Opernball

J.Haslinger, ein in Österreich geborener Schriftsteller, charakterisiert in seinem Roman "Opernball" unter anderem die Wiener Polizei. Er beschreibt sie als rechtsradikal, schlampig, wirft ihr vor, falsche Tatsachen vorzuspiegeln und beschuldigt sie außerdem der Zusammenarbeit mit Verbrechern. Ob diese Darstellung realistisch ist, soll im Folgenden anhand der zur Verfügung stehenden Literatur geprüft werden.

Es gibt in jeder größeren Gruppe, wie immer sie auch geartet sein mag, einige sogenannte "Schwarze Schafe", d.h. Personen die nicht mit den Idealvorstellungen dieser Gruppe übereinstimmen, bzw. ihre Ziele (bei der Polizei für Ordnung und Einhalten der Gesetze zu sorgen) anstreben. Diese meist relativ geringe Anzahl von Leuten, die aus der Reihe fallen, erwecken dann natürlich mehr Aufsehen als diejenigen, die ihren Dienst korrekt erfüllen und bleiben somit besser im Gedächtnis der Bevölkerung haften. Wird z.B. ein Verbrechen von einem Polizisten begangen, so findet es in der Tagespresse mehr Beachtung als die Tat eines "normalen" Verbrechers.

Nun einige Gründe welche gegen die in der Einleitung angeführte Darstellung sprechen.

Die Polizei ist von ihrem Zweck her dazu bestimmt als Hüter der Ordnung zu fungieren. Diesem Zweck kommen sie meines Wissens nach in unserer Gesellschaft sehr gut nach. Ein sehr großer Prozentsatz der Kapitalverbrechen wird von der Polizei aufgeklärt. Dies zeigt, dass die Polizei ihren Pflichten nachkommt.
In dem Buch "Opernball" lässt J.Haslinger Politiker zu den Polizisten sagen: ""Ihr seid das Rückgrat der Gesellschaft" (...) "Das eherne Band der demokratischen Ordnung." "Der Garant der Freiheit." "Die Schutzmacht des demokratischen Rechts."" (S.94).
Diese Textstelle zeigt, dass Haslinger sehr wohl auch die Tätigkeit der Polizei anerkennt.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Polizei bemüht ist verfassungsfeindliche Gruppen aufzudecken und sie den Gerichten weiterleitet, damit sie verboten werden. So sollen die Gefahren, welche von ihnen ausgehen, von vornherein gebannt. Dies sieht man zum Beispiel in Deutschland, wo die NPD (Nationale Partei Deutschlands) verboten wurde, da sie rechtsradikale Ziele verfolgte.
Im Roman wird die "Bewegung der Volkstreuen" von der Polizei verboten, da sie für den Gürtelhausbrand verantwortlich war. Als die Polizei an eine Wiederbetätigung der Gruppe glaubt, filmt sie die Mitglieder bei einem Fest, um einer Neugründung vorzubeugen (vgl. S.157).

Ein mindestens ebenso wichtiger Punkt ist, dass in Deutschland und Österreich wesentlich weniger Kriminalität und Korruption herrschen als zum Beispiel in afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern. Dies weist auf eine sehr aktive und effiziente Arbeit der Polizei hin und entkräftet somit weitgehend die Aussage, dass die Polizei mit Verbrechern zusammenarbeitet.

Neben den Gründen gegen diese Darstellung der Polizei sind natürlich auch Gründe dafür zu nennen.

Als erstes ist zu erwähnen, dass Vertreter der Polizei die Verdächtigen manchmal regelrecht warnt. Es ist kein Geheimnis, dass der Innenminister Österreichs teilweise über die Medien Termine für Hausdurchsuchungen bekannt gibt, und so den Betroffenen ermöglicht, die sie belastenden Stücke früh genug wegzuschaffen. Als Folge wird kein belastendes Material bei den Durchsuchungen gefunden.
Die dementsprechende Parallele findet sich auf Seite 383: "Leitner (ein Polizist hohen Ranges) hatte es (die Beobachtung des Sonnenwendfeuers durch die Polizei) dem Geringsten angekündigt.".

