De Bello Gallico

Ãœbersetzung De Bello Gallico 9b

Caesar - Bello Gallico

(1) Gallien in seiner Gesamtheit ist in drei Teile geteilt, von denen den einen die Belgier bewohnen, den anderen die Aquitanier und den dritten, die welche in ihrer eigen Sprache Kelten, in unsere Gallier heißen.

(2) Diese alle sind nach Sprache, Einrichtungen und Gesetzen untereinander verschieden. Die Gallier trennt von den Aquitaniern der Fluß Garonna, von den Belgiern die Marne und die Seine.

(3) Von diesen allen die tapfersten sind die Belgier, deswegen weil sie von der Lebensweise und Bildung der römischen Provinz entfernt sind, keineswegs bei ihnen Kaufleute häufig ein- und ausgehen und das, was zur Verweichlichung der Gemüter dient, einführen, und weil sie am nächsten benachbart den Germanen sind, die jenseits des Rheines wohnen, mit denen sie ununterbrochen Krieg führen.

(4) Aus diesem Grunde übertreffen auch die Helvetier die übrigen Germanen an Tapferkeit, weil sie sich in fast täglichen Kämpfen mit den Germanen messen, indem sie entweder von ihren eigenen Grenzen sie abwehren oder selbst in deren Lande Krieg führen.

(5) Von ihnen ein Teil, den, wie gesagt, die Gallier innehaben, beginnt an der Rhone; er wird begrenzt von der Garonne, dem Ozean und von dem Lande der Belgier; er berührt auch von der Seite der Sequaner, und Helvetier aus den Rhein; er liegt nach Norden zu.

(6) Das Gebiet der Belgier beginnt an den aüßersten Grenzen Galliens; es erstreckt sich bis zum unteren Teile des Rheines; es schaut nach Nordosten.

(7) Aquitanien erstreckt sich von der Garonne bis zum Pyrenäengebirge und demjenigen Teil des Ozeans, der bei Spanien ist; es schaut nach Nordwesten.

Abschnitt 2

(1) Bei den Helvetiern war bei weitem am angesehensten und reichsten Orgetorix. Dieser, unter dem Konsulat des Marcus Messala und Marcus Piso von Verlangen nach der Königsherrschaft veranlasst, stiftete eine Verschwörung des Adels an und überredete die Bürgerschaft, ihr Land mit allen Vorräten zu verlassen:

(2) es sei sehr leicht, da sie an Tapferkeit alle überträfen, sich der Herrschaft über ganz Gallien zu bemächtigen.

(3) Dazu überredete er sie um so leichter, weil die Helvetier auf allen Seiten durch die Natur des Landes eingeengt sind: auf der einen Seite durch den sehr breiten und sehr tiefen Rhein, der die Helvetiermark von den Germanen trennt, auf der anderen Seite durch das so hohe Juragebirge, das zwischen den Sequanern und Helvetiern liegt: auf der dritten durch den Genfer See und die Rhone, die unsere Provinz von den Helvetiern trennt.

(4) Dadurch kam es, dass sie sowohl weit weniger Streifzüge unternehmen als auch weniger leicht ihre Grenznachbarn angreifen konnten; in dieser Hinsicht waren die kriegslustigen Leute sehr bekümmert.

Abschnitt 3

(1) Hierdurch veranlasst und durch das Ansehen des Orgetorix bewogen, beschlossen sie, das, was ihrer Meinung zum Auszug gehörte, vorzubereiten, eine möglichst große Zahl Zugtiere und Karren aufzukaufen, möglichst große Saaten zu machen, damit unterwegs der Getreidevorrat lange, und mit den nächsten Stämmen Frieden und Freundschaft zu schließen. Zur Erledigung dieser Dinge genüge ihnen, glaubten sie, ein Zeitraum von zwei Jahren;

(2) auf das dritte Jahr setzen sie durch ein Gesetz den Aufbruch fest.

(3) Zur Ausführung dieser Maßnahmen wird Orgetorix gewählt.

(4) Dieser nahm die Gesandtschaft zu den Stämmen auf sich.

