturelle Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung in Ost- und Westdeutschland. Im Osten ist der Anteil der vollzeitarbei-tenden Männer niedriger als im Westen, während im Osten die Frauen einen höheren Anteil an Vollzeiterwerbstätigkeit aufweisen. Insgesamt ist im Osten eine höhere Orientierung an Vollzeiterwerbstätigkeit festzustellen.

Im Osten ist eine anhaltend hohe Erwerbsneigung zu konstatieren. Eine Reduzierung des Erwerbspersonenpotentials ist kaum zu erwarten. Die Hoffnung, dass sich gerade Frauen vom Arbeitsmarkt zurückziehen, hat sich nicht erfüllt.

Man kann davon ausgehen, dass als Folge der hohen Produktivitätssteigerungen die Anzahl der Arbeitsplätze in Ostdeutschland nicht zunehmen wird, so dass ein starkes wirtschaftliches Wachstum kaum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben wird. Daraus wird deutlich, dass verschiedene beschäftigungspolitische Anstrengungen miteinander verbunden werden müssen. Die Wachstums-, Struktur- und Industriepolitik muss verbunden werden mit den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik.

Soziale Folgen des Transformationsprozesses

Durch die anhaltend hohe Erwerbsneigung und durchschnittliche Erwerbstätigenquote in Ostdeutschland sind die strukturellen Voraussetzungen für einen harten Verteilungskampf um die Arbeitsplätze gegeben. Diesen bekommen besonders ältere Arbeitnehmer und Frauen zu spüren. Frauen sind im Arbeitslosenbestand überproportional vertreten und im Durchschnitt länger arbeitslos als Männer.

Vor allem für Frauen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwieriger geworden. Die Kinderbetreuung bedeutet ein starkes Handicap bei der Einstellung. Diese Verhältnisse finden ihren Ausdruck in den drastisch veränderten Geburtenraten in Ostdeutschland. Die Geburtenrate in Ostdeutschland hat sich an das westdeutsche Verhaltensmuster angeglichen.

Eine negative Begleiterscheinung der anhaltenden Unterbeschäftigung ist die sich herausbildende Langzeitarbeitslosigkeit. Die 1995 offiziell ausgewiesene Zahl der Langzeitar-beitslosen bei 34 vH gibt dabei nicht die Realität wieder. Dort erscheinen nur die, die wirklich ein Jahr arbeitslos gemeldet waren. Typisch für Ostdeutschland sind jedoch Unterbrechungen der gemeldeten Arbeitslosigkeit durch Teilnahme an Beschäftigungs-, Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen. Außerdem führen selbst krankheitsbedingte Unterbrechungen zu einer Verringerung der Langzeitarbeitslosenquote. Ignoriert man solche Unterbrechungen, so liegt die Quote der Langzeitarbeitslosen bei 50 vH.

Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit ist, dass sie einmal zu einem Verlust des Selbstwert-gefühles führt und zum anderen in einen Dequalifizierungsprozeß. Je länger man arbeitslos ist, desto schwieriger wird es, einen neuen Arbeitsplatz zu bekommen.

"Während auf der einen Seite der Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft und ein damit einhergehender massiver Abbau von Arbeitsplätzen in Kauf genommen wurden, hat auf der anderen Seite das politische Versprechen, mit der Einführung der Marktwirtschaft und der staatsrechtlichen Vereinigung werde es einen zügigen Angleich an den Einkommens- und Lebensstand des Westens geben, die Form der Einigung als totale Anpassung überhaupt erst möglich gemacht". (Bäcker, 1995, S. 310)

Dies führte zu einem Gegensatz zwischen der geringen Leistungskraft der ostdeutschen Wirtschaft und den steigenden Einkommens- und Konsumansprüchen der ostdeutschen Bevölkerung. So kam es zu einer Entkoppelung zwischen dem Niveau der Produktion und Beschäftigung und dem Niveau des Konsums. Dadurch wurde die Zahlung von Transfers und Sozialleistungen zur Anpassung der Einkommen notwendig. Aber durch die Transformationskrise sind Steuer - und Beitragskraft im Osten gering. Deshalb müssen diese Leistungen im Westen durch Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Kreditaufnahme aufgebracht und in den Osten transferiert werden.

