Die Reformation

Die Reformation

[lat., "Erneuerung"]
Durch M. Luther, H. Zwingli, J. Calvin u. a. hervorgerufene Bewegung zur Erneuerung der Kirche, die zur Entstehung neuer, vom Papsttum unabhängiger Kirchen führte. - Vorbereitet wurde die Reformation durch vielfältige Faktoren: die geistesgeschichtl. Spannungen des Spät - MA; die in der Renaissance beginnende histor. Kritik auch an Einrichtungen der Kirche; die durch die Erfindung der Buchdruckerkunst allg. zugängl. gemachten Schriften der Bibel u. der Kirchenväter; das Streben der Fürsten u. weltl. Machthaber, das landesherrl. Kirchenregiment weiter auszubauen; die sozialen Gegensätze sowohl in den Städten, wo die herrschenden bürgerl. Schichten einen Aufstieg in ihre Reihen kaum möglich machten, als auch auf dem Lande, wo Halb - u. Unfreie zu Leibeigenen herabgedrückt wurden. Bedeutend waren vor allem die inneren Schäden der Kirche; der Autoritätsverlust, den das Papsttum durch das große Schisma erlitten hatte; das Scheitern der Reformkonzilien u. die nur in Ansätzen verwirklichte Reform der Kurie; die weltl. Haltung vieler Päpste u. Bischöfe; der krasse Unterschied zwischen dem reich dotierten höheren u. dem armen niederen Klerus; schließlich das auch die Laienwelt erfassende Streben nach religiöser Erneuerung (Devotio moderna).
Die schwelende Unzufriedenheit wurde durch das Auftreten Luthers im Ablassstreit u. die schnelle Verbreitung seiner großen Programmschriften zu einer hellen Flamme entfacht. Doch verstand sich Luther selbst nicht als "Reformator". Er setzte sein Vertrauen in die Kraft des Wortes Gottes u. in die Lenkung der Geschichte des Volkes Gottes durch Gott, dem allein er sich verpflichtet wußte. Weite Kreise des Adels, der Bürgerschaft, der Humanisten sowie des Welt - u. Ordensklerus unterstützten Luthers Auftreten, ohne jedoch zunächst an eine Trennung von der Kirche zu denken. Die Verhängung der Reichsacht über Luther u. das Wormser Edikt 1521 vermochten die Bewegung nicht mehr einzudämmen, da der Großteil der weltl. Machthaber, teils auch aus polit. Gründen, Luther unterstützte. Vor allem aber wurde eine echte Volksbewegung zum Träger luth. Gedanken. Luthers Theologie wurde von zahlreichen Predigern in Dtschld. verbreitet, der Gottesdienst wurde umgestaltet, neue Formen des Gemeindelebens wurden entwickelt.
Zwar erwuchsen der luth. Bewegung durch Schwarmgeister u. Wiedertäufer sowie durch die Bauernaufstände Schwierigkeiten; auch sagte sich mit Erasmus von Rotterdam ein Teil der Humanisten von Luther los. Doch in dem Jahrzehnt zwischen 1520 u. 1530 festigte sich die Reformation; die Fürsten u. Städte erließen Kirchenordnungen, die Wittenberger Universität wurde durch P. Melanchthon zum Mittelpunkt u. Vorbild des Studienwesens ausgebaut. Das Augsburgische Bekenntnis ("Confessio Augustana") 1530 stellte das Glaubensgut der 1529 gegen Mehrheitsbeschlüsse in religiösen Fragen Protestierenden fest. Die prot. Stände, die sich von dem außenpolit. siegreichen Kaiser Karl V. bedroht fühlten, schlossen sich 1531 im Schmalkaldischen Bund zusammen. Der Kaiser musste 1532 im Nürnberger Religionsfrieden den Protestanten Religionsfreiheit zugestehen. Weder unzureichende Reformversuche der kath. Kirche noch das zu spät berufene Trienter Konzil, noch Religionsgespräche vermochten die Einheit wiederherzustellen; auch nicht das Augsburger Interim von 1548 mit seinen vorsichtigen Rekatholisierungsbestrebungen, das der Kaiser nach seinem Sieg über den Schmalkaldischen Bund bei Mühlberg (1547) erließ. Zu dem auf Verlangen Karls V. wiederberufenen Konzil kamen neben dt. Bischöfen auch Protestanten, ohne in öffentlicher Sitzung vorgelassen zu werden. Doch der Abfall Moritz' von Sachsen zwang den Kaiser, 1552 im Passauer Vertrag u. 1555 im Augsburger Religionsfrieden den Anhängern des Augsburgischen Bekenntnisses freie Religionsausübung zuzugestehen. Um 1561 war Dtschld. zu vier Fünfteln prot. Doch gelang der kath. Kirche in den folgenden Jahrzehnten die Rückgewinnung mancher Gebiete (Gegenreformation). Im Westfäl. Frieden 1648 wurde der Bestand der Konfessionen garantiert. Erst die großen Bevölkerungsbewegungen der neuesten Zeit haben die konfessionellen Verhältnisse in Dtschld. grundlegend geändert.
In der dt. Schweiz führte Zwingli von Zürich, in der französ. Schweiz Calvin von Genf aus die Reformation durch. Eine Einigung zwischen Luther u. Zwingli scheiterte an der unterschiedlichen Abendmahlslehre. Der Zwinglianismus konnte in einigen Schweizer Kantonen, bes. im Bodenseegebiet, Fuß fassen; der Calvinismus eroberte Teile des luth. Deutschland u. Frankreich. Die Reformation schuf in den einzelnen dt. Territorien voneinander unabhängige Landeskirchen, die dem Kirchenregiment des Landesherrn unterstanden. Ihre verbindl. Lehren wurden im Konkordienbuch bzw. im Heidelberger Katechismus zusammengefaßt. Von Dtschld. aus ergriff die luth. Reformation auch die nord. u. balt. Länder. Der Calvinismus erlangte großen Einfluß in Frankreich (Hugenotten) u. den Niederlanden; auch in England u. Schottland gelang es ihm, sich gegen anfangs vorhandene luth. Einflüsse durchzusetzen. In Polen u. Ungarn nahm ein großer Teil des Adels nach vorübergehender Hinneigung zum luth. Bekenntnis den Calvinismus an.
Trotz der Unterschiede innerhalb der reformator. Bewegung des 16. Jh. gab es ein einheitl. Anliegen. Alle Reformatoren hoben die Bedeutung der Hl. Schrift als der grundlegenden Offenbarungsurkunde hervor, alle betonten die Souveränität Gottes im Zusammenhang der Lehre von Gnade u. Rechtfertigung, alle aktivierten das Bewußtsein vom allg. Priestertum der Gläubigen u. der christl. Verantwortung für die Welt.


