Techno

... is the only drug
In Frankfurt, Berlin und München hatte man die Väter der Rechtschreibreform schon vor Jahren überholt: Auf Flyern und in Fanzines war von "Tekkno" die Rede, der teutonischen Variante von Techno. Denn ein Merkmal des deutschen Hardcore ist immer auch der schnelle stampfende Beat gewesen. Die wechselnde Anzahl von "k"s in der Wortmitte von Tekkno diente als eine Art Härte - skala: Je mehr "k"s den Wortgebrauch ausdehnten, desto schneller würden die Bässe prasseln.

Techno - was ist das?
Heute geht es nicht mehr so sehr darum, neue Geschwindigkeitsrekorde jenseits von 180 beats per minute aufzustellen. Vielmehr strebt Techno in ganz andere Richtungen, und das macht es auch so schwierig, von Techno zu sprechen. Dieser Begriff kann nur dazu dienen, die Produktionsbedingun - gen der Musik zu beschreiben, doch das Wesen von Jungle und Gabba, Drum & Bass und Hardcore,
Ambiente und Detroit lässt sich damit nicht erfassen.

One Nation - One Groove
Nur eines haben die verschiedenen Stilrichtungen gemein: Sie machten sich Computertechnologie zunutze, um daraus etwas Neues, Eigenständiges zu schaffen. Und Techno verbindet: In den Zeiten eines weltweit aufflackernden Nationalismus hat sich "One Nation under One Groove" formiert. Techno hat die Jugendszene zusammengeschweißt wie schon lange nichts mehr.

Techno and more
Gerade in den letzten Jahren hat die Maschinenmusik auch eine Seele bekommen. Denn jenseits des Geschwindigkeitsrausches hat Techno zu anderen Musikrichtungen gefunden. Underworld bei - spielsweise singen zu ihren Tracks, und Tricky baut Hiphop - Elemente in seine Stücke ein. Die digi - tale Ästhetik von Jungle oder Drum & Bass bekommt durch Baßschleifen, die von alten Funk - und
Soulplatten stammen, Leben eingehaucht. Der Musik von Mad Professor und Massive Attack merkt man deutlich die Reggae - Verwandschaft an. Und das Münchner Label Compost Records hat mit seinen Kompilationen "The Future Sound of Jazz" versucht, schwarze und lateinamerikanische Mu - sik mit elektronischen Sounds zu verbinden.

Es bebe der Klang!
Viele Labels indessen haben sich auf die Ursprünge elektronischer Musik besonnen und betreiben so etwas wie Klangforschung. Mille Plateaux aus Frankfurt bringt zum Beispiel Platten heraus, die eher an die Musique Concrete der 50er erinnern als an Techno. Töne werden zu Geräuschen, indem
die Programmierer sie aus ihren Melodiengefängnissen befreien und neu zusammensetzen. "Den Klangstrom zum Beben bringen" nennt Mille Plateaux - Chef Achim Szepanski sein Konzept.

Irgendwie paßt diese Formulierung auch ganz gut auf das, was Techno gesellschaftlich bewirkt hat. Man muss ja nicht gleich an die Raving Society glauben; aber eines steht fest: Techno hat uns be - reits jetzt ins 21. Jahrhundert katapultiert. Ob die Väter der Rechtschreibreform da mithalten
können, ist ungewiß.

Das Manifest der Raving Society
Seit Mai 1994 wird besonders heftig über die Ziele der Techno - Bewegung diskutiert. Damals veröf - fentlichte Jürgen Laarmann, der Herausgeber des Techno - Magazins Frontpage, einen Artikel, in dem er erstmals von der "Raving Society" spricht - das erste Manifest der House Nation.