(5) Dabei überredet er den Casticus, des Catamantaloedes Sohn einen Sequaner, dessen Vater bei den Sequanern viele Jahre die Königsherrschaft innegehabt hatte und vom Senate des römischen Volkes "Freund" genannt worden war, sich in seinem Stamme des Thrones zu bemächtigen, den sein Vater vorher innegehabt hatte. Und ebenso überredet er den Häduer Dumnorix, den Bruder des Diviacus, der zu dieser Zeit die erste Stelle in seinem Stamme einnahm und beim Volke am meisten beliebt war, das gleiche zu versuchen, und gibt ihm seine Tochter zur Frau.

(6) Es sei sehr leicht auszuführen, macht er jenen klar, die Unternehmungen durchzuführen, deswegen weil er selbst in seinem Stamme die Macht übernehmen werde; es sei nicht zweifelhaft, dass von ganz Gallien die Helvetier die größte Macht besäßen;

(7) er versichert, er werde mit seinen Mitteln und seiner Heeresmacht ihnen zu Königsherrschaft verhelfen.

(8) Durch diese Rede verleitet, leisten sie untereinander den Treueid und geben sich der Hoffnung hin, dass sie nach Besitzergreifung der Königsherrschaft sich mit Hilfe der drei mächtigsten und stärksten Stämme ganz Gallien unterwerfen können.

Abschnitt 4

(1) Dieser Plan wurde von den Helvetiern durch eine Anzeige gemeldet. Ihren Sitten gemäß zwangen sie Orgetorix, seine Sache gefesselt zu führen; dass dem Verurteilten die Strafe folgte, dass er verbrannt wurde, war erforderlich.

(2) An dem für die Verhandlung festgesetzten Tage ließ Orgetorix an der Gerichtsstätte seine gesamte Familie - an die 10000 Mann - von überall her sich einfinden, und alle seine Klienten sowie Schuldner, deren er eine große Menge hatte, führte er ebendort zusammen; durch diese befreite er sich davon, dass er sich verantwortete.

(3) Als der Stamm, deswegen erbittert, mit den Waffen sein Recht geltend zu machen versuchte und die Behörden eine Menge Menschen vom Lande zusammenbrachten, starb Orgetorix,

(4) und es liegt der Verdacht nicht fern, wie die Helvetier glauben, dass er selbst sich den Tod gegeben hat.

Abschnitt 5

(1) Nach dessen Tode versuchen die Helvetier nichtsdestoweniger, das, was sie beschlossen hatten, auszuführen, dass sie nämlich aus ihrem Lande ausziehen.

(2) Sobald sie nun glaubten, sie seien dazu gerüstet, stecken sie alle ihre Städte, an Zahl etwa zwölf, ihre etwa 400 Dörfer und die übrigen Einzelgehöfte in Brand,

(3) verbrennen alles Getreide,

(4) außer dem, das sie mitzunehmen gedachten, damit sie, wenn die Aussicht auf eine Rückkehr in die Heimat genommen sei, bereiter zum Ertragen aller Gefahren seien, und befehlen, dass nur für drei Monate gemahlenes Getreide ein jeder für sich von daheim mitnehme.

(5) Sie überreden die Rauricer, Tulinger und Latobriger, ihre Grenznachbarn, denselben Plan benutzend nach Einäscherung ihrer Städte und Dörfer zusammen mit ihnen zu ziehen, und die Bojer, die jenseits des Rheines gewohnt hatten, in die Norische Mark hinübergezogen waren und Noreja belagert hatten, machen sie als bei sich aufgenommene sich zu Bundesgenossen.

Abschnitt 6

(1) Es gab im ganzen nur zwei Wege, auf denen die Helvetier die Heimat verlassen konnten, einen durch das Gebiet der Sequaner, schmal und beschwerlich, zwischen dem Jura und der Rhone, wo die Karren kaum einzeln fahren konnten; ein sehr hoher Berg aber hing herüber, so dass mit Leichtigkeit sehr wenige sperren konnten;

(2) der andere, durch unsere Provinz, viel leichter und bequemer deswegen, weil zwischen dem Lande der Helvetier und dem der Allobroger, die unlängst erst bezungen worden waren, die Rhone fließt und diese an einigen Stellen durch eine Furt überschritten wird.

(3) Die letzte Stadt der Allobroger und nächste dem Helvetiergebiete ist Genf. Aus dieser Stadt führt eine Brücke zu den Helvetiern. Sie würden die Allobroger, so glaubten die Helvetier, entweder überreden, weil sie noch nicht gutgesinnt gegen das römische Volk zu sein schienen, oder mit Gewalt zwingen, dass sie gestatteten, durch ihr Gebiet zu ziehen.

