Götz von Berlichingen


Einleitung:
Das Schauspiel "Götz von Berlichingen" wurde von Johann Wolfgang von Goethe
im Alter von 22 Jahren zum Ende seiner Studienzeit verfasst.
Am 12. April 1774 war die Uraufführung in Berlin.
Um 1771 schrieb er den sogenannten "Urgötz" mit dem Titel: "Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand", basierend auf dem Leben des gleichnamigen Reichsritters, der 1504 im Landshuter Erbfolgekrieg die rechte Hand verlor und diese durch ein kunstvolle eiserne Prothese ersetzen ließ.
1773 schrieb er die zweite konzentriertere und geglättere Fassung, die jedoch die Frische und Unbekümmertheit der ersten Fassung nicht wieder aufgreifen konnte.
1804 ließ Goethe die 3.Fassung folgen. Sie war auf die damals modernen
Bühnenverhältnisse abgestimmt, allerdings litt die Dichtung darunter.
Die Unterschiede in den drei Fassungen betreffen im Wesentlichen die Rolle der Adelheid, die im "Urgötz" am stärksten ausgeprägt in
Erscheinung tritt.
Dieses Schauspiel wird meistens mit dem Text der ersten Fassung vorgetragen.
Die folgende Inhaltsangabe basiert auf einer Textwahl zwischen der ersten und der zweiten Fassung.


Inhalt:
Erster Akt: Götz von Berlichingen liegt im Streit mit dem Bischof von Bamberg, da Götz, vergleichbar mit Robin Hood, Reiche überfällt und Bedrängten hilft. Als er eines Tages seinen alten Jugendfreund aus Bamberg Albert von Weislingen fangen kann, nimmt er ihn mit auf seine Burg "Jaxthausen". Götz versucht Weislingen auf seine Seite zu bringen. Mit geschickter Wortwahl und Erinnerungen aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit sowie durch die Verlobung Weislingens mit Götzens Schwester Maria gelingt es Götz zunächst Weislingen an sich zu binden und er setzt viel Vertrauen in seinen neuen "Verbündeten".
Als in Bamberg die Nachricht von Weislingens Ãœberlaufen eintrifft, bedauert man das sehr beim Bischof und seinem Hofstaat.
Weislingens Bube Franz reitet nach Jaxthausen. Er versucht seinen Herren zur Rückkehr zu bewegen, in dem er ihm von Adelheid berichtet. Sie sei ein "Engel in Weibsgestalt" und habe Bamberg neuerdings zum "Vorhof des Himmels" gemacht.
Zweiter Akt: Neugierig reitet Weislingen nach Bamberg. Ein kurzer Besuch in seiner alten Umgebung genügt, um Weislingen bundbrüchig werden zu lassen. Er verliebt sich auf der Stelle in Adelheid und vergisst Maria.
Götz überfällt frohen Mutes und nicht wissend von den Unternehmungen Weislingens ein paar Kaufleute auf dem Weg von der Frankfurter Messe nach Nürnberg.
Als Georg, Götzens Bube, von seinem Besuch in Bamberg nach Jaxthausen zurückkehrt, berichtet er über Weislingens Heirat mit Adelheid. Zudem sei er mit dem Bischof von Bamberg wieder gleichgesinnt und somit Anhänger der Gegenpartei. Götz beendet Georgs Bericht mit den Worten: "Es ist genug. Der wäre nun auch verloren!
Treu und Glaube, du hast mich wieder betrogen."


Dritter Akt: Maria wird in ihrer Trauer von Götzens engem Freund Franz von Sickingen getröstet, der schließlich auch um ihre Hand anhält. Sie willigt ein.
Weil Götz nicht von den Raubzügen lässt, spricht der Kaiser über ihn die Acht aus. Weislingen rät zudem noch zu besonderer Strenge.
Eine Reichsexekution (heute würde man Polizeikommando sagen) wird aufgeboten, um Götz "in die Enge zu treiben und lebendig gefangenzunehmen". Götz kann einen großen Teil dieses Aufgebotes im Kampf besiegen, da er in Georg und dem neuen Verbündeten Lerse gute Mitstreiter findet.

Vierter Akt: Die Reichstruppen kämpfen zwar nicht sehr stolz, erreichen aber dennoch die Übermacht.
Götz nimmt das Angebot des freien Rückzuges an. Doch als er seine Burg verlässt, fällt die Reichstruppe treulos über ihn her. Götz ist über das gebrochene Versprechen entsetzt wird aber dennoch gefangen genommen.
Im Heilbronner Rathaus verlangen die kaiserlichen Räte, er solle ein Geständnis ablegen, das besagt, er habe dem Kaiser den Rücken zugekehrt. Götz streitet ab und beruft sich darauf, dass nicht er den Vertrag gebrochen habe, sondern die Reichstruppe.
Sie geraten heftig aneinander. Im richtigen Moment erscheint sein frisch gebackener Schwager Franz von Sickingen mit einer Reiterschar und befreit Götz. Er flieht nach Jaxthausen.





