Aufklärung

Einleitung

Das Zeitalter der Aufklärung wird heute als der Beginn der modernen Zeit betrachtet. Als die fortschrittlich gesinnten Gelehrten und Schriftsteller des frühen 18. Jahrhunderts für die neue Geistesbewegung einen Namen suchten, der auch von "Nichtgebildeten" verstanden werden konnte, bot sich ihnen das Verb aufklären als Vergleichswort an. Wie das Licht der Sonne die Dunkelheit vertreibt und alles deutlich erkennbar macht, aufklärt, so sollte das helle Licht der Vernunft die Finsternis des Aberglaubens, der blinden Untertänigkeit, der Unduldsamkeit und dumpfen Triebhaftigkeit besiegen. Um die Mitte des Jahrhunderts war das damals neu gebildete Nomen "Aufklärung" bereits zu einem Schlagwort geworden.

Entscheidend für die Aufklärung war die Bildung einer neuen sozialen Schicht, nämlich die des Bürgertums, dass durch Handel, Bankgewerbe und durch das eben erst aufkommende Industriewesen, zu Reichtum gelangte, und so ein soziales Prestige bekam. Dabei zeigte sich, dass das System des Feudalismus überholt war, außerdem fühlte sich das neu gebildete Bürgertum, durch literarische Bildung und moralischere Lebensgrundsätze, dem Adel überlegen. Auf diesem Standpunkt forderten die Bürger die ohne politischen Einfluß waren, eine Mitwirkung am Staat, die manchmal nach harten Auseinandersetzungen gewährt oder erzwungen wurden, wobei sie sich auf die Aufklärung beriefen.

Die Aufklärung war eine gesamteuropäische Bewegung, die zwar von den verschiedenen Vertretern geringfügig unterschiedlich aufgefaßt wurde, aber in den wesentlichen Grundsätzen immer gleich blieb. Diese waren vor allem:

Die Berufung auf die Vernunft als Maßstab des persönlichen und gesellschaftlichen Handels.

Die Hinwendung zum Diesseits, das heißt man ließ sich nicht mehr damit abspeisen, dass man für seine Mühen und Qualen erst im Jenseits belohnt wird, und dort ein besseres Leben führen wird, während der Adel dies schon zu Lebzeiten besitzt.

Ein positives Menschenbild, die Gleichheit aller Menschen und die Einforderung der Menschenrechte für alle Menschen sind drei weitere Grundsätze der Aufklärung.

Weiters wurde Kritik an der Religion geübt und es wurde eine Vernunftreligion gefordert.

Wichtig für die Aufklärung war auch die Entwicklung neuer Denkweisen die in zwei philosophischen Richtungen wirksam wurden. Nämlich im französischen Rationalismus und dem englischen Empirismus. Zusätzlich wurde der alte Gedanke des Naturrechts wieder aufgenommen und neu durchdacht.

Obwohl die Aufklärung eine gesamteuropäische Entwicklung war, hatte sie nicht überall den selben Erfolg vorzuweisen. Besonders fruchtbar war der Boden für die Aufklärung in Frankreich, wo sie, durch die in ihr neu begründete Lehre vom Staat (Gewaltentrennung), direkt in eine sozialpolitische Veränderung, die Französische Revolution, führte.

Ein ebenfalls wichtiger Standpunkt für die Aufklärung war die Forderung nach Toleranz, die der Religion als auch der Erziehung zum Ziel gesetzt wurde. Der Erziehung widmeten die Aufklärer ihre besondere Aufmerksamkeit, da sie die Ansicht vertraten, dass nur Bildung und Erziehung die Menschen voranbringen kann.

Die Literatur war deshalb besonders wichtig für die Aufklärung, um die neuen Ideen und Denkanstöße zu verbreiten und zu lehren. Sie versuchte hauptsächlich auf die am Anfang sehr begrenzte Zahl von lesenden Bürgern einzuwirken, wobei sie gegen die Zensur des Adels zu kämpfen hatte. Dennoch wurde die Aufklärung eine geistige Bewegung, die Grundsätze schuf, die selbst in unserem Jahrhundert noch bestand haben und teilweise immer noch auf ihre Verwirklichung warten müssen.