Ebenso wichtig ist aber der Punkt, dass die Polizei teilweise durch Schlamperei (oder teilweise absichtlich ?) Informationen unbeachtet zu den Akten legt oder nicht weiterleitet, was zu einer Behinderung der Nachforschungen führt. Sigrid Löffler weist in einem Artikel darauf hin, dass das Innenministerium einem Bekennerbrief zu den Bombenattentaten in Oberwart zu den Akten legte und nicht weiter beachtete (vgl. Insel der Unseligen, Die Woche, 24. Februar 1995). Ein Beispiel aus der nahen Vergangenheit ging tagelang durch die Presse, als in Belgien mehrere Morde an Kindern aufgedeckt wurden. Auch hier gingen Hinweise aus der Bevölkerung bei der Polizei ein, deren Beachtung mehrere Morde verhindert hätte.
Eine gewisse Parallele weist Haslinger in seinem Roman auf. Dort beschwert sich der Polizist Fritz Amon über die fehlende Zusammenarbeit der einzelnen Gruppen in der Polizei. Er sagt an einer Stelle: "Wir (die Abteilung in der Fritz Amon arbeitet) hatten den Finger, und sie (die Alarmabteilung) hatten den Kontakt mit dem dazugehörigem Mann, ohne uns zu verständigen." (S.45).

Weiterhin wird der Polizei im Opernball der Vorwurf gemacht die Bevölkerung von der Wirklichkeit abzulenken und ihr vorzugaukeln, dass etwas nicht so schlimm sei. So erinnert Reso Dorf seine Zuhörer kurz nach seinem Amtsantritt als Wiener Polizeipräsident an Sprüche wie: "›Die (Rechtsradikalen) haben wir (die Polizei) im Griff.‹ ›Die spritzen wir, wenn sie übermütig werden, von der Straße.‹ ›Die treiben wir über die Donau.‹" und wirft ihnen vor: "Während der Bogen des Zumutbaren täglich aufs neue überspannt wurde, empfingen wir Menschenrechtsdelegationen und führten ihnen unsere Gefängnisse vor." (S.7).
Den Spruch, dass die Polizei die rechte Szene "im Griff" habe verwendete auch die Österreichische Polizei trotz dreier Terrorserien der Rechten (vgl. Insel der Unseligen, Die Woche, 24. Februar 1995). Damit sollte die Bevölkerung in dem Glauben gelassen werden, dass die Polizei, den rechten Terror unter Kontrolle zu habe.

Manchmal scheint die Polizei wirklich hinter den Verbrechern zu stehen. Bei den Briefbombenanschlägen in Österreich erkannte Claus Peymann, zu einem Zeitpunkt, als die Polizei noch an einen Selbstmord der Betroffenen glaubte, dass es sich bei dem Anschlag um das Attentat einer rechtsorientierten Gruppe handle. Aufgrund dieser von der Polizei abweichenden Meinung erwog der Innenminister C. Peymann des Landes zu verweisen (vgl. Insel der Unseligen, Die Woche 24.Februar 1995). In diesem Trubel ging dann auch die Spur der Attentäter unter.
Eine Parallele findet man auch im Opernball. Dort wird eine Ausländerin, welche als Zeugin bei dem Gürtelhausbrand hätte dienen können ausgewiesen. Weiterhin heißt es auf Seite 305: "Er (Leitner, ein Polizist hohen Grades) hat mich (den Geringsten) in Florida ausgeforscht. Seither sind wir Verbündete. Er ist nicht allein, er hat Helfer.".

