Schäden der Petersdomkuppel

Diese Hausarbeit befaßt sich mit den sichtbaren Schäden der Petersdomkuppel, die 1742 und 1743 Grund zu einer statischen Untersuchung waren. Dabei werden die Gutachten von Tommasso Le Seur, Francesco Jacquier, Ruggiero Guiseppe Boscovich und Giovanni Poleni, sowie die zugrunde liegenden statischen Modelle und Lehrsätze erläutert.

- Allgemeine Einführung zur Petersdomkuppel

- Michelangelos Kuppel

- Die statische Untersuchung von Ruggiero Guiseppe Boscovich, Tommasso Le Seur und Francesco Jaqcuier

- Virtuelle Verschiebung

- Behebung der Schäden

- Das Gutachten von Giovanni Poleni

- Die Stützlinie

- Die Rolle der vier Baumeister an der Schwelle des modernen Bauingenieurwesens

Allgemeine Einführung zur Petersdomkuppel

Die Geschichte des Petersdoms geht geschichtlich zurück bis in das vierte Jahrhundert. Der erste Bau wurde jedoch zu Gunsten des Neubaus im 15 Jahrhundert wieder abgerissen. Dort beginnt die Geschichte des modernen Petersdoms, der unter der Mitarbeit verschiedener Baumeister errichtet wurde. Donato Bramante war der erste, der eine Kuppel für den Petersdom plante, die aber gravierende technische Mängel hatten, dass sie nie gebaut wurde. Es folgten weitere Baumeister mit Plänen zur Kuppel, die aber alle wiederum Mängel aufwiesen, dass sie ebenfalls nicht gebaut wurden.

1547 wurde Michelangelo zum Chefbaumeister berufen und änderte die vorhandenen Pläne umfassend.[[]1]

Michelangelos Kuppel

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern reduzierte Michelangelo die Anzahl der radial gestellten Strebepfeiler auf 16 Stück und er sah eine Doppelkugel vor, bei der jede Schale jeweils aus 16 tragenden Rippen und zwei dünnen Ziegelschalen bestand. Um die Belastung auf den Tambour zu reduzieren hat er die äußere Kuppelschale bei weitem steiler geplant, als die innere Schale, die eine Halbkugel sein sollte.

Bei Bau der Kuppel wurde die Kuppelbasis erhöht und die Kuppel selbst wurde noch elliptischer, wodurch das Tragverhalten positiv beeinflußt wurde.

Jede der oberhalb der Strebepfeiler gelagerten Rippen übernahm das Gewicht der Laterne und die durch die inneren und äußeren Schalen abgeleiteten Windkräfte und das Eigengewicht der Konstruktion die dann über den Tambour abgeleitet wurden. Dadurch entstanden im unteren Teil der Kuppel Ringzugkräfte die aber im Verlauf des Baues durch eine noch steilere Form geringer ausfielen als in Michelangelos Plänen.

Horizontalschübe wurden über die Strebepfeiler und den Mauerring des Tambours abgetragen.

Eine weitere günstige Beeinflussung des Tragverhaltens wurde durch die Verringerung der Dicke der äußeren Schale um ein Drittel und durch Verjüngung der inneren Schale hin zur Laterne erreicht. Durch diese Maßnahme wurde der Schwertpunkt verlegt und die Stützlinie konnte weiter innen verlaufen. So führte die steilere Kuppelform, trotz des höheren Eigengewichts der Kuppel und die dadurch entstandenen Massenkonzentration, dazu, dass auch die Stützlinie steiler wurde und so innerhalb des Mauerwerks laufen sollte.

Die verwendeten Materialien waren beim Tambour und an der Außenseite der Ringwand Travertinquader bzw. -platten und die Ringwand selbst wurde mit Bruchsteinen gemauert.

Die Rippen der Kuppel verjüngten sich in Richtung des Scheitels, nahmen aber radial an Dicke zu, um die Hohlräume zwischen den Schalen auszufüllen, die durch die unterschiedliche Form bedingt waren.