"Als wir 1989 antraten, Frontpage zu machen, geschah das aus Fanzine - Beweggründen. Wir moch - ten diese Musik und wollten andere davon überzeugen, sie auch zu hören, und die "Fans" qualifi - ziert informieren. Das gelang. Techno wurde zunächst Modetrend mit allen Begleiterscheinungen. Und es wurde mehr. Frontpage war das erste Magazin, das erkannte, dass House und Techno weit über die Musik hinaus eine Lebenskultur ist, vielleicht sogar der Lifestyle dieser Generation. Front - page hat mitgewirkt, ein Bewußtsein dafür zu schaffen. Die Ziele, die wir um 1991 hatten, sind heute fast alle erreicht, alles, wofür wir einst gekämpft hatten, ist einigermaßen Wirklichkeit ge - worden. Der Erfolg der Musik - und Kulturbewegung, die wir featuren, gibt uns neue Aufgaben. Es ist an der Zeit, den State of Art - so wie er bei uns gesehen wird - neu zu definieren.
(...)
Wir wollen unseren Spaß sofort und ohne Umweg. Wir wollen mehr erleben, die Farben riechen, den Sound schmecken, die Dinge fühlen, die Wahrheit sehen, die Lügen nicht glauben und das tun, was uns wirklich interessiert. Toleranz, Offenheit, Inspiration, Humor (natürlich auch ein gewisser Zynismus gegenüber denen, die uns nicht verstehen), Freude am Neuen und tiefe, inbrünstige Liebe
zu dem und denen, die wir gut finden, sind unsere Charakterzüge. Wir setzen die zur Verfügung stehende Technik so ein, dass sie uns am meisten nützt. Sehr ökonomisch: z.B. um die Musik zu ma - chen, die wir lieben, um schnell und direkt zu kommunizieren, um schnell mehr zu wissen und wei - ter zu denken, nicht zuletzt, um unser Heft zu machen. Und wir wundern uns die ganze Zeit, warum es nicht noch viel mehr Leute so machen. Für uns hört Raven nie auf, wir tun es die ganze Woche, vielleicht unser ganzes Leben.
(...)
Jeder aus der 1. und 2. Generation hat die Aufgabe, Wissen zu vermitteln und den Newcomern die Roots aufzudecken. Denn eins wollte Techno niemals sein: eine abgeschlossene, traurige Subkultur. Denn es geht um Veränderung in der Gesellschaft, die überhaupt nicht abzusehen sind. Während Techno für manche lediglich Ablenkungsfaktor ist, ist die Aufgabe weit größer. Freizeit - Exzeß
als Kompensation zum gebeutelten Leben eines gestreßten Arbeitsknechts in Ehren, aber das ist nur die Loser - Stufe von Techno, die wir als bloße Begleiterscheinung sehen. All dieser "Seele aus dem Leib tanzen, weil's Leben so stressig ist" - Scheiß kam uns immer wie eine lausige Fehlinterpretation
vor. Wir sehen die Zukunft die ravende Gesellschaft, die Gesellschaft, die begreift, was wir heute sagen.
(...)
Die ravende Gesellschaft mit lauter glücklichen Leuten, die mit ihrer Identität und Funktion zufrie - den sind, genügend Spaß, gute Laune, Sex, gesundes Urteilsvermögen, hohes Selbstbewußtsein etc. haben, ist unser Ideal, dem wir näher kommen. "Do what you want to do" ist ein Ideal der achtziger
Jahre, das erst jetzt verwirklich wird. Einige werden sich noch sehr wundern, wenn das passiert, was passieren muss und wird."

D. J. Westbam: "Techno ist im puristischen Sinn schon vor längerer Zeit untergegangen. Techno
wollte immer Musik sein, die wie Maschinen klingt und nicht Maschinen, die wie
Musik klingen. Und weil sich dieses Konzept überholt hat, kann es nicht zukünf -
tig sein."

Mayday - Das Techno - Ereignis
Keine Veranstaltung steht so im Zentrum und im Rampenlicht der Szene wie Mayday. Mayday ist eine Veranstaltung die polarisiert und integriert. Manche Geister scheiden sich an Mayday. Mayday lebt seit Anbeginn von der Magie und der Lebendigkeit, von seiner Einzigartigkeit.

Mayday befreit den Menschen aus der Konsumhaltung, lässt den Raver zu einem Teil des Konzepts werden. Mayday verändert den Menschen für eine Nacht, rückt Leute näher zusammen, öffnet sie für andere. Mayday ist Harmonie, die Gemeinsamkeit all derer, die zusammenkommen, gemeinsam tanzen, lieben, chillen, abfahren. Sound, Musik, Licht und Installationen sind Teil des Events, ihre Verknüpfung schafft die besondere Atmosphäre. Mayday ist professionell, ist eine hochqualitative Messe der Innovationen, auf der EuroTrash keinen Platz hat. Die außergewöhnliche Rolle dieses Raves und ihre Funktion innerhalb der Szene ist unumstritten.