Die Gegenreformation der katholischen Kirche

Im 18. Jh. geprägte Bez. für die Gegenbewegung der kath. Kirche zur Reformation, auch kath. Reform genannt. Schon im MA war der Ruf nach einer Erneuerung der Kirche erhoben worden. Das große päpstl. Schisma (Rom/Avignon) verstärkte die Forderung nach einer kath. Reform an Haupt u. Gliedern. Die sog. Reformkonzilien erfüllten die auf sie gesetzten Erwartungen nicht, da die Päpste seit dem Abschluß des Basler Konzils bestrebt waren, alle konziliaren Beschlüsse, die das Papsttum beeinträchtigten, abzubauen. Auch Reformversuche seitens einzelner Päpste blieben in den Anfängen stecken. Erst die Reformation erzwang eine umfangreiche Reform der kath. Kirche, die jedoch von Rom nur wenig gefördert wurde. Das Trienter Konzil erließ eine Anzahl von Reformdekreten, die die Durchführung der kath. Reform in der ganzen kath. Kirche ermöglichten. In Dtschld. wurde die kath. Reform die Grundlage einer alle Bereiche des geistigen u. religiösen Lebens umfassenden Bewegung; da sie auch prot. gewordene Gebiete durch politische Macht für die kath. Kirche zurückzugewinnen suchte, wird sie im allg. Gegenreformation genannt. Allerdings sind in Spanien u. in den Niederlanden schon vor Beginn der Reformation M. Luthers kath. Reformansätze zu beobachten. Der neue Orden der Gesellschaft Jesu (Jesuiten) bemühte sich bes. um die kath. Reform durch intensive kath. Erziehung der Jugend, durch Belehrung des Volkes über die Glaubenswahrheiten (Katechismus des Petrus Canisius ), durch Volksmission u. durch Bereitstellung von Ordensangehörigen als Beichtväter für die Fürsten. Daneben waren bes. die Kapuziner in der Volksseelsorge tätig. Die Tätigkeit der Jesuiten wurde politisch gefördert durch die Habsburger in Dtschld. u. Spanien, in Dtschld. später auch durch die Wittelsbacher. Die Bestimmung des Augsburger Religionsfriedens 1555, dass der Landesherr über die Konfession seiner Untertanen zu entscheiden habe (seit ca. 1600 cuius regio, eius religio ), hatte zahlreiche Härten im Gefolge (geistlicher Vorbehalt ). Der Übertritt des Landesherrn zu einer anderen Konfession zwang in der Regel auch die Untertanen, den Glauben zu wechseln. Die Verquickung von polit. mit religiösen Beweggründen führte zu Fürstenbündnissen (prot. Union 1608, kath. Liga 1609). Bei den von allen Seiten oft grausam geführten sog. Religionskriegen (in Dtschld. der Dreißigjährige Krieg, in Frankreich die Hugenottenkriege, in den Niederlanden die Kämpfe zwischen Spaniern u. Geusen, ferner die Kriege zwischen England u. Schottland, England u. Spanien, Schweden u. Polen) diente die Religion, bes. nach dem Tod des aus Gewissensgründen für den Protestantismus eintretenden Königs Gustav Adolf von Schweden, vielfach nur als Vorwand; machtpolitische Kämpfe verwüsteten große Gebiete bes. Deutschlands. Der Westfälische Friede 1648 sicherte den Konfessionen den Besitzstand, wobei für den Besitz der geistl. Güter u. die Religionsausübung das Jahr 1624 als Stichjahr festgesetzt wurde. Reformierte erhielten die gleichen Rechte wie die Katholiken u. Lutheraner. Während das Reich politisch geschwächt aus dem Krieg hervorging, bedeutete er für die Entwicklung der einzelnen Fürsten u. Nationen eine Stärkung; Kirche u. Frömmigkeit erfuhren eine krisenhafte Erschütterung.