Trotz der eingebauten drei Ringanker, die einige Jahre später schon defekt aufgefunden worden sind, wurde 1631 bereits von Rissen an der Kuppel berichtet.[[]1][[]2]

Die statische Untersuchung von Ruggiero Guiseppe Boscovich, Tommasso Le Seur und Francesco Jacquier

1742 und 1743 wurden die drei Wissenschaftler Boscovich, Le Seur und Jacquier beauftragt ein Gutachten über die baulichen Schäden zu erstellen und Vorschläge zu deren Behebung zu machen.

Die drei bemerkten zuerst, dass es sich bei der Petersdomkuppel um ein einzigartiges Bauwerk handelt, bei dem die Situation nicht ohne Zuhilfenahme von theoretisch mathematischen Überlegungen möglich ist.

Der erste Arbeitsschritt der drei Wissenschaftler war die Darstellung von Aufbau und Abmessung in der die eigentlichen Schäden und Risse aufgeführt wurden.

Mögliche andere Verursacher der Schäden wie zum Beispiel Setzungen der Fundamente oder Schwächungen der Kuppelpfeiler durch Nischen und Treppenschächte wurden als unbegründet verforfen und das Nachgeben des Kämpferrings der Kuppel als Ursache beschrieben.

Um zu beweisen, dass die drei Zugringe, die in die Kuppel gebaut wurden nicht ausreichen, musste der Wert des Horizontalschubs errechnet werden und mit der Lastaufnahme der Anker verglichen werden. [[]1][[]2]

Virtuelle Verschiebung

In einem graphischen Schema wurde die Bewegung anhand der vorhandenen Risse rekonstruiert, wobei die Risse als Bewegungsfugen und die dazugehörigen Endpunkte als Gelenke betrachtet wurden. Um diese angeblichen Gelenke sollten sich die als starr angenommenen Mauerwerksteile gedreht haben, sofern sie nicht schon gerissen waren. Mit Hilfe einer Arbeitsgleichung verbanden sie die Arbeit der schweren Massen, die sich hoben oder senkten, genau wie die Widerlager zu Beginn der Kippbewegung, mit der noch unklaren Formänderungsarbeit der Zugringe, die sich auch horizontal dehnten. Aus dieser vereinfachten grafischen Darstellung ergab sich das Verhältnis der gegenseitigen Verschiebungsweise durch geometrische Berechnungen.

Diese Rechnung hatte einige schwerwiegende Mängel. So wurde fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Mauerteile zwischen den Rissen starre Körper sind. Obwohl sie die einzelnen Gewichte der Bauteile mit Hilfe ihres Wissens über die Baustoffe exakt bestimmt haben verwechselten sie die Begriffe von virtueller und elastischer Verschiebung. Dies basierte auf ihrem Unwissen über Elastizität, das sich auf das Wissen der Ausdehnung des Eisens bei Wärmeeinstrahlung beschränkte. Eine weitere Dehnung der Ankerringe wurde erklärt durch die Auswirkung des Schubs auf die Anker, dabei wurde jedoch die entgegengesetzte Kraft der Ringe als konstante Kraft behandelt. Diese Kraft wurde mit dem Widerstand der Strebepfeiler summiert und so habe sie eine unzulässige Beziehung zwischen einer elastischen und einer statischen Größe gesetzt.[[]1][[]2]

Behebung der Schäden

Um weitere Risse in der Kuppel zu verhindern schlugen die drei vor, weitere Ankerringe einzubauen, damit der Fehlbetrag des Horizontalwiderstandes aufgenommen werden kann.

Das Gewicht der Laterne und der Kuppel und der daraus resultierende totale Schub auf den Kämpferring berechnete sich wie folgt:

Schub H = [Sigma] G * v/h,

wobei G die Gewichte der einzelnen Massen sind, v die Senkung ihrer Schwerpunkte beschreibt und h die Horizontalverschiebung des Kämpferringes meint. Der dem Schub H entgegengesetzte Widerstand ist eine Kombination des Widerstandes gegen Kippen der Massen des Tambours und der Strebepfeiler und des Widerstandes der vorhandenen Eisenringe, den man mit Hilfe von bekannten Werten berechnen konnte.

Ebenfalls musste die Höhenlage der Ringe und die Beziehung zwischen Radialdruck p und Längszugkraft Z im Ring berücksichtigt werden.