Zur zehnten Veranstaltung in Folge ist eine Rückschau angesagt. Der erste Mayday 1991 war mit der Love Parade der Zündfunke zur Entstehung der deutschen Techno - und House - Szene. Seitdem hat sich die deutsche Musikszene verändert. Neue Plattenlabels entstanden, eine wichtige Jugend - und Subkultur entwickelte sich, deutsche Musiktitel stießen auf weltweite Resonanz. Die Bundesre - publik war zuvor mehr oder weniger nur ein Absatzmarkt. Heute kreiert eine bunte Szene Musik, Mode und Kunst, die nicht nur im eigenen Land beachtet wird.

Der erste Mayday löste die Entstehung eines ganzen Genres aus. Unglaublich viele, die beim ersten Mayday noch Gäste waren, sind jetzt Aktivisten. Mayday inspirierte mit den Folgeveranstaltungen auch unzählige Macher, selbst in der House - und Technoszene aktiv zu werden. Ein Auftritt auf Mayday wird zur Trademark in der Biographie eines jeden DJ. "Forward Ever, Backward Never" bleibt ein ewiges Mayday Motto. Maday stieg zu einer festen Größe der deutschen House - und Technokultur auf, der vitalsten, stilbildensten und inspirierendsten Szene der 90er Jahre.

Mayday hat eine musikhistorische Mission erfüllt. Doch die Entwicklung geht weiter. Für die Ver - anstalter wäre es einfach gewesen, nach jeder einzelnen Episode Mayday zu beschließen, um für immer und ewig einen Kultstatus zu erlangen. Doch interessanter erschien es allen Beteiligten, ein erfolgreiches Konzept weiterzuentwickeln, sich selbst zu übertreffen und das jeweils vorangegange - ne Event zu toppen.

Mayday ist so das weltweit führende Forum für Techno, House und progressive Dance Musik ge - worden und hat bei der Weiterentwicklung der Musik unserer Zeit immer eine Vorreiterfunktion gehabt.

Der Vorwurf, Mayday auf einen bestimmten Sound festzulegen, trifft ins Leere. Richtig ist, dass auf Mayday Musik zu hören war, ohne deren Versatzstücke heute fast kein Charttitel mehr auskommt, die allerdings auf Mayday nicht vertreten sind. Nicht zuletzt sollte das Motto und das musikalische Konzept von Mayday VIII: "Reformation", dem Eindruck entgegentreten, Ravemusik setze sich nur aus wenigen Sounds zusammen. "Reformation" war gegen uniforme Musik und Verhaltensweisen angetreten.

Mayday veränderte sich nicht nur mit dem Rave Movement - Mayday veränderte das Rave Move - ment. Die Mayday Compilations sind ein Stück Musikgeschichte, neben den großen Anthems ent - halten diese auch zahlreiche Experimente von den besten DJs der Welt, die den Sound weiterentwi - ckeln. Mit den Mayday Compilations wurde erstmals überhaupt eine eigens zum Event zusammen - gestellte CD herausgegeben und zu einem musikalischen Thema. Die Compilations werden heute gerne imitiert - inklusiv der Anthems, auch einer Mayday Erfindung.

Durch die Einführung des Konzepts mehrerer Floors bot Mayday die Möglichkeit auf die wachsen - de Breite des House - und Techno - Movements zu reagieren. Gerade die kleinen Floors genießen in - zwischen bei Kennern einen Kultstatus. Sie liefern innovative Konzepte und neuen, legendären Sound für große Veranstaltungen. So bestehen einige DJs inzwischen darauf, in den kleinen Hallen zu spielen. Dabei hat Mayday nie das Konzept fallengelassen, auf dem main floor ein möglichst breites Spektrum der aktuellen House - und Technomusik zu präsentieren. Es wird experimentiert. Auch darin nimmt Mayday unter den großen Raves der Welt eine Ausnahmestellung ein. Vergleich - bare Veranstaltungen in England oder der Schweiz bieten auf ihren Haupttanzflächen ausschließ - lich den populären, also sicheren Rave Sound ihrer Länder (England - Break Beat, Schweiz - Gabber).

Mayday hat zum zehnten Mal die Gratwanderung beschritten, neben den ganz großen Acts ebenso neue Künstler einem Publikum vorzustellen und einzigartige Highlights zu schaffen. So gibt es auf Mayday stets jede Menge Deutschland - und Europapremieren internationaler Künstler. Mayday hat immer neue Namen gebreakt. Ein gutes Beispiel dafür ist Carl Cox, der in seiner Heimat schon seit Jahren äußerst populär war. Nach dem ersten Mayday Gig 1993 wurde der "Three Decks Wizard" weltweit bekannt und zählt heute zu den prominentesten Djs der Welt.