Die Literatur in der Aufklärung

Die höfisch geprägte Literatur des 17. Jahrhunderts war durch Volksferne, Realitätsverlust, Künstlichkeit und Motivarmut gekennzeichnet. Sie sprach deswegen, mit ihren verwirrenden Helden- und Schäferromanen und ihren schwülstigen erotischen Gedichten, immer weniger Menschen an, weswegen sie allmählich ersetzt wurde. Die Fürsten entließen ihre Hofpoeten und Hofdichter, und an deren Stelle tratet in den großen Handelsstädten, die sich neben den Höfen zu Kulturzentren entwickelten, neue eigenständige literarische Gesellschaften. Statt einem fürstlichen Mäzens traten nun bürgerliche Geldgeber auf, die literarisch Werke in Auftrag gaben, die dem Sinn der Aufklärung entsprachen.

Die neue Literatur hatte den Zweck den Menschen zu bilden zu erziehen,, aber auch zu unterhalten, zu erfüllen. Dazu sollte der Dichter ein gelehrter Mann sein und sich an Regeln halten, die sich selbst kontrollierend aus dem Verstand bildeten. Die verschiedenen Dichtungsgattungen wurden streng getrennt. Im Mittelpunkt der Dichtung standen Menschen, die sich durch ihren Willen und ihre Vernunft zu vollkommeneren Wesen entwickelten, genauso wie die Aufklärer es sich vorstellten. Nicht mehr das Lob des Fürsten und die Unterhaltung der höfischen Gesellschaft, sondern die Würdigung des bürgerlichen Lebens und die Aufklärung des bürgerlichen Lesers stand im Mittelpunkt der neuen Dichtung. Daher herrschte das Lehrgedicht, die Fabel und satirische Darstellungen vor. Sehr beliebt waren auch der Reiseroman und später der Familienroman. Der Aphorismus war in der Aufklärung auch eine beliebte literarische Ausdrucksform.

Träger der Literatur waren die akademisch gebildeten aus dem dritten Stand, besonders Theologen, Sprachgelehrte und Schulmänner. Viele Schriftsteller lösten sich aus der finanziellen Abhängigkeit der Fürsten und lebten als freie Schriftsteller, wie zeitweilig Lessing und Klopstock. Sie hatten aber mit einer großen Schwierigkeit zu kämpfen, nämlich mit der Tatsache, dass die große Masse der Bevölkerung am Anfang des 18. Jahrhunderts weder lesen noch schreiben konnte, und die wenigen Bürger die es konnten, beschränkten ihre Lektüre auf die Bibel und sonstige religiöse Schriften. Noch um 1770 konnten nur 15 % der Bevölkerung lesen, 1800 waren es schon 25 %. Der Kreis derjenigen, die die "schöne" Literatur lasen, war natürlich noch kleiner. Es musste daher erst ein breites Lesepublikum und eine literarisch interessierte Öffentlichkeit geschaffen werden.

Der literarische Buchmarkt entsteht

Hierbei spielten die moralischen Wochenschriften eine große Rolle. Zeitschriften wie "Der Biedermann", "Der Patriot" und "Die vernünftigen Tandlerinnen", die nach englischem Vorbild entstanden, waren wichtig für die Herausbildung einer bürgerlichen Öffentlichkeit.

Die Öffentlichkeit verändert sich

Die Wochenschriften, ein Produkt der Aufklärung, setzten sich die Verbreitung des aufklärerischen Gedankens zum Ziel. Durch ihre kurzen populärwissenschaftlichen Abhandlungen, ihre moral - philosophischen Erörterungen und ihre neue literarische Verfahrens- und Vermittlungsweise weckten sie die Aufnahmebereitschaft des Publikums für neue Inhalte und Formen, erschlossen breitere Leserschichten und schufen die Voraussetzungen für literarische Bildung und die Entstehung eines literarischen Marktes.

Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hatten auch die verschiedenen Lesegesellschaften oder Lesezirkel. Die Lesezirkel, die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts entstanden, dienten zur Verbilligung der Lektüre von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, während die Lesegesellschaften sich noch zusätzlich als Gesellschaftskreise sahen, in denen die private Lektüre einen gesellschaftlichen Rang erhielt. Die hohe Anzahl von Lesegesellschaften zeigen deutlich wie sehr es das Bedürfnis, zur Lektüre und Diskussion gab. Die meisten dieser Gesellschaften waren aufklärerisch eingestellt, sowohl in der Lektürenauswahl, als auch in der Organisationsstruktur (demokratisch). Der Zutritt wurde aber durch entsprechende Mitgliedsbeiträge auf wohlhabende Bürger und Adlige beschränkt. Frauen und Studenten waren von vornherein ausgeschlossen. Die Kleinbürger und Unterschichten waren, wenn sie lesen konnten auf Leihbibliotheken, die es aber erst am Ende des 18. Jahrhunderts in größerer Zahl gab, angewiesen.

