Der Steppenwolf

Der Steppenwolf

Hermann Hesse

1927

Inhalt

Vorwort des Herausgebers

Im Haus der Tante des Herausgebers mietet ein etwa 50jähriger Mann ein Zimmer und eine Schlafkammer. Er heißt Harry Haller und nennt sich selbst einen Steppenwolf. Er hat keinen Beruf. Der Herausgeber spionierte mehrmals in seinem Zimmer herum und sah, dass Haller gerne hohe Literatur las, in einem Konzert sah er ihn auch einmal. Im Zimmer war es stets unaufgeräumt, Flaschen lagen am Boden herum. Eines Tages war er verschwunden und hinterließ ein Manuskript, das er an den Herausgeber adressierte. Dieser meint, dass Hallers Seelenkrankheit eine Krankheit der Zeit wäre. [Haller ist ein Intellektueller, der seinen Intellekt haßt, ihn aber nicht loswerden kann]

Harry Hallers Aufzeichnungen Nur für Verrückte

sind in der Ich-Form geschrieben. Er beschreibt erst einen Tagesablauf, dann einen Nachtspaziergang, bei dem er ein Leuchtschild mit den Worten "Magisches Theater, Eintritt nicht für jedermann" auf einer grauen Mauer sieht. Er versucht die Tür aufzumachen, doch es geht nicht. Haller will schon wieder gehen, als er die Buchstaben "Nur für Verrückte" entziffert; nun erlosch das Schild wieder. Nun geht er in ein Gasthaus und beginnt, die heutige Gesellschaft gedanklich zu kritisieren; sie weiß nichts mehr zu schätzen, ist nicht an alten Werten interessiert,… Am Heimweg kann er das Schild an der alten Mauer nicht entdecken, doch er trifft einen Mann mit einem Schild, auf dem "Anarchistische Abendunterhaltung, Magisches Theater!" geschrieben steht. Er will wissen, wo dieses Theater ist, statt dessen drückt ihm der Mann ein Büchlein in die Hand und verschwindet. Es ist der

Tractat vom Steppenwolf Nur für Verrückte

Er handelt von allen Steppenwölfen, ein Harry als Beispiel. Es ist eine psychologische Analyse von Hallers Schicksalsproblematik. Es klärt ihn auf, dass eine menschliche und eine wölfische Seele in ihm wohne, die in ständiger Todfeindschaft gegeneinander stehen. [Die eine Hälfte will fressen, saufen und morden, die andere will denken, lesen und Mozart hören; so entstehen Störungen, bis man die zwei Auswege kennenlernt: entweder man hängt sich auf oder man bekehrt sich zum Humor] Der Steppenwolf ist ein Mensch, der nach Unabhängigkeit strebt und dann an ihr zugrunde geht. Harry lebt als "Selbstmörder", weil er sich stets gefährdet vorkommt; doch diese anscheinende Schwäche ist auch seine Stütze. Er verachtet das Bürgertum, lebt aber immer bürgerlich und ist auch in kleinbürgerlicher Erziehung aufgewachsen. Sein Ideal ist die Erhaltung des Ichs. So versucht er immer in der Mitte zwischen den Extremen zu leben, was ihm auch gelingt. All das weiß jeder Steppenwolf, doch er fürchtet sich vor einer Selbstbegegnung.

Nun erfährt man, dass es unmöglich sei, die Seele in nur zwei Teile zu teilen, da sie aus unzählbar vielen besteht. Obwohl der Steppenwolf mehr weiß, als der Bürger, begreift er nicht, dass das Nichtsterbenwollen der sicherste Weg zum Tod ist, während das Sterbenkönnen zur Unsterblichkeit führt. Alles wilde, unbezähmbare, von dem es ihm noch nicht gelang, seiner Herr zu werden, nennt er wölfisch; den Rest zählt er zum Menschen in ihm.

