Gentechnik

Gliederung:

1 Einleitende Bemerkungen

2 Was ist Gentechnik?

2.1 Begriffsdefinition

2.2 Gen- und Biotechnik

3 Chronik der Gentechnik

4 Exkurs: Genetik

5 Methoden und Anwendungsbereiche der Gentechnik (Bsp.: Herstellung

von Human-Insulin)

6 Risiken der Gentechnik

7 Schlußbemerkungen

1 Einleitende Bemerkungen

Kaum ein anderes Gebiet der Naturwissenschaften hat die Phantasie der

Öffentlichkeit so stimuliert wie die Gentechnologie. Als sich 1975

in Asilomar (Kalifornien) Molekularbiologen zum ersten öffentlichen

Auftritt der Gentechnologie versammelten war dies nicht wie üblich

ein Anpreisen neuer Techniken, sondern eine von hoher Verantwortung getragene

Warnung vor möglichen Folgen.

Die Diskussion über mögliche Risiken und phantastische Umweltkatastrophen

hält bei uns in der Bundesrepublik bis heute an und beherrscht das

öffentliche Bewußtsein. Es ist Zeit, dass auch die Menschen

in Deutschland die Augen öffnen Man macht sich selten Gedanken über

die positiven Aspekte des neuen Wissenschaftszweiges. Grund genug für

mich über dieses Thema zu referieren.

2 Was ist Gentechnik

2.1 Begriffsdefinition

Unter Gentechnik, auch Gentechnologie faßt man sämtliche

Erkenntnisse zu Untersuchung und Manipulation von Erbgut zusammen.

Auszugrenzen sind folgende Themenkreise: Insemination (künstliche

Befruchtung), Embryotransfer und Klonierung (identische Vervielfältigung

von Zellen und Organismen), da keine Veränderungen am genetischen

Material stattfinden. "Dolly" hat nichts mit Gentechnik zu tun!

Das älteste Gebiet dessen, was wir heute Gentechnik nennen, ist

die Pflanzen- und Tierzüchtung. Solange der Mensch seßhaft ist,

hat er durch konsequente Selektion versucht, die ihm geeignet erscheinenden

Nutzpflanzen und Nutztiere herauszuzüchten. Durch die Gentechnik ist

er hier nicht mehr an die Maxime der Zucht "Ausprobieren und auf Erfolg

hoffen" gebunden, sondern kann die Selektion aktiv in bestimmte Richtungen

lenken und beschleunigen.

2.2 Gen- und Biotechnik

Gen- und Biotechnik werden oftmals gleichgesetzt, doch meinen die Begriffe

längst nicht dasselbe:

Biotechnik soll den Stoffwechsel, die biologischen Fähigkeiten

zumeist einfacher Lebewesen technisch ausnutzen. Auf diese Weise werden

schon seit Jahrtausenden Substanzen in Bakterien und Hefen hergestellt.

Einfachste Beispiele sind die Gärung von Bier oder Verwendung von

Backhefen.

Gentechnik ist der Biotechnik vorgelagert: War die Biotechnik bislang

auf die natürlichen Eigenschaften von Organismen angewiesen, so eröffnet

die Gentechnik ihr neue Wege. Gentechnisch veränderte Bakterien können

bakterienfremde Eiweiße wie z.B. das menschliche Hormon Insulin produzieren.

Die Gentechnik kreiert also Lebewesen mit neuen Eigenschaften, die dann

biotechnisch ausgenützt werden können.

3 Chronik der Gentechnik

um 1750 Kreuzungs- und variationsstatistische Untersuchungen an Tieren

und Pflanzen

1865 Mendel formuliert seine Vererbungsgesetze, die Grundlage der klassischen

Genetik

1869 Miescher entdeckt Nukleinsäuren in den Zellkernen von Leukozyten

(weiße Blutkörperchen)