Diese Leihbibliotheken bilden zusammen mit den kommerziellen Bibliotheken, die auch am Ende des 18. Jahrhunderts gegründet wurden, den Endpunkt der gesellschaftlichen Lektüre. Sie schließen die erste Entwicklungsphase bürgerlicher Öffentlichkeit ab und schaffen die Voraussetzung für eine Reprivatisierung des Lesens.

3.2. Die neue Stellung des Schriftstellers

Die Ablehnung der höfischen Dichtung führte nicht nur zu einem Strukturwandel der Öffentlichkeit, sondern veränderte auch die Situation des Schriftstellers. Das Zeitalter des Hofdichters mit einem festen Gehalt, ging zu Ende. An dessen Stelle tritt nun der freie Schriftsteller, der von seiner dichterischen Arbeit leben muss. Der Vorteil dabei liegt auf der Hand, die geistige Unabhängigkeit von fürstlichen oder geistlichen Geldgebern. Der große Nachteil dabei war aber die Unsicherheit des Einkommens (manchmal auch gar keines). Kaum ein Schriftsteller im 18. Jahrhundert konnte wegen der geringen Auflagenhöhe und Honorare (pro Bogen nur 5 bis 7 Thaler; Vergleich: Ein Maßanzug kostete 20 Thaler) vom Produkt seiner Arbeit leben. Das galt ebenso für Zeitungen und Zeitschriften. Eine Auflagenhöhe von 1000 bis 3000 Stück war normal für einen renommierten Autor. Wirklich hohe Auflagen erreichten populär geschriebene Ratgeber für die Bevölkerung, manche wurden von den Fürsten als antirevolutionäre Propaganda an ihre Untertanen kostenlos verteilt. Die Schriftstellerhonorare hielten sich in Grenzen und selbst Spitzenverdiener wie Lessing, Wieland und Klopstock schrieben nicht pausenlos Bücher.

Deswegen mussten sich die meisten Schriftsteller nach Nebeneinkünften umsehen und zum Beispiel als Hofmeister oder Beamter arbeiten, oder sie suchten sich wieder adelige Gönner, von denen sie sich materielle Unterstützung erhofften. Aus diesem Grund arbeiteten Wieland, Lessing und Herder Pläne aus, in denen die Förderung der Literatur und der Autoren von gemeinnützigen Anstalten, genannt Akademien übernommen werden sollte. Diese sollten von Fürsten unterstützt werden, jedoch konnte kein Plan, wegen des Desinteresses der Fürsten, realisiert werden.

3.3. Die Zensur

Die neue Freiheit der Schriftsteller wurde nicht nur durch die wirtschaftliche Lage gefährdet, sondern auch durch die Zensur. Ein Mitglied der Wiener Bücherkommission, die über die Zensur in Österreich wachte, definierte 1761 die Zensur als "die Aufsicht, dass sowohl im Lande keine gefährlichen und schändlichen Bücher gedrucket, als auch, dass dergleichen Bücher nicht aus andern Landen eingeführet und verkaufet werden", und wollte nur solche Bücher gedruckt sehen, die "nichts Gefährliches vor die Religion, nichts zu offenen Verderb der Sitten, und nichts wider die Ruhe des Staats, und wider die, denen Regenten schuldige, Ehrerbietung in sich enthalten". Ein Beispiel für die Zensur ist, dass es Lessing verboten wurde seine religionskritischen Schriften zu veröffentlichen.

Durch die Zensur wurde der Vertrieb und Verkauf der Bücher beeinträchtigt, doch noch schädlicher für ein freies Schriftstellertum war die selbstauferlegte Zensur, deren sich mancher Autor selbst unterwarf Um den Verkauf seines Buches sicherzustellen ließen manche Schriftsteller gefährliche Gedanken von vornherein weg, um den öffentlichen Zensoren zu entgehen. Man konnte aber auch unter einem anonymen Namen seine Werke veröffentlichen. Die Zensur wurde schon bald als ernstes Problem erkannt und bekämpft. Forderungen nach Pressefreiheit und Abschaffung der Zensur wurden zwar laut, doch es wurde keines der Ziele erreicht.