Mayday ging nie auf Nummer sicher. Die Mayday Imitatoren hingegen begnügen sich meist damit, nur die BIG NAMES zu buchen, die häufig erst durch Mayday lanciert wurden. Die Vorreiterrolle von Mayday hat sich ausgezahlt. Jede einzelne Veranstaltung bietet eine Reihe von Highlights und jede Menge Überraschungen.

Einige Mayday DJs, die die Mayday Konzeption später kritisierten und auf Mayday nicht mehr auf - legten, sind wieder dabei. Die Line Ups ändern sich, Mayday als Forum bleibt bestehen. Mayday stand immer im Kreuzfeuer der Kritik und wurde genau beobachtet. Mit nunmehr fünfjähriger Er - fahrung und einem Überblick über die Rave - Szene steht Mayday wie ein Fels in der Brandung als
das Aushängeschild des weltweiten House - und Technomovements. Mayday ist der Originator. In vielen Ländern der Erde, von Chicago bis Adelaide (Australien), von Budapest bis Toronto gibt es Raves, die sich mit dem Namen "Mayday" schmücken. Das Mayday Konzept ist das meistkopierte Rave - Konzept der Welt. Das einzige wahre Original aber kommt aus Deutschland.

Und dorthin zieht es Rave Fans aus aller Welt, sei es aus Amerika, Belgien, Holland, Frankreich, Schweden etc. Sie scheuen keine Mühen und Kosten, den Weg anzutreten und beim Original May - day dabei zu sein. Die Internationalität der Gäste schafft zudem einen ganz besonderen Reiz.

Die Trademark Mayday birgt eine Garantie: Höchster Aufwand, perfekte Organisation, modernste High - Tech Installation, sowie ein volles Haus. In Zeiten, in denen die Miesmacherei und das Rum - gejammer über das Abebben der Techno - Bewegung wieder Überhand nehmen, hat Mayday wieder eine besondere Funktion: zu zeigen, wie vital und lebendig das Ravekonzept ist, und dass es Mayday immer wieder gelingt, sich neu zu erfinden und dem House - und Technomovement Impulse zu ge - ben.

The Day X leitet mit einem gewaltigen Kick die nächste Techno - und Mayday - Dekade ein!

Techno ist nicht aus völlig fremden Galaxien auf die Erde gekommen. Wir betreiben Ahnenfor - schung:

1972
erster SYNTHI - Hit: George Kingsley "Popcorn"

1975
Kraftwerk "Autobahn"

1977
CHICAGO HOUSE
WAREHOUSE

1978
INDUSTRIAL Throbbing Gristle
Label "Obscure Records", Brian Eno
Label "Mute Records":
Depeche Mode, Fad Gadget, Nitzer Ebb, Laibach

1980
Yello

1981
DAF "Tanz den Mussolini"
ELECTRONIC BODY MUSIC (EBM)
Front 242 "Body to Body"

1984
JACK TRACKS
ELECTRO
Juan Atkins

1985
Juan Atkins bringt als "Model 500" die erste Technoscheibe heraus: "No UFOs"
Sven Väth legt EBM auf

1988
ACID HOUSE
Rave - o - lution

1990
erste Love Parade

1991
erster Mayday
"Tekkno" - Durchbruch in Deutschland
Frontpage

1995
JUNGLE

1996
DRUM & BASS
"Mute records" heute: Plastikman, Moby

Wichtige Technoscheiben:
- A Guy Called Gerlad: Voodoo Ray
- In Memoriam Gilles Deleuze (Mille Plateaux)
- Laurent Garnier: Wake Up
- 808 State: Pacific
- C'hantal: The Realm
- Aphex Twin: I Care Because You Do
- DJ Hell: My Defination of House
- Mike Ink: Rosenkranz
- Love Inc: New Jack City II
- Nightmares On Wax: Aftermath
- Jeff Mills: Waveform Transmisson Vol. I
- Steve Poindexter: Work That Muthafucka
- The Prodigy: Charly
- Tricky: Nearly God
- Tuff Little Unit: Join The Future
- Underground Resistance: Riot EP
- Christian Vogel: Beginning to Understand
- Hardfloor: Hardtrance Acperience
- Model 500: No UFOs
- LFO: LFO
- Whirlpool
- Westbam: Monkey Say Monkey Do
- Mike Dearbom: Chaotic State
- Moby: Go
- Energy 52: Cafe Del Mar
- Future Sound of London: Papua
- Alles von Kruder & Dorfmeister


Quellen: Internet; beam me up - Magazin (1/97)

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