1875 Hertwig erkennt, dass der Zellkern Träger des Erbgutes

ist

1883 Roux und Weismann vermuten in Chromosomen Träger der Vererbung

1902/04 Sutton und Boverle stellen die Chromosomentheorie auf, die

macht Mendelschen Gesetze kausal verständlich

1944 Avery, Mac Leod und McCarty zeigen, dass die Desoxyribonukleinsäure

Erbinformationen speichert

1953 Watson und Crick erkennen Doppelhelixstruktur der DNA

1961 Nirenberg und Ochoa entschlüsseln die Transkription

1971 Arber, Smith und Nathans (Schweiz/USA) entdecken die Restriktionsenzyme,

wichtige Instrumente der Gentechnik, erhalten 78 Nobelpreis

1972 Berg gelingt die Ãœbertragung eines Bakteriengens in ein Virus

1978 Goodman, Rutter, Gilbert u. a. gelingt die Synthese von Ratten-Insulin

in Bakterien (Insulin: Hormon, dass für Zuckerhaushalt zuständig

ist, Diabetikern fehlt es, wird heute größtenteils gentechnisch

hergestellt)

ab 79 neue Erkenntnisse in der Tumorgenetik (Bishop, Weinberg, Wigler,

Barbacid u.a.)

ab 82 Methoden zur Genübertragung in tierische Organismen mit

Hilfe von Retroviren (Palmiter, Brinster u.a.)

seitdem zahlreiche neue Entdeckungen

4 Exkurs: Genetik

An dieser Stelle ist ein kleiner Exkurs in die Genetik erforderlich,

zur Auffrischung der Kenntnisse.

Jede individuelle Form des Lebens wird von spezifischen, individuellen

Proteinen gesteuert. Proteine sind hochmolekulare Eiweißkörper,

die aus Aminosäueren aufgebaut sind. Sie bestimmen u.a. als Enzyme,

Hormone oder Rezeptoren sämtliche Vorgänge des Lebens. Sie sind

die Träger des Lebens.

Die Natur kommt mit 20 Aminosäuren aus. Die Sequenz (Anordnung)

der Aminosäuren im Makromolekül (Großmolekül) weist

den Proteinen ihre ihnen bestimmte Funktion zu. Im menschlichen Organismus

rechnet man mit ca. 50 000 Proteinen, rund 500 davon sind bekannt. Alle

Lebewesen, jede Art und innerhalb jeder Art jedes Individuum verfügen

über nur für sie selbst charakteristische Proteine.

Jeder lebende Organismus, vom Einzeller bis zum höchstentwickelten

Warmblüter, dem Menschen, hat ungeheure Leistungen zu vollbringen:

1. Die Speicherung und Verschlüsselung der Informationsmenge

(von 50 000 Proteinen beim Menschen, wobei jedes Protein aus tausenden

Aminosäuren bestimmter Sequenz bestimmt)

2. Die immer wieder identische Reproduktion dieser Informationen.

Im Zellkern jeder Körperzelle befindet sich wie wir alle wissen,

der paarweise angeordnete Chromosomensatz, der genetische Gesamtspeicher

aller Informationen, die unser Leben biologisch ausmachen. Im Chromosom

befindet sich ein langkettiges Makromolekül von Desoxyribonukleinsäure

(DNS o. engl. DNA). Es bildet die bekannte DNA-Doppelhelix, die etwa die

Form einer wendelförmig gedrehten Strickleiter hat. Der Begriff Gen,

von dem es übrigens mehrere Definitionen gibt, die alle ihre Berechtigung

haben, steht in unserem Kreis für einen Abschnitt von Basenpaaren

(kleinste Informationseinheit aus Adenin und Thymin oder Cytosin und Guanin)

auf dem DNA-Strang, der für die Bildung eines Proteins verantwortlich

ist, wobei drei Basenpaare jeweils eine Aminosäure bestimmen.

Für jedes Lebewesen der 1,6 Mio Arten auf Erden gilt dieses Prinzip,

- und das seit Milliarden Jahren - es ist also universell!

Auf den chemischen Aufbau der DNA möchte ich hier nicht weiter

eingehen, das würde den Rahmen dieses Referats sprengen. Einige Größenordnungen:

ca. 1000 Basenpaare ergeben ein Gen (variiert), die menschliche DNA umfaßt

ca. 3 Mrd Basenpaare.

Mit diesem System ist die Natur in der Lage mit wenig Aufwand die ungeheure

Vielfalt von genetischen Informationen zu speichern.

Als nächstes muss erklärt wie diese Informationsmenge

immer wieder identisch reproduziert werden kann, und zwar einmal zur Erhaltung

der Art innerhalb des Einzelorganismus (bei Bildung neuer Zellen) und bei

der Vererbung - zum Anderen zur Vereinheitlichung der Lebensvorgänge

innerhalb eines Individuums durch Steuerung über wieder identisch

reproduzierte Proteine (sprich: das Auslesen und Benutzen der Informationen).