3.4. Der literarische Markt

Entscheidend für den Schriftsteller war auch die Entstehung eines literarischen Marktes. Dafür waren vor allem der rasche Anstieg der Buchproduktion und der sprunghafte zahlenmäßige Anstieg der Schriftsteller verantwortlich. Diese große Steigerung der Bücherzahlen machte es notwendig, die Buchproduktion und deren Vertrieb nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu organisieren. An die Stelle des nach dem Gesetzen des Tauschhandels (1450 bis 1700) organisierten Buchhandels traten das moderne Verlagswesen und der moderne Buchhandel. Verlag und Sortiment, bislang in einer Person verkörpert, trennten und spezialisierten sich auf die Herstellung bzw. den Vertrieb. Verleger beauftragten Druckereien mit der Herstellung von Büchern, welche dann zu sogenannten Sortimentsbuchhändlern kamen. Dies war die Geburtsstunde der neuzeitlichen Verleger und Buchhändler. Erstmals gab es feste Preise. Bücher wurden nun nicht mehr nur einmal im Jahr auf Messen angeboten, sondern konnten auch während des Jahres über Buchhändler bezogen werden. Die Käufer konnten jetzt Bücher wie jede andere Ware ständig kaufen. Dieses Produktions- und Vertriebssystem hat sich bis heute erhalten.

Das hatten auch Folgen für die Schriftsteller, die sich an den Markt und den literarischen Geschmack der Kunden anpassen musste. Literatur wurde, wie damals schon erkannt wurde, zur Kaufmannsware, der Schriftsteller zum Lohnschreiber. Die wirtschaftliche Stellung des Schriftstellers reichte dabei vom verlagsabhängigen Lohnarbeiter bis zum selbständigen Warenproduzenten.

Die Schriftsteller waren generell abhängig vom Verleger, und Versuche sich unabhängig vom Verleger zu machen scheiterten. Als besonders schlimm empfanden die Autoren, dass sie nicht Eigentümer ihrer Schriften waren, denn der Verleger hatte alle Eigentumsrechte und konnte mit den Manuskripten willkürlich umgehen. Die Frage des geistigen Eigentums (Urheberrecht) wurde aktuell durch das Nachdruckwasen. Ohne Rücksicht auf Autoren- und Verlegerrechte druckten Buchhändler beliebte und gefragte Bücher nach, und verringerten damit den Gewinn des Verlegers, und damit auch den Gewinn des Autors. Dieses Problem wurde aber erst im 19. Jahrhundert gelöst.

Im 18. Jahrhundert lebte der einzelne Schriftsteller in einer rechtlich ungesicherten Situation und war den Gesetzen des Marktes schutzlos ausgeliefert. Dazu kam der starke Konkurrenzdruck unter den Autoren. Auf dem literarischen Markt konnten nur diejenigen Autoren überleben, denen es gelang sich dem Publikumsgeschmack anzupassen, oder Autoren, deren Werke durch Originalität in Inhalt und Form das Interesse der literarischen Kenner auf sich ziehen konnten. Nur ein kleiner Teil der Autoren produzierte nur nach seinem künstlerischen Gewissen.

Neben dem Buchhandel mit gehobener und noch mehr trivialer Literatur gab es, vor allem seit Mitte des 18. Jahrhunderts ein ausgedehntes Zeitungs- und Zeitschriftenwesen. Es wurde nicht das Tagesgeschehen vermittelt, denn dafür war die Herstellung und Verbreitung zu langsam, sondern gesellschaftliche, religiöse, moralische, ästhetische und literarische Ideen. Die einzelnen Nummern waren nicht im freien Verkauf erhältlich, sondern mussten abonniert werden. Die Redaktion einer Zeitschrift bestand häufig nur aus dem Herausgeber und einigen freien Mitarbeitern.

Die aufklärerischen Literaturmethoden

Wie schon oben erwähnt trat an die Stelle der höfischen Literatur eine neue Literatur, die die Werte der Aufklärung, wie Vernunft, Nützlichkeit und Menschlichkeit auf alle Gattungen der Literatur zu übertragen versuchte.

