Krisenherde der Gegenwart

Die Welt befindet sich im Kriegszustand. Frieden gab es zu keiner Zeit.

Seit 50 Jahren hat es keine kriegerische Auseinandersetzung globalen Ausmaßes gegeben, dafür aber über 190 Kriege (davon heute noch 45), an denen 105 Staaten beteiligt waren bzw. noch sind. Zusammengenommen übersteigen diese bewaffneten Konflikte das Ausmaß an Leid, das aus den beiden großen Kriegen dieses Jahrhunderts bekannt ist: Millionen Menschen haben ihr Leben, ihr Hab und Gut, ihre Heimat verloren, waren und sind heute auf der Flucht.

In den nun folgenden Seiten habe ich einige Gebiete, in denen erst vor kurzem bzw. zur Zeit eine Krise herrscht oder ein Konflikt vorhanden ist, aufgelistet.

ARMENIEN: Krieg mit Aserbaidschan um die armenische Exklave Nagornji Karabach und die aserbaidschanische Enklave Nachitschewan seit 1990

Noch vor der Lösung der beiden Kaukasus-Republiken aus dem Verband der UdSSR kam es zu schweren Auseinandersetzungen um die armenische Exklave Nagornji Karabach in Aserbaidschan und zu Kämpfen in und um die aserbaidschanische Enklave Nachitschewan auf armenischem Gebiet.

Ursache für diese Kämpfe ist vor allem der Sieg der Roten Armee über das Osmanische Reich 1917. Zwar folgte kurz die Unabhängigkeit Armeniens als eigener Staat doch besetzten 1920 die Bolschewiken den Osten Armeniens, das bei der anschließenden Eingliederung ins neue Sowjetreich darüber hinaus auch Gebiete an Aserbaidschan, Georgien und die Türkei abtreten musste; Nachitschewan erhielt den untergeordneten Status einer autonomen Republik auf armenischem Territorium. 1922 kam es zur Zwangsvereinigung mit Georgien und Aserbaidschan zur Transkaukasischen Föderation, und 1923 erfolgte die Angliederung des mehrheitlich von christlichen Armeniern bewohnten Nagornji Karabach an das islamische Aserbaidschan. Ab 1936 war Armenien bis zur Auflösung der Sowjetunion eine Teilrepublik der UdSSR.

Am 23. August 1990 erklärte das armenische Parlament die staatliche Souveränität, Armenien wurde eine unabhängige Republik innerhalb der GUS. Mit der Zeit wurde das Verhältnis zwischen Armenien und Aserbaidschan aufgrund des Konflikts um die auf aserbaidschanischem Territorium liegende autonome Exklave Nagornji Karabach zunehmend verschlechtert. Armenien unterstützte die Karabach-Milizen in ihrem Kampf gegen die aserbaidschanische Regierung. Nationalistischer Fanatismus führte zu zahlreichen Übergriffen auf beiden Seiten. Ab Mai 1992 kam es wiederholt auch zu größeren Gefechten an der Grenze der zu Aserbaidschan gehörenden islamischen autonomen Republik Nachitschewan, die auf armenischem Gebiet liegt. Die beiderseitige Konfrontationspolitik verschärfte sich daraufhin, und es folgten weitere militärische Auseinandersetzungen auch an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze. Rußland unterstützte die aserbaidschanische Seite und die Türkei verstand sich aufgrund eines Abkommens aus dem Jahre 1921 als Schutzmacht Nachitschewans. Die Türkei drohte mehrfach, in den Konflikt militärisch einzugreifen und verhängt im April 1993 ein Embargo über Eriwand, nachdem das Land bereits durch die aserbaidschanische Blockade 1991 von wichtigen Versorgungswegen abgeschnitten worden war.

Während armenische Nationalisten und im Ausland lebende Armenier weiterhin den Anschluß Nagornji Karabachs an Armenien forderten, setzte sich eine Mehrheit innerhalb der Bevölkerung inzwischen für ein Ende des Krieges ein, der die Versorgung des Landes mehr oder weniger lahmgelegt und 1992 zu wirtschaftlichem Notstand und Nahrungsmittelrationierungen geführt hatte.

Ein neuer Konflikt könnte im Kaukasus ums Öl entstehen: Von der Streckenführung der Pipelines zwischen den aserbaidschanischen Erdölfeldern im Kaspischen Meer zu den Verladehäfen im Westen wird es abhängen, wer die Vorherrschaft in der Region erringt.

BURUNDI: Bürger- und Stammeskriege (Hutu-Aufstände) 1965, 1972, 1988, 1994

Burundis Bürgerkriegskonflikte gehen - wie im benachbarten Ruanda - auf jahrhundertealte ethnische Stammesgegensätze ("schwarze Apartheit") zwischen der unterdrückten Hutu-Mehrheit (ca. 80 % der Bevölkerung) und der sie beherrschenden Tutsi-Minderheit (ca. 14 %) zurück.

So hatten früher nur Tutsi das Recht, Großvieh zu halten, während Hutu nur den weniger ergiebigen Ackerbau betreiben und Kleinvieh halten. Zu einer Vermischung kam es nur auf Häuptlingsebene.

Am 19. Januar 1962 eskalierten die Spannungen zwischen den Stämmen und es kam zu gewalttätigen Protesten und Attentaten. Auch in den Jahren 1965 bis 1969, 1972 bis 1987 und 1988 bis 1994 kam es immer wieder zu Aufständen der Hutus. Am 11. August 1988 erschoß ein ehemaliger Tutsi-Soldat zwei Hutu; es kam zu einem erneuten Aufstand der Hutu, die Tutsi-Siedlungen überfielen und viele Bewohner töteten. Die Regierung setzt nunmehr Hubschrauber und Napalmbomben gegen die Hutu-Zivilbevölkerung ein: Die Kämpfe forderten bis zu 50 000 Todesopfer unter den Hutu; Zehntausende flüchteten wieder nach Ruanda; Hunderttausende wurden obdachlos.

