Faust - Der Tragödie erster Teil

Wie wurde das Drama zu verschiedenen Zeiten aufgenommen, interpretiert und aufgeführt?

Das Thema des Faust wurde schon vor Erscheinen der Goetheschen Fassung behandelt und inszeniert. Bereits am 1. Juni 1593 starb der Mann der das erste Faustdrama schrieb: Christopher Marlowe ( "The tragical history of Doctor Faustus", 1589).

Wir vergleichen nun verschiedene Aufführungsarten von Goethes Faust I.

Der Faust war ursprünglich als Theaterstück gedacht. Die erste öffentliche Theateraufführung fand am 19. 1. 1829 im Hoftheater in Braunschweig statt. Danach folgten drei Aufführungen in Weimar am 29. August, 7. und 17. November des Jahres 1832. Inszeniert wurden die Aufführungen von Gustav Klingemann, der bei dieser Aufführung viele Passagen des Buches wegließ, wie z.B. die Chöre in der Osternacht oder die Gruppenszenen des Osterspaziergangs. Die entscheidende Änderung betrifft jedoch die Beseitigung der Rahmenhandlung. Dadurch wird das Mysterienspiel eindimensional und dem

bürgerlichen Trauerspiel angenähert. Als Gründe für diese Eingriffe sagte Klingemann: "Es ist notwendig das Darstellbare von dem Undarstellbaren zu trennen." Mit dieser Aussage bezog er sich auf die damaligen technischen Möglichkeiten des Theaters. Die Klingemann- Inszenierung verbreitete sich über deutsche Länder, und bestimmte für lange Zeit die Aufführungspraxis und prägte auch die Publikumserwartungen. Goethe selbst inszenierte keine Aufführung des Faust, sagte jedoch, bezogen auf die Klingemannsche Inszenierung, dass er die Spielelemente stärker betont, die Mehrdimensionalität beibehalten, und die Spannung zwischen dem Personendreieck Faust-Gretchen-Mephisto stärker betont hätte.

Eine neue Epoche wurde erst durch die berühmte Faustinszenierung begründet, die Gustav Gründgens 1957 in Hamburg vornahm. Gründgens baute ein Bretterpodium mitten auf der Bühne und nur ein paar Raumsegmente und Möbelstücke deuteten die Welt an. Die Schauspieler spielten mehrere Charaktere, was die Szenenübergänge einfacher machte. Das Bretterpodium sollte den Spielcharakter des Stückes symbolisieren, und die Illusionsbühne (Bühne zur Darstellung illusionärer Welten oder Wahngebilde) des Theaters benutzte Gründgens dazu die seelischen Innenleben der Personen mit ihren Vorstellungen,

Gefühlen und Ängsten darzustellen. Wenn man die Aufführungen Gründgens, Klingemann miteinander vergleicht und

kritisiert, dann kann man Klingemann vorwerfen, er habe das Paar Faust-Margarethe zu sehr in den Vordergrund gestellt. Dem Faust-Verständnis von Gründgens kann man entgegenhalten, dass die nihilistische (schwermütige) Perspektive Mephistos allzu dominant gestaltet ist.

Eine dritte maßgebende Theateraufführung wurde 1977 in Stuttgart von Claus Peymann gestaltet. Diese zeigt zum ersten Mal beide Teile des Faust als Einheit, also als zusammenhängendes Stück. Auch Peymann verwendet den gesamten technischen Apparat des Theaters. Er vervielfacht zuweilen die Spielorte, indem einige Szenen mitten unter den Zuschauern spielen. Außerdem verwendet er ebenfalls ein Illusionstheater und übernimmt den Buchtext, im Gegensatz zu oben genannten Inszenatoren.

Die erste Verfilmung des Faust stand unter der Regie von Friedrich Wilhelm Murnau. Dies war ein 1926 entstandener Stummfilm. Die besondere Bedeutung dieses Films lag darin, dass hierbei eines der Beziehungsreichsten Sprachkunstwerke der Weltliteratur in ein Medium übertragen wurde, in dem kein Wort gesprochen werden konnte und in dem Worte auch überhaupt keine Rolle spielten. Die Zuschauer des Films, die Goethes Drama schon einmal gelesen hatten, erkannten das Werk trotz fehlender Worte jedoch in allen Einzelheiten wieder. 1960 führte Gustav Gründgens einen Faustfilm auf Grundlage seiner Hamburger Inszenierung vor. Mitte der neunziger Jahre nahm sich Dieter Dorn vor, eine neue Verfilmung zu wagen. Sein Ziel dabei war es, nicht Bildungsgut auf die Leinwand zu bringen, sondern eine uns betreffende, aufregende Geschichte. Sein

Konzept ist die positive Identifizierung der Faustgestalt mit dem deutschen Menschen. Er behauptet, der deutsche Mensch nehme nichts an, beschwere sich pausenlos, und nichts wäre ihm recht. Deswegen ist Faust auch heute noch so aktuell.

Der erste Teil des Faust hatte 1808 eine ungeheure Wirkung im akademischen Deutschland. Noch 1939 schrieb Thomas Mann, das Abendland habe den Symbolwert der Faustgestalt für ihr tiefes Wesen erkannt. Goethes Werk behielt auch nach

1945 seine paradigmatische (modellhafte) Bedeutung. 1945 erschien dann der "Doktor Faustus" von Thomas Mann.

Allgemein gesagt ist Goethes "Faust" das wohl berühmteste literarische Werk in deutscher Sprache und die häufigste Lektüre in der Oberstufe. Viele Literaturwissenschaftler haben sich seit seinem Erscheinen mit dem Drama beschäftigt und höchst unterschiedlich interpretiert. Jedoch bemühen sich die Interpreten heutzutage, auf eine Verklärung oder Verdammung des Faust zu verzichten.

Quellenangabe:

· Lektüre Durchblick: Faust I, Andrea Komp, Mentor Verlag, München 1996

· Königs Erläuterungen: Faust I, Hrsg.: Bahners, Eversberg, Poppe, Bange

Verlag, Hollfeld 1985

· Klett Lektürehilfen: Faust- Erster und Zweiter Teil, Eberhard Hermes, Klett

Verlag, Dresden 1995

· Goethes Faust, Erich Trunz, Christian Wegner Verlag, Hamburg 1963

· Bausteine Deutsch: Faust I und II, Gerd Eversberg, Bange Verlag, Hollfeld

1985

· Gründgens, Hrsg.: Henning Rischbieter, Friedrich Verlag, Hannover 1963

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