4.1. Gottsched

Der Ostpreuße Johann Christoph Gottsched war der erste, der die längst fällige Neuorientierung theoretisch und praktisch vollzog. Er war somit entscheidend für die Entstehung der neuen deutschen Literatur. Gottsched war Professor in Leipzig, und setzte sich für eine Reform der Sprache, der Dichtkunst und des Theaters ein. Er widmete viel Zeit dem Kampf gegen den blumigen Schwulst der Sprache der späteren Barockzeit. Gottsched verurteilte generell die Barockdichtung vom aufklärerischen Standpunkt und forderte eine Literatur, die sich in den Dienst der Aufklärung stellen, die aufklärerischen Ideen auf gemeinschaftliche und angenehme Weise vermitteln, die Nutzen und Vergnügen verbinden und breite bürgerliche Bevölkerungsschichten erreichen sollte. Sie sollte die Vollkommenheit und die vernünftige Ordnung der Welt widerspiegeln. Sie musste belehrend und erzieherisch wirken und durfte nicht über die Beschreibung der wahrnehmbaren Natur hinausgehen. Darum verbannte Gottsched alles Übernatürliche, alles Wunderbare aus der Dichtung, jedoch gleichzeitig auch jedes leidenschaftliche Gefühl, weil die Leidenschaft jeden vernünftigen Gebrauch des Geistes ausschließt.

Dieses Ziel versuchte er mit seinem "Versuch einer kritischen Dichtkunst" zu erreichen. Im Mittelpunkt stand dabei der aristotelische Grundsatz und die strikte Einhaltung seiner drei Einheiten, der Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung. Shakespeares Dramatik war Gottsched wegen ihrer Unregelmäßigkeit und Wildheit ein Greuel. Die Regeln der Vernunft waren für ihn gleichbedeutend mit den Regeln der Natur, deswegen war für ihn Regeltreue identisch mit Naturnachahmung. Er forderte jedoch keine realistische Wirklichkeitswiedergabe, sondern nur eine Ähnlichkeit des Erdichteten mit dem, was wirklich geschieht. Gottsched wollte auch den dichterischen Schaffensprozeß regeln, und verlangte, dass man sich zuerst einen lehrreichen und moralischen Satz auswählt, dem die ganze Handlung zu Grunde liegt.

Außerdem setzte sich Gottsched für eine Bestärkung der sogenannten "Ständeklausel ein, wonach in der Tragödie, in Staatsromanen und in Heldengedichten nur Fürsten und Adelige als Handelnde auftreten durften, wogegen in der Komödie, in Schäfergedichten und in Romanen nur bürgerliche und ländliche Akteure mitwirken sollten. Durch diese Forderungen veränderte sich auch die Stellung des Dichters, der zum Lehrmeister und Erzieher des Publikums wurde. Er wurde damit in seiner Bedeutung moralisch und intellektuell aufgewertet, was jedoch mit einer gleichzeitigen Beschränkung des künstlerischen Spielraums verbunden war.

Gottsched verfaßte Übersetzungen von französischen Stücken, die als Vorbilder, wie die französischen Klassiker, Corneille und Racine, die er als die "wahren Erben der Antike" besonders lobte, dienen sollten. Er schrieb auch selbst ein regelgemäßes Theaterstück ("Der sterbenden Cato") als Muster und ließ nach seinen Ideen Dramen anfertigen. Er gab auch eine moralische Wochenschrift ("Die vernünftigen Tandlerinnen") heraus, die sich mit der Unmündigkeit der Frauenzimmer beschäftigte, welche er durch Bildung beseitigen wollte. Er legte seine Ansichten den Frauen in den Mund, indem er weibliche Redakteure erfand und zu ihnen sprechen ließ.

Obwohl Gottsched als Reformer begann und die Dichtkunst erneuerte, die Sprache säuberte und das Theater reformierte, hatte er das Problem, dass seine engen Reglementierungen schnell überholt und nur wenige Jahre später bereits vehement kritisiert wurden. Es entstand ein Literaturkrieg mit Lessing und den beiden Züricher Gelehrten Bodmer und Breitinger, die die Auffassung vertraten, dass man das Genie nicht mit Regeln fesseln dürfe, und dass die Grundelemente der Poesie die freie Phantasie und die Darstellung des Wunderbaren sei.

