Außenpolitik nach Bismarck

Die Entlassung Bismarcks war gefolgt von einer Änderung in der Zielsetzung der deutschen Außenpolitik. Vorher bemüht um Ausgleich nach allen Seiten, setzte sie sich jetzt die Demonstration der eigenen Macht zum Ziel. Die deutsche Wirtschaft erlebte in dieser Zeit einen steilen Aufschwung und drängte auf die Weltmärkte.Gleichzeitig suchte Deutschland nun verstärkt nach dem Erwerb von Kolonien, um dort Rohstoffe auszubeuten, Waren abzusetzen und Kapital anzulegen. Dies stieß mit den Interessen Englands, Frankreichs, Rußlands und anderer europäischer Staaten zusammen und führte zu konfliktträchtigen Situationen.

In dieser Zeit unterliefen der deutschen Diplomatie einige folgenschwere Fehleinschätzungen. Der Rückversicherungsvertrag mit Rußland wurde ohne Not von Deutschland aufgekündigt. Dies bewog Rußland, zu seiner Sicherheit Frankreich als starken Bündnispartner zu gewinnen (1892/94 russisch-französischer Zweibund).England signalisierte seine diplomatische Annäherung an Frankreich nach

Abschluß des Zweibundes.Ein Bündnis mit Deutschland schien es nicht ernsthaft erwogen zu haben, zumal später der verstärkte Ausbau der deutschen Flotte unter Admiral Tirpitz von der großen Seemacht England mit Mißfallen gesehen wurde. So blieb als einzig sicherer großer Bündnispartner des Deutschen Reiches Österreich-Ungarn, und Deutschland war im Grunde außenpolitisch weit isolierter als zu Zeiten Bismarcks. Die Marokkokrise von 1905/06, in welcher England und Frankreich dem Versuch Deutschlands, auf den marokkanischen Märkten Fuß zu fassen, entschieden entgegentreten, zeigt bereits diese weltpolitische Isolierung.

Auch Italien schloß 1902 mit Frankreich ein Neutralitätsabkommen - verbunden mit einem kolonialen Interessenausgleich -, so dass seine Rolle im Dreibund geschwächt war, auch wenn es diesem noch formell angehörte. Die Annäherung zwischen England und Frankreich führte 1904 zum Abschluß der Entente Cordiale zwischen diesen beiden Staaten. 1907 wurde sie durch den Beitritt Rußlands erweitert(Tripelentente).

Der geschwächte Dreibund sowie die Entente Cordiale standen sich als Machtblöcke gegenüber. Dies verstärkte in Deutschland das Gefühl der Einkreisung und Bedrohung,

und führte zu der Überlegung, auf dem Hintergrund eines europäischen Rüstungswettlaufes vielleicht einen im rechten Moment begonnenen Krieg zu führen.

Die Balkankriege 1912 zogen eine weitere Erhöhung der Aufrüstung nach sich und verursachten überdies den Eindruck, dass ein europäischer Krieg schnell entschieden würde.

Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau in Sarajevo war in dieser gespannten Lage der Funke, der das Pulver zur Explosion brachte. Deutschland stand in "Nibelungentreue" zu seinem Bündnispartner Österreich, welcher Serbien am 28.7.1914 den Krieg erklärte. Dies bewog das mit Serbien verbündete Rußland zur Mobilmachung. Im August 1914 folgten in rascher Folge die Kriegserklärungen Deutschlands, Englands und Frankreichs, denen 1915 Italien, 1917 die USA und einige weitere Staaten folgten. Der erwartete schnelle Sieg trat nicht ein. 10 Millionen Menschen starben, 20 Millionen wurden verwundet, bis am 11.11.1918 nach der Abdankung Wilhelms II. der Waffenstillstand im Wald von Compiégne unterzeichnet wurde.

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