Kalkstein

Inhaltsangabe : Kalkstein ( Erzählung, 1848 ) Stifter

Der Erzähler berichtet von der Begegnung seines Freundes, eines Geometers, mit einem Geistlichen, der ihm bei einem Festessen in einem Pfarrhaus durch seine Zurückhaltung aufgefallen war und an dem er die merkwürdige Angewohnheit beobachtet hatte, seine weißen "Handkrausen" möglichst unbemerkt in die Ärmel zurückzustoßen. - Viele Jahre sind seit dem verflossen, als die Arbeitden Geometer in eine karge Kalksteinlandschaft, das "Steinkar", führt, wo er dem stillen Pfarrer aus jener fast vergessenen Tischrunde erneut begegnet. Während der allmählich aufkeimenden Freundschaft hat er Gelegenheit, den Geistlichen bei seinem oft sinderbar anmutenden Wirken zu beobachten. Er entdeckt zum Beispiel, das die bei jenem Essen versteckten "Handkrausen" durch ihre erlesene Stoffqualität einen grotesken Kontrast zu dem abgewetzten Anzug des Mannes bilden; auch das Bettzeug das der Pfarrer seinem Freund anbietet, zeichnet sich durch besondere Feinheit aus. Während einer Erkrankung erzählt ihm der Pfarrer die Geschichte seiner Jugend : Aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie stammend, war er erst spät zu wissenschaftlichen Studien gelangt, während sein Bruder nach dem Tod des Vaters vergeblich versuchte, das Geschäft zu erhalten. Als auch dieser aus Gram über den Verlust des Erbes gestorben war, blieb der stille junge Mann allein zurück; nur die Erinnerung an seine unerfüllte Liebe zur Tochter einer benachbarten Wäscherin ist immer noch in ihm lebendig. Aus dieser Zeit stammt seine Vorliebe für kostbares Leinen, denn in den Augen jenes schlichten Mädchens war die Makellosigkeit des Leinens stets auch ein Zeichen für die innere Lauterkeit dessen, der es trägt. So erklärt sich die Neigung dew Pfarrers nicht allein als Reminiszenz glücklicher Tage, sondern sie wird zum Symbol seiner reinen Zuneigung, ja der Reinheit seines ganzen Wesens. Nach der Ausbildung zum Geistlichen ist er dann in das von seinen Kollegen gemiedene Steinkar gekommen.

Am Ende seiner Erzählung überreicht er dem Geometer eine Abschrift seines Testaments mit der Bedingung, es erst nach seinem Tod zu öffnen. - Nach einigen Jahren erfährt der Landmesser, dass der wunderliche Freund gestorben sei. Bei der Testamentseröffnung stellt sich heraus, dass der in bitterer Armut lebende Pfarrer sich eine beträchtliche Summe vom Munde abgespart hat, die er zum Neubau einer Schule im Steinkar bestimmt, um so den Kindern den gefährlichen Weg über den oftmals reißenden Fluß zu ersparen. Da die Hinterlassenschaft nicht dazu ausreicht, diesen Plan zu verwirklichen, legen wohlhabende Leute, von der aufopfernden Kinderliebe des Verstorbenen gerührt, den nötigen Rest dazu.

Quelle :

1. Jens, Walter : Kindlers neues Literatur Lexikon. Band 15. S. 1015. München : Kindler Verlag GmbH, 1991.

2. Killy, Walther : Literatur Lexikon, Autoren und Werke deutscher Sprache. Band 11. S. 201 - 205. Gütersloh/München : Bertelsmann Lexikon Verlag GmbH, 1991.

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