4.2. Lessing

Gottscheds Ansicht vom Schaffensprozeß des Dichters, die mechanische Vorstellung von einer wirklichkeitsgetreuer Nachahmung der Natur, das starre Festhalten an den drei Einheiten und der Ständeklausel erwiesen sich bald als hinderlich und einengend für die Entwicklung einer neuen bürgerlichen Literatur und wurde auch, wie schon erwähnt, von den Zeitgenossen sehr früh kritisiert.

Der wichtigste Kritiker der gottschedschen Literaturtheorie war Gotthold Ephraim Lessing. In seinem "Briefwechsel mit Mendelsohn und Nicolai über das Trauerspiel" distanzierte er sich von den drei Einheiten, der Ständeklausel, dem Nachahmungsprinzip und der moralischen Funktionalisierung der Dichtung, ohne jedoch dabei den aufklärerischen Standpunkt zu verlieren. Gottsched vertrat einen frühbürgerlichen Standpunkt, der noch nicht ganz frei von der feudalen Literaturtheorie war, während Lessing einen fortgeschrittenen bürgerlichen Standpunkt einnahm. Dies bedeutete die endgültige Überwindung des Feudalismus.

Lessing dienten das französische Lustspiel und die englische bürgerliche Tragödie als Vorbilder, wobei er besonders das Naturtalent Shakespeares bewunderte. In ihnen fand er die Aufhebung der feudalen Ständeklausel, die das bürgerliche Selbstbewußtsein beleidigte. Der Bürger war tragödienfähig geworden. Lessing überwand die Ständeklausel, in dem er den Menschen unabhängig von seiner Ständegebundenheit zum Handelnden machte.

"Die Namen von Fürsten und Helden können einem Stück Pomp und Majestät geben, aber zur Rührung tragen sie nichts bei. Das Unglück derjenigen, deren Umstände den unsrigen am nächsten kommen, muss natürlicherweise am tiefsten in unsre Seele dringen, und wenn wir mit Königen Mitleid haben, so haben wir es mit ihnen als Mensch und nicht als König."

Diese Berufung Lessings auf das Menschliche hing mit seinem Bemühen um eine neue Funktionsbestimmung der Literatur zusammen. Nicht moralische Belehrung (Gottsched), sondern eine sittliche Läuterung wollte er erreichen. Für Lessing war das Ziel der Tragödie Furcht und Mitleid beim Zuschauer zu erregen, wodurch die Tragödie zur Reinigung der Leidenschaft (Katharsis) führen sollte. Der Zuschauer sollte sich mit dem Helden identifizieren, mit ihm Mitleid empfinden und Angst bekommen, dass vielleicht das dargestellte Unglück auch ihn treffen könne. Dies konnte jedoch nur erreicht werden, wenn die dargestellte Figur eine realistische Figur, die weder gut noch böse, war. (Wieder ein Widerspruch zu Gottsched) So wurde er zum Begründer des deutschen bürgerlichen Trauerspiels.

Lessing führte auch den Begriff der poetischen Nachahmung ein. Der Dichter sollte die Dinge nicht naturalistisch darstellen, sondern alles Unwichtige, Zufällige und Nebensächliche weglassen und nur das Wesentliche und Typische darstellen.

"Auf dem Theater sollen wir nicht lernen, was dieser oder jener Mensch getan hat, sondern was jeder Mensch von einem gewissen Charakter unter gewissen Umständen getan hätte."

Diese Funktionsbestimmung der Literatur eröffnete neue künstlerische Möglichkeiten. Das Prinzip der poetischen Nachahmung machte erst eine künstlerische Gestaltungen im modernen Sinn überhaupt möglich. Der Dichter wurde gleichzeitig Aufgewertet und als Künstler definiert.

Ebenfalls bedeutsam sind seine Leistungen als Theoretiker und Kritiker. Besonders mit seiner Schrift "Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie (1766)" errang er als Theoretiker Anerkennung. Seine kritischen Schriften "Briefe, die neuste Literatur betreffend (1759)", die er mit seinen Freunden Nicolai und Mendelsohn herausgab, und die "Hamburgische Dramaturgie (1767-69)" waren noch Jahrzehnte später ein Muster der Kritik. In diesen Schriften ging er scharf gegen das von Gottsched bevorzugte französische Theater vor und strich die Wichtigkeit des englischen Theaters für die deutsche Dramatik heraus. Mit Lessings literaturkritischen Arbeiten setzte eine neue Ära der literarischen Auseinandersetzung in Deutschland und ein Aufschwung des literarischen Lebens insgesamt ein.