Der erste Fall ist denkbar einfach: Stellen wir uns die Doppelhelix

als Reißverschluß vor, so geschieht bei der Zellteilung, die

ja zu 2 neuen Zellen mit 2 neuen Zellkernen und 2 neuen Genomen führt,

folgendes: Die Basenpaare öffnen sich wie die Zähne des Reißverschlusses

und an jedem Zahn der DNA-Stranges lagert sich sofort aus dem im Zellkern

vorhandenen Lager von freien Basen (hier auch: Nukleotid Adenin, Thymin

oder Cytosin, Guanin) das entsprechende, komplementäre Nukleotid an.

Jeder Reißverschlußstrang hat sich sofort wieder zu einem neuen,

vollständigen Reißverschluß ergänzt, der mit dem

ursprünglichen identisch ist. Dieser Vorgang ist universell, vom Embryo

bis zur Regeneration von Gewebezellen.

Bleibt noch der zweite Fall, das "Auslesen" oder Transkription der

DNA:

Dieser Prinzip gleicht dem der Verdoppelung der DNA. Der für den

Aufbau des Proteins zuständige Teil der DNA wird abgeschrieben, diesmal

aber nicht mit Nukleotiden der DNA, sondern mit Nukleotiden der RNA (Ribonukleinsäure,

die als Zuckeranteil Ribose enthält). Der Reißverschluß

öffnet sich an der bestimmten Stelle, wird von RNA-Nukleotiden abgeschrieben,

die RNA-Abschrift löst sich und die DNA schließt sich wieder.

Das entstandene Molekül wird Boten-RNA bezeichnet und kann den Zellkern

verlassen und wird im Cytoplasma der Zelle weiterverarbeitet und das Protein

wird gebildet. Der Vorgang dauert nur wenige Sekunden. Soviel zur Genetik.

5 Methoden und Anwendungsbereiche der Gentechnik

Das Paradebeispiel schlechthin für genetische Methoden ist die

Produktion von menschlichem Insulin (Hormon, das den Zuckerhaushalt im

Körper reguliert; Diabetiker können es nicht produzieren) mit

Hilfe von genmanipulierten Bakterien.

Die Vorgangsweise möchte ich hier kurz schildern:

Als erstes muss man die DNA, die für die Produktion von Insulin

verantwortlich ist isolieren. Hier sind zwei Möglichkeiten bekannt:

Entweder man lässt die gesamte DNA isoliern, mit Restriktionsenzymen

zerstückeln und diese Stücke in Plasmide einfügen. Die Plasmide

werden anschließend in Bakterien eingebracht (Transformation), jetzt

muss man nur noch das Bakterium finden, das das Insulingen enthält

was bei 100 000 bis 1000 000 anderen möglichen Informationen jedoch

schwierig ist (dieses Problem lässt aber sich mittlerweile lösen).

Diese Methode hat auch noch andere Nachteile, auf die ich jetzt nicht eingehen

möchte.

Als Alternative bietet sich die Isolierung der Insulingens über

die Boten-RNA (siehe 4). Organe synthetisieren in spezialisierten Zellen

(z.B. die b-Zellen der Bauchspeicheldrüse) eine große Menge

dieser Boten-RNA und über dieser widerum das Protein (hier Insulin).

Um ein Bakterium wie unser Darmbakterium Escherichia coli zur Produktion

eines fremden Proteins (wie etwa Insulin) anzuregen, bedarf es jedoch weiterer

gentechnischer Kniffe. Die bakterielle Zelle benötigt zusätzliche

Information auf der DNA, die ihr als Signal für die Übersetzung

in ein Protein dienen. Diese Signale sind allen bakteriellen Genen vorgeschaltet

- man bezeichnet sie als Regulations-Regionen - und geben der Zelle die

Möglichkeit, je nach Wachstumsbedingungen und externem Nahrungsangebot

bestimmte Gene an- oder abzuschalten, also eine ökonomische Balance

aller Syntheseprogramme zu gewährleisten. Unser Insulingen im Bakterium

muss also mit einem bakteriellen Regulator versehen werden. Das fertige

Bakterium wird in großen Fermentern gezüchtet und mit Nahrung

versorgt und alsbald hat man eine große Menge Bakterien-Insulin-Reststoff

Mischung. Diese Mixtur muss gereinigt werden, was auch einen hohen

Aufwand darstellt, dann haben wir jedoch was in alle Arzneimittelfläschen

gehört: das reine menschliche Insulin.