(4) Nachdem alles zum Aufbruch vorbereitet ist, setzen sie einen Tag fest, an dem sich alle am Rhoneufer einfinden sollen. Dieser Tag war der 5. vor den Kalenden des Aprils im Konsulatsjahre des Lucius Piso und Aulus Gabinius.

Abschnitt 7

(1) Als Caesar das gemeldet wurde, das sie durch unsere Provinz zu ziehen versuchten, beeilt er sich, von der Stadt aufzubrechen und reist, so schnell er kann, ins jenseitige Gallien und trifft in der Gegend von Genf ein.

(2) Der gesamten Provinz befiehlt er, eine möglichst große Anzahl Soldaten zu stellen - es stand im ganzen im jenseitigen Gallien nur eine Legion -, die Brücke, die bei Genf war, lässt er abbrechen.

(3) Sobald die Helvetier von seiner Ankunft benachrichtigt worden sind, schicken sie als Gesandte zu ihm die Vornehmsten ihres Stammes, in welcher Gesandtschaft Nammejus und Veroclötius die erste Stelle einnahmen, die sagen sollten, sie hätten im Sinne, ohne irgendwelche Gewalttätigkeit durch die Provinz zu ziehen, deswegen, weil sie keinen anderen Weg hätten: sie bäten darum, dass es ihnen erlaubt sei, das mit seiner Genehmigung zu tun.

(4) Weil sich Caesar erinnerte, dass von den Helvetiern der Konsul Lucius Cassius getötet und sein Heer geschlagen und unters Joch geschickt worden war, glaubte er, nicht einwilligen zu dürfen;

(5) auch glaubte er nicht, dass Leute von feindlicher Gesinnung, wenn die Gelegenheit, durch die Provinz zu ziehen, geboten sei, einer Rechtsverletzung und Gewalttat enthalten würden.

(6) Damit jedoch eine Zeit dazwischen vergehen könne, bis die Leute, die er verlangt hatte, zusammenkämen, antwortete er den Gesandten, er werde sich eine Frist zum Überlegen nehmen; wenn sie etwas wollten, sollten sie an den Iden des Aprils wiederkommen.

Abschnitt 8

(1) Unterdessen legt er mit der Legion, die er bei sich hatte, und mit den Soldaten, die aus der Provinz zusammengekommen waren, vom Genfer See, der in die Rhone fließt bis zum Juragebirge, das das Gebiet der Sequaner von den Helvetiern trennt, eine Mauer von 19000 Doppelschritt Länge und 16 Fuß Höhe an und einen Graben davor.

(2) Nachdem dieses Werk vollendet ist, stellt er an verschiedenen Punkten Schutzpfosten auf und lässt Bastionen errichten, damit er um so leichter abwehren könne, falls sie wider seinen Willen überzusetzen versuchen sollten.

(3) Sobald der Termin, den er mit den Gesandten vereinbart hatte, gekommen ist und die Gesandten zu ihm zurückgekehrt sind, erklärt er, er könne nach Herkommen und Brauch des römischen Volkes keinem den Zug durch die Provinz erlauben, und macht klar, dass er es verhindern werde, falls sie Gewalt anzuwenden versuchen sollten.

(4) Die Helvetier, in dieser Hoffnung getäuscht, versuchten auf zusammengekoppelten Schiffen und mehreren dazu gezimmerten Flößen, andere an seichten Stellen der Rhone, wo die Tiefe des Flußes am geringsten war, bisweilen bei Tage, häufiger bei Nacht, ob sie durchbrechen könnten, wurden

aber durch die Stärke der Verschanzung, den Zusammenlauf der Soldaten und die Geschosse zurückgetrieben und standen von diesem Versuch ab.

Abschnitt 9

(1) So blieb nur der Weg durch das Land der Sequaner übrig, auf dem sie aber wegen seiner Enge gegen den Willen der Sequaner nicht ziehen konnten.

(2) Da sie diese von sich aus nicht überreden konnten, schicken sie Gesandte an den Häduer Dumnorix, um es durch seine Fürsprache von den Sequanern zu erwirken.