Das Wormser Edikt

Erlass Kaiser Karls V. am 25. 5. mit Datum vom 8. 5. 1521 im Anschluß an den Reichstag zu Worms, auf dem Luther sich geweigert hatte zu widerrufen. Das Wormser Edikt verhängte die Reichsacht über Luther u. verbot Verbreitung u. Lektüre seiner Schriften.

Der Ablassstreit

1517 der äußere Anlass der Reformation durch Veröffentlichung der 95 Thesen M. Luthers, zugleich der symbolhafte Ausdruck für die Notwendigkeit kirchlicher Erneuerung im 16. Jh. Im Ablassstreit wurden von den Reformatoren nicht nur der Fiskalismus der Kurie u. der Mißbrauch in der Ablasspraxis gegeißelt, sondern vor allem, wie Luthers Resolutionen von 1518 zeigen, die dem Ablass zugrunde liegende Auffassung bestritten, dass Christi Heilshandeln sich mit menschlichen, in Sachwerten geltend zu machenden Werken verrechnen u. sogar für Verstorbene anwenden ließe.

Der Schmalkaldische Bund

Der 1531 in Schmalkalden von prot. Fürsten u. Reichsstädten unter Führung des Landgrafen Philipp von Hessen und des Kurfüsten Johann von Sachsen geschlossene Bund mit dem Ziel, Glauben u. polit. Selbständigkeit zu wahren. Zugeständnisse Kaiser Karls V. förderten zunächst seinen Einfluß, doch nahm die Bedeutung wegen unterschiedl. Zielsetzungen der Mitglieder seit 1541 ab. 1546 verhängte Karl die Reichsacht über die Bundeshauptleute Philipp u. Johann u. ging militärisch gegen sie vor (Schmalkaldischer Krieg). Die Niederlage des Bundes bei Mühlberg am 24. 4. 1547 führte zu seiner Auflösung.

Der Augsburger Religionsfrieden

Abschied des im Auftrag Karls V. durch König Ferdinand nach Augsburg berufenen Reichstags vom 25. 9. 1555, der den Anhängern des Augsburgischen Bekenntnisses unter Ausschluß der Reformierten u. Sekten einen dauernden Frieden gewährte. Mit der Anerkennung der bestehenden Konfessionsverhältnisse wurde auf ein einheitl. Bekenntnis im Reich verzichtet. Den Protestanten wurden gemäß dem Speyrer Abschied von 1544 die bisher eingezogenen Kirchengüter gesichert. Für die weltlichen Reichsstände galten Glaubensfreiheit u. Reformationsrecht, woraus sich der Grundsatz "cuius regio, eius religio" entwickelte; andersgläubige Untertanen hatten das Recht auszuwandern; der "Geistliche Vorbehalt" bestimmte, dass geistl. Fürsten bei Übertritt zur luth. Lehre ihre Rechte u. Einkünfte verloren. In der den Augsburger Religionsfrieden ergänzenden "Declaratio Ferdinandea" erhielten die Untertanen geistlicher Fürsten ihr Bekenntnis garantiert. Das Bekenntnis der Reformierten wurde erst im Westfälischen Frieden 1648 als gleichberechtigt anerkannt.

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