Nachdem er zu Ende gelesen hatte, suchte er noch ein Gedicht, das er einmal geschrieben hat, denkt über sein Leben nach (Vermögen und Ruf verloren, Frau geisteskrank) und denkt, dass der einzige Ausweg Selbstmord wäre. Er wandelt durch die Straßen und sucht oft die Mauer mit dem Tor zur Abendunterhaltung, jedoch vergeblich. Eines Tages beobachtet er ein Begräbnis, unter deren Trauernden er den Mann mit dem Schild zu erkennen glaubt; es ist aber eine Verwechslung. Nun trifft er einen alten Bekannten, der ihn zum Essen einlädt. Da Haller aber die Kommunikation und den Umgang mit Menschen verlernt hat, verstimmt er die Gastgeber und geht. Da er nicht nach Hause will, begibt er sich in ein Wirtshaus. Dort lernt er die Prostituierte Hermine (Name!) kennen, die ihn versteht und ihm den Selbstmord ausredet. Harry gefällt, wie sie ihm Befehle gibt und ihn in die Freuden des Lebens einführt. Bei einem Tanzabend verkuppelt Hermine ihn mit ihrer Freundin Maria, mit der er jetzt eine rein sexuelle Beziehung beginnt. Er muss sie aber mit ihren Kunden und auch mit Pablo, einem dunklen Musiker, teilen. Zwar ist er eifersüchtig, doch versteht er sich ganz gut mit Pablo, von dem er auch ab und zu Drogen annimmt. Harry trifft sich vor dem Maskenball, auf den er mit Hermine gehen muss, mit Maria; beide ahnen, dass es ihr letztes Zusammentreffen ist.

Am Maskenball [Lossprechung von der Schule des Lebens] ist Hermine als Mann verkleidet, dass Haller in ihr seinen alten Schulfreund Hermann erkennt. Nachdem sie sich umgezogen hat verliebt sich Harry endlich in sie. Pablo führt die beiden nach dem Ball in sein magisches Theater; Eintritt nur für Verrückte, kostet den Verstand. [Das magische Theater ist die Welt aller Lebensmöglichkeiten, die in einem ruhen, die Spiegelung des Inneren. Es ist Bild und Hülle für das, was Hesse am wertvollsten und wichtigsten ist. Das magische Denken ist der Weg zur seelischen Neueinstellung, der Rückweg ins Unbewußte, um vergessene Triebe aufzufinden (® Spaß am Schießen)] Nachdem Harry Drogen nahm, muss er sein Spiegelbild auslachen, um sich vom Steppenwolf in ihm zu entledigen. Ein anderer Spiegel zeigt ihm tausende Abbilder seines eigenen Ich, die dann auch verschwinden. Nun hat er sich seiner Persönlichkeit total entledigt und geht im Theater herum, wo lauter Türen mit verschiedenen Aufschriften sind. Raum und Zeit werden unwichtig und er sieht einen Kampf der Maschinen gegen die Menschen. In anderen Zimmern sieht er sich als Jüngling, bekommt eine Anleitung zum Aufbau einer Persönlichkeit und sieht eine Vorstellung über Steppenwolfdressur. Nun führt er ein Gespräch mit Mozart [er steht für die Unsterblichen], der ihn auslacht und Harry erklärt, dass er das Lachen noch nicht wirklich gelernt hat. In einer Kammer sieht er Pablo mit Hermine, beide nackt; er ersticht sie aus Eifersucht. Vor einem Gericht wird er zum ewigen Leben verurteilt und von den Geschworenen ausgelacht.

Pablo erklärt ihm nun, dass alles nicht wirklich war; Harry hat sich auch zu sehr hineingesteigert. Er sagt, dass alles korrigierbar wäre und nimmt die zu einer Spielfigur geschrumpfte Hermine in die Tasche. Nun verstand Harry alles und wußte, dass er das Spiel einmal besser spielen und das Lachen auch noch lernen würde.

Interpretation

Hesse meint, dass die Literatur den Mut haben muss, seelische Gefahren und Erkrankungen aufzuzeigen. "Der Steppenwolf" ist zwar die Geschichte einer Krankheit und Krise; diese führt aber nicht zum Tod, sondern zur Heilung!

Das Problem, das geschildert wird ist das allgemeinste der Welt, es ist das Problem des Lebens selbst, das der Schuld des einzelnen, der Schwierigkeit, zu sich selbst zu finden, es ist das Problem der Zwecklosigkeit des Daseins, das Problem der Vergänglichkeit, das Problem der Zeit. Der Tod ist nicht die Lösung dieser Probleme, er ist vielmehr Feigheit und Flucht. Das Problem des Lebens kann man überhaupt nicht lösen, man kann es nur akzeptieren und mit Humor betrachten, denn nur das Lachen ist der richtige Weg zur Unsterblichkeit. Nur der, der nicht leben kann, hat die Fähigkeit, richtig zu sterben.