Es muss hier noch erwähnt werden, dass auf diesem Gebiet

die Möglichkeiten noch nicht ausgereizt sind, im Gegenteil, wir stehen

erst am Anfang der Entwicklung.

Neben der eben besprochenen Genmanipulation an Mikroorganismen (graue

GT) sind noch die beiden anderen Gebiete der Genmanipulation an Pflanzen

(grüne GT) und an Tieren (rote GT) zu nennen, die ebenso umfangreich

sind, aber von mir jetzt besprochen werden können.

Nun zu den Anwendungsbereichen der Gentechnik. Gegenwärtig wird

die Gentechnologie in der Medizin hauptsächlich zur Gewinnung von

Arzneimitteln durch gentechnisch veränderte Mikroorganismen oder Zellen

(wie soeben besprochen) und zur Entwicklung diagnostischer Möglichkeiten

angewandt (DNA-Analyse?). Als Ergebnis weltweiter Bemühungen in den

verschiedensten Laboratorien konnten die ersten menschlichen Proteine aus

Bakterien erhalten werden: Humaninsulin, Interferone, Wachstumshormone,

Glucagon, Interleukine, Relaxin, ect. und auch Impfstoffe wie z.B. für

Hepatitis B. An einem Impfstoff für AIDS arbeitet man bekanntlich

fieberhaft. Des Weiteren hat man mit Hilfe der Gentechnik die Ausbeute

bei Antibiotika produzierenden Bakterien und Pilzen um das 1000fache gesteigert

und unerwünschte Nebenwirkungen eliminiert.

In den letzten 10 Jahren wurden große Fortschritte auf dem Gebiet

der Krebsforschung gemacht, wahrscheinlich ist dank der Gentechnik Krebs

künftig heilbar.

In der Landwirtschaft hat man großes Interesse daran, Gene für

die Aufnahme und Verwertung von Luft-Stickstoff aus Bakterien in Nutzpflanzen

zu übertragen. Wenn dieses Vorhaben gelingt, wird man auf jegliche

Art von Dünger verzichten können und somit Umweltbelastung und

Kosten stark reduzieren. Andere Ziele liegen in der Transformation von

Pflanzen mit Genen, die die Photosynthese oder die Proteinbiosynthese und

-speicherung verbessern. Auch von der Ãœbertragung von Resistenzgenen

gegen Schädlinge oder Umweltgifte erwartet man eine deutliche Verbesserung

der Qualität von Kulturpflanzen.

In der modernen Tierzucht sind die extrakorporale Befruchtung, die

Gefrierkonservierung von Embryonen und die Geschlechtsselektion bereits

Alltagspraktiken. Das Klonieren von Säugern und Genaustausch auf molekularer

Basis sind vorerst noch Zukunftsmusik, weniger wegen den technischen Möglichkeiten,

vielmehr aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die dies nicht ganz

zu unrecht einschränken.

6 Risiken der Gentechnik

Die Gentechnik fordert von dem Menschen, über moralische und soziale

Konsequenzen naturwissenschaftlicher Forschung wie ihrer technischen Anwendung

nachzudenken. Es gilt nicht immer, das technisch Mögliche zu tun,

sondern wir müssen uns verstärkt nach dem Sinn unseres Tuns fragen

und auch fragen lassen. Ein Fermenter, eine Kläranlage oder ein Treibhaus

stellen kontrollierbare Biotope dar. Die Umwelt aber repräsentiert

ein Spektrum von Variablen, wovon uns nur wenige bekannt sind. Fehlentscheidungen,

das haben uns die Ereignisse in jüngster Zeit gelehrt, verursachen

oft irreparable Schäden in unserem Lebensraum.

7 Schlußbemerkungen

Ich möchte meinen Vortrag schließen mit einem Zitat des

Forschers Wade aus dem Jahr 1977: "Der gesamte Gen-Pool unseres Planeten,

das Produkt von drei Milliarden Jahren Evolution, steht zu unserer Verfügung.

Der Schlüssel zum Leben ist in unsere Hände gelegt. Es gibt gelegentlich

Vorschläge - aus wissenschaftlichen oder moralischen Gründen

- den Schlüssel wieder wegzuwerfen. Aber ein solches Ignorieren von

Möglichkeiten liegt nicht in der menschlichen Natur. Das Tor zur Schatzkammer

ist bereits offen, und die einzige Frage ist, welchen Nutzen wir von den

Reichtümern darin ziehen werden."

1942 Worte in "deutsch"  als "hilfreich"  bewertet