Z=pr=H/2[pi]

Auf diese Weise wurde ein Fehlbetrag von etwa 3 Millionen römischen Pfund (1100 t) an Horizontalschub auf Kämpferhöhe ermittelt. Inklusive Sicherheitskoeffizient, sollte durch den empfohlenen weiteren Einbau von Ankerringen das Defizit kompensiert werden.

Bei der Ermittlung des Horizontalschubs gingen Boscovich, Le Seur und Jacquier von Extremwerten aus, in dem sie ungünstige, sonst nicht vorkommende Aspekte berücksichtigten und ihnen große Bedeutung zusprachen.[1]

Das Gutachten von Giovanni Poleni

1743 wurde ein weiteres Gutachten zu den Bauschäden an der Kuppel von Giovanni Poleni eingefordert. Dieser beschränkte sich erst einmal darauf, die vorhandenen Schäden durch äußere Einflüsse wie Erdbeben oder Blitzeinschläge. Ebenso stellt er innere Einflüsse fest, die durch eine ungleichmäßige Verteilung des Gewichts auf den Tambour und die angelehnten Strebepfeiler zu ungleichmäßigen Setzungen geführt haben, die dann wiederum der Auslöser für die Risse waren.

Poleni stimmte in einem Punkt den drei Mathematikern zu, dass zur Stabilisierung weitere Zugringe eingebaut werden müssen.[[]1]

Die Stützlinie

"Ut pendet continuum flexile, sic stabit contigum rigidum inversum[2]", wie die biegeschlaffe Linie hängt, so wird umgekehrt das stabile Gewölbe stehen.

Nach diesem Prinzip führte Poleni Untersuchungen an der Kuppel durch, indem er die einzelnen Gewölbeteile zu einem mechanisch und geometrisch identischen labilen Kugelsystem formte, und durch die Verbindung der Kugelschwerpunkt, die er als Gelenke auffaßte, erhielt er ein sechsfach kinematisch unbestimmtes Gelenksystem. Diese Art der Darstellung war nicht identisch mit dem fünffach kinetischen Gelenksystem, durch die Verbindung mit Stäben entsteht., da diese keine Gleichgewichtskonfiguration darstellen.

Praktisch reduzierte er die Kuppel auf die durch Meridiane begrenzte Kuppelkalotten identischer Geometrie. Dies konnte er tun, da im unteren Bereich Zugkräfte auftreten, die für nicht zugfestes Material zur Rißbildung an der Meridianlinie führen.

Anhand der dargestellten Kugeln verdeutlichte Poleni die Gewichtsanteile der einzelnen Gewölbeabschnitte inklusive des Laternenaufsatzes. Diese Kugeln wiederum verband er untereinander gelenkig. Eine statische Bestimmung erreichte Poleni durch Knicke in der Gewichtskonfiguration an den unterschiedlich großen Kugeln, die er durch die Schwerachse der Scheitelfuge und der zwei Kämpferfugen leitete. So konnte Poleni beweisen, dass das Seilpolygon ganz im Gewölbeprofil verläuft.

Polenis gewähltes Seilpolygon stellt eine stabile Gleichgewichtskonfiguration für den gegebenen Kräftezustand dar, deshalb ist die Kuppel stabil.

Mit seinen Experimenten hat Poleni bewiesen, dass die tatsächliche Lastverteilung die Kuppel günstiger beansprucht, als wenn es eine gleichmäßige Lastverteilung gäbe.[[]1] [[]2]

Die Rolle der vier Baumeiter an der Schwelle zum modernen Bauingenieurwesen

Die Arbeiten an der Kuppel sind ein Beispiel von fortschreitendem Verständnis von Tragfähigkeiten und Statik. Jedoch mussten sich besonders Boscovich, Jacquier und Le Seur immer wieder rechtfertigen und entschuldigen, da sie auf scharfe Kritik der Praktiker stießen. Diese machten ihnen den Gebrauch der Mathematik und Mechanik zum Vorwurf, denn die Kuppel sei ja auch ohne dieses Wissen gebaut worden und sie warfen ihnen Mißbrauch der Wissenschaft vor.

Mit gewisser Berechtigung hatte der Einwand, dass die Kuppel mit solch einem Lastabtragungsdefizit doch schon längst hätte einstürzen müssen. Jedoch muss man sehen, dass die drei von einem Maximum ausgegangen sind, da sie für ihre Berechnungen extreme, in der Wirklichkeit nicht vorkommende ungünstige Werte verwendet haben. Auf diesen Umstand wurde nicht ausreichend hingewiesen und konnte so die Skepsis der Praktiker nicht verringern.