Lessing gab auch 1764 philosophisch - religiöse Schriften eines Freundes heraus, dessen Namen er nicht verriet. Strenggläubige Katholiken, besonders der Hamburger Hauptpastor Goeze, sahen darin einen Angriff auf den Offenbarungsglauben und die Bibel. Diesen Streit wollte der Braunschweiger Herzog dadurch beenden, dass er Lessings Schriften der Zensur unterwarf. Lessing wich aber in die Dichtung aus und schrieb sein Drama "Nathan der Weise", wo er anhand der "Ringparabel", die den Kern des Dramas bildet, die aufklärerische Vorstellung von Toleranz in der Religion darstellte.

Viele Gedanken Lessings waren zukunftsweisend. Der den Dichtern nun zur Verfügung stehende schöpferische Freiraum war für die nachwachsende Autorengeneration wichtig, vor allem die Stürmer und Dränger profitierten davon.

Die Philosophien der Aufklärung

Die Philosophien der Aufklärung hatten zum Ziel, dem Menschen Wege aus seiner Unmündigkeit zu zeigen.

5.1. Der Rationalismus

Der Rationalismus (lat. ratio = Vernunft) ist in Frankreich entstanden. Sein Begründer, der Mathematiker und Philosoph René Descartes, nahm das überlieferte Wissen nicht einfach hin, sondern zog alles in Zweifel, was er von anderen gelernt hatte. Dabei fand er heraus, dass am Anfang nur eine Erkenntnis nicht bestreitbar und daher wahr sei. Diese Erkenntnis definierte er in einen Satz: "Ich denke, also bin ich". Daraus folgerte er, dass alles, was vom Verstand ebenso klar und deutlich erkannt werden kann wie dieser Satz, wahr ist. Damit war die Ratio, der menschliche Verstand, zur einzigen Erkenntnisquelle, zum Maßstab für wahr und nicht wahr, für richtig und nicht richtig geworden. Einzig allein durch bloßes Denken, durch logisches Verknüpfen und Folgern kann der Mensch zur Erkenntnis Gottes und den Gesetzmäßigkeiten in der Natur, zur Wahrheit, vordringen.

5.2. Der Empirismus

Die Geburtsstätte des Empirismus (griech. Empirie = Erfahrung) ist England, wo als erster John Locke die Beobachtung zur Grundlage wissenschaftlicher Aussagen machte. Er behauptete, dass menschliche Erfahrung und überprüfbares Wissen sich allein aus den Wahrnehmungen unserer Sinne, aus der Beobachtung bilde. Der englische Philosoph David Hume stellte die Behauptung auf, dass es nichts in unserem Verstand gibt, dass wir nicht schon vorher mit unseren Sinnen wahrgenommen haben. Damit erklärte er die Beobachtung als Methode der Erkenntnisgewinnung und nicht nur die schon geheiligten Lehrsätze von diversen Autoritäten. Somit war der Weg für eine moderne Naturwissenschaft frei.

5.3. Das Naturrecht

Der an sich alte Gedanken des Naturrechts wurde wieder aufgenommen und neu durchdacht. Darunter wurde verstanden, dass jedem Menschen von Natur aus bestimmte Rechte zukommen. Diese Rechte sind das Recht auf Leben, auf Freiheit und auf Eigentum. Alle Menschen sind gleich, jeder ist frei geboren, deswegen soll er es auch bleiben. Der Staat hat die Aufgabe, diese natürlichen Rechte des einzelnen zu schützen. Es ist deshalb verständlich, dass in der damaligen Zeit des fürstlichen Absolutismus und der Leibeigenschaft, diese Gedanken ungeheuer revolutionär wirkten.

Der neue Staat

Eine neue Lehre vom Staat wurde entwickelt. Der neue Staat sollte auf einer Art Gesellschaftsvertrag beruhen und dieser Vertrag wurde folgendermaßen definiert:

Aus dem Wunsch nach Frieden und Sicherheit sind die Menschen übereingekommen, einen Herrscher einzusetzen, der die Einhaltung der Naturrechte zu gewährleisten hat. Da der Herrscher seine ganze Macht vom Volk erhält, kann ihm die Macht auch wieder entzogen werden, wenn er diese mißbraucht.