(3) Dumnorix besaß durch Beliebtheit und Freigiebigkeit bei den Sequanern einen sehr großen Einfluß und war den Helvetiern Freund, weil er aus diesem Staate des Orgetorix Tochter als Gattin heimgeführt hatte, aus Verlangen nach der Königsherrschaft auf Neuerungen sann und möglichst viele Stämme durch persönliche Gunstbezeichnung verpflichtet haben wollte.

(4) Daher übernimmt er die Sache und erreicht von den Sequanern, dass sie die Helvetier durch ihr Land ziehen lassen, und setzt durch, dass sie untereinander Geiseln stellen: die Sequaner, damit sie die Helvetier nicht am Marsche hindern, die Helvetier, damit sie ohne Gewalttat und Unbill hindurchziehen.

Abschnitt 10

(1) Caesar wird gemeldet, die Helvetier hätten im Sinne, durch die Mark der Sequaner und Häduer ins Gebiet der Santoner zu ziehen, die nicht weit vom Gebiet der Tolosaten entfernt sind, eines kriegerischen Stammes in der Provinz.

(2) Caesar sah ein, dass es, wenn dies geschehe, mit großer Gefahr für die Provinz verbunden sein werde, dass sie mit kriegslustigen Menschen, Feinden des römischen Volkes, mit ihrem offenen und ganz besonders getreidereichem Gelände als Grenznachbarn habe.

(3) Infolgedessen stellte er diejenige Befestigung, die er hatte anlegen lassen, unter den Befehl des Legaten Titus Labienus; er selbst reist in Eile nach Italien, hebt daselbst zwei Legionen aus, führt die drei Legionen, die bei Aquileja überwintern, aus dem Winterlager heraus und beeilt sich, wo der nächste Weg ins jenseitige Gallien über die Alpen führte, mit diesen fünf Legionen zurückzukehren.

(4) Dort versuchen die Ceutronen, Grajoceler und Caturigen nach Besetzung der Anhöhen das Heer am Weitermarsche zu hindern.

(5) Nachdem diese in mehreren Gefechten geschlagen worden sind, gelangt Caesar von Ocelum, welches die letzte Stadt der diesseitigen Provinz ist, ins Gebiet der Vocontier in der jenseitigen Provinz am siebenten Tage: von dort führt er sein Heer ins Gebiet der Allobroger, von den Allobrogern zu den Segusiavern. Diese sind außerhalb der Provinz jenseits der Rhone die ersten.

Abschnitt 11

(1) Die Helvetier hatten bereits ihre Scharen durch den Engpaß und das Gebiet der Sequaner hindurchgeführt, waren ins Gebiet der Häduer gelangt und verwüsteten deren Äcker.

(2) Da die Häduer sich und das Ihrige vor ihnen nicht schützen konnten, schicken sie Gesandte zu Caesar, um Hilfe zu erbitte;

(3) So hätten sie sich jederzeit um das römische Volk verdient gemacht, dass beinahe im Angesicht unseres Heeres die Äcker nicht hätten verwüstet werden, ihre Kinder nicht hätten in die Sklaverei weggeführt werden und die Städte nicht hätten erobert werden dürfen.

(4) Zu derselben Zeit teilen die Ambarrer, Schützlinge und Blutsverwandte der Häduer, Caesar mit, dass sie nach Verwüstung ihrer Fluren nicht leicht von ihren Städten den Ansturm der Feinde fernhalten.

(5) Ebenso flüchten sich die Allobroger, die jenseits der Rhone Dörfer und Ländereien besaßen, zu Caesar und tuen dar, dass ihnen außer ihrem Grund und Boden ihres Landes nichts übrig sei.

Abschnitt 12

(1) Es gibt den Fluß Arar, der durch das Land der Häduer und Sequaner der Rhone zufließt in unglaublicher Langsamkeit, so dass man mit den Augen nicht beurteilen kann, nach welcher Seite er fließt. Die Helvetier waren gerade dabei, ihn auf Flößen und zusammengekoppelten Kähnen zu überschreiten.

(2) Sobald Caesar durch Kundschafter erfuhr, dass die Helvetier bereits drei Viertel ihrer Streitkräfte über diesen Fluß geführt hatten, dass etwa ein Viertel noch diesseits der Saone übrig sei, gelangte er, noch während der dritten Nachtwache mit drei Legionen auf dem Lager aufgebrochen seiend, zu dem Teile, der noch nicht den Fluß überschritten hatte.

