De tranquillitate animi

Der Dialog De tranquillitate animi ist wie De constantia sapientis und de otio von Seneca dem Annaeus Serenus gewidmet worden.
Beide waren sehr eng miteinander befreundet, vielleicht waren sie auch entfernte Verwandte. Man weiß es nicht genau, man vermutet’s zumindest, weil beide den selben Gentilnamen (also Annaeus) hatten. Die Freundschaft zwischen Seneca und Serenus hat wohl schon bestanden, bevor sie auf politischem Feld miteinander zu tun hatten.

Zu Beginn von "De tranquillitate animi" befindet sich Serenus in einer tiefen, persönlichen Krise (Er steckt in einer Art midlife - crisis). Undzwar ist Serenus total verunsichert, wie er sein weiters Leben planen soll und welche Zielsetzungen er verfolgen soll. Am meisten beschäftigt ihn dabei die Frage, ob er sich für die Zurückgezogenheit und ein Leben im Stillen entscheiden soll, oder ob er doch lieber die senatorische Laufbahn einschlagen soll.
Gleich im 1.Kapitel gibt Serenus eine Art Selbstdiagnose ab, die sozusagen die Einleitung des Werkes bildet. Darin beschreibt er seinen seelischen Zustand eben als katastrophal. Er macht den Seneca auf seine missliche Lage aufmerksam und bittet ihn, er soll doch für ihn ein bißchen Seelenklempner ("") spielen. Er sei nämlich der einzige, der ihm seine Ausgeglichenheit der Seele wieder zurrückgeben könne.
Seneca nimmt also die Herausforderung an, den Serenus aus seiner wirren Situation herauszuführen. Eine Herausforderung ist es für ihn deshalb, weil Serenus kein besonders philosophisch ausgerichteter Mensch ist. Seneca weiß nämlich allzu gut, dass er bei Serenus mit stoischen Definitionen und Lehrsätzen alleine auf taube Ohren stößt. Stattdessen ist Serenus jemand, der die konkrete Veranschaulichung und die Praxisnähe braucht, damit ihn Senecas Ratschläge auch erreichen. Seneca verzichtet also bewusst auf allzu theoretische Abhandlungen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Senecas Lehre sich hinsichtlich ihrer Substanz ändert. Nach wie vor bleibt er seiner stoischen Überzeugung treu, nur die Art und Weise wie er seine Lehre vermittelt ist eben eine andere. Zur Veranschaulichung greift Seneca vor allem auf das "exemplum" zurück. In diesem Zusammenhang ist vor allem Cato zu nennen, den er immer wieder als Innbegriff des stoischen Weisen anführt.
Seneca verfolgt damit vor allem das Ziel, dem Serenus zu seiner inneren Freiheit zu verhelfen. Konkret heißt das, Serenus soll zur ataraxia gelangen, die in gegen die täglichen Anfeindungen und Erschütterungen resistent macht.
Im Nachhinein kann man wohl sagen, dass Senecas Bemühungen, Serenus zum "vita activa" zu bewegen, erfolgreich waren. Letztlich hat sich Serenus doch für eine politische Karriere entschieden, was wohl hauptsächlich der Verdienst von Seneca war. Aus den Briefwechseln ist außerdem bekannt, dass sich Serenus unter Senecas Einfluss vom Epikureismus zur Stoa bekehrt hat.
Noch ein paar Anmerkungen zum Titel:
Mit tranquillitas animi gibt Seneca den griech. Begriff Euthymia wider. Im Griechischen geht der Begriff in philosophischem Zusammenhang auf Demokit von Abdera (460 - 371) zurück.
Er umschreibt sie als Gleichgewichtszustand der Seele und Heiterkeit des Gemüts, vergleichbar mit der stillen Oberfläche eines Ozeans. Eine genaue philosophische Definition von tranquillitas gibt es bis heute allerdings nicht. Für Demokrit ist sie das höchste Gut, das durch die sanfte Bewegung der Feueratome gesichert wird. Bevor man eben diese tranquillitas nicht erreicht hat, ist auch keine gedankliche Einsicht und Eudaimonia möglich. Die tranquillitas animi lässt sich auch nicht durch äußere Güter oder durch sinnliche Befriedigung erreichen. Stattdessen zeigt sich "tranquillitas animi" auf vielfältige Weise:
Zum einen in der Freiheit von Affekten, außerdem in der inneren Übereinstimmung und Harmonie aller Handlungen, der Charakterfestigkeit und der kritischen Betrachtung seiner Umwelt und sich selbst.
Die gegenseitige Abhängigkeit von tranquillitas, securitas (Freiheit von Sorge),
und magnitudo animi wird von Seneca in mehreren Briefen erörtert. So z.B. in Epistel 92,3:
Darin schreibt er:
Was ist das glückselige Leben (vita beata) ? Freiheit von Sorge (securitas) und dauerhafte Ausgeglichenheit (perpetua tranquillitas). Dies wird die Folge sein von Seelengröße (magnitudo animi) und unerschütterlichem Festhalten am rechten Urteil. Wie gelangt man zu ihr ? Wenn die Wahrheit ganz erschaut, wenn im Handeln Ordnung, Maß, Schicklichkeit, uneigennütziges und gütiges Wollen (voluntas), ausgerichtet auf Vernunft und sich nie von ihr entfernend, liebens - und bewunderungswürdig zugleich, bewahrt ist. Kurzum, damit ich die Regel festlege: "So muss die Seele des Weisen sein, wie es Gott entspricht."

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