Bei Kämpfen bis Ende Juli 1993 wurden etwa 2000 Menschen getötet; im August wurde der Führer der oppositionellen Volkspartei für Versöhnung (PRP) unter Hausarrest gestellt; weitere Unruhen, die einen Bürgerkrieg wie in Ruanda nach dem 6. April 1994 (der ruandische Präsident, ein Hutu, kam beim Landeanflug, nach einem Gipfeltreffen, ums Leben und löste damit schwere Unruhen aus) befürchten ließen, waren vorerst von der Regierung eingedämmt worden.

Von einem Ende der Unruhen kann nicht gesprochen werden, solange der ethnische Grundkonflikt nicht beigelegt ist und sich das Land in einem latenten Bürgerkriegszustand befindet.

PERU: Guerillakrieg seit 1980 und Anden-Krieg zwischen Peru und Ecuador 1995

Seit Beginn der achtziger Jahre wird der von Verelendung und Diskriminierung geprägte Andenstaat von einem Guerillakrieg linker Radikaler gegen das herrschende Regime erschüttert. Eine umstrittene Grenzziehung zwischen Ecuador und Peru in den Condor-Kordilleren, Erdöl- und Goldvorkommen, die in einem Teil der Andenregion vermutet werden, und der Versuch Perus, von innenpolitischen Problemen abzulenken, um bevorstehende Wahlen zu beeinflussen, führten zum sogenannten Anden-Krieg. Dieser brach am 26. Januar 1995 in den Condor-Kordilleren aus. Bei den drei Wochen andauernden Kämpfen wurden neben Bodentruppen auch die Luftwaffen beider Staaten eingesetzt. Der Konflikt um einen Abschnitt von 78 Kilometern an der 1600 Kilometer langen gemeinsamen Grenze oberhalb des Amazonasbeckens ging auf eine umstrittene Grenzziehung aus dem 19. Jahrhunder zurück. 1941/42 versuchten beide Länder, in einem Krieg die Grenze zu verändern. Im Friedensvertrag, dem Protokoll von Rio vom 29. Januar 1942, wurden 200 000 Quadratkilometer des ecuadorianischen Staatsgebietes Peru zugesprochen. Beide Staaten haben diese Entscheidung, die seinerzeit von den vier Garantiemächten (Argentinien, Brasilien, Chile, USA) beschlossen worden war, nie anerkannt. An den Jahrestagen der Vertragsunterzeichnung kam es regelmäßig zu kleineren Grenzgefechten. Beide Seiten unterzeichneten das "Abkommen von Brasilia", das eine Waffenruhe unter der Aufsicht von 40 internationalen Beobachtern vorsah. Am 8. März trat der Waffenstillstand in Kraft, und Peru favorisierte für diese Region eine zollfreie Zone. Hintergrund der bewaffneten Auseinandersetzung um den umstrittenen Grenzverlauf waren die Erdöl-, Uran- und Goldvorkommen, die in dieser 340 Quadratkilometer großen Region vermutet werden. Zugleich wollte die Regierung in Lima von innenpolitischen Problemen ablenken und die Präsidentschaftswahlen am 9. April 1995 in ihrem Sinne beeinflussen. Tatsächlich wurde dann erwartungsgemäß der seit 1990 regierende Fujimori im Amt bestätigt. Es gelang ihm, die Inflation zu senken aber auch der wirtschaftliche Aufschwung konnte das Elend weiter Bevölkerungskreise auf dem Lande und in den Slums der Städte nicht lindern. Das soziale Ungleichgewicht scheint für längere Zeit festgeschrieben zu sein.

ALBANIEN: Grenzkonflikt mit Griechenland 1993

Bei einem Staatsbesuch des griechischen Ministerpräsidenten Konstantin Mitsotakis im Mai 1992 hatten beide Nachbarländer eine intensive Kooperation in verschiedenen Wirtschaftsbereichen (Handeslsschiffahrt, Tourismus, Fischerei) vereinbart. Dieser Vertrag beinhaltet auch die Zusammenarbeit auf militärischem Sektor. Um so erstaunlicher war es, dass die Ausweisung eines griechisch-orthodoxen Priesters, der Bücher und Landkarten verteilt haben soll, in denen der Süden Albaniens als griechisches Territorium eingezeichnet war, im Juli 1993 zu erheblichen Spannungen mit Athen führte, in deren Folge die illegal in Griechenland lebenden 150 000 bis 200 000 albanischen Saisonarbeiter ausgewiesen wurden. Bedingung für eine Rückkehr war die Gewährung der völligen Religionsfreiheit für die griechische Minderheit in Albanien sowie die Rückkehrmöglichkeit jener Griechen, die nach der Machtergreifung der Kommunisten (1944) aus Albanien geflüchtet bzw. Vertrieben worden waren. Nach einem Zwischenfall, bei dem zwei Soldaten getötet und drei weitere schwer verletzt wurden, kam es zu erneuten Spannungen zwischen Albanien und Griechenland. Weitere Zwischenfälle im April und August 1994 verschlechterten die Beziehung zwischen den Nachbarstaaten; die Lage an der Grenze blieb für längere Zeit gespannt. Trotz Hilfe der damaligen EG, blieb die Situation Albaniens angespannt. Sollte sich das Land wirtschaftlich und politisch nicht ausreichend stabilisieren, kann es wieder zu Flucht und Unruhen kommen. Jedoch lässt die heutige Lage eher auf einen Bürgerkrieg schließen.

1297 Worte in "deutsch"  als "hilfreich"  bewertet