(3) Er griff sie, die nicht kampfbereit und ahnungslos waren, an und machte einen großen Teil von ihnen nieder; die Übrigen flohen und verbargen sich in den nächsten Wäldern.

(4) Dieser Gau hieß Tigurinischer: denn die gesamte helvetische Bevölkerung zerfällt in vier Gaue.

(5) Dieser eine Gau hatte, als er die Heimat zur Zeit unserer Väter verlassen hatte, den Konsul Lucius Cassius getötet und sein Heer unters Joch geschickt.

(6) So musste, sei es durch Zufall oder nach dem Ratschluß der unsterblichen Götter, derjenige Teil der helvetischen Bevölkerung, der dem römischen Volke eine empfindliche Niederlage beigebracht hatte, zuerst büßen.

Abschnitt 13

(1) Nachdem dieses Treffen stattgefunden hatte, lässt Caesar, um die übrigen Scharen der Helvetier einholen zu können, eine Brücke über die Saone schlagen uind führt so sein Heer herüber.

(2) Die Helvetier, durch sein plötzliches Erscheinen beeindruckt, da sie einsahen, dass das, was sie selbst in zwanzig Tagen nur mit größter Mühe fertiggebracht hatten, dass sie nämlich den Fluß überschritten, jener an einem Tage geschafft hatte, schicken Gesandte zu ihm; dieser Gesandtschaft Führer war Divico, der im Kriege mit Cassius Führer der Helvetier gewesen war.

(3) Dieser verhandelte folgendermaßen mit Caesar: Wenn das römische Volk mit den Helvetiern Frieden schließe, so würden die Helvetier dorthin ziehen und dort sich aufhalten, wo Caesar sie ansiedele und wünsche, dass sie sich aufhielten:

(4) suche er sie aber weiterhin mit Krieg heim, so möge er sowohl des alten Mißgeschickes des römischen Volkes als auch der alten Tapferkeit der Helvetier gedenken.

(5) Wenn er unversehens einen einzigen Gau angegriffen, da diejenigen, die den Fluß überschritten hätten, den ihrigen keine Hilfe bringen konnten, so solle er deswegen entweder nicht stolz auf seine Tätigkeit sein oder sie selbst geringschätzen.

(6) Sie hätten es so von ihren Vätern und Ahnen gelernt, dass sie mehr mit Tapferkeit kämpften als sich auf List oder Hinterhalt verließen.

(7) Deshalb solle er nicht Veranlassung geben, dass der Ort, wo sie stünden, von einer Niederlage des römischen Volkes einen Namen erhalte und die Erinnerung daran überliefere.

Abschnitt 14

(1) Diesen antwortete Caesar folgendermaßen: Umso weniger gebe es für ihn Bedenken, weil er das, was die helvetischen Gesandten erwähnt hätten, noch im Gedächtnis habe, und er empfinde es um so schmerzlicher, je weniger es sich durch das Verschulden des römischen Volkes ereignet habe:

(2) wenn sich dieses nämlich irgendeines Unrechts bewußt gewesen wäre, so wäre es nicht schwer gewesen, auf der Hut zu sein; aber darin habe es sich getäuscht, insofern es wieder einsehe, dass von ihm etwas begangen sei, weshalb es sich zu fürchten habe, noch glaube, ohne Grund zu fürchten zu sein.

(3) Wenn er aber auch die alte Schmach vergessen wolle, könne er etwa auch die Erinnerung an die eben erst verübten Gewalttätigkeiten, dass sie gegen seinen Willen gewaltsam versucht hätten, durch die Provinz zu ziehen, dass sie die Häduer, dass sie die Ambarrer und dass sie die Allobroger heimgesucht hätten, aus seinem Gedächtnisse tilgen?

(4) Wenn sie sich ihres Sieges so ungebührlich rühmen und wenn sie sich wunderten, dass sie so lange straflos mit ihren Gewalttätigkeiten durchgekommen seien, so weise das gleichfalls darauf hin.

(5) Die unsterblichen Götter seien es nämlich gewöhnt, damit Menschen um so heftigeren Schmerz infolge eines Wechsels ihres Geschicks empfänden, denjenigen, die sie für ihre Ruchlosigkeit büßen lassen wollten, bisweilen größeres Glück und längere Straflosigkeit zu bewilligen.