Die sozialen Konsequenzen der Transformation fallen in Ostdeutschland gespalten aus. Auf der einen Seite kam es durch die zügige Erhöhung der Tariflöhne zu einer Verbesserung der durchschnittlich verfügbaren Einkommen. Auf der anderen Seite jedoch ist die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft Ostdeutschlands für viele Menschen mit massiven sozialen Problemen verbunden. Diese reichen bis hin zur dauerhaften Marginalisierung und Ausgrenzung.

In der DDR herrschte weitgehend eine soziale Gleichheit auf der Basis eines bescheidenen Lebensstandards. Nun geht die Entwicklung hin zu einer bislang unbekannten Differenzierung von Einkommen, Lebenschancen und -risiken. Das soziale Leistungssystem, aus West-deutschland übernommen, kann diese Entwicklung nicht stoppen, sondern wirkt aufgrund seiner Leistungsprinzipien eher problemverschärfend.

Mit der Übertragung der Strukturen und Prinzipien des sozialen Sicherungssystems auf Ostdeutschland folgte auch das Problem der anwachsenden Armut und Sozialhilfebedürftigkeit. Zu den besonders armutsgefährdeten Gruppen zählen die Langzeitarbeitslosen und alleinerziehende Mütter. "Die verfügbaren Daten der Sozialhilfestatistik weisen aus, dass die Empfängerzahlen von Sozialhilfe in den neuen Bundesländern deutlich ansteigen. Im Verlauf des Jahres 1992 (Ende 1992) erhielten insgesamt 440.000 (290.000) Personen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen, das sind etwa ein Drittel mehr als im Vorjahr". (Bäcker, 1995, S. 323) Man geht außerdem davon aus, dass es eine hohe "Dunkelziffer der Armut" gibt, da viele Menschen, die Anspruch auf Sozialhilfe hätten, keinen entsprechenden Antrag stellen. Gründe dafür sind Angst, Unkenntnis und Behördenwillkür.

Schlußbemerkungen

Als bisherige Bilanz des Transformationsprozesses ist eine Deindustrialisierung der ostdeutschen Wirtschaft, ein enormer Beschäftigungsabbau und eine strukturelle Abhängigkeit Ostdeutschlands von Transfers aus Westdeutschland zu konstatieren.

Die Abhängigkeit Ostdeutschlands von Transfers aus Westdeutschland zeigt ein Dilemma auf. Für eine sich selbst tragende wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands sind weniger Bezüge aus und mehr Lieferungen von Gütern und Dienstleistungen nach Westdeutschland nötig. Dadurch würde das Wirtschaftswachstum in Westdeutschland gebremst. Andererseits braucht Ostdeutschland weiterhin Transfers aus dem Westen und damit Wirtschaftswachstum in Westdeutschland.

Als entscheidende ökonomische Ursache der Fehlentwicklung ist die schnelle Währungsunion mit den gewählten Umtauschkursen von DDR-Mark in DM anzusehen. Dies bedeutete eine faktische Aufwertung der DDR-Mark um mehr als das dreifache, was den ökonomischen Daten widersprach. Die gewählten Umtauschkurse waren jedoch politisch notwendig, um eine massive Abwanderung der ostdeutschen Bevölkerung nach Westdeutschland zu verhindern.

Nur mit dem politischen Versprechen, mit der Einführung der Marktwirtschaft und der staatlichen Vereinigung die Einkommens- und Lebensverhältnisse in Ostdeutschland schnell an die Westdeutschlands anzugleichen, war die Form der Einigung als totale Anpassung überhaupt erst möglich.

Es wurde deutlich, dass sowohl in Ost- wie auch in Westdeutschland die Ausgangslage der ostdeutschen Wirtschaft für den Transformationsprozeß und damit auch die Kosten der Einheit falsch eingeschätzt wurden. Erst nach der Vereinigung konnte man den Zustand der ostdeutschen Wirtschaft real einschätzen.

An diesem Punkt hätte die Wirtschaftspolitik ansetzen müssen mit einer umfassenden Bestandsaufnahme der ostdeutschen Wirtschaft und ihrem Zustand. Darauf aufbauend wären die wirtschaftspolitischen Ziele des Transformationsprozesses zu formulieren gewesen, z. B. die anzustrebende Struktur der ostdeutschen Wirtschaft, die Herstellung der Wettbewerbs-fähigkeit der ostdeutschen Betriebe, der Erhalt der Potentiale der ostdeutschen Wirtschaft unter Berücksichtigung struktureller, regionaler und sozialer Gesichtspunkte. Mit den ökonomischen Ausgangsbedingungen und den formulierten Zielen wäre es möglich gewesen, wirtschaftpolitische Strategien und Instrumentarien zu entwickeln und anzuwenden, um den Transformationsprozeß entsprechend den zu erreichenden Zielen erfolgreich zu gestalten. Dabei muss und kann dies kein Prozeß sein, der mit den einmal entwickelten Strategien die Ziele erreichen kann. Vielmehr sind die wirtschaftspolitischen Strategien und Instrumentarien entsprechend ihrer Wirkung und Wirksamkeit während des Prozesses zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen und zu ändern.