In diesem Gedanken liegen die Wurzeln der Französischen Revolution von 1789. Der französische Gelehrte Montesquieu hat die neue Staatslehre mit der Forderung nach Gewaltentrennung weiterentwickelt. Bis dahin schien es selbstverständlich, dass der König die Gesetze gab, darauf achtete, dass diese eingehalten wurden, und oberster Richter war. Diese Machtkonzentration führte häufig zu einem Mißbrauch der Macht. Die Gewaltentrennung sieht drei voneinander unabhängige Einrichtungen vor. Diese sehen vor, dass die Vertreter des Volkes die gesetzgebende Körperschaft bilden, die Regierung sorgt für die Durchführung und Einhaltung der beschlossenen Gesetze, und ein von beiden unabhängiger Richterstand spricht Recht nach den geltenden Gesetzen.

Sowohl der Gedanke des Naturrechts als auch die Lehre vom Staat wirken bis in unsere Zeit, und zwar in der Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen (1948) und in der Einrichtung demokratischer Staatswesen.

5.4. Kant

Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724-1804), dessen Philosophie nicht zur Aufklärung, sondern zum Deutschen Idealismus gerechnet wird, hat in einem Aufsatz für eine Berliner Zeitschrift 1785 gewissermaßen als Rückschau zu erklären versucht, was Aufklärung ist. Dabei hat er sich um Verständlichkeit seiner Gedanken bemüht. Es war sein Anliegen, möglichst viele Leser und auch den König Friedrich II von Preußen für sich und seine Ideen zu gewinnen, denn er war in einen Gegensatz zu den orthodoxen Theologen geraten. Sein philosophisches Hauptwerk " Die Kritik der reinen Vernunft", wurde vom Heiligen Stuhl auf die Liste der für Katholiken verbotenen Bücher gesetzt.

Er sagte: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" und forderte daher: "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen".

6. Die Religion in der Aufklärung

Auch auf religiösem Gebiet hat die Aufklärung große Veränderungen hervorgerufen. Die beiden Kirchen, besonders die protestantische, waren in den Lehrsätzen (Dogmen) des 16. Jahrhunderts erstarrt, weshalb viele gläubige Menschen sich in den Pietismus zusammenfanden, einer Bewegung, die eine Erneuerung des frommen Lebens erstrebte und die Kirche reformieren wollte. An die Stelle der kirchlichen Organisation sollte die Liebesgemeinschaft der ernsthaft gläubigen Christen treten. Ein starkes Gefühlsleben und große Einfühlsamkeit sind für die unsichtbare Kirche des Pietismus kennzeichnend.

Die Aufklärer forderten an Stelle der "Offenbarungsreligion" eine "Vernunftreligion". Alle Glaubensinhalte sollten mit dem logischen Denken in Einklang gebracht werden. Sehr energisch wandten sich manche Aufklärer gegen die Vormundschaft der Kirche und beanspruchten für den einzelnen die Möglichkeit freier religiöser Betätigung. Da man über die etablierten Kirchen und Konfessionen hinweg auf die religiöse Erlebnisfähigkeit des Menschen zugriff, war die Forderung nach Toleranz die zwingende Folge. Unter Toleranz verstand man die öffentliche Duldung aller Religionen und religiösen Gemeinschaften. Der Maßstab für den Wert einer Religion lag für den Aufklärer in ihrer praktischen Wirkung, denn jede Religion hat die Aufgabe den Menschen zu bessern und ihn zu einem sittlichen Wesen zu machen.

7. Die Erziehung in der Aufklärung

Die Aufklärer waren zutiefst überzeugt, dass der Fortschritt der Menschheit auf der Bildung und Erziehung jedes einzelnen beruhe. Die Einführung der allgemeinen Schulpflicht geht auf diese Überzeugung zurück. Das bestehende Schulwesen wurde reformiert. Das Auswendiglernen von Lehrsätzen sollte durch verstehendes Lernen und durch eine lebenspraktische Ausrichtung des Unterrichts ersetzt werden. Man forderte, dass die Erkenntnisse des Verstandes praktisch anzuwenden seien und dadurch das Leben vernünftig zu gestalten sein muss.

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