(6) Obgleich dem so sei, werde er dennoch mit ihnen Frieden schließen, wenn Geiseln von ihnen ihm gestellt würden, damit er einsehe, dass sie das, was sie versprächen, tun würden, und wenn sie den Häduern für die Gewalttätigkeiten, die sie ihnen selbst und ihren Bundesgenossen zugefügt hätten, ebenso wenn sie den Allobrogern Genugtuung leisteten.

(7) Divico antwortete: So seien die Helvetier von ihren Vorfahren unterwiesen worden, dass sie Geiseln anzunehmen, nicht zu stellen gewohnt seien: dessen sei das römische Volk Zeuge. Nachdem er diese Antwort gegeben hatte, ging er weg.

Abschnitt 15

(1) Am folgenden Tage brechen die Helvetier von diesem Platze auf. Das gleiche tut Caesar, und er schickt die gesamte Reiterei, an Zahl etwa 4 000 Mann, die er aus der gesamten Provinz und den Ländern der Häduer und ihrer Bundesgenossen zusammengezogen hatte, voraus, die sehen soll, nach welchen Seiten die Feinde ziehen.

(2) Diese, der Nachhut zu hitzig nachgesetzt habend, geraten auf ungünstigem Gelände mit der Reiterei der Helvetier ins Gefecht, und nur einige wenige von den Unsrigen fallen.

(3) Durch dieses Treffen übermütig gemacht, weil sie mit nur 500 Reitern eine so große Menge von Reitern geworfen hatten, begannen sie, mit größerer Kühnheit von Zeit zu Zeit haltzumachen und mit ihrer Nachhut die Unsrigen zum Kampfe herauszufordern.

(4) Caesar hielt seine Leute von einem Kampfe zurück und begnügte sich für den Augenblick damit, den Feind an Räubereien, Streifzügen nach Futter und Verwüstungen zu hindern.

(5) Etwa 15 Tage marschierte man in der Weise, dass zwischen der Nachhut der Feinde und unserer Vorhut nicht mehr als fünf oder sechs Meilen Zwischenraum war.

Abschnitt 16

(1) Inzwischen verlangte Caesar täglich von den Häduern das Getreide, das sie im Namen ihres Stammes versprochen hätten.

(2) Denn wegen der kalten Witterung, weil Gallien nach Norden, wie oben erwähnt, liegt, war nicht nur das Getreide auf den Feldern nicht reif, sondern es war auch nicht einmal an Grünfutter eine genügend große Menge vorhanden;

(3) dasjenige Getreide aber, das Caesar auf der Saone in Schiffen nachgeführt hatte, konnte er deshalb weniger verwenden, weil die Helvetier von der Saone abgebogen waren, von denen er nicht weggehen wollte.

(4) Von Tag zu Tag zogen die Häduer die Sache hin: man liefere ab, man speichere auf, das Getreide sei da, sagten sie.

(5) Sobald Caesar einsah, dass er zu lange hingehalten wurde und dass der Tag bevorstand, an dem man den Soldaten ihr Getreide zuteilen musste, nachdem ihre Fürsten zusammengerufen waren, von denen er eine große Menge im Lager hatte, unter diesen Diviacus und Liscus, der das höchste Amt verwaltete, den die Häduer Vergobret nennen, der jährlich gewählt wird und Gewalt über Leben und Tod den Untergebenen gegenüber besitzt -

(6) klagt er sie schwer an, dass er, obgleich weder gekauft noch von den Feldern genommen werden könnte, in so gefährlicher Zeit, bei solcher Nähe der Feinde von ihnen nicht unterstützt werde, zumal da er, zu einem großen Teile durch ihre Bitten veranlasst, den Krieg unternommen habe, viel schwerer noch beklagt er sich, dass er hintergangen sei.

Abschnitt 17

(1) Jetzt erst bringt Liscus, durch die Rede Caesars veranlasst, vor, was er vordem verschwiegen hatte: Es gebe einige, deren Ansehen beim niederen Volke sehr viel gelte, die als Privatleute größeren Einfluß besäßen als selbst die Behörden.