Haslinger beschuldigt die Polizei in seinem Roman als rechtsradikal und dass sie rechtsradikale Aktionen begrüßt. Dass dies auch in der Wirklichkeit zutrifft, zeigt sich darin, dass "der Wiener Polizeipräsident ein Prozent seiner Beamten für rechtslastig und politisch unzuverlässig hält." (Insel der Unseligen, Die Woche, 24.Februar 1995). Hubertus Czerin sagte anläßlich des Attentates in Oberwart: " Wenn man jedoch den Aufwand vergleicht, mit dem die Staatspolizei linke und rechte Szene observierte, konnte man sich traditionell eines Eindruckes nicht erwehren: Die Sicherheitsbehörden sind auf einem Auge blind. Zu Demonstranten linker Gruppen schicken sie Hundertschaften von Polizisten..." (profil Nr.7, 13.Februar 1995). Dementsprechende Parallelen finden sich im "Opernball" auf Seite 53. Dort sagt Fritz Amon über den Kabinettchef: "(..)er (hat) dann (...) vom Ausländerwahlrecht gefaselt. Na was jetzt? Will er sie abschieben, oder will er ihnen das Land übergeben?". Diese Stelle bringt sehr deutlich zum Ausdruck, dass Amon nicht sehr davon begeistert ist den Ausländern das Wahlrecht zuzuerkennen. An einer anderen Stelle sagt Amon, zu Fraser, als er ihm berichtet, wie er ein paar Leute festgenommen hat: "Das waren keine Ausländer. Man musste sich ja schämen, das waren unsrige." (S.101). Wie weit die Polizei in diesem Buch rechtsradikal ist, lässt sich nicht beweisen. Sicher ist jedoch, dass sie in die Operation "Harmagedon" eingeweiht war. Leitner unterstützte zumindestens die Gruppe der Rechtsradikalen, indem er dem "Geringsten" Unterschlupf in seiner Wohnung gewährt hatte (vgl. S.303ff) und bediente sich der Gruppe der Rechtsradikalen um seine Ziele zu erreichen. Er und Reso Dorf sind neben der Nationalen Partei Gewinner des Anschlages. Reso Dorf wird Polizeipräsident (vgl. S.432), Fritz Leitner Sicherheitsdirektor (vgl. S.473). Ob sie sich um an ihr Ziel zu kommen auch einer linksradikalen Gruppe bedient hätten, ist offen.

Zum Schluß noch einmal einen Ausspruch Sigrid Löfflers. Sie schrieb in einem Artikel: "Der Roman übertreibt und überspitzt tatsächliche Tendenzen im real existierenden Österreich - nur, um von der politischen Wirklichkeit im Lande jeden Tag ein Stückchen mehr eingeholt und bekräftigt zu werden." (vgl. Insel der Unseligen, Die Woche, 24. Februar 1995). Ich denke auch, dass es bis jetzt noch lange nicht so schlimm um die Polizei steht, wie in dem Buch "Opernball" dargestellt wird, dass diese Fiktion aber von Tag zu Tag mehr zur Realität wird.



Primärliteratur:
Haslinger, Josef: Opernball, S.Fischer
Sekundärliteratur:
profil Nr.7, 13.Februar 1995
Insel der Unseligen, Die Woche, 24.Februar 1995




Ein Kritiker billigt Josef Haslinger zu, dass es ihm mit seinem Roman "Opernball" gelungen ist, "einen realistischen Gesellschaftsroman zu schreiben". Trifft diese Einschätzung auf die Darstellung der Polizei und ihrer Arbeit zu?

Gliederung

A, Wie charakterisiert Josef Haslinger die Polizei eigentlich in seinem
Roman?
B, Ist diese Darstellung der Polizei realistisch?
I, Gründe welche gegen die Darstellung sprechen
1) Polizei als Hüter der Ordnung
2) Polizei deckt verfassungsfeindliche Gruppen auf
3) sehr wenig Kriminalität
II, Gründe welche für die Darstellung sprechen
1) Polizei warnt Verdächtige
2) Schlamperei der Polizei
3) Vorspiegelung falscher Tatsachen
4) Polizei steht hinter den Verbrechern
5) Polizei ist rechtsradikal
C, Ausspruch Sigrid Löfflers und eigene Meinung




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