Faschismus

Faschismus

1. das von B.Mussolini geführte Herrschaftssystem in Italien (1922 - 45);

2. i.w.S. Bez. für extrem nationalist., nach dem Führerprinzip organisierte antiliberale und antimarxist. Bewegungen und Herrschaftssysteme in verschiedenen Ländern Europas nach dem 1. Weltkrieg

3. nach marxist. Auffassung eine in kapitalist. Industrie - gesellschaften bei sozialer, wirtschaftl. und polit. Krisenlage angewandte Form bürgerl. Herrschaft. Heute wird der Begriff häufig unreflektiert auf Phänomene angewandt, auf die er gar nicht oder nur tendenziell zutrifft. Neofaschismus.

Der Faschismus in Italien

Der Aufstieg des Faschismus: In der 1919 von Mussolini als ›Fasci di combattimento‹ begründeten Bewegung von Syndikalisten, Frontkämpfern und Interventisten verband sich militanter Nationalismus mit einem lautstarken polit. - sozialen Erneuerungswillen. Doch erst als die Nachkriegskrise Italiens (Unzufriedenheit mit den Ergebnissen des Krieges, mangelnde Koalitionsbereitschaft der Parteien, soziale Auseinander - setzungen im Sept. 1920 in mehrwöchigen Fabrikbesetzungen einen Höhepunkt erreichte, fand die militante, antisozialist. Taktik des F. die Unterstützung von Ind., Grundbesitz, Kirche, Bürokratie und liberaler Presse. Anfangs eine kleinbürgerl. Protestbewegung, griff der F. nun auf die Gebiete des sozialist. ländl. Genossenschaftswesens in N - Italien über. Bewaffnete Kampfgruppen führten einen Vernichtungskampf gegen die organisierte Linke.
Um die regionalen Gruppen im F. besser beherrschen zu können, formte Mussolini die Bewegung im Nov. 1921 zum Partito Nazionale Fascista (PNF) um. Loyalitätserklärungen gegenüber der kath. Kirche und der Monarchie sowie ein liberalist. Wirtschaftsprogramm erhöhten die Koalitionsfähigkeit. Ende Okt. 1922 bahnte sich Mussolini mit Gewalt, Erpressung und Überredung den Weg zur Macht (Marsch auf Rom 27./28. 10. 1922). Am 30. 10. ernannte Viktor EmanuelIII. Mussolini zum Min. - Präsidenten.

Ausgestaltung des faschistischen Staates

Das wenig umrissene Programm des F. beruhte großenteils auf Ressentiments und Negationen (Antimarxismus, Antiliberalismus usw.). Auf die Lehre des F. wirkten neben dem Futurismus und dem Aktionismus D'Annunzios v.)a. der revolutionäre Syndikalismus (im linken Flügel des F.) und der Nationalismus ein. Mit der Gründung des Großrats des Faschismus (15.12. 1922) und der Institutionalisierung der faschist. Kampfgruppen in einer parastaatl. Parteiarmee begann die Umwandlung des liberalen Systems.

Ein neues Wahlgesetz gab der PNF und ihren rechtsliberalen Listenverbündeten in den Wahlen vom April 1924 eine Zweidrittelmehrheit. Das durch die Ermordung des Sozialisten G.)Matteotti (10.6. 1924) signalisierte Drängen des radikalen Flügels des F. nach der Parteidiktatur führte zu einer tiefen Krise des F. und dem Übergang zum Einparteienstaat (Beseitigung der individuellen Grundrechtsgarantien und der Gewaltenteilung, Verbot der nichtfaschist. Parteien, Gleichschaltung von Verwaltung und Justiz, Aufhebung der Pressefreiheit).

Die Errichtung eines polit. Sondergerichts und einer Geheimpolizei institutionalisierte die terrorist. Seite des Systems. Ein Netz von Berufs -, Frauen -, Jugend -, Freizeit - organisationen u.a. sollte alle Altersstufen und Lebensbereiche erfassen. Das Führerprinzip wurde auf allen polit. und sozialen Ebenen durchgesetzt. Doch kannte die Wirklichkeit des totalitären Staates dank der unangetasteten Existenz von Kirche (Lateranverträge 1929), Monarchie und Heer eine Reihe von Freiräumen. Mit der Ausschaltung der kath., sozialist. und kommunist. Gewerkschaften und der Errichtung des Korporationensystems erhob der F. den Anspruch, eine transkapitalist. Wirtschaftsordnung geschaffen zu haben. Fakt. kam jedoch die Neuregelung mit der Aufhebung des Achtstundentages, der Betriebsvertretungen und mehrfachen Lohnsenkungen weitgehend der Arbeitgeberseite zugute.

Außenpolitik

Außenpolit. ordnete sich das faschist. Italien anfangs in die von Frankreich und Großbrit. bestimmte europ. Nachkriegsordnung ein. Die Hinwendung zum nat. - soz. Deutschland (gemeinsame Intervention im Span. Bürgerkrieg) gipfelte im Kriegseintritt Italiens (Juni 1940) auf dt. Seite. Nach den raschen militär. Niederlagen 1940 - 43 schritt der konservativ - monarchist. Flügel des F. zum Mißtrauensvotum im Großrat des Faschismus (24./25. 7. 1943), das dem König die Entlassung und Verhaftung Mussolinis ermöglichte. Nach seiner Befreiung durch die Deutschen inszenierte Mussolini in Oberitalien das kurzlebige Experiment der Republik von Salò.

Faschistische Bewegungen in Europa

In fast allen Staaten Europas gab es in den 1920er und 1930er Jahren faschist. Bewegungen:

Deutschland: Nationalsozialismus,
Spanien: Falange Española Tradicionalista y de las J.O.N.S., Großbritannien : British Union of Fascists,
Frankreich : Francismus, Parti Populaire Français,
Niederlande : Nationaal - Socialistische Beweging,
Belgien: Rexbewegung,
Norwegen: Nasjonal Samling,
Schweiz: Frontismus,
Österreich : Heimwehren, Ungarn: Pfeilkreuzler,
Rumänien : Eiserne Garde,
Slowakei: Hlinka - Garde,
Kroatien: Ustascha.

Auslöser waren die sozialen und polit. Veränderungen nach dem 1. Weltkrieg und die Furcht vor einer sozialen Revolution. Die Anhänger des F. stammten aus dem alten und neuen Mittelstand, die sich durch das Anwachsen der Arbeiterbewegung wie durch die fortschreitende Industrialisierung in ihrer materiellen Existenz und in ihrem Status bedroht fühlten. In ihrem Ansatz waren die faschist. Bewegungen sowohl antimarxist. wie antikapitalist., gingen jedoch auf dem Weg zur Macht vielfache Kompromisse mit vorhandenen Machtträgern ein. Mit Volksgemeinschaftsparolen versuchte man, die Klassengegensätze zu überwinden und die sozialen Spannungen - unter Verfolgung polit., religiöser und rass. Minderheiten - auf Randgruppen abzulenken.



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