Fünfter Akt: Die Bauern haben einen "entsetzlichen Aufstand" erregt.
Sie ziehen planlos umher, plündern und morden. Ganze Dörfer werden abgebrannt.
Als sie sich ein wenig beruhigt haben, wollen sie Götz zu ihrem Hauptmann ernennen. Dieser lehnt zunächst ab, lässt sich aber überreden. Die nicht abgesprochene Brandstiftung von Miltenberg erregt sofort einen Konflikt zwischen ihm und den Anführern der Bauern.
Weislingens Reiter überfallen die Mordbrenner - der tapfere Georg, den Götz abgeschickt hatte, um die Brandstifter zu beruhigen, wird erstochen -, und Götz wird verwundet und gefangengenommen.

Die Handlung wendet sich nun kurz von Götz ab und schildert das Ende Weislingens:
Adelheid ist seiner bald überdrüssig geworden und strebt nach höherem, nämlich der Gunst des kaiserlichen Tronfolgers Karl.
Franz, der Bube Weislingens, ist inzwischen so tief in den Bann Adelheids gezogen, dass er sich von ihr überreden lässt, Weislingen heimlich Gift einzuflößen.
Als dies zu wirken beginnt übermannt ihn sein schlechtes
Gewissen und er gesteht die Tat, die er im Auftrag Adelheids
ausgeführt habe. Anschließend stürzt er sich aus dem Fenster.
Im Tode allein gelasssen, erscheint Maria, geschickt von Götzens Frau, um um Gnade für Götz bei Weislingen, dem kaiserlichen Kommisar, zu bitten.
Dieser zerreißt den Exekutionsbefehl und stirbt schließlich.
Nur Maria, die einst von ihm Verlassene, tröstet den Sterbenden.

Adelheid wird von einem geheimen Femegericht zum Tode verurteilt.

Dann wendet sich die Handlung dem Ende Götzens zu, der im Turm zu Heilbronn gefangen gehalten wird.Gezeichnet von seinen schweren Wunden, sagt Götz: " Sie haben mich nach und nach verstümmelt, meine Hand, meine Freiheit, Güter und guten Namen."
Seine letzten Worte spricht er an einem Frühlingstag im Turmgarten: "Himmlische Luft - - - Freiheit! Freiheit!"






Inhaltsdeutung:
Erster Akt: Durch den ersten Akt versucht Goethe dem Zuschauer, die Situation deutlich zu machen: Zwei Parteien, die sich bekämpfen. Mit Weislingens Entführung beginnt die Handlung.

Zweiter Akt: Im zweiten Akt stellt Goethe eine große Enttäuschung dar, die durch einen nahestehenden Freund hervorgerufen wird. Beim Lesen drängt sich hier zum ersten mal die Annahme auf, dass Goethe persönliche Ereignisse und Niederschläge in diese Geschichte mit eingebracht hat.

Dritter Akt: Im dritten Akt lässt Goethe den ehemaligen Freund Weislingen zum totalen Gegner werden:
Nicht nur, dass Weislingen den Kaiser gegen Götz aufhetzt, er rät ihm darüber hinaus zu besonderer Strenge.
Goethe hebt hier einmal sehr deutlich Götzens besondere Leidenschaft und Gewandtheit in Auseinandersetzungen hervor, die ein Held des Heroismus halber in solchen Geschichten zeigen muss.

Vierter Akt: Der vierte Akt lässt wie der Zweite ein persönliches Schlüsselereignis in Goethes Leben vermuten. Hier bricht die staatliche Autorität in Gestalt der Reichstruppe ihr Wort. Vielleicht lautet die umgestellte Frage: Auf wen kann man sich wirklich noch verlassen?
Die Antwort kommt prompt: Es ist der wirkliche Freund Franz von Sickingen, der ihn ohne Rücksicht auf eigene Gefahr aus den Händen der kaiserlichen Räte befreit.

Fünfter Akt: Im Bezug auf das Verhältnis der Ereignissfülle zu der Textlänge stört der fünfte Akt etwas im Vergleich zu den anderen Akten des Schauspiels:
Goethe hat in diesem nicht sehr langen Akt viele wichtige Ereignisse eingebracht: Georgs Ermordung, Weislingens Vergiftung, tröstener Auftritt Marias, Selbstmord von Weislingens Bube Franz, Götzens Gefangennahme und schließlich auch sein Tod.
Es scheint wie so oft im wirklichen Leben, dass sich die Dinge eben nicht immer zum Guten wenden, sondern in einer durch Gewalt verursachten Katastrophe münden.







Personendeutung:

Zu Götz:
Die Tatsache dass Götz die Hauptrolle in diesem Schauspiel darstellt, lässt Grund zu der Annahme das Goethe in Götz neben den ritterlichen und erfahrenen Zügen auch sich selbst in ihm identifizieren wollte.
Götz ist geübt im Umgang mit dem Schwert, aber auch mit dem Wort.
Seine "eiserne Faust" ist in zweielei Hinsicht zu betrachten:
Zum einem ist sie ein Symbol für Standhaftigkeit und Durchsetzungskraft,
zum anderen symbolisiert sie aber auch den wunden Punkt und das Handicap, das selbst bei solch einem Helden zu Tage tritt.

