Die größere Hoffnung

Ilse Aichinger

Die grössere Hoffnung

Ilse Aichinger wurde am 1. November 1921 mit ihrer Zwillingsschwester Helga in Wien geboren, als
Tochter einer Ärztin und eines von Steinmetzen und Seidenwebern abstammenden Lehrers. Volksschule
und Gymnasium in Wien.
Nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich im März 1938 verlor die jüdische Mutter sofort Praxis,
Wohnung und ihre Stellung als städtische Ärztin. Die Schwester konnte im August 1939 nach England
emigrieren, der Kriegsausbruch verhinderte die geplante Ausreise der restlichen Familie: Die Großmutter
und die jüngeren Geschwister der Mutter wurden 1942 deportiert und ermordet. Ilse Aichinger war
während des Krieges in Wien dienstverpflichtet; nach Kriegsende Beginn eines Medizinstudiums, das sie
1947 abbricht, um den Roman "Die größere Hoffnung" zu schreiben. Arbeit im Lektorat des S. Fischer
Verlages in Wien und Frankfurt/M. anschließend an der von Inge Scholl geleiteten Ulmer
Volkshochschule, wo sie an Vorbereitung und Gründung der "Hochschule für Gestaltung" mitarbeitet.
1952 Preis der Gruppe 47 für die "Spiegelgeschichte". 1953 Heirat mit Günter Eich, zwei Kinder,
Clemens (1954) und Mirjam (1957). Nach einigen Jahren in Oberbayern (Lenggries und Chiemsee)
Umzug nach Großgmain bei Salzburg 1963. 1972 starb Günter Eich; 1984 bis 1988 lebte Ilse Aichinger
in Frankfurt/M., seit 1988 in Wien.
Wichtige Auszeichnungen: Preis der Gruppe 47 (1952), Georg - Trakl - Preis (1979), Petrarca - Preis (1982),
Franz - Kafka - Preis (1983), Preis der Weilheimer Schülerjury (1988), Solothurner Literaturpreis (1991),
Großer Literaturpreis der Bayrischen Akademie (1991).

Weitere Werke: Der Gefesselte
Eliza Eliza
Schlechte Wörter
Kleist, Moos, Fasane
Auckland
Zu keiner Stunde
Verschenkter Rat


Inhalt:
Ellen, ein kleines Mädchen, träumt davon ihrer Mutter, die bereits nach Amerika emigriert ist, zu folgen.
Sie schläft, mit einer Landkarte, vor den Amtsräumen des Konsuls. Dieser findet Ellen schlafend vor und
trägt sie in sein Büro. Ellen bittet ihn um ein Visum. Doch Ellen hat keinen "Grund" um emigrieren zu
dürfen. Sie hat zwei richtige und zwei "falsche", jüdische Großeltern. Der Konsulsagt ihr sie möge doch
das Visum selber unterschreiben, den jeder Mensch ist im Grunde sein eigener Konsul und alle Menschen
sind frei.
Die Großmutter, bei der sie jetzt lebt, hat Ellen verboten mit ihren jüdischen Freunden zu spielen. Sie
widersetzt sich der Großmutter und spielt aber doch lieber mit Georg, Bibi, Kurt......
Julia, ebenfalls eine jüdische Freundin, die nie mitspielt und nur mehr zu Hause bleiben muss, darf
endlich emigrieren. Ellen beneidet sie darum. Sie vermißt ihre Mutter. Der Vater ist im Krieg.
Ellen möchte auch einen goldenen Stern tragen. Sie nimmt den Stern von ihrer Großmutter und geht
damit "beschmückt" in eine Konditorei um eine Geburtstagstorte für Georg zu kaufen. Man wirft sie aus
der Konditorei hinaus. Nun wird ihr bewußt, was der Stern bedeutet und was es heißt ihn tragen zu
müssen.
Ellens Großmutter begeht Selbstmord, da sie glaubt das sie von der Geheimpolizei abgeholt werde.
Die Kinder spielen gemeinsam das Krippenspiel. Es läutet. Nach längerem Zögern öffnen die Kinder. Sie
bitten den Nachbarn herein und lassen ihn mitspielen. Der Nachbar soll aber nur verhindern das die
Kinder fliehen. Alle werden von der Geheimpolizei abgeholt. Ellen kommt wieder frei, da sie keine Jüdin
ist.
Ellen wird auf einer Munitionslokomotive verhaftet. Beim Verhör, trifft sie die blutig geschlagene Bibi, die
ebenfalls gerade verhört wird. Als Ellen bei einem Bombenangriff in einen Lagerkeller flieht, wird sie
gemeinsam mit Plünderern verschüttet, aber wieder befreit.
Nun möchte sie einfach nach Hause. Doch die Stadt ist schwer umkämpft. Sie trifft auf fremde Soldaten,
die ihr etwas zu Essen geben. Einer von ihnen, Jan, nimmt Ellen mit seinem Wagen mit, da er eine
Nachricht in die Stadt bringen muss, Jan wird angeschossen. Ellen versorgt Jan in einem leerstehenden
Haus. Jan bittet sie die Nachricht zu überbringen. Sie lief einfach mitten unter die Gefechte, sah nur die
vertrauten Orte, wo sie mit ihren Freunden gespielt hatte.
Plötzlich sieht Ellen Georgs Gesicht über sich. Sie erzählt ihm das die Brücke nicht mehr steht, wo sie
immer gesessen sind, in der Hoffnung ein Kind möge hineinfallen und sie könnten es retten.
Georg tröstet sie und verspricht ihr eine neue Brücke zu bauen, mit dem Namen "Die größere Hoffnung".
Ellen springt über eine gerissene Straßenbahnschiene, und wird, noch bevor sie wieder am Boden
aufkommt, von einer explodierenden Granate in Stücke gerissen.