(2) Diese hielten durch aufrührerische und boshafte Rede die große Masse davon zurück, das Getreide zu liefern, das sie liefern sollten:

(3) es sei besser, wenn sie schon die Führung in Gallien nicht behaupten könnten, das Regiment der Gallier als das der Römer zu ertragen;

(4) auch zweifelten sie nicht daran, dass die Römer, wenn sie die Helvetier überwunden hätten, zusammen mit dem übrigen Gallien den Häduern die Freiheit rauben würden.

(5) Von denselben würden unsere Pläne und was im Lager vor sich gehe den Feinden verraten; diese könnten von ihm nicht im Zaume gehalten werden.

(6) Ja, was er, durch die Notlage gezwungen, Caesar mitgeteilt habe, so sehe er ein, unter welch großer Gefahr er das getan habe, und aus diesem Grunde habe er, so lange er gekonnt, geschwiegen.

Abschnitt 18

(1) Caesar merkte, dass durch diese Rede des Liscus Dumnorix, der Bruder des Diviacus gemeint sei, aber, weil er nicht wollte, dass diese Angelegenheiten in Anwesenheit mehrerer erörtert würden, entlässt er schnell die Versammlung, den Liscus behält er zurück.

(2) Er befragt ihn unter vier Augen über das, was er in der Zusammenkunft geäußert hatte.

(3) Er äußert sich freier und kühner. Nach dem gleichen erkundigt sich Caesar im geheimen bei anderen; er fand, dass es wahr war. Dumnorix selbst sei es, von äußerster Verwegenheit, von großer Beliebtheit beim niederen Volke wegen seiner Freigiebigkeit und begierig nach Neuerungen. Mehrere Jahre habe er die Zölle und alle übrigen staatlichen Einkünfte der Häduer für einen geringen Preis gekauft und zwar deswegen, weil, wenn er biete, niemand dagegen zu bieten wage.

(4) Dadurch habe er sowohl sein persönliches Vermögen vergrößert als auch reiche Mittel zum Schenken erworben;

(5) eine große Zahl Reiterei unterhalte er immer auf eigene Kosten und habe sie um sich,

(6) und nicht nur in der Heimat, sondern auch bei den Nachbarstämmen sei sein Einfluß groß, und dieses Einflußes wegen habe er seine Mutter im Lande der Bituriger an einen äußerst vornehmen und mächtigen Mann verheiratet,

(7) er selbst habe eine Frau aus Helvetien und eine Schwester von mütterlicher Seite sowie seine (übrigen) weiblichen Verwandten in andere Stämme verheiratet.

(8) Wegen dieser Verwandschaft sei er den Helvetiern günstig gesinnt und gewogen, er hasse auch aus persönlichen Gründen Caesar und die Römer, weil durch ihre Ankunft seine Macht geschwächt und sein Bruder in seine alte Stellung von Gunst und Ansehen wieder eingesetzt worden sei.

(9) Wenn den Römern etwas widerfahre, so komme er in die höchste Hoffnung, mit Hilfe der Helvetier die Königsherrschaft zu erlangen; unter der Herrschaft des römischen Volkes gebe er die Hoffnung nicht nur auf die Königsherrschaft auf, sondern auch auf die Behauptung des Einflußes, den er besitze.

(10) Caesar bekam auch bei der Untersuchung nach und nach heraus, dass in dem unglücklichen Reitertreffen vor wenigen Tagen der Anfang mit seiner Flucht von Dumnorix und seinen Reitern gemacht worden sei - denn die Reiterei, die die Häduer Caesar zu Hilfe geschickt hatten, stand unter dem Befehle des Dumnorix; durch deren Flucht sei die übrige Reiterei erschreckt worden.

Abschnitt 19

(1) Nachdem dies in Erfahrung gebracht worden war, da zu diesen Verdachtsgründen die völlig sicheren Tatsachen hinzukamen, dass er die Helvetier durchs Land der Sequaner geführt habe, dass er unter ihnen habe Geiseln stellen lassen, dass er dies alles nicht bloß seinen und des Stammes Befehl, sondern sogar ohne ihr Wissen getan habe und dass er von dem Oberhaupte der Häduer beschuldigt werde, glaubte Caesar, es sei genügend Grund vorhanden, dass er gegen ihn entweder selbst einschreiten werde oder dem Stamme einzuschreiten befehle.