Diese Vorgehensweise ist erforderlich, da die ostdeutsche Wirtschaft ein komplexes und offenes System ist. Zudem sind auch andere als wirtschaftliche Faktoren von Bedeutung - die Währungsunion mit den gewählten Umtauschkursen zeigte, dass unter Umständen politische Notwendigkeiten den wirtschaftlichen vorgezogen werden.

Die genannten Bedingungen machen deutlich, dass eine strategisch orientierte Wirtschafts-politik, die während des Transformationsprozesses überprüft und, falls notwendig, angepaßt und geändert wird, notwendig gewesen wäre, um den Transformationsprozeß der ostdeutschen Wirtschaft erfolgreich zu gestalten.

Es zeigte sich jedoch im Verlaufe der Einheit, dass es nur darum ging, das System der Markt-wirtschaft in Ostdeutschland zu installieren. Für den Transformationsprozeß sollte es genügen, die Rahmenbedingungen zu setzen und eine Anschubfinanzierung zu geben. Man vertraute auf die Kräfte des Marktes. Wirtschaftspolitische Maßnahmen wurden nicht, oder nur unzurei-chend und zu spät eingesetzt.

So haben die Bundesregierung, ihre Wirtschaftpolitik und die Treuhandanstalt als zentraler Akteur des Transformationsprozesses entscheidend zur derzeitigen Situation in Ostdeutsch-land beigetragen.

Verwendete Literatur

Bäcker, G., Sozialpolitische Probleme der deutschen Einigung, in: Nolte, D., Sitte, R., Wagner, A. (Hrsg. ), Wirtschaftliche und soziale Einheit Deutschlands. Eine Bilanz, Köln, 1995.

Boje, J., Schneider, H., Der Umbruch am ostdeutschen Arbeitsmarkt, in: Pohl, R. (Hrsg. ), Herausforderung Ostdeutschland. Fünf Jahre Währungs-, Wirtschafts- und Sozial- union, Lüdenscheid, 1995.

Hickel, R., Priewe, J., Nach dem Fehlstart. Ökonomische Perspektiven der deutschen Eini- gung. Frankfurt/Main, 1994.

Köhler, C., Die Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft: Die Rolle der Treuhandanstalt, in: Pohl, R. (Hrsg. ), Herausforderung Ostdeutschland. Fünf Jahre Währungs-, Wirt- schafts - und Sozialunion, Lüdenscheid, 1995.

Nolte, D., Politik der Treuhandanstalt, in: Nolte, D., Sitte, R., Wagner, A. (Hrsg. ), Wirt- schaftliche und soziale Einheit Deutschlands. Eine Bilanz, Köln, 1995.

Nolte, D., Sitte, R., Aufschwung Ost: Bilanz und Ausblick, in: Nolte, D., Sitte, R., Wagner, A., (Hrsg. ), Wirtschaftliche und soziale Einheit Deutschlands. Eine Bilanz, Köln, 1995.

Pohl, R., Die Entfaltung einer Marktwirtschaft - Die ostdeutsche Wirtschaft fünf Jahre nach der Währungsunion -, in: Pohl, R. (Hrsg. ), Herausforderung Ostdeutschland. Fünf Jahre Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, Lüdenscheid, 1995.

Wagner, A., Der ostdeutsche Arbeitsmarkt im Transformationsprozeß, in: Nolte, D., Sitte, R., Wagner, A. (Hrsg. ), Wirtschaftliche und soziale Einheit Deutschlands. Eine Bilanz,

Köln, 1995.

Ziegler, A., Regionale Transformation. Konzepte und Zwischenergebnisse einer dezentralen Wirtschaftspolitik in Ostdeutschland, in: Nolte, D., Sitte, R., Wagner, A. (Hrsg. ),

Wirtschaftliche und soziale Einheit Deutschlands. Eine Bilanz, Köln, 1995.

6610 Worte in "deutsch"  als "hilfreich"  bewertet