Hesse meinte, dass der Steppenwolf vollkommen unverstanden blieb, aber aus diesem Mißverständnis zu einem Modeerfolg wurde. Außerdem war er enttäuscht, dass niemand die neue Form der Dichtung erkannte; viele hielten sie für fragmentarisch, während sie doch "wie eine Sonate oder Fuge proportional gebaut sei." Hesse schrieb das Buch kurz vor seinem 50sten Geburtstag. Es geht in dem Buch also auch über die Krise der Männer um das 50ste Lebensjahr; deshalb ärgerte es Hesse, 15jährige steppenwolflesende Schüler zu sehen.

Der Steppenwolf erweckt den Eindruck, von drei Autoren geschrieben worden zu sein. Das Vorwort ist von einem anonymen Herausgeber, der Hauptteil vom Protagonisten Harry Haller und der eingeschobene Tractat von einem anonymen Verfasser (wahrscheinlich von den Unsterblichen).

Der Tractat ist ein eingeschobener Kommentar zu Hallers Aufzeichnungen. Der Verfasser ist besser über Harry orientiert als dieser selber; zugleich ist der Tractat eine Selbstanalyse Hesses. Der Steppenwolf ist ein Selbstmörder, den Hesse aus drei Betrachtungsweisen sieht:

    Psychologisch: sensibel und empfindlich ® bei der kleinsten Erschütterung denkt er intensivst an Selbstmord Metaphysisch: Nicht mehr die Vollendung ihrer Seele und Selbstverwirklichung ist Lebensziel, sondern die Auflösung, zurück zu Gott / ins All Philosophisch: Der Weg zum Tod steht immer einem offen, das kann manche Sachen erträglicher machen

Wie Hesse setzte der Steppenwolf mit 48 den 50sten Geburtstages den Tag fest, an dem er sich umbringen darf; das macht vieles leichter, da selbst das schlimmste dann ja nur noch zwei Jahre dauern kann.

Der Steppenwolf ist auch ein Buch der Warnung vor dem Krieg. Das wurde aber nur belächelt und als reiner Pessimismus hingestellt. Doch auch wenn die Warnung verstanden worden wäre, würde niemand den Krieg verhindern, wenn er es nicht billiger haben kann.

Parallelität zu Goethes Faust: alternder, intelligenter Mann ® Selbstmordgedanke, weil nicht mit dem Leben zufrieden ® Eingreifen einer übersinnlichen Macht ® verbotenes Übereinkommen ® in neue Gebiete des Lebens eingeführt (Liebe, Sinnlichkeit).

Haller: Maria / Maskenball Faust: Gretchen / Walpurgisnacht

Diese Analogie ist aber keine Abhängigkeit oder strenge Übereinstimmung, sondern nur eine Hilfskonstruktion, die das Verständnis erleichtert.

Personen

Harry Haller: ist die Hauptperson. Er ist ungefähr 50 Jahre alt, meist schüchtern, gebildet und sehr belesen, leicht zu begeistern, ist ein Außenseiter; über sein Äußeres erfährt man nichts genaues. Mit der Zeit verlernt er, mit seinen Mitmenschen umzugehen, er verachtet das Bürgertum; da er das auch nicht verheimlicht (Kritik in Zeitungen), macht er sich viele Feinde (® autobiographischer Aspekt). Außerdem hat Harry Probleme mit Frauen, wie auch Hesse (er war dreimal verheiratet). Er hat das Leiden und die Einsamkeit als sein Schicksal anerkannt, das er zu Ende kosten und an dem er zugrunde gehen muss. Oft scheint der Griff zur Rasierklinge um sich die Kehle durchzuschneiden einfacher, als weiterzuleben, doch das Leben ist Harry’s Schicksal, nicht der Tod.

Hermine: ist das weibliche Gegenstück zu Haller, versteht ihn und kennt seine Gedanken. Sie scheint die totale Ergänzung zu Harry zu sein, da beide tolle Dinge können, beide aber mit diesen alleine nicht zufrieden sind. Eigentlich ist sie eine Prostituierte, verlangt von Harry aber kein Geld. Sie führt Harry in die Freuden des Lebens ein, die er vorher nur als triviale Unterhaltung des Bürgertums verachtet hat. Hermine verkuppelt ihn mit Maria, in die er sich verliebt, aber nur eine sexuelle Beziehung hat; außerdem muss er sie mit Pablo und anderen teilen.

Pablo: ist ein lockerer, freundlicher Musikant. Anfangs mißtraut Harry ihm und ist auf ihn eifersüchtig, dann werden sie aber Freunde. Er gibt Harry Drogen und führt ihn ins magische Theater.

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