(2) Diesen Gründen allen stand nur das eine dagegen, dass er seines Bruders Diviciacus Ergebenheit dem römischen Volke gegenüber, als die höchste, seine ausgezeichnete Treue, Gerechtigkeit und Maßhaltung kennegelernt hatte; denn er füchtete, durch seine Hinrichtung Diviciacus zu kränken.

(3) Daher lässt er, bevor er etwas unternimmt, Diviciacus zu sich rufen, und nach Entfernung der alltäglichen Dolmetscher bespricht er sich mit ihm durch Vermittlung des Gajus Valerius Procillus, eines Fürsten der Provinz Gallien, eines guten Freundes von ihm, dem er in allen Dingen das höchste Vertrauen schenkte;

(4) zugleich erinnert er daran, was in seiner Gegenwart in der Versammlung der Gallier über Dumnorix gesagt worden ist, und offenbart, was jeder einzeln über ihn bei ihm gesagt hat.

(5) Er bittet und fordert ihn auf, dass er ohne eine Kränkung seinerseits entweder selbst inbetreff seiner nach Untersuchung der Sache beschließen oder dem Stamme zu beschließen befehlen dürfe.

Abschnitt 20

(1) Diviacus, unter vielen Tränen Caesar umarmend, begann ihn zu beschwören, er möge nicht zu streng gegen seinen Bruder vorgehen.

(2) Er wisse, dass jenes wahr sei und niemand empfinde darüber mehr Kummer als er, und zwar deshalb, weil, während er selbst den größten Einfluß in seiner Heimat und im übrigen Gallien besessen habe jener wegen seiner Jugend ganz wenig gegolten habe und durch ihn emporgekommen sei: diese Machtmittel und diesen Einfluß benutze er nicht nur zur Schwächung seines Ansehens, sondern beinahe zu seinem Verderben.

(3) Er jedoch lasse sich durch Bruderliebe und die Meinung des Volkes bewegen.

(4) Wenn ihm nun etwas zu schweres von Caesar widerfahre, obgleich er selbst diese freundschaftliche Stellung bei ihm einnehme, werde niemand glauben, er sei nicht mit seinem Willen geschehen; die Folge davon werde sein, dass sich des gesamten Galliens Gesinnung von ihm abwenden würde. Als er dies mit mehr Worten weinend von Caesar erbat, ergreift dieser seine Rechte; er tröstet und bittet ihn, seinem Bitten ein Ende zu machen; er weist darauf hin, dass ihm seine Beliebtheit bei ihm so viel gelte, dass er sowohl das Unrecht dem römischen Staate gegenüber, als auch seine persönliche Kränkung seinem Wunsche und seiner Fürbitte gleichsam schenke.

(5) Dumnorix ruft er zu sich; den Bruder zieht er hinzu; was er an ihm zu tadeln hat, legt er da; was er selbst wahrnimmt, worüber sich der Stamm beschwert, tut er ihm kund; für die Zukunft möge er all Veranlassungen zu Verdacht vermeiden; das Vergangene, so erklärt er, verzeihe er dem Bruder Diviacus zuliebe. Dem Dumnorix stellt Wächter, damit er, was er tut, mit wem er sich bespricht, wissen kann.

Abschnitt 21

(1) An demselben Tage von Aufklärern benachrichtigt, die Feinde hätten am Fuße des Berges eine Stellung bezogen, 8000 Doppelschritte (12 km) von seinem eigenen Lager entfernt, schickte er Leute aus, die erkunden sollten, wie beschaffen die Natur des Berges und wie beschaffen ringsum der Anstieg sei. Es wurde zurückgemeldet, er sei leicht.

(2) Caesar befiehlt dem Titus Labienus, seinem stellvertretendem Legaten, noch während der dritten Nachtwache mit zwei Legionen und unter Führung derer, die den Weg erkundet hatten, den Gipfel des Berges zu ersteigen; was sein Plan ist, erklärt er.

(3) Er selbst rückt noch währen der vierten Nachtwache auf demselben Wege, auf dem die Feinde gezogen waren, gegen sie in Eile an und schickt die gesamte Reiterei vor sich her.

(4) Publius Considius, der als sehr erfahren im Kriegswesen galt und im Heere des Lucius Sulla und danach in dem des Marcus Crassus gedient hatte, wird mit Aufklärern vorausgeschickt.

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