Zu Georg:
Die Rolle des Georgs scheint für Goethe einen besonderen Wert zu haben. Als Götz seine letzten Worte spricht, bedauert er noch einmal Georgs Ermordung und sehnt sich nach ihm. Im Verhältnis von Götz zu Georg scheint Goethe eine Art Vater Sohn Beziehung aufgebaut zu haben.
Genauso wie ein Sohn heranwachsen und mehr und mehr lernen muss, nimmt die Rolle in dem Verhältnis einen immer höher werdenden Stellenwert ein.
Eine Schlüsselsituation stellt Götzens Rettung durch Georg in der ersten Konfrontation mit der Reichstruppe dar, als Georg mit seinem Pferd in das Getümmel reitet und Götz aus einer mißlichen Situation befreit und sie unverletzt fliehen können.

Zu Adelheid:
Offensichtlich hatte Goethe bereits Erfahrungen mit schönen Frauen, die ihre Fähigkeit andere in ihren Bann zu ziehen, nur zum Zweck ihres eigenen Vorteils gebrauchen.
Dies Verhalten erkennt man zunehmend auch bei Adelheid, die als sie ihres Ehegatten überdrüssig wird, sogar einen Mord an ihm (Weislingen) verüben lässt, um die Freiheit haben zu können die "Gunst" des kaiserlichen Thronfolgers zu erlangen.
Das gerechte Ende dieser bösen Dame findet sich dann allerdings im Todesurteil des Femegerichtes.

Textdeutung:

Die beiden großen Gegenpole des Schauspiels sind Freiheit und Gefangenschaft. Götz betritt die Bühne mit den Worten: "Es wird einem sauer gemacht, dies bißchen Leben und Freiheit" und er stirbt im Gefängnis mit dem Wort "Freiheit" auf den Lippen.
Seine Frau sagt darauf: "Nur droben, droben bei dir. Die Welt ist ein Gefängnis." Nicht nur, dass sich Götz in der Handlung zwischen Gefangennahme und Freiheit bewegt, er unterscheidet auch in seiner Sprache zwischen dem Edlem, das die Freiheit symbolisiert und der "verderbten Welt" von den "Nichtswürdigen mit List
regiert", eine Art Gefangenschaft darstellt.
Goethe stellt zudem noch das Ende der Einheit Deutschlands und das Abgleiten in die Vielstaatlichkeit dar. Es zerbricht unter den Machtansprüchen der Territorialherren. Die Fürsten wollten auch in der historischen Realität unabhängig von dem ritterlichen Adel ihre Existenz behaupten, indem sie sich an ihre Höfe zurückzogen.
In dem Schauspiel ist es Weislingen, der "vom Ritter zum Hofschranzen
umgeschaffen" worden ist.
Da Götz sich dieser historischen Entwicklung, die er als eine Entwicklung zum
Schlechten ansieht, nicht anpassen kann oder will, muss er zugrunde gehen.
Deshalb lässt sich Götz von Belichingen auch als Goethes Kritik an der politischen Umständen seiner eigenen Zeit deuten.

Schlussbemerkung:
Goethe schrieb "Götz von Berlichingen" zur Zeit des Sturm und Drangs. Es brachte eine enorme Wirkung hervor. Die wesentlichen dramatischen Elemente, ließen nach der Uraufführung 1774 eine Flut von historischen Dramen entstehen, in denen titanische Helden an den Zeitumständen zugrunde gehen. Es leitete also die
Generation der Dramatik ein.
Neben den dramatischen Elementen, gab es auch eine andere Tatsache, die den Erfolg des Stückes stark beeinflußt haben könnte. Goethe nahm keine Hintergründe aus der römisch - griechischen Antike in das Schauspiel auf. Der Stoff zu dem "Drama" entnahm er dem Lebenslauf des Ritters von Berlichingen, der im
    Jahrhundert gelebt hatte. Die Handlung überschritt zudem nie die Grenzen Deutschlands und erwirkte somit eine Geschichte mit nationalem Gehalt. Das erzeugte die Aufmerksamkeit des Adels, der sich sonst in jener Zeit mehr an der
französischen Kultur orientierte.
Das Stück steht aber auch zu Beginn einer Entwicklung, die die Stücke, wie Friedrich Schillers Die Räuber, sowie die von Werke Georg Büchner aufzeigen kann.

Deshalb stimme ich den folgenden Worten eines Litheraturkritikers zu:
"Jede Generation, die Normen und Regeln gesellschaftlicher vielleicht auch kultureller Art in Frage stellt, wird sich auf die Tradition des Sturm und Drang besinnen, die auf der Bühne mit Goethes Götz von Berlichingen begonnen hat."

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