Das Schloß

Franz Kafka: " Das Schloß "
(Romanfragment, entstanden 1922, posthum 1926 auf Veranlassung von Max Brod erschienen)

Inhalt:

Spät abends kommt die Hauptfigur, der Landvermesser K., in einem Dorf an und geht in das Wirtshaus, um zu übernachten. Dort teilt
ihm der Sohn eines Schlossbeamten mit, dass das Dorf einem Schloss unterstehe, von dem er als Fremder eine gräfliche
Aufenthaltsgenehmigung benötige. K. entgegnet jedoch, dass der Graf selbst ihn angefordert habe. Dies wird in einem Telefonat mit der
Schlosskanzlei bestätigt.
Am nächsten Morgen versucht K. zum Schloss zu gelangen, um die Arbeitserlaubnis zu erhalten. Er kann das Schloss aber nicht
erreichen, wobei Kafka nur schreibt: "... wenn sich die Straße auch vom Schloss nicht entfernte, so kam sie ihm doch auch nicht näher."
Am Abend kehrt K. erschöpft in das Wirtshaus zurück und wird von zwei Gehilfen empfangen, die ihm vom Schloss zugewiesen sind,
jedoch keine Ahnung vom Vermessen haben und sich reichlich kindisch benehmen. Außer - dem erhält er durch den Boten namens
Barnabas die Nachricht des Vorstehers der Schlosskanzlei, des Herrn Klamm, er sei in die "herrschaftliche[n] Dienste [des Schlosses]
aufgenommen" und der Gemeindevorsteher sei sein unmittelbarer Vorgesetzter. Am gleichen Abend unternimmt K. einen erneuten
Versuch ins Schloss zu gelangen, landet jedoch im "Herrenhof", einem Gasthof, in dem nur Schlossbeamte verkehren. Hier lernt er das
Schankmädchen Frieda kennen und verbringt mit ihr vor dem Arbeitszimmer des Herrn Klamm eine Liebesnacht.
Den ganzen folgenden Tag verschlafen die beiden miteinander in einem Bett im Herrenhof.
Am dritten Tag sucht K. den Gemeindevorsteher auf, der ihm mitteilt, dass das Dorf keinen Land - vermesser brauche. K. bekommt
jedoch als Entschädigung die Position eines Schuldieners ange - boten. Eine Wirtin und ehemalige Geliebte Klamms erzählt K. ihre
Lebensgeschichte, die für K. wertvolle Informationen über Klamm enthält. In der folgenden Nacht entdeckt K. im Herrenhof einen
Kutscher, der auf Klamm wartet. K. hofft nun auf eine Begegnung mit Klamm, um mit ihm persönlich über seine Arbeitserlaubnis zu
sprechen. Klamm kommt jedoch nicht. Auf dem Heim - weg überbringt Barnabas K. einen Brief vom Schloss, in dem K. mitgeteilt wird,
dass man mit seiner Arbeit sehr zufrieden ist.
Am nächsten Morgen kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Frieda und K. Frieda will auswandern, um Klamm zu vergessen,
K. will aber im Dorf bleiben, um über Klamm ein Möglich - keit zu erhalten, zum Grafen zu gelangen. Nachdem K. seine Gehilfen wegen
ihres ihm lästigen Verhaltens entlassen hat, geht er am Abend zu der aus der Dorfgemeinschaft verstoßenen Familie des Barnabas. Dort
erfährt er den Grund für die Verachtung der Familie. Eine Tochter hatte sich einmal den vulgären Absichten eines Schlossbeamten
widersetzt. Als Folge dieser Gehorsamsver - weigerung gegenüber dem Schloß zog sich das gesamte Dorf von der Familie zurück. Die
Eltern unternahmen seitdem viele Bittgänge zum Schloß, die andere Tochter gab sich den Schlossbeamten als Hure hin und Barnabas
verrichtete nutzlose Botengänge.
Während des Besuchs bei der Familie Barnabas' verlässt Frieda K. und kehrt in den Herrenhof zurück. Dorthin wird K. vom
Schlosssekretär Erlanger gerufen. K. trifft im Herrenhof zunächst auf Frieda, kann sie jedoch nicht zurückgewinnen, da er ihr mit dem
Besuch bei Barnabas eine zu große Schande bereitet hat. Auf der Suche nach Erlanger dringt K. zufällig in den Raum des Sekretärs
Bürgel ein und weckt diesen aus dem Schlaf. Der Sekretär erklärt ihm, dass K. jede Bitte vom Amt erfüllt werde, da er den Beamten
aufgeweckt habe. K. dagegen schläft todmüde ein und vergibt damit diese Chance. K. wird von Erlanger geweckt, der ihm mitteilt, dass
K. Frieda für Klamm freigeben müsse. Völlig erschöpft schläft K. wieder ein.
Am nächsten Morgen spricht K. mit einem Zimmermädchen, das ihm anbietet, bei ihr zu wohnen. Hier bricht die Handlung unerwartet
ab. Laut Max Brod sollte K. am siebten Tag sterben, nachdem er vom Schloss die Nachricht erhalten hat, dass er im Dorf als
Landvermesser arbeiten dürfe.