Persönliche Gedanken
Ilse Aichinger beschreibt in ihrem Roman "Die größere Hoffnung" die Nazizeit aus der Sicht der Kinder.
Ellen möchte genauso sein wie ihre Freunde, einen Judenstern tragen und mit ihnen spielen. Doch sie
kann noch gar nicht abschätzen was dies eigentlich bedeutet und was dies für Folgen hat.
In der Biographie von Ilse Aichinger steht geschrieben, dass ihre Mutter Jüdin ist. In diesem Roman sind
sicher auch Erfahrungen aus ihren Leben enthalten. Alleine die Vorstellung in so einer Zeit gelebt zu
haben prägt sicher das ganze weitere Leben. Die ständige Angst deportiert zu werden. Alles was man
erreicht hat, wird einem abgesprochen. Und plötzlich ganz einfach ein Mensch zu sein, der absolut nichts
mehr wert ist. Von einem zum anderen Tag ist es schlecht wenn man ein Jüde ist. Gestern noch war es
egal! Ich finde es ist unvorstellbar, wie es soweit kommen konnte. Ein Mensch kann doch nicht plötzlich
sagen das alle Juden Menschen zweiter Klasse sind, und "ausgerottet" werden müssen. Wie kann so etwas
bloß passieren?
Als ich in der Schule über die Greueltaten des zweiten Weltkriegen erfahren habe, habe ich zu Hause
gleich meine Mutter mit Fragen "gelöchert". Sie war, als dies alles geschah zwar erst sieben Jahre alt, aber
es blieben ihr sehr viele Dinge im Gedächtnis. Die Straßen die bedeckt waren von Leichen. Tagelange
Ausgangsverbote bis alle Leichen beseitigt waren. Die jungen Mädchen die am Dachboden versteckt
wurden und die meine Mutter nicht kannte. Ich stellt mir immer wieder die Frage warum da fremde
Mädchen am Dachboden waren. Meine Mutter konnte mir diese Frage aber nicht beantworten. Sie hatte
ihre Mutter nie danach gefragt, weil sie so froh war das alles vorbei war. Ich fragte also meine Großmutter,
ob das auch alles stimme. Aber meine Oma gab mir keine Antwort auf diese Frage. Sie sagte nur es war
eine Sünde was mit "diesen Menschen" passiert ist und sie schämt sich über solche Dinge zu sprechen. Es
ist besser nicht alles zu wissen was damals passiert ist. Aber das einzig wichtige ist es aus den vielen
Fehlern zu lernen. Nur weilein Mensch ein Jude ist, ist er nicht anders als alle anderen Menschen Und sie
würde immer wieder so handeln, auch wenn sie wiederihre eigene Familie gefährden würde... Ich verstand
erst viel später, was dies alles zu bedeuten hat. Ich sprach meine Oma noch viele Male zu diesem Thema
an, aber sie gab mir nie eine genaue Antwort.
Mich hat dieses Buch sehr fasziniert, aber auch zutiefst betroffen gemacht. Was können unschuldige
Kinder dafür, wenn Erwachsene Kriege führen. Ich denke mir immer man wird immer wieder Fehler
machen, das kann man leider nicht verhindern. Aber darum muss man doch aus seinen Fehlern lernen.
Warum tun das die Menschen nicht? Warum gab es diese Grausamkeiten, die im zweiten Weltkrieg
passierten, nun in Jugoslawien wieder? Ich kann dies alles nicht verstehen!
Es ist erstaunlich, wie genau Ilse Aichinger die Gefühle der Kinder beschrieben hat.
Das Mitgefühl, das Ellen trotz ihrer eigenen aussichtslosen Lage allen anderen Menschen entgegenbrachte.
Ich finde vor allen regt dieses Buch sehr zum Nachdenken an.

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