Entsprechend dem Aufklärungsgedanken gewinnt die Wissenschaft, in diesem Fall das statische Verhalten von Gebäuden, eine zunehmend wichtigere Rolle. Streng nach architektonischem Gefühl zu bauen reichte den Wissenschaftlern insofern nicht mehr, als das zum einen das Interesse an statischen Berechnungen vorhanden war, als auch die Grundlagen der Statik mittlerweile an einem verwertbaren Punkt angelangt waren und von jedem verwendet werden konnten.

Allen vier Ingenieuren war gemein, dass sie den Übergang vom handwerklich - gewohnheitsmäßigen Bauen zur wissenschaftlich fundierten Bauingenieurkunst

Begründet haben. So konnte von nun an ein Bauwerk nicht mehr nur nach Erfahrungswerten gebaut werden, sondern von vornherein gleich mit den Mitteln der Wissenschaft das Tragverhalten und die Standfestigkeit berechnet werden.

Es spielt im Eigentlichen auch keine Rolle, dass die Gutachten konstruiert und einseitig waren und die Rechnungen auch nicht einwandfrei durchgeführt wurden. Entscheidend ist die Methode der Problemlösung, die zu einem Umdenken in der Architektur- und Ingenieurkunst geführt hat.

Literaturverzeichnis

[1] Straub, H. und Halasz, R.., Die Bautechnik, Heft 4, 37. Jahrgang,, 1960, Die

Geschichte des Bauingenieurwesens

[2] Kurrer, K.E., Die Bautechnik, 68, Heft 4, 1991 Zur Entstehung der Stützlinientheorie

[3]Conrad, D. und Hänseroth, T., Die Bautechnik, 70, Heft 3, 1993, Die Geburtsstunde

des modernen Bauingenieurwesens vor 250 Jahren und ihre Vorgeschichte

[4] Straub, H., Die Geschichte der Bauingenieurkunst, Birkhäuser-Verlag,

[5] Robert, M., Vom Fundament zum Deckengewölbe, Birkhäuser-Verlag, Basel, 1995

[6] Heinle, E. und Schlaich, J., Kuppeln aller Zeiten - aller Kulturen, Deutsche

Verlags-Anstalt, 1996

[7] J. Heyman, Coulomb's Memoir on Statics Cambridge: Cambridge University Press, 1972

[[1]] Erich Heinle, Jörg Schlaich, Kuppeln aller Zeiten, Die Kuppel von St. Peter in Rom

[[1]] Erich Heinle, Jörg Schlaich, Kuppeln aller Zeiten, Die Kuppel von St. Peter in Rom

[[2]] Robert, Mark, Vom Fundament zum Deckengewölbe, Kapitel 4 Renaissance

[[1]] Hans Straub, v.Halasz, Die Bautechnik, 37. Jahrgang, Heft IV, Zur Geschichte des

Bauingenieurwesens

[[2]] Dietrich Conrad, Thomas Hänsenroth, Die Bautechnik, 70, Die Geburtsstunde des modernen

Bauingenieurwesens vor 250 Jahren und ihre Vorgeschichte

[[1]] Hans Straub, Die Bautechnik, 37. Jahrgang, Heft IV, Zur Geschichte des Bauingenieurwesens

[[2]] Hans Straub, Die Geschichte der Bauingenieurkunst, Vom Werden Des Bauingenieurs,

Anwendung der Statik auf praktische Bauaufgaben: Statische Untersuchung der Peterskuppel in

Rom Polemik zwischen Theoretikern und Praktikern

[[1]] Hans Straub, Die Bautechnik, 37. Jahrgang, Heft IV, Zur Geschichte des Bauingenieurwesens

[2] J. Heyman, Coulomb's Memoir on Statics

[[1]] Karl -Eugen Kurrer, Bautechnik 68, Heft IV, Zur Entstehung der Stützlinientheorie

[[2]] Erich Heinle, Jörg Schlaich, Kuppeln aller Zeiten, Die Kuppel von St. Peter in Rom

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