Der Landvermesser K.:

- Reduktion der Benennung der Hauptfigur auf nur einen Buchstaben => Anonymität
- nur wenige Hintergrundinformationen über K. gegeben:
- "Weib und Kind" zurückgelassen
- nach einer "endlosen Reise" im Dorf angekommen
- ohne großen Besitz und nur ärmliche Kleidung
- im verzweifeltem Kampf zum Schloss gelassen und als Landvermesser und Dorfbewohner
anerkannt zu werden
- gegenüber allen Dorfbewohnern rücksichtslos, welche er nur nach ihrer Nützlichkeit,
ihm den Weg zum Schloß oder zu Klamm eröffnen zu können, beurteilt
- vom Dorf als "Fremder" isoliert, da er "überall im Weg ist" und "wegen dessen man immerfort
Scherereien hat..."
- fühlt sich anfangs den Dorfbewohnern und der Herrschaft des Schlosses überlegen
- am Ende jedoch der Gewalt der Vorstellungen, die man sich im Dorf vom Schloß macht, und
seiner eigenen zunehmenden Ehrfurcht vor der Bürokratie des Schlosses erlegen
- seine fortwährende Müdigkeit als ein Zeichen seines absehbaren Scheiterns
- als Landvermesser nicht gebraucht => Demonstration der Sinnlosigkeit menschlicher Existenz

"Das Schloß" als moderner Roman:

- am Ende Kapitulation eines geplagten, erschöpften und erfolglosen Antihelden, dessen Scheitern
immer wieder durch plötzlich auftretende Müdigkeit durchwegs andeutet wird
- Personifizierungen von Dingen, die an absurdem und groteskem Leben gewinnen
- "Ästhetik des Hässlichen": Darstellung von Armut, schwerer körperlicher Arbeit, Krankheit,
sozialer Missstände und von kümmerlicher bis verkommener Ausstattung der Räume
- Umgebung nur auf Belange der jeweiligen Situation hin chiffriert <=> keine ausführliche
Schilderung von Umwelt und Menschen, selbst der Hauptfigur nicht
- Nichtbeachtung des zeitlich natürlichen Tages - und Jahresablaufes
- keine Tabuisierung menschlicher Sexualität
- offener Anfang und offenes Ende

"Das Schloß" als typischer Roman Kafkas:

Hauptfigur:

- im Vordergrund des Geschehens
- unvollständiger Name
- hilflos, isoliert in auswegloser Situation

Thematik:

- aussichtslose Auseinandersetzung mit Autoritäten
- Darstellung des nach Zugang zu einer höherstehenden Macht strebenden Menschen
- Beschreibung schwieriger Verhältnisse zu Frauen

Form und Gestaltung:

- linearer Erzählaufbau
- Verwendung des Erzählerberichts in personaler Erzählweise aus der Perspektive der aufmerksam
beobachtenden Hauptperson; Zunahme der Distanz des Erzählers vom Helden mit fortlaufender
Handlung
- häufige Verwendung erlebter Rede auch in Form eines inneren Monologs
- Erzählstil der Groteske:
- unnatürliche Zeitverhältnisse
- Darstellung einer übertriebenen Bürokratie in einem kleinem Dorf
- vom Schloß zugewiesene "Gehilfen" als Hindernis für alle Aufgaben usw.
- durch endlose Reflexionen und Gespräche das ständige Bemühen des Herrn K. verdeutlicht
- häufiges Landschaftsbild: winterliche Schneelandschaft
- häufiges Stimmungsbild: vorherrschender Dunkelheit in der Natur und in Räumen
- ekelerregende Ausstattung der Räume
- offener Anfang und offenes Ende

Quellen: - Franz Kafka: "Das Schloß"; Reclam, Stuttgart 1996
- Ingeborg Scholz: Blickpunkt - Text im Unterricht: Franz Kafka: "Der Prozeß", "Das Schloß";
Beyer Verlag, Hollfeld 1996
- Kindlers Literaturlexikon